Ausgabe 12 - 2012
Fit und gesund in der Lebensmitte
Die beiden Energieversorger MVV Energie und RheinEnergie haben gemeinsam ein Personalentwicklungsprogramm für Mitarbeiter ab 45 Jahren aufgesetzt. Das hier vorgestellte Projekt wurde kürzlich von der Initiative Selbst GmbH mit den „Employability Award“ ausgezeichnet.
Die Personalabteilungen der Energieversorger RheinEnergie AG aus Köln und der Mannheimer MVV Energie AG initiieren bereits seit einigen Jahren unabhängig voneinander Projekte und Maßnahmen zum demografischen Wandel. Die Beteiligung der RheinEnergie an der MVV Energie 2007 war der Startschuss für regelmäßige Treffen auf verschiedenen Leitungsebenen und der Erarbeitung des gemeinsamen Personalentwicklungsprogramms „Generation M“. Ziel ist der Erhalt und Ausbau der Leistungs- und Beschäftigungsfähigkeit von Mitarbeitern ab 45 Jahren.
Generation M: Die Mitte des Unternehmens
„M“ im Programmnamen steht dabei für Zweierlei: Zum einen verdeutlicht es die umfangreichen Erfahrungswerte der Mitarbeiter, die „Mitten im Leben“ stehen. Zum anderen aber steht es für die Mitte des Unternehmens. Denn über die Hälfte der Mitarbeiter von RheinEnergie und MVV Energie sind über 45 Jahre alt. Ein Drittel der Belegschaft ist über 50 Jahre. Ziel der gemeinsamen Arbeitsgruppe der beiden Energieversorger ist es, gerade die langjährigen und erfahrenen Mitarbeiter wertzuschätzen und ihre Lern- und Veränderungsbereitschaft zu unterstützen.
Die Beteiligungszahlen von Personalentwicklungsmaßnahmen beider Unternehmen zeigen darüber hinaus eine deutliche Entwicklung: Die Teilnahme an externen und internen Weiterbildungen nimmt mit dem Alter stetig ab. Dies trifft vor allem auf die Gruppe der Experten zu. Dabei sind die Leistungsfähigkeit und die Motivation älterer Mitarbeiter verglichen mit denen jüngerer Beschäftigter nicht geringer. Vielmehr ist ein Wandel in den Kompetenzprofilen erkennbar, der bei ausreichender Berücksichtigung durch das Unternehmen die Aufrechterhaltung der Produktivität ermöglicht. Die zentralen Stärken der älteren Mitarbeiter liegen im Erfahrungswissen, im Überblick, in zeitlicher und räumlicher Flexibilität, im zwischenmenschlichen Umgang sowie in hoher Motivation und Loyalität.
Ursprung und Leitgedanke des Projektes zwischen beiden Unternehmen war von Anfang an der Erhalt und die Förderung der allgemeinen Leistungs- und Beschäftigungsfähigkeit. „Unternehmer in eigener Sache“ zu sein und die Selbstverantwortung der Mitarbeiter für die eigene sowie für die unternehmerische Fitness zu stärken – das ist die Kernphilosophie der gemeinsamen Projektarbeit.
Ähnliche Herausforderungen, ähnliche Antworten
Eine Projektgruppe, bestehend aus Mitarbeitern der Personalabteilungen beider Unternehmen, beschäftigte sich rund sechs Monate mit der Konzeption des Programms. An der Entwicklung und Durchführung waren verschiedene interne wie externe Trainer beteiligt, unter anderem auch das Institut für Prävention und Nachsorge aus Köln. Am Anfang stand die gemeinsame Arbeit der beiden Energieversorger im Mittelpunkt: Schnell war klar, dass beide Unternehmen über ähnliche Beschäftigungsstrukturen verfügen und vergleichbare Tendenzen und Arbeitsschwerpunkte in der Personalarbeit aufweisen. Zur Vergleichbarkeit und Auswertung der Projektergebnisse sollte die Durchführung in zeitlicher und inhaltlicher Dimension in beiden Unternehmen identisch erfolgen. Neben den vielen Gemeinsamkeiten wurden aber auch kulturelle Unterschiede sichtbar, die in der weiteren Konzeption und Umsetzung Berücksichtigung fanden. So stand für den Kölner Energieversorger RheinEnergie fest, dass im Rahmen der Pilotphase zunächst nur Führungskräfte angesprochen werden, um diese als Multiplikatoren für das Thema zu sensibilisieren und zu gewinnen. Bei MVV Energie wurden für das Pilotprojekt über die Bereichsleiter vor allem Mitarbeiter mit Multiplikatorenwirkung angesprochen.
Erfolgreiches Pilotprojekt
Entstanden ist ein betriebliches, modular aufgebautes Personalentwicklungsprogramm, in welchem Kernbereiche wie Gesundheit und Prävention, Bewegung und Fitness sowie Kognition und Kompetenzförderung abgebildet werden. Damit entstand ein Nutzen für Mitarbeiter und Unternehmen: Die Mitarbeiter konnten ihre Lebens- und Arbeitsqualität steigern, das Unternehmen bindet leistungsfähige Mitarbeiter und fördert sein Employer Branding.
Im Frühjahr 2012 startete das Programm zunächst als Pilotprojekt zeitgleich in beiden Unternehmen über eine Laufzeit von insgesamt drei Monaten. Die Teilnehmer absolvierten insgesamt 44 einstündige Unterrichtseinheiten. In der MVV Energie wurde zusätzlich das Modul „Berufliche Standortbestimmung“ (Beschreibung siehe unten) durchgeführt. Die Konzeption des ganzheitlich angelegten Programms sieht vor, dass alle Module in einem Wechselwirkungsverhältnis stehen, das durch das Training der verschiedenen Komponenten eine maximale Förderung der geistigen wie auch der körperlichen Leistungsfähigkeit bewirkt.
Die Methoden sind an das Lernverhalten der Altersgruppe angepasst, sodass Lerninhalte mit den eigenen Erfahrungen und einem hohen Praxisbezug verknüpft werden konnten. Zudem sollte es viel Raum für Wissens- und Erfahrungsaustausch geben. Für die Referenten bedeutete dies, einen solchen Austausch anzustoßen und zu moderieren.
Inhalte der Module
Die Teilnahme an diesem Programm war freiwillig. Damit sollte die Selbstverantwortung der Mitarbeiter für ihre Entwicklung gestärkt werden. Alle Mitarbeiter nahmen vor Beginn und nach Beendigung des Programms an einem Fitnesscheck teil, um ihren Status in den Bereichen Körperfettanteil, Koordination, Beweglichkeit, Rumpfmuskulatur und Ausdauer zu ermitteln. Die Reflexion des eigenen Gesundheitsverhaltens, der richtige Einsatz der eigenen Ressourcen und die Förderung eines persönlichen Gleichgewichts zwischen Beruf und Freizeit waren die Themen des Moduls „Gesundheitsverhalten“.
Abbildung 1
Der Aufbau des „Projekt M“

Mit seinen sechs Modulen zielt das Programm auf die Entwicklung der Mitarbeiter in den Kernbereichen Gesundheit, Prävention, Bewegung, Fitness, Kognition und Kompetenzförderung ab.
Im Modul „Körperliche Beweglichkeit“ wurden unterschiedliche Bewegungstrainings ausprobiert und deren Anwendung im Alltag besprochen. Dazu zählten Rückengymnastik, Übungen zur Muskelfestigung, Ausdauersportarten wie Nordic Walking und Gleichgewichts- und Koordinationsübungen. Im Modul „Geistige Beweglichkeit“ wurden neben Übungen zum Gehirn- und Gedächtnistraining theoretische Impulse zu kognitiven Arbeitsanforderungen diskutiert. Mit einem speziellen bewegungsbezogenen Gehirntraining wurde die geistige Fitness gefördert. In einer gleichzeitigen Abfolge von geistigen wie körperlichen Übungen werden dabei die Konzentrations- und Merkfähigkeit, die geistige Belastbarkeit und die Stressresistenz geschult. In „Gesunde Ernährung“ sensibilisierte der Referent die Teilnehmer für die richtige Ernährung, falsche Diäten und passende Lebensführung.
Nur bei MW: Die Standortbestimmung
Bei MVV Energie wurde darüber hinaus das mehrteilige Modul „Berufliche Standortbestimmung“ durchgeführt (siehe Abbildung 2). In diesem erhalten die Teilnehmer den Anstoß, sich mit ihrer beruflichen Biografie, den erworbenen Kompetenzen, beruflichen Perspektiven sowie deren Umsetzungsmöglichkeiten auseinanderzusetzen. Zwischen den Präsenzseminaren sollte die eigene Biografie in vertrauter Umgebung mit dem Lernpartner bearbeitet werden. Dabei kommt dem Lernpartner vor allem die Rolle eines Sparringspartners zu, der die Reflexion hauptsächlich mittels Fragen erleichtern und erweitern soll. Diese Tandemarbeit stärkt die Offenheit und das Vertrauen für persönliche Themen mehr als eine plenar angelegte Diskussion im Seminarraum.
Abbildung 2
Das Modul „Berufliche Standortbestimmung“

MVV Energie ermutigt seine erfahrenen Mitarbeiter zudem, die eigene berufliche Situation zu reflektieren. Ziel ist es, Stärken und Kompetenzen bewusst zu machen und Perspektiven aufzuzeigen.
Wie bei allen Personalentwicklungsprogrammen der MVV Energie steht am Programmende eine Abschlussveranstaltung mit den Teilnehmern und deren jeweiligen Führungskräften. Einerseits sollen damit die Lernessenzen und deren Anwendungsmöglichkeiten im Alltag besprochen und andererseits das Programm gemeinsam evaluiert werden. Dabei steht im Vordergrund die Frage, wie die Führungskräfte ihre Mitarbeiter unterstützen können, die Lernerfahrungen besser in den Alltag zu integrieren.
Kommunikation des Projekts
Einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg von Generation M leistete die umfangreiche Kommunikation. Ziel war es, die Führungskräfte und die Mitarbeiter für das Thema zu sensibilisieren, über Hintergründe und Inhalte zu informieren sowie die Wertschätzung für ältere Mitarbeiter deutlich zu machen. Bestandteile der Informationskampagnen:
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Bereitstellung von Informationsmaterial für Führungskräfte; Konzeptvorstellung im oberen Führungskreis und beim Personalvorstand,
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Vorstellung des Programms beim Betriebsrat – ein Betriebsratsmitglied konnte als Projektmitglied (Rheinenergie AG/MVV Energie AG) sowie als Referent gewonnen werden (MVV Energie AG),
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Persönliches Anschreiben an die auszuwählenden Mitarbeiter/innen sowie Einzelgespräche mit Teilnehmern sowie deren Führungskräften,
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Informationsveranstaltung für die angemeldeten Teilnehmer und deren Führungskräfte vor Programmstart,
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Ankündigung und laufende Berichterstattung im Intranet, in der Mitarbeiterzeitschrift sowie in einem unternehmensweiten Online-Newsletter.
Zahlreiche Teilnehmer berichten, dass sie sich heute gesünder und leistungsfähiger fühlen. Veränderungen ergaben sich im alltäglichen Verhalten. Sie nutzen häufiger das Fahrrad für den Weg zur Arbeit, stellten die Ernährung um und leben insgesamt bewusster. Der Fitnesscheck am Anfang und zum Abschluss des Programms war dafür für viele Teilnehmer ein Ansporn.
Erkenntnisse aus dem ersten Durchlauf
Die Rückmeldungen zur Standortbestimmung fielen differenzierter aus. Die Möglichkeit, sich mit den eigenen Erfahrungen und Kompetenzen auseinanderzusetzen, wurde von allen positiv beurteilt. In der Praxis war jedoch Überwindung gefragt, um über die eigenen Kompetenzen und Erfahrungen zu sprechen. Selbst das ausgesuchte Lernformat – ein Lernpartner aus der Teilnehmergruppe – half nur punktuell, dieses Hemmnis abzubauen.
Als Grund nannten die Mitarbeiter unter anderem, dass die Teilnehmergruppe sich noch nicht so gut kannte. Beim nächsten Durchgang wird diese Einschätzung berücksichtigt und die „berufliche Standortbestimmung“ an das Programmende gesetzt. Zudem wird das Modul in „Reflexionsworkshop“ umbenannt, um den von den Teilnehmern vermuteten Prüfungscharakter des Begriffs „Standortbestimmung“ zu vermeiden.
Ein zusätzlicher Nutzen besteht für die beiden Personalentwicklungen der MVV Energie und der RheinEnergie im Erfahrungsaustausch und der Halbierung der Konzeptionskosten. Die Durchführung verlief bis auf ein paar unternehmensspezifische Besonderheiten identisch, sodass die Evaluation und die Nachbereitung noch einmal wertvolle Informationen für die weitere Implementierung des Programms lieferten.
Aufgrund des Erfolgs und der internen Nachfrage wird Generation M fester Bestandteil der Personalentwicklung in beiden Unternehmen. Sowohl die Programmdurchführung als auch der „Employability Award“ halfen, das Thema „Demografie“ mehr ins Bewusstsein der Unternehmensöffentlichkeit zu rücken. Alumnitreffen mit ehemaligen Teilnehmern sollen in Zukunft helfen, die positiven Effekte des Programms aufrechtzuerhalten.
Autoren
Tanja Stenglein, Personal und Organisation/Zentrale Aufgaben, RheinEnergie AG, Köln,
t.stenglein@rheinenergie.com
Hans Peter Ludwig, Personalentwicklung, MW Energie AG, Mannheim,
hans-peter.ludwig@mvv.de
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