Ausgabe 11, Special E-Recruiting - 2014
„Das Bewusstsein für das Thema Recruiting steigern“

Helmuth Stöber
Bereits zum dritten Mal gibt die vom Wiener Career Verlag realisierte Studie „Best Recruiters“ Aufschluss über die Recruiting-Kompetenz von über 1500 Unternehmen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich in insgesamt 24 Branchen. Im Unterschied zu anderen Studien untersucht „Best Recruiters“ die Arbeit der Personalabteilungen aus der Sicht von Bewerbern. Die Personalwirtschaft hat den Studienleiter Helmuth Stöber zum Studiendesign und den Ergebnissen für Deutschland befragt.
Personalwirtschaft: Studien zum Thema Recruiting gibt es viele. Warum sollte ich mir als Personaler oder Recruiter die Ergebnisse der Best Recruiters-Studie anschauen?
Helmuth Stöber: Mir ist keine vergleichbar umfangreiche Studie bekannt, die dermaßen umfassend die Recruiting-Maßnahmen von über 1500 führenden Arbeitgebern in der D-A-CH-Region untersucht. Wir analysieren Karriere-Websites, Social Web-Kanäle, Mobile Recruiting, Online-Stellenanzeigen sowie den Umgang mit Bewerbern. Allein für Deutschland wurden mehr als 1800 Initiativbewerbungen versandt und hunderte von Telefonaten mit Personalabteilungen geführt. Das macht die Studie in ihrer Form einzigartig und die Studienergebnisse besonders aussagekräftig.
Sie postulieren als ein Kriterium für erfolgreiches Recruiting die Nähe zum Bewerber. Wie sieht es mit diesem Aspekt bei den untersuchten Unternehmen aus?
Ganz genau, die Bewerbersicht steht für uns im Vordergrund. Dieses Hineinversetzen in die Zielgruppe stellt eine erhebliche Herausforderung für Personaler und Recruiter dar und wird im Gefecht des Arbeitsalltags häufig aus den Augen verloren. Unternehmen bieten immer mehr Informationen an, gestalten innovative Karriere-Websites und postulieren Werte, doch wenn es dann darum geht, beispielsweise auf Initiativbewerbungen zu reagieren, ist die Situation paradox. Konkret: Knapp ein Viertel der versandten Initiativbewerbungen blieb vollständig unbeantwortet. Aber es gibt auch eine gute Nachricht: Jene Recruiter, die hier antworten, machen das überwiegend wirklich gut und zeigen, dass sie die Mühen der Bewerber zu schätzen wissen.
Sie wählen die Top-500-Arbeitgeber Deutschlands nach den Kriterien Umsatzstärke und Mitarbeiterstärke aus. Habe ich eine Chance, an der Studie teilzunehmen, wenn ich diese Kriterien nicht erfülle? Ist die Teilnahme an Ihrer Studie für die Unternehmen kostenfrei?
Grundsätzlich ist die Erhebung nicht mit Kosten verbunden, sofern die getesteten Arbeitgeber Teil der Stichprobe sind. Eine Anmeldung ist in diesem Zusammenhang nicht notwendig. Zudem bieten wir jenen Unternehmen, die nicht zu den Top-500-Arbeitgebern zählen, die Möglichkeit, einen Erhebungsauftrag zu stellen. Dieser ist mit 350 Euro veranschlagt, wobei dieser Betrag beim späteren Kauf des Studienberichts gutgeschrieben wird.
Da die teilnehmenden Unternehmen wissen, dass ihre Recruiting-Praxis beurteilt wird, haben sie doch die Möglichkeit, sich in dieser Zeit besonders vorbildlich zu verhalten. Wie beugen Sie dem vor?
Ich denke, dass es schon aufgrund der Studienmethodik nicht notwendig ist, vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen. Die Studie entwickelt sich laufend weiter, wodurch die erhobenen Kriterien jährlich angepasst werden und auch die Szenarien variieren. Wir verhalten uns zudem wie reale Bewerber. Somit ist die Reaktion auf unsere Zusendungen und Anrufe authentisch. Auch ist der genaue Zeitpunkt der Erhebung nicht bekannt. Der gesamte Erhebungszeitraum erstreckt sich über drei Monate. Wenn ein Arbeitgeber es also schafft, Standards zu setzen, die in diesem Zeitraum zu einem wertschätzenden Bewerberumgang führen, ist anzunehmen, dass es sich nicht nur um eine Momentaufnahme handelt. Wenn unsere Studie somit den Anstoß dafür gibt, beispielsweise eine Karriere-Website zu überarbeiten, weil hier Optimierungspotenzial besteht, ist das doch mehr als erfreulich und im Endeffekt genau das, was wir erreichen wollen. Nämlich das Bewusstsein für das Thema Recruiting zu steigern.
Sie sagen, Sie untersuchen die Recruiting-Qualität der Top-Arbeitgeber Deutschlands anhand „wissenschaftlicher Kriterien“. Wie gewährleisten Sie diese Wissenschaftlichkeit?
Bei der Bewertung der Arbeitgeber setzen wir auf die notwendige Strenge, Objektivität und Transparenz. Um die Wissenschaftlichkeit zu gewährleisten, wurde das Studiendesign in enger Kooperation mit Herrn Dr. Christoph Beck, Professor an der Hochschule Koblenz, erstellt. Dabei erfolgte ein reger Austausch zur Bestimmung der Kriterien sowie deren Gewichtung.
Laut Umfragen sind gerade der Generation Y Unternehmenswerte besonders wichtig bei der Wahl ihres Arbeitgebers. Werden diese während des Recruiting-Prozesses an die Bewerber kommuniziert?
Immerhin 46 Prozent der untersuchten Arbeitgeber führen auf den Karriere-Websites Unternehmenswerte an. Das heißt, das Bewusstsein ist zwar durchaus vorhanden, aber die bloße Kommunikation der Werte reicht der Generation Y nicht aus. Die während des Recruiting-Prozesses kommunizierte Wertewelt weist oftmals einen geringen Anspruch auf Alleinstellung auf. Ein Viertel der Arbeitgeber, die überhaupt welche nennen, führen mit dem Wert „Verantwortung“ ein und denselben Begriff an. Wie ernst kann dies seitens der Bewerber genommen werden? Wirkt ein Wert authentisch, wenn ich diesen immer und immer wieder lese? Zur Verteidigung der Arbeitgeber muss ich sagen: Die eigenen Werte zu definieren, ist wirklich eine Knochenarbeit. Immerhin sollen diese auf der einen Seite ein Differenzierungsmerkmal darstellen und andererseits dem Anspruch gerecht werden, die tatsächlich im Unternehmen gelebten Werte widerzuspiegeln. Eine Umsetzung kann nur mit der gesamten Belegschaft erreicht werden.
Das Recruiting über das Social Web wird noch nicht genügend von den Unternehmen genutzt, so ein Ergebnis Ihrer Studie. Worin sehen Sie die Gründe dafür?
Noch immer steigt die Zahl der unterschiedlichen Social Web-Kanäle weiter an. Hier die Übersicht zu bewahren, ist nicht immer einfach. Zudem muss beurteilt werden, welche Plattformen für das eigene Recruiting überhaupt geeignet sind. Es gilt: Qualität vor Quantität. Hier bedarf es einer kontinuierlichen Pflege. Stellen Sie sich das schwarze Brett einer Gemeinde vor, an dem Verlautbarungen aus dem Vorjahr ausgehängt sind. Was wäre Ihre Meinung zu diesem Auftritt? Zurück zum Social Web: Lieber ein Kanal weniger als eine interaktive Leiche im Netz.
Immerhin noch 79 Prozent der untersuchten Unternehmen praktizieren kein Mobile Recruiting. Warum sind die Arbeitgeber hier noch so zurückhaltend?
Im Umkehrschluss heißt das, dass in Deutschland immerhin über 20 Prozent dabei sind. Das sind dreimal so viele wie in Österreich und fast doppelt so viele wie in der Schweiz. Im Vergleich zu den Nachbarn ist den deutschen Arbeitgebern offenbar bewusst: Mobile Recruiting ist längst kein Trend mehr, sondern vielmehr eine Notwendigkeit. Mobile Karriere-Websites werden mehr und mehr zum Standard. Doch wie sieht es mit für den mobilen Zugriff optimierten Stellenanzeigen und mit der direkten Bewerbung über das Smartphone aus? Wir beobachten diese Entwicklungen und sind davon überzeugt, dass sie das zukünftige Recruiting maßgebend beeinflussen werden.
Wie habe ich mir das Bewerber-Feedback vorzustellen, welches Sie den Unternehmen als Zusatznutzen anbieten?
Bewerber haben bei uns die Möglichkeit, ihre Eindrücke und Erlebnisse aus Bewerbungsgesprächen mitzuteilen. Die anonymisierten Rückmeldungen stellen wir den Arbeitgebern streng vertraulich mittels eines Online-Zugriffs zur Verfügung. Durch die subjektiven Bewerbungserfahrungen können gegebenenfalls weitere Optimierungspotenziale aufgedeckt werden.
Wenn Sie die Ergebnisse der D-A-CH-Länder miteinander vergleichen: Welches Land schneidet am besten ab?
Arbeitgeber aus Deutschland setzen einen starken Fokus auf Karriere-Websites, Social Media-Präsenzen und Mobile Recruiting. Auch insgesamt betrachtet schneiden deutsche Arbeitgeber deutlich besser ab, als jene in Österreich und in der Schweiz. Dennoch zahlt sich ein Blick über den Tellerrand in jedem Fall aus. Während Schweizer Arbeitgeber sich fortschrittlicher bei der Gestaltung und Formulierung von Online-Stellenanzeigen zeigen, sind österreichische Arbeitgeber insbesondere im Umgang mit Bewerbern, also im direkten Kontakt per E-Mail oder auch telefonisch, professioneller.
Autorin
Das Interview führte Elke Schwuchow.
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