Ausgabe 11, Special SAP u. Partner - 2015
Wie Working 4.0 den HR-Bereich verändert

AREVA gehört zu den Vorreitern des digitalen Wandels im HR-Bereich. Das Unternehmen mit seinen 5000 Mitarbeitern in Deutschland hat sich bereits Anfang des Jahres vom HR Business Partner-Modell verabschiedet, die administrativen HR-Prozesse laufen weitestgehend digital und automatisch ab. Ein drastischer Wandel, den fidelis HR als HR-Dienstleistungspartner nicht nur technologisch, sondern auch als Sparringspartner begleitet hat. Peter Nünning, Vice President Human Resources bei AREVA, und Jörg John, Geschäftsführer der fidelis HR, berichten im Interview über Herausforderungen und Meilensteine auf dem Weg zu „Working 4.0“.
Personalwirtschaft: Viele Personalabteilungen stehen unter enormem Kosten- und Effizienzdruck. Sind Working 4.0. und Digitalisierung adäquate Antworten, um HR zukunftsfähig zu machen?
Peter Nünning: Durch die Digitalisierung unserer administrativen HR-Prozesse haben wir die Voraussetzungen für eine neue und effektivere Art der Zusammenarbeit bei AREVA geschaffen. Aufgrund der Vernetzung der verschiedenen Systeme verfügen wir heute über Informationen, die uns nicht nur schnellere, sondern auch fundiertere Entscheidungen ermöglichen. Aber dies alleine hätte nicht ausgereicht, um den Erwartungen an die HR-Effizienz gerecht zu werden. Daher haben wir uns als HR-Bereich kritisch hinterfragt: Welche Kernaufgaben haben wir und wie können wir diese optimal erfüllen?

Peter Nünning, Vice President Human Resources bei AREVA
Neben der Digitalisierung bestand die Antwort für uns in einer weiteren Spezialisierung der HR. Unsere HR Business Partner haben bis zu 400 Mitarbeiter über verschiedene Standorte hinweg betreut, und dies in einem heterogenen Aufgabenspektrum: Angefangen bei der persönlichen Betreuung über das Erstellen und Auswerten von Statistiken bis hin zu administrativen Aufgaben, wie zum Beispiel der Zeugniserstellung. Um diese Komplexität zu reduzieren, haben wir das Business Partner-Modell durch die spezialisierten Funktionen der HR Consultants und der HR Professionals abgelöst. Die ehemaligen HR Business Partner haben sich je nach Neigung und Qualifikation auf eine der beiden Rollen spezialisiert. Unsere HR Consultants stehen über ein zentrales Shared Service Center telefonisch und per Email bei allen Fragen rund um die HR zur Verfügung. Aufgrund ihrer Expertise können sie einen Großteil der Anfragen direkt am Telefon klären, komplexere und zeitaufwendigere Anfragen laufen über ein zentrales Ticketsystem und werden anschließend zeitnah bearbeitet. Zudem gehört die sogenannte ‚Ideenschmiede‘ zur Kernaufgabe unserer HR Consultants: Hier werden mögliche Prozessverbesserungen identifiziert und zur Entscheidungsfindung gebracht, wobei die Verbesserung nicht automatisch eine weitere Digitalisierung impliziert, sondern zum Beispiel auch gezielt die Inhalte unserer Kommunikation an die Mitarbeiter beeinflussen kann.
Unsere HR Professionals übernehmen HR-Themen, die eine persönliche Intervention erfordern, wie zum Beispiel Coachings, Rückkehrgespräche oder Moderationen zwischen Mitarbeitern und Führungskräften. Insgesamt können wir den Mitarbeitern und Führungskräften der AREVA dadurch einen optimalen HR-Support bieten. Der freie Zugang zu HR-Informationen und der Verzicht auf HR Business Partner hat zu einer spürbaren Emanzipation der Führungskräfte geführt, die nun personalstrategische Aspekte selbständig in ihre Businessplanung einbeziehen.
Jörg John: Um die Effizienz im HR-Bereich nachhaltig zu steigern und Freiraum für strategische und qualitative Personalarbeit zu schaffen, ist die Automatisierung von HR-Routineprozessen für Unternehmen heute unabdingbar. Die digitale Transformation ist jedoch kein Selbstzweck, sie ist vielmehr Pflichtaufgabe für HR und muss durch passende Konzepte in Hinsicht auf Organisationsentwicklung, Führung und Change Management begleitet werden. AREVA hat dies frühzeitig erkannt und entsprechend reagiert. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an etablierten und skalierbaren IT-Lösungsangeboten, die auch für den Mittelstand profitabel einsetzbar sind.

Jörg John, Geschäftsführer der fidelis HR
Viele unserer Kunden haben Teile ihrer HR-Prozesse bereits digitalisiert, angefangen bei der digitalen Personalakte über Workflow-Systeme, E-Recruiting bis hin zum digitalen Dokumentenmanagement. Hinsichtlich der Möglichkeiten, die sich durch Cloud-Lösungen und Big Data ergeben, beobachten wir bei vielen Unternehmen jedoch Zurückhaltung, denn die Verwaltung sensibler, mitarbeiterbezogener Daten in der Cloud erfordert eine sorgfältige Prüfung der Datenschutzanforderungen.
Worin sehen Sie den wesentlichen Vorteil digitalisierter HR-Prozesse?
Jörg John: Die Vernetzung und Zusammenführung von Daten aus unterschiedlichen Systemen erlaubt es Unternehmen, qualitativ bessere Entscheidungen zu treffen, da sie auf eine umfassende Informationsgrundlage zugreifen können. Zum Beispiel bei der Gehaltsfindung, bei der viele Faktoren eine Rolle spielen – angefangen bei der Leistung und Entwicklung des einzelnen Mitarbeiters bis hin zur Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Durch entsprechende Systemschnittstellen sind all diese Informationen digital verfügbar.
Im Entscheidungsprozess können Führungskräfte potenzielle Gehaltsentwicklungen und deren Auswirkungen auf das Gesamtbudget im System simulieren und entsprechend anpassen. Im System ist eine Bewertungsmatrix hinterlegt, die alle entscheidungsrelevanten Daten gewichtet und Vorschläge zur Gehaltsentwicklung generiert. Dies ersetzt zwar nicht die Entscheidungskompetenz der Führungskraft, bietet aber eine sehr gute Orientierungshilfe. Durch die Digitalisierung und Entlastung von administrativen Personalaufgaben bleibt dem Personaler mehr Zeit für strategische Personalarbeit und das Einbringen des fachlichen Know-Hows.
Peter Nünning: Aufgrund mangelnder Informationen neigen Führungskräfte oftmals dazu, Daten ihrer Mitarbeiter bei sich zu speichern oder entsprechende Papiere in „Zweitakten“ zu führen. Wir arbeiten derzeit daran, die notwendige Transparenz für die Führungskräfte zu schaffen und ihnen die erforderlichen Informationen über unsere Systeme zur Verfügung zu stellen. Dadurch vereinfachen wir die Zusammenarbeit zwischen den Führungskräften und HR, erhöhen aber auch die Transparenz, Datensicherheit und -qualität. Unser erstes und einfachstes Beispiel ist der Urlaubsantrag: Er wird heute vom Mitarbeiter direkt ins System eingegeben, per Workflow an die freizugebenden Stellen weitergeleitet und dann direkt in der digitalen Personalakte abgelegt. Das Urlaubsgeld wird dabei automatisch errechnet. Die Urlaubsplanung und -genehmigung ist damit jederzeit für alle Mitarbeiter und die zuständigen Führungskräfte per Mausklick transparent und unabhängig von Papieranträgen verfügbar sowie der Prozessverlauf genau nachvollziehbar.
Worin sehen Sie die größten Herausforderungen der Digitalisierung im HR-Bereich?
Jörg John: Die Digitalsierung erfordert aufgrund ihrer Komplexität Expertise und Erfahrung. Die Frage, wo die Daten und Software gehostet werden sowie Themen wie System-Performance und Ausfallsicherheit, Datenschutz, ITIL-Konformität bis hin zu Berechtigungssystemen, um unbefugte Zugriffe auszuschließen, müssen geklärt werden. Damit wir uns auf AREVA und ihre Bedürfnisse einstellen können, führen wir jährlich einen gemeinsamen Strategieworkshop durch, in dem wir geplante Entwicklungen besprechen und projektieren. Gegenseitiges Verstehen und Vertrauen sind Schlüsselfaktoren unserer erfolgreichen Zusammenarbeit.
Peter Nünning: Die eingesetzten HR-Systeme und Tools müssen sinnvoll untereinander abgestimmt werden, denn sie sind die Basis unserer personalpolitischen und administrativen Prozesse und somit ausschlaggebend für den Erfolg unserer neuen Organisationsstruktur. Zudem ist die Datenqualität ein kritischer Erfolgsfaktor.
Im Rahmen der Auslagerung unserer Entgeltabrechnung an fidelis HR wurden all unsere Stammdaten überprüft und angepasst – ein zeitintensiver, aber wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu Working 4.0. Die Auswahl eines externen Dienstleiters sollte mit Sorgfalt und Weitblick erfolgen, denn ein späterer Wechsel ist nicht nur schwierig, sondern auch teuer. Insgesamt schafft die Digitalisierung zwar völlig neue Möglichkeiten für Mitarbeiter, Führungskräfte und HR – aber auch ebenso viele Herausforderungen.
Autorin
Das Interview führte Kirsten Degner.