Ausgabe 12 - 2012
Der Arbeitsplatz ist wie ein Turnschuh
Noch scheuen zwei Drittel aller Mittelstandsbetriebe Investitionen in betriebliches Gesundheitsmanagement. Häufige Begründung: viel Organisation, viel Aufwand, viele Kosten. Stimmt nicht, meint die Techniker Krankenkasse.
Ein junges Unternehmen, das Sportartikel vertreibt, sportliche junge Mitarbeiter beschäftigt – braucht das überhaupt ein BGM? Vor dieser Frage stand kürzlich die Brooks Sports GmbH in Münster. Das Unternehmen, dessen Marken-Slogan „Run happy“ lautet, hat sich für die Arbeit eine vergleichbare Philosophie auf die Zielfahne geschrieben: „Work happy“. Wenn das aber mehr sein soll als Smileys zu verteilen, wenn Defizite ermittelt und abgestellt werden sollen, die sich auf Gesundheit, Wohlbefinden und Zufriedenheit der Mitarbeiter auswirken, bietet sich auch hier ein BGM förmlich an. Im Fall des Sportartikelherstellers galt es hierbei zunächst einmal, die altgediente Redensart zu widerlegen, nach der der Schuster immer die schlechtesten Schuhe trägt. Schließlich bewegen sich im 21. Jahrhundert mehr als 80 Prozent der Europäer weniger als 1000 Meter am Tag aus eigener Körperkraft. Noch vor Über- und Fehlernährung, spielt Bewegungsmangel die Hauptrolle bei der Entstehung vieler Zivilisationskrankheiten.
Gesunde Arbeit in gesunden Organisationen
Ein BGM hilft, die Arbeitsbedingungen und -umstände in einem Unternehmen zu optimieren. Mit dem Ziel, dass die Mitarbeiter gesund bleiben und bestmögliche Leistungen erbringen können. Es fördert systematisch die betrieblichen Rahmenbedingungen, das Wohlbefinden und die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter und damit auch die Motivation und Leistungsbereitschaft im Unternehmen. Dies basiert auf vielfacher Analyse und fundierten Nachweisen. Berechnungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) etwa haben ergeben, dass durch gezielte Präventionsstrategien 30 bis 40 Prozent aller Arbeitsausfälle vermieden werden können. BGM – das ist kein Linderungsmittel für die Mühseligen und Beladenen, für die Fußlahmen und Rückenkranken. Oberstes Ziel eines BGM ist es, eine Basis für gesunde Arbeit in gesunden Organisationen zu schaffen. Es zielt auf eine kontinuierliche Verbesserung der Organisationskultur, schafft gesundheitsfördernde und -erhaltende Arbeitsbedingungen und integriert sie in den betrieblichen Alltag.
Auch bei Brooks sollte das BGM als professionelles Instrument eingesetzt werden, um einen umfassenden, objektiven Überblick über alle gesundheitsrelevanten Aspekte zu erhalten. Und um daraus Maßnahmen und Angebote abzuleiten, mit denen Gesundheitsverhalten und Wohlbefinden optimiert werden können. Soweit zumindest die Intention. Aber wie umsetzen? Welche Vorbilder nutzen? Die Modelle der Multis sind als Blaupause für den Mittelständler wenig geeignet. Gesundheitsförderung im Mittelstand, das muss heißen: einfach, aber mit System. Mit kalkulierbarem Zeitaufwand und Kosten. Schritt für Schritt zum Ziel. Das geht nicht ohne professionelle Hilfe. Da kam das Programm der TK gerade recht.
In fünf Schritten zur Umsetzung
Der Vorteil des Programms: Unternehmen können mit ihm in fünf Schritten sehr schnell in die Umsetzung kommen. Am Anfang ein Gespräch zwischen einem Berater der TK und der Geschäftsleitung (1). Durch dieses soll die gesundheitliche Belastung der Mitarbeiter ermittelt werden. Danach werden mindestens sechs bis acht Mitarbeiter mithilfe eines standardisierten Fragebogens zur gesundheitlichen Situation am Arbeitsplatz befragt (2). Die Ergebnisse werden anonym ausgewertet (3), aufgearbeitet und in Form eines Gutachtens persönlich präsentiert (4).
Bei ausreichenden Datenmengen erfolgt dies sogar im Benchmark zu anderen Betrieben.
Aus den Ergebnissen der Analyse lassen sich daraufhin Empfehlungen ableiten, mit welchen Maßnahmen die Gesundheitssituation im Unternehmen optimiert werden kann. Je nach Handlungsbedarf werden konkrete Handlungspläne erarbeitet – und individuell auf das Unternehmen abgestimmt (5). Das Angebot reicht von Zuschüssen für Präventionskurse über Projektberatung bis hin zur Unterstützung beim BGM-Aufbau.
Auch Gesundheitskurse für Mitarbeiter und Coachings für Führungskräfte gehören zum Programm.
Also kam Ende 2011 eine TK-Gesundheitsberaterin zu Brooks und führte Einzelbefragungen durch. An einem Tag befragte sie Mitarbeiter aus verschiedenen Fachabteilungen und Positionen, mit unterschiedlicher Betriebszugehörigkeit und unterschiedlichem Ausbildungsstand, mit und ohne gesundheitliche Einschränkungen. Quer durch die Bank. Das Ergebnis: Wirkliche Defizite waren nicht auszumachen, dafür ein Plus für das Betriebsklima, ebenfalls ein wichtiger Bestandteil eines gesunden Unternehmens: Denn Fragen zur Hilfsbereitschaft im Team, Verlässlichkeit im Umgang mit Führungskräften und zur Vertrauenskultur im Unternehmen wurden mit hundertprozentiger Zufriedenheit beantwortet.
Prävention ist der beste Weg
Für Brooks kein Grund, das Thema BGM wieder in der Schublade zu versenken. Denn eigentlich ist es mit dem Arbeitsplatz wie mit den Laufschuhen – die müssen auch immer mal wieder angepasst werden, damit der Sportler gesund läuft, motiviert ist und Leistung erzielt. Was also tun, damit es auch am Arbeitsplatz so positiv bleibt? Am besten agieren Firmen präventiv, greifen auf Themen wie Rücken, Stress und Ernährung zurück, bei denen sich Vorbeugung lohnt.
Darum ging Brooks auch eine Kooperation mit dem in Münster ansässigen Zentrum für Sportmedizin (ZfS) ein und bietet nun spezielle Angebote für seine Mitarbeiter im Bereich Stressbewältigung und Rückenschule an. Im Juni 2012 wurden darüber hinaus zwei Informations-Veranstaltungen durchgeführt, bei denen die Brooks-Mitarbeiter konkrete Tipps rund um das Thema „Gesunde Ernährung“ erhielten. Und das ambitionierte Unternehmen arbeitet weiter daran, seinen Anspruch mit Leben zu füllen: „Work happy“.
Über die Brooks Sports GmbH
Brooks produziert und vermarktet Laufschuhe, Laufbekleidung, Laufaccessoires. In den USA ist das Unternehmen seit 2011 Marktführer in der Laufbranche. Die Brooks Sports GmbH ist die EMEA-Zentrale und sitzt im westfälischen Münster. In 2011 erzielte man einen Umsatz in Höhe von 38,5 Millionen Euro, lieferte in 23 Länder und beschäftigte europaweit 70 Mitarbeiter. Die Mitarbeiterzahl am Standort Münster stieg seit 2002 von 20 auf über 50.
Autoren
Gerhard Mahltig, Referent für Gesundheitsmanagement, Techniker Krankenkasse, Hamburg,
gerhard.mahltig@t-online.de
Ute zur Nieden, Human Resources Manager, Brooks Sports GmbH, Münster,
ute.zur.nieden@brooksrunning.de
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