Freundschaftsangebot abgelehnt
Sich auf Facebook tummelnde Unternehmen werden von der Generation Y durchaus skeptisch betrachtet. Und wenn soziale Netzwerke und das Web 2.0 für das Recruiting genutzt werden, dann darf es auch menscheln. Dies sind Ergebnisse einer Umfrage unter mehr als 400 Studenten.
Die Suche nach passenden Nachwuchskräften gestaltet sich zunehmend schwieriger. Immer mehr Unternehmen sehen im Web 2.0 und in Social Media die Chance, die junge Zielgruppe anzusprechen. Schließlich ist das Internet die Heimat der sogenannten Generation Y, den in den 1980er und 1990er Jahren Geborenen. Doch ohne Bedürfnisse und Wünsche der jungen Zielgruppe zu kennen, ist der Arbeitgeberauftritt bei Facebook oder über den Videokanal YouTube zum Scheitern verurteilt. Messbare Erfolge der Mitarbeitergewinnung im Web 2.0 bleiben häufig aus.
Während Studien zwar die Chancen der neuen Netzkultur aus Unternehmenssicht beleuchten, wird die Perspektive der Zielgruppe meist vernachlässigt. Genau hier knüpft eine Studie an, die im Frühjahr 2012 online durchgeführt wurde und an der 427 Vollzeitstudierende in Deutschland teilgenommen haben. Die nachfolgend dargestellten, ausgewählten Studienergebnisse geben Anhaltspunkte, was die Vertreter der Generation Y davon halten, wenn Arbeitgeber im Web auf Nachwuchskräftefang gehen, wo sie welche Inhalte im Internet suchen und welche Konsequenzen sich daraus für das Recruiting der Unternehmen ergeben.
Selbstbewusst und fordernd
Das Credo „Erst leben, dann arbeiten“ beschreibt die Einstellung der heutigen Nachwuchskräfte treffend, wie die Studie bestätigt. So gab die Hälfte der Befragten an, dass ihr Job dafür da ist, ihr Leben zu finanzieren. Ihnen ist ein fairer Umgang zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sehr wichtig und sie möchten mit ihrem individuellen Profil aus Soft Skills und Hard Skills sowohl in der Bewerbungsphase als auch in der späteren Zusammenarbeit Wertschätzung erfahren. Oder wie es einer der Studienteilnehmer ausdrückt: „Der Arbeitgeber sollte mich als Mensch sehen und akzeptieren, nicht als Arbeitsmaschine.“
Weiter zeigen sich die befragten Studierenden deutlich loyaler, als es dem typischen Anhänger der Generation Y nachgesagt wird: 70 Prozent geben an, dass sie sich vorstellen können, zehn Jahre für den gleichen Arbeitgeber tätig zu sein, sofern ihnen ihr Job gefällt. Lediglich sechs Prozent streben kontinuierlich nach völlig neuen Herausforderungen und würden aus diesem Grund ihren Arbeitsplatz nach zwei bis drei Jahren wechseln. Zeitgleich erweisen sich die Studierenden als selbstbewusst und sind sich ihrer Leistungsfähigkeit sehr sicher: „Wir sind qualifiziertes Personal, das wertvolle Arbeit leisten kann“, erklärt ein Studienteilnehmer.
Trennung von Privatem und Beruflichem
Die am häufigsten genutzte Plattform im Web 2.0 ist das soziale Netzwerk Facebook. Mehr als zwei Drittel der Befragten loggen sich mehrmals täglich bei Facebook ein. Das von den Facebook-Nutzern meistgenannte Nutzungsmotiv ist der Austausch mit privaten Kontakten (98 Prozent). Fast zwei Drittel sehen in Facebook eine Möglichkeit, sich Zeit zu vertreiben. Ebenfalls dient Facebook häufig als Informationsquelle – sei es hinsichtlich fachlicher Themen aus Politik und Wirtschaft oder Sport- und Lifestyle-Themen. Aus Arbeitgebersicht enttäuschend ist hingegen folgendes Ergebnis: Lediglich für sieben Prozent der Befragten ist Facebook ein Kanal, der für die Jobsuche genutzt wird.
Hier schließt die Frage nach der Akzeptanz von Arbeitgeberauftritten im Web 2.0 an. Die Studie erfasste auch, inwiefern Recruitingauftritte bei Facebook, Xing, YouTube und Co. den Geschmack der jungen Zielgruppe treffen. Während 38 Prozent Arbeitgeberpräsenzen im Web 2.0 positiv bewerten, finden 50 Prozent diese nicht gut. Zudem gibt fast die Hälfte der Befragten an, dass sie Privates und Berufliches strikt trennen möchten. Gründe hierfür könnten etwaige Ängste sein, dass ein Unternehmen auf dem eigenen Profil zu persönliche Informationen findet, die bei einer Bewerbung zu einer Absage führen könnten. Da Facebook derzeit primär für den Austausch mit privaten Kontakten genutzt wird und sich viele Befragte dort nicht mit Arbeitgebern austauschen möchten, würde dies bedeuten, dass Arbeitgeber auf Facebook von einem Großteil der Befragten nicht erwünscht sind – und ein auf Recruiting ausgerichteter Unternehmensauftritt die Zielgruppe nicht im gewünschten Sinne erreicht.
Wo wird gesucht?
Wie und wo müssen also Arbeitgeber präsent sein, um die Aufmerksamkeit passender akademischer Nachwuchskräfte zu finden und diese von sich überzeugen zu können? In erster Linie muss ein Unternehmen dort vertreten sein, wo sich die Zielgruppe über Arbeitgeber und Stellenangebote informiert. Gelingt es hier, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, muss diese im zweiten Schritt in Interesse umgewandelt werden. Erst dann bewirbt sich der Kandidat im dritten Schritt. Es muss demnach unterschieden werden, wo ein Arbeitgeber offene Stellen bewerben und wo er tiefergehend über sich informieren sollte.
Abbildung 1 zeigt, dass die junge Zielgruppe für die Stellensuche lieber auf Online-Stellenbörsen (84 Prozent) oder gleich auf die Website des Wunscharbeitgebers (77 Prozent) zurückgreift, als in sozialen Netzwerken auf die Suche zu gehen. Dass Unternehmenswebsite und Karrierebereich als Informationsquelle für passende Stellen eine derart hohe Bedeutung einnehmen, lässt darauf schließen, dass ein Großteil der Befragten bereits bestimmte Arbeitgeber präferieren und gezielt auf deren Internetpräsenzen nach passenden Stellen sucht.
Abbildung 1
Wo suchen Studenten nach der passenden Stelle?

Die junge Zielgruppe greift für die Stellensuche lieber auf Online-Stellenbörsen oder gleich auf die Website des Wunscharbeitgebers zurück, als in sozialen Netzwerken auf die Suche zu gehen.
Wird nicht unmittelbar bei einem Wunscharbeitgeber gesucht, spielen Kontakte aus dem Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis sowie Hochschulevents und Empfehlungen von Professoren eine wichtige Rolle für die Stellensuche. Diese Zahlen sprechen für den Einsatz von Empfehlungsprogrammen. Hierbei machen sich Unternehmen das persönliche Netzwerk ihrer Belegschaft für die Rekrutierung neuer Mitarbeiter zunutze und belohnen eine zur Einstellung führende Empfehlung mit einer Prämie.
Wie aus Abbildung 1 ebenfalls hervorgeht, kann Social Media eher dann punkten, wenn ein Unternehmen bereits bekannt ist und man ergänzende Informationen zu einem konkreten Arbeitgeber sucht. Doch auch hier liegen die sozialen Netzwerke weit hinter der Unternehmenswebsite und Arbeitgeber-Bewertungsportalen.
Wenngleich ein Großteil der Befragten nicht über soziale Netzwerke mit Unternehmen in den Dialog treten möchte, würden 44 Prozent der Studenten per Telefon oder Mail weitere Informationen zu einem bestimmten Arbeitgeber erfragen. Wird der persönliche Kontakt zum Unternehmen gesucht, liegen demnach klassische Kommunikationswege deutlich höher in der Gunst der Studierenden als die Alternativen, die das Web 2.0 bietet.
Karriereseiten sollen seriös sein
Die richtigen Informationen am richtigen Ort vorhalten – diese Herausforderung stellt sich sowohl bei der Ausgestaltung einer Karrierewebsite als auch bei der Konzeption eines auf Mitarbeitergewinnung ausgerichteten Auftritts im Web 2.0. Um hierfür konkrete Anhaltspunkte zu erhalten, erfasste die Studie auch inhaltliche Anforderungen an eine Karrierewebsite sowie an ein Profil auf einer externen Plattform. Die Gegenüberstellung der gewünschten Inhalte in Abbildung 2 zeigt, dass die befragten Studierenden stark voneinander abweichende Vorstellungen von den gewünschten Inhalten eines Karrierebereichs im Vergleich zu den Inhalten bei einem Arbeitgeberauftritt auf einer externen Plattform haben. Während der Karrierebereich einer Unternehmenswebsite eher informativ gestaltet sein soll, darf es auf externen Web-2.0-Plattformen emotionaler sein. So finden sich unter den Top 10 der gewünschten Inhalte in einem Karrierebereich primär Informationen, Fakten und Rahmenbedingungen: Mit 96 Prozent sind Stellenausschreibungen die für die Studierenden wichtigsten Inhalte. Ebenfalls wünschen sie sich, dass im Karrierebereich die Erwartungshaltung an passende Kandidaten (91 Prozent), Details zum Bewerbungsprozess (87 Prozent), Entwicklungsperspektiven (86 Prozent) sowie Kontaktdaten von Mitarbeitern (80 Prozent) dargestellt werden. „Der Auftritt im Web … soll seriös und ehrlich darstellen, was bei der Arbeit zu welchen Konditionen verlangt wird“, bringt es ein Studienteilnehmer auf den Punkt. Die Studierenden wollen auf der Website eines Arbeitgebers auch erfahren, was ihn einzigartig macht und von Wettbewerbern unterscheidet. Sie wollen mehr erfahren über Unternehmensvision und -ziele, die Unternehmenskultur sowie über Aktivitäten im Bereich Corporate Social Responsibility. „Der Text muss sympathisch und natürlich wirken. Ich weiß ja selber, dass ich auch nicht perfekt bin, da fühle ich mich ja vielleicht schon beim Lesen der Ausschreibung unter Druck gesetzt.“ – Antworten wie diese zeigen: Ehrlichkeit und Authentizität statt Übertreibungen und Euphemismen sind auf der Website eines Arbeitgebers entscheidend. Hier zeigt sich, dass die Befragten eine klare und differenzierte Vorstellung von einem ansprechenden Karrierebereich haben.
Es darf menscheln
Damit ein Facebook-Auftritt den Geschmack der jungen Zielgruppe trifft, muss sich ein Unternehmen menschlich präsentieren und die Emotionen ansprechen. Überzeugen kann, wer mit Kreativität, Witz und Charakter auftritt. „Um dem Unternehmen auch auf Facebook zu folgen, sollten öfters auch triviale, sympathische oder halbwegs persönliche Dinge veröffentlicht werden“, erklärt ein Studienteilnehmer. Während im Karrierebereich also Sachlichkeit und Fakten gefragt sind, dürfen Mitarbeiter des Unternehmens einem Auftritt auf einer externen Plattform durchaus ein Gesicht geben und diesen emotionaler gestalten. Dies gelingt meist mit einfachen Mitarbeitervideos, die keinen Imagefilmcharakter haben. Hier ist die Mitarbeit der Fachbereiche gefragt, die mithilfe von Fotos oder Videos authentische Einblicke gewähren können.
Einen Blog, in dem Mitarbeiter berichten, wünschen sich 42 Prozent im Web 2.0, einen Bewerberchat begrüßen 31 Prozent. Erwartungen an passende Kandidaten, Entwicklungsperspektiven und Details zum Bewerbungsprozess – drei Inhalte, die auf Karrierewebsites nach Meinung der meisten Studierenden nicht fehlen dürfen – werden von der Mehrheit nicht als relevante Inhalte auf einer externen Plattform empfunden und sind die am seltensten gewünschten Inhalte.
Das Bild, das sich Interessenten von einem Arbeitgeber machen, wird nicht zuletzt auch durch die Bewertungen bei einer Bewertungsplattform beeinflusst. Um die Macht von dem in Deutschland führenden Arbeitgeberbewertungsportal kununu zu erfassen, wurde im Rahmen der Studie eine Textpassage von dem Karrierebereich der Website eines Konsumgüterherstellers präsentiert. Die Befragten sollten angeben, wie ansprechend sie das beschriebene Unternehmen finden. Anschließend wurde im Fragebogen eine sehr negative Bewertung abgebildet, die ein Mitarbeiter des Unternehmens auf kununu veröffentlicht hat. Zehn Prozent gaben an, dass sie sich ohne Nutzung weiterer Informationsquellen nicht mehr bewerben würden. Eine einzelne negative Bewertung bei kununu kann demnach dazu führen, dass eine zuvor interessierte Person von einer Bewerbung absieht. Hier können dem betroffenen Arbeitgeber wertvolle Bewerbungen von passenden Kandidaten verlorengehen.
Abbildung 2
Gewünschte Inhalte auf Karriereseite und auf externer Plattform

Die befragten Studierenden haben stark voneinander abweichende Vorstellungen von den gewünschten Inhalten eines Karrierebereichs im Vergleich zu den Inhalten bei einem Arbeitgeberauftritt auf einer externen Plattform.
Deutlich überbewertet
Das Web 2.0 und insbesondere Social Media haben die Kommunikation zwischen Unternehmen und Konsumenten grundlegend verändert und sind aus der Kommunikationsstrategie vieler Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Sicher leistet das heutige Mitmach-Web einen nicht unerheblichen Beitrag für Marketing und Vertrieb – zur Gewinnung von Nachwuchskräften, dahingehend, dass diese sich aktiv bewerben, eignen sich Web 2.0 und Social Media derzeit aber nur eingeschränkt. Auf Basis der durchgeführten Studierendenbefragung kann zwar festgehalten werden, dass das heutige Internet zum festen Bestandteil des Alltags der Generation Y gehört, die Nutzung von sozialen Netzwerken für die Berufsorientierung und Arbeitssuche jedoch in Fachliteratur und aktuellen Diskussionen deutlich überbewertet wird.
Parment, A.: Die Generation Y – Mitarbeiter der Zukunft. Wiesbaden, 2009.
Schlüter, K.: Mitarbeitergewinnung im Web 2.0 – Was die Generation Y wirklich anspricht. Berlin, 2013. Hier finden Sie die kompletten Studienergebnisse.
Stotz, W./Wedel, A.: Employer Branding – Mit Strategie zum bevorzugten Arbeitgeber. Berlin, 2009.
Autorin
Katharina Schlüter, Mitarbeiterin Marketing/PR, VRG-Gruppe, Oldenburg,
kschlueter@vrg.de
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