Ausgabe 12 - 2013
Die Papierberge schrumpfen
Die Digitale Personalakte nimmt seit Jahren stetig, aber immer noch langsam an Fahrt auf. Wer sie im Einsatz hat, weiß, welche vielfältigen Vorteile sie bringt.
Nach einschlägigen Untersuchungen gehen circa 15 Prozent der Arbeitszeit in Unternehmen für das Suchen von Dokumenten verloren. 74 Prozent der verfügbaren Zeit und des investierten Geldes versickern in den allermeisten Unternehmen noch in Dateneingabe, Prozesskoordination und Nacharbeiten an Dokumenten und Prozessen. Im Verlauf eines Mitarbeiterlebens sammeln sich circa 150 Blatt Papier (etwa ein Kilo) in der Akte jedes Mitarbeiters an, die bei mit 65 ausscheidenden Mitarbeitern bis zu deren 75sten Lebensjahr aufbewahrt werden müssen.
Laut Siemens kostet eine Papierpersonalakte jährlich circa 30 bis 35 Euro. Die wesentlichen Kostenfaktoren dabei sind Ablage- und Rechercheaufwand, Pflege, Versand, Nachverfolgung, Umorganisationen, Ausgliederungen und Infrastrukturkosten (Raumkosten, Schränke, Ordner et cetera). Und das Einsparpotenzial bei der Digitalisierung dieser Akten liegt, so Untersuchungen der Dresdner Bank, HDI, der Lufthansa und Siemens, bei bis zu 30 Prozent.
Erwachsen geworden
Wer noch konventionelle Personalakten einsetzt, weiß, wie umständlich sie oft zu handhaben sind. Zum Beispiel, wenn die Akte von mehreren Personen im Betrieb gleichzeitig eingesehen werden will: lange Laufzeiten – insbesondere bei dezentralen Unternehmensstandorten – und damit hohe Versandkosten und verzögerte Verfügbarkeiten. Hinzu kommen immer größere Archive und Ablagesysteme, gegebenenfalls mehrfaches Anfertigen von Kopien einzelner Belege.
Längst ist die DPA zum Dokumentenmanagement-System herangewachsen beziehungsweise Teil eines solchen Systems geworden. Heute werden darüber Workflows automatisiert und Prozesse gesteuert, über Portalfunktionen Urlaubsanträge genehmigt, Bescheinigungen angefordert und ausgestellt, Entgeltabrechnungen zur Verfügung gestellt, Zeugnisse erstellt und vieles mehr. Und: Der Zugriff auf die Daten kann über Rollen gesteuert werden. Such- und Versandzeiten entfallen, auf alle Dokumente lässt sich von überall aus zugreifen, Kosten für immer größer werdende Lager entfallen. „Wer heute über die Digitale Personalakte spricht, der denkt in der Regel weit über das Thema Archivierung hinaus“, bestätigt Dr. Martin Grentzer, Vorstand der aconso AG in München. „Denn es geht vor allem um Prozesse und Workflows, die in Verbindung mit Mitarbeiterdokumenten abgebildet werden.“ Ein konsequenter Entwicklungsschritt ist dann das Zusammenlegen aller im Unternehmen anfallenden HR-Dokumente an einem Ort, ist der Dokumenten-Experte Grentzer überzeugt. „Beispielsweise bringen wir in Kürze das aconso Dashboard auf den Markt“, kommentiert Grentzer diese Vision, „bei der wir diese Idee umsetzen. Dort stehen alle mitarbeiterrelevanten Dokumente in einer Oberfläche zur Verfügung. Workflows und individuelle Freigabeprozesse stellen sicher, dass das Handling wichtiger Personaldokumente optimiert und beschleunigt wird. Ein weiterer Trend ist die Speicherung und Erstellung von Dokumenten in einer kontrollierten und hochsicheren Cloud-Umgebung; diese kann schnell bereitgestellt und in Betrieb genommen werden – das ist Dokumentenmanagement von morgen.“
Rechtliche Vorgaben einhalten
Selbstverständlich müssen bei der Einführung der DPA neben technischen Sicherheitsvorkehrungen auch alle rechtlichen Vorgaben eingehalten werden. Um Ärger mit Behörden zu vermeiden. Hier sind die entsprechenden Paragraphen des Bundesdatenschutzgesetzes genauso zu beachten wie die Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU), der Abgabenordnung (AO), die Grundsätze ordnungsgemäßer DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS) und die Zivilprozessordnung (ZPO).
Tipp: Die Vernichtung der Papieroriginale nach der Verscannung sollte grundsätzlich erst nach einer Qualitätskontrolle und einem Backup der digitalen Daten vorgenommen werden. Nicht vernichtet werden sollten Kündigungen des Arbeitsvertrages (nach § 623 BGB), Versicherungspolicen, Ausbildungsverträge und Pfändungsunterlagen, Zeugnisse (gemäß § 630 BGB und § 109 GewO) und Personal-Dokumente, für die durch Tarifverträge Schriftform bestimmt ist. Da die meisten Rechtsstreite im Personalumfeld allerdings vom Arbeitnehmer ausgehen, besitzt dieser seine Originale im Normalfall in Papierform und kann sie deshalb im Bedarfsfall zur Verfügung stellen. Eine Vielzahl von Nutzungsmöglichkeiten prägt heute den Einsatz der Digitalen Personalakte. Die folgenden Beispiele geben einen Einblick in die Praxis dieses Allzweckwerkzeugs.
Aus der Praxis für die Praxis
In der Beckhoff Automation GmbH, einem Spezialisten für Automatisierung innerhalb der Beckhoff-Gruppe, ist die Entgeltabrechnung für monatlich mehr als 1250 Mitarbeiter durchzuführen. Julia Buschmann, eine der beiden Lohnbuchhalterinnen im Unternehmen, kommentiert die spezielle Situation: „In der Unternehmensgruppe erstellen wir für insgesamt über 1900 Mitarbeiter die Abrechnungen und verwalten die Personalakten. Vor allem die Ablage nahm bei unserer Mitarbeiterzahl viel Zeit in Anspruch und war kaum noch zu bewältigen.“
Das musste sich laut Julia Buschmann ändern. In der Digitalen Personalakte von Hamburger Software, die sich laut Abrechnungs-Expertin Buschmann leicht in das bestehende Personalwesen-Programm desselben Herstellers integrieren ließ, werden seither alle mit der darüberliegenden Personallösung erzeugten Dokumente wie Abrechnungen, Meldungen zur Sozialversicherung und Lohnsteuerbescheinigungen automatisch verschlagwortet und in die entsprechende digitale Personalakte abgelegt.
Eingehende Papierdokumente sammeln die beiden und scannen diese wöchentlich ein. Gleichzeitig präparieren sie die Papierakten zum nachträglichen Scannen durch einen externen Scandienstleister und spielen die fertigen Daten dann ebenfalls in die Digitale Personalakte ein. Laut Julia Buschmann konnten durch die Einführung der Digitalen Personalakte die Prozesse in der Lohnbuchhaltung stark optimiert werden: „Es ist toll, dass wir über eine Arbeitsoberfläche ohne Umwege auf die personalrelevanten Prozesse und die in der Digitalen Personalakte abgelegten Daten zugreifen und mit diesen arbeiten können.“
Jens Dietrich ist in der IRLE Group, einem Produktionsunternehmen in der Eisen- und Stahlindustrie, für die IT zuständig. Dort führte man vor einigen Jahren das DMS von Docunet zunächst für das Management der Personalakten ein. Der Aufwand zur manuellen Bearbeitung von Personaldaten und -akten war so hoch geworden, dass man an einer elektronischen Lösung nicht mehr vorbeikam.
Steigerung der Auskunftsfähigkeit
Immerhin mussten und müssen monatlich insgesamt circa 3000 neue Dokumente im digitalen Archiv abgelegt werden.
IT-Leiter Dietrich erinnert sich: „Für die verschiedenen Dokumentenarten haben wir unterschiedliche Aufbereitungsprozesse definiert, in denen anhand von Schlüsselbegriffen wie der Personalnummer relevante Informationen, etwa Beträge oder Zeitangaben, zur Indexierung verwendet werden.“ „Die Konfiguration der Lösung ist für uns gleichermaßen intuitiv wie transparent“, erklärt Dietrich. „Das eröffnet uns die Möglichkeit, selbst aktiv zu werden und schnell auf Änderungen in Geschäftsprozessen zu reagieren.“ „Das System, das wir nun auch in anderen Bereichen einführen, bedeutet eine enorme Erleichterung und Vereinfachung für alle Mitarbeiter, die mit diesem System arbeiten“, so Dietrich. Seine Kollegin, Andrea Scheffel, Leiterin des Personalwesens im Unternehmen, ergänzt: „Unsere Auskunftsfähigkeit ist gestiegen, und wir können Informationen wie Bewerbungsunterlagen deutlich schneller verteilen sowie schneller auf Anfragen reagieren. Ein Ergebnis, das Unternehmensführung und Mitarbeitern gleichermaßen zugutekommt. So erhalten beispielsweise zugriffsberechtigte Geschäftsführer von Tochterunternehmen auf Knopfdruck ausgewählte Personaldokumente, wo früher Papierkopien angefertigt und per Briefpost oder Fax versandt werden mussten.“
Unerwarteter Nebeneffekt
Auch beim Motorpresse Verlag in Stuttgart wollte man die bisherige papierne Personalakte ablösen und dadurch unter anderem eine Vereinfachung und Beschleunigung der HR-Prozesse sowie eine Verkürzung der Zugriffszeiten im Haus erreichen. Im Verlauf der Projektumsetzung, bei der das Unternehmen auf den Anbieter Persis setzte, mussten unter anderem insgesamt circa 140 000 Dokumente extern gescannt werden; jährlich fällt der Scan von circa 12 000 Dokumenten an. Für Thomas Fischer, den Leiter der Entgeltabrechnung und der HR IT-Systeme im Verlag, hat sich die Umsetzung, trotz anfänglicher Zurückhaltung der Mitarbeiter, die künftig mit dem System arbeiten mussten, gelohnt. „Unsere anvisierten Ziele konnten, nach Beseitigung einiger Kinderkrankheiten, alle umgesetzt werden“, bestätigt der Abrechnungs- und IT-Experte. „Wir haben aber durch das System zusätzlich etwas erreichen können, woran wir zunächst gar nicht dachten“, so Fischer zufrieden. „Bei Betriebsprüfungen können wir die Arbeit der Prüfer durch die Sichtkontrolle der Dokumente im System erheblich vereinfachen. Das bringt neben den erreichten Zielen zusätzlich die Gewissheit, dass wir auch gegenüber offiziellen Stellen offensichtlich auf der sicheren Seite sind.“
Mitarbeiter leichter finden
Im bfz (Berufliche Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft gGmbH), einem Unternehmen der bbw-Gruppe, bringt die elektronische Personalakte von aconso laut Personalleiterin Edeltraud Papadopulos enorme Vorteile in einem ganz speziellen Bereich: „Unsere Unternehmensgruppe, mit 30 Gesellschaften in Bayern an 28 Standorten mit mehr als 150 Neben- und Außenstellen, aber auch in anderen Bundesländern und im Ausland vertreten, wächst weiter. Um mit diesem Wachstum mithalten zu können, benötigen wir ständig neue, unterschiedlichst qualifizierte Mitarbeiter, die aber nicht immer so leicht zu finden sind. Seit wir die elektronische Personalakte mit der Möglichkeit zur Volltextrecherche einsetzen, sind wir in der Lage, durch die Eingabe von Qualifikationskriterien, die digitalisierten Akten aller unserer 6000 Mitarbeiter zu durchforsten und in kurzer Zeit die herauszufiltern, die diesen Kriterien entsprechen. Damit ersparen wir uns das früher sehr aufwändige Suchen und Durchforsten papierner Personalakten und können die offenen Stellen – sofern die passenden Mitarbeiter vorhanden sind und die das auch wollen – viel schneller besetzen als früher.“
Nur ein Blick in die Glaskugel?
Wenn HR-Experte Thomas Eggert, Mitglied der Geschäftsführung des Berliner Personal- und Scandienstleisters Begis, über die Zukunft in Unternehmen nachdenkt, wird nach seiner Ansicht die Veränderung bisher fester starrer Abläufe in den Unternehmensstrukturen durch die zunehmende Verbreitung immer offener Arbeitsformen eine der großen Herausforderungen sein: „Deshalb werden Unternehmen sich immer mehr mit IT-gestützten und sicheren Lösungen beschäftigen müssen, die Workflows über Standortgrenzen hinweg unterstützen, ob in Filialen, in Tochterunternehmen im In- und Ausland oder am Arbeitsplatz zu Hause.
Das betrifft auch originäre Personalaufgaben, beispielsweise wenn es um die Suche nach und das Handling von geeigneten Bewerbern geht, um Stellenbesetzungen, Mitarbeiterbewertungen und mehr.
Auf die Frage, wie die Zukunft der DPA konkret aussehen könnte, weiß Persis Online-Geschäftsführer Dirk Linn eine Antwort: „Historisch betrachtet, waren Personaldaten immer besonders schützenswert – und sie sind es auch heute noch. „Allerdings“, ergänzt er, „ändert sich das Bewusstsein im Umgang mit diesen Daten. Wenn heute jemand in einem privaten oder beruflichen Sozialen Netzwerk seinen Lebenslauf, seine Zeugnisse und andere beruflich relevante Zertifikate hinterlegt, dann hat diese Person faktisch die Eignerschaft an seiner eigenen digitalen Personalakte.“ Linn: „Er kann dann, über gezielte Zugriffssteuerung bei Anfragen von potenziellen Arbeitgebern, bestimmte Daten freigeben – oder nicht. Besonders interessant für Arbeitgeber, die zunehmend zum aktiveren Teil im Bewerbungsprozess übergehen, ist in diesem Zusammenhang auch das Freundes- und Bekannten-Netzwerk des Kandidaten, das dieser im Netz zur Einsicht freischalten kann.“
Autor
Ulli Pesch, freier Journalist, Heimstetten
Einführung der digitalen Personalakte
Wer die Digitale Personalakte einführen will, der sollte Folgendes im Vorfeld klären:
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Produktanforderungen definieren (zum Beispiel einfache Bedienung, Workflow-Komponenten für Ablage, Wiedervorlage, automatisches Protokollieren aller Vorgänge, Leitungskapazitäten für dezentralen Zugriff, Einbindung in Mitarbeiterportal et cetera)
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Geeignetes Produkt auswählen
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Erstellen einer Wirtschaftlichkeitsanalyse (zum Beispiel, wie viel Speicherkapazität langfristig erforderlich ist)
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Erstellen eines Einführungskonzepts
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Definition der Inhalte des Archivs
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Definition des Inhalts der digitalen Personalakte
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Klärung der Frage der Vorbereitung der Originaldokumente zum Scannen (Aufwand circa 30 Minuten pro Akte)
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Klärung über Verbleib der Originaldokumente
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Klärung der Aufbewahrungsfristen
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Abschluss einer Betriebsrats-Vereinbarung
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Freigabe durch den Datenschutzbeauftragten
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Definition der Benutzerrechte bis auf Dokumentenebene
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Implementierung und Integration in bestehende HR Prozesse und -Lösungen (zum Beispiel Bewerbermanagement, Personalentwicklung) möglich?
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Sicherstellung der Revisionssicherheit
- Zu früh gefreut
- Personalvorstand als Frauendomäne?
- Die unterschätzten Fertigungseliten
- „Der Technologie-Push muss einen Mitarbeiter-Pull erzeugen“
- Am Puls der Wertschöpfung
- Arbeitswelt im Wandel
- Wertewandel dringend erforderlich
- Klare Aufgabenverteilung
- Die Papierberge schrumpfen
- Agile Administration für verteilte Standorte
- Wissensarbeit löst Hierarchien auf
- Wer rastet, der rostet
- Gehalt und Karriere locken Wechselwillige
- Vom Follower zum Bewerber
- Kulturarbeit bringt Wertschöpfung
- Sieben Schritte bis zur Lösung
- Die Veränderung in Form gebracht
- Virtuelle Heimat
- Strategic Workforce Planning für alle
- Analysieren, optimieren, investieren
- Wenn der Staat mitmischt