Ausgabe 12 - 2014
Mehr Frauen in Führungspositionen
Gender Diversity ist ein Erfolgsfaktor für Unternehmen. Viele Arbeitgeber unterstützen ihre Mitarbeiterinnen mit einer individuellen Förderung, um mehr Frauen in Fachkarrieren und Führungspositionen zu bringen. Der TÜV Rheinland hat zu diesem Zweck ein erfolgreiches Mentoring-Programm für Frauen umgesetzt.
In Zeiten von Fach- und Führungskräftemangel wenden immer mehr Unternehmen den Blick nach innen, um die Potenziale ihrer Beschäftigten besser zu erkennen, zu entwickeln und die gut qualifizierten, motivierten Mitarbeiter an sich zu binden. Mehr als die Hälfte der Firmen in Deutschland fördert ihre Mitarbeiter mit Coaching oder Mentoring-Angeboten. Gut 50 Prozent bieten eine individuelle Karriereplanung an, und immerhin ein Drittel nutzt Potenzialanalysen, um Talente für Fach- oder Führungskarrieren zu identifizieren (siehe Abbildung 1).
Abbildung 1
Einsatz von Instrumenten zur Mitarbeiterförderung

Mehr als die Hälfte der Arbeitgeber bietet individuelle Karriereplanung an. Je größer der Betrieb ist, desto eher werden Förderinstrumente eingesetzt. Befragt wurden 1561 Unternehmen im Frühjahr 2013.
Besonders Förderprogramme für Frauen werden immer wichtiger, wenn es darum geht, bei der Neubesetzung von Stellen die Ressourcen innerhalb der Belegschaft voll auszuschöpfen. Einer Umfrage des Deutschen Führungskräfteverbandes (ULA) zufolge ist man bei der Chancengleichheit von Männern und Frauen in Deutschland auf einem guten Weg. Demnach gelingt es drei von vier Firmen, die Potenziale von Frauen zu erkennen und zu nutzen. Inzwischen formulieren vier von zehn Unternehmen Gender Diversity als Unternehmensziel. Allerdings wünscht sich die Hälfte der Führungskräfte noch mehr Unterstützung von ganz oben bei der Umsetzung von Chancengleichheit (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2
Anteil der befragten Führungskräfte, die den folgenden Aussagen zugestimmt haben:
Chancengleichheit und Gender Diversity als Führungsaufgabe

Drei Viertel der Unternehmen erkennen und fördern Frauenpotenziale. Befragt wurden 1250 Führungskräfte im Oktober 2013.
Mentoring als Förderinstrument
Zu den erfolgreichsten Instrumenten der Frauenförderung zählt das Mentoring. Junge Nachwuchskräfte profitieren hier unmittelbar vom Erfahrungswissen, von der Feedback-Kompetenz und von den Netzwerken ihrer Mentorinnen und Mentoren. Der TÜV Rheinland hat daher im vergangenen Jahr ein Förderprogramm für Frauen initiiert: Das „TÜV-Mentoring-Angebot für künftige Fach- und Führungsfrauen“, kurz TAFF, startete im Oktober 2013 mit der Bildung der Mentoring-Paare. Die Maßnahme fand im Rahmen des vom Bundesministerium für Arbeit geförderten Projekts EXIST-ING statt, einer Exzellenz-Initiative für mehr Frauen in Führungspositionen, die das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) gemeinsam mit dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI) durchführt. Das IW hat den TÜV Rheinland bei seinem zwölfmonatigen Programm begleitet, beraten und das Mentoring-Projekt evaluiert.
Beim Startworkshop im Oktober 2013 dankte Thomas Biedermann, Personalvorstand des TÜV Rheinland, seinen Führungskräften dafür, diese zusätzliche Aufgabe übernommen zu haben und dem Konzern damit einen wichtigen Dienst erwiesen zu haben. Er ermunterte die Mentees, sich selbstbewusst dafür einzusetzen, dass dieses Instrument auch gegen mögliche Widerstände platziert wird.
Wie erfolgreich ein derartiges Programm werden kann, zeigen die Erfahrungen anderer Industrieunternehmen wie Bosch oder Daimler, die schon auf viele erfolgreich durchgeführte Mentoring-Jahrgänge zurückblicken können. Diesen Unternehmen gelang es damit, den Anteil von Frauen in Führungspositionen erheblich zu steigern – ein schwieriges Unterfangen in Industriebetrieben, in denen der Frauenanteil an der Belegschaft mit meist 20 Prozent oder weniger sehr gering ist.
Intensiver Matching-Prozess
Hoffte man beim TÜV Rheinland zu Beginn auf fünf bis sechs Mentoring-Paare, so konnten auf Anhieb 25 Tandems zusammengebracht werden – ein großer Erfolg. Ausgangspunkt war ein intensiver Findungsprozess, das sogenannte Matching, das Mitarbeiter mit einem größeren Alters- und Hierarchieunterschied und aus verschiedenen Bereichen zusammenbrachte. Die Mentorinnen und Mentoren waren Geschäftsleiter einer der zahlreichen TÜV-Gesellschaften oder Bereichs- und Abteilungsleiter in der Konzernzentrale. Bei den Mentees handelte es sich um Ingenieurinnen, Wirtschaftswissenschaftlerinnen oder Informatikerinnen. Trotz der zahlreichen Unterschiede musste die Chemie zwischen beiden Seiten stimmen, damit ein Vertrauensverhältnis entstehen konnte.
In sogenannten Profildatenblättern hatten die interessierten Mentees genau beschrieben, welche Ziele sie innerhalb der Fördermaßnahme verfolgen möchten, wie sie diese erreichen wollen und in welcher Lebenssituation sie sich befinden. Denn für einen Mentor ist es beispielsweise wichtig zu wissen, ob seine Mentee alleinerziehende Mutter ist oder ob sie einen Angehörigen pflegt. Auch die Mentorinnen und Mentoren hatten ihr persönliches und berufliches Profil genau beschrieben. Beide Seiten unterzeichneten dann eine Vereinbarung, mit der sie sich verpflichteten, bestimmte Rahmenbedingungen einzuhalten. Das gab dem Ganzen eine noch höhere Verbindlichkeit. Gleichzeitig gehörte zu dem Projekt auch ein Programm mit Beratungsgesprächen und Treffen der Mentees und der Mentoren untereinander sowie der Tandems gemeinsam, um ihre Erfahrungen auszutauschen. Zusätzlich konnten die Mentees an Workshops zu Verhandlungsmanagement, Kommunikationstraining oder zum Aufbau von Resilienz teilnehmen.
Die Mentoring-Paare trafen sich alle vier bis sechs Wochen persönlich und hatten zusätzlich Kontakt per E-Mail oder Telefon. Bei schwierigen Entscheidungen oder Konflikten holten die Mentees tagesaktuell den Rat ihrer Mentorin oder ihres Mentors ein. Natürlich mussten sie ihre Entscheidungen selbst treffen und begründen, aber die Unterstützung durch den Mentoring-Partner bei der Entscheidungsfindung beschrieben alle Mentees als sehr anregend, perspektivreich und nützlich.
In den begleitenden Beratungsgesprächen mit dem IW Köln und im Erfahrungsaustausch sagten beide Seiten schon nach einigen Monaten, dass das Mentoring-Verfahren sie weiterbringe. Die Mentees schätzten vor allem das professionelle Feedback in einem geschützten Raum, sie gewannen an Mut und Selbstvertrauen und erwarben zahlreiche Erkenntnisse über sich und ihr Verhalten. Die Mentorinnen und Mentoren freuten sich darüber, wie sehr angehende Fach- und Führungskräfte von ihrem Erfahrungswissen profitieren konnten. Viele Mentoren hatten in jüngeren Jahren selbst von einem Ratgeber oder Förderer profitiert, auch wenn es sich damals nicht um ein systematisches Verfahren handelte und nicht Mentoring genannt wurde.
Wichtig auf Seiten der Mentees war es zu erkennen, dass sie eine vermutlich einmalige Chance erhielten, sich weiterzuentwickeln. Das Projektteam verdeutlichte ihnen, dass sie alle Aktivitäten steuern sollten, wie beispielsweise Termine vorschlagen und vereinbaren, Ziele entwickeln und gemeinsam festlegen, den Mentoring-Fahrplan schreiben und die Erfolge dokumentieren. Den Mentorinnen und Mentoren riet das Projektteam gleich zu Beginn, die Teilnehmerinnen aus ihrer Komfortzone zu holen und Erwartungen an den Gesamtprozess so genau wie möglich zu formulieren.
Evaluation des Mentorings
Die Mentees lernten in dem Förderprogramm ihre eigenen Stärken besser kennen und schätzen, setzten sich genauere Ziele oder stellten sich strategisch besser auf. Sie stärkten ihre Führungskompetenz, ihr Kommunikationsverhalten und vertieften ihre Feedback-Fähigkeiten, so die Erkenntnisse aus der Evaluation des Gesamtprozesses durch das IW Köln. Der Matching-Prozess verlief sehr erfolgreich: Die Mentorinnen und Mentoren verfügten meist über deutlich mehr Lebens- und Berufserfahrung als ihre Schützlinge, standen zwei bis drei Hierarchiestufen über ihnen und hatten keinerlei Arbeitsbeziehung zur Mentee, damit sie neutral beraten und Feedback geben konnten und die Mentee sich ihnen ohne Bedenken anvertrauen konnte. Die Mentees waren in der glücklichen Lage, dass die Mentorinnen und Mentoren, die sich für das Pilotprojekt gemeldet hatten, fast allesamt gestandene Führungspersönlichkeiten sind, die sehr gut zuhören und Feedback geben können.
So erstaunt es nicht, dass sich die Mentoring-Tandems im Evaluationsprozess allesamt begeistert äußerten. Sie beschrieben ihr Engagement durchweg als ein motivierendes Erlebnis, von dem sie persönlich und beruflich profitiert haben. Als verbesserungswürdig stuften sie die Kommunikation über den gesamten Konzern hinweg ein. Sowohl die regionalen Personalverantwortlichen als auch die Personalentwickler in den Konzerntöchtern, aber auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nicht im Headquarter in Köln sitzen, seien über dieses Mentoring-Angebot nicht ausreichend informiert gewesen.
Der Nutzen für das Unternehmen
Für den TÜV Rheinland wird sich das Mentoring-Projekt als ein Erfolgsfaktor beim Erreichen eines großen mittelfristigen Zieles erweisen. Denn nach seiner „Strategie 2017“ will der TÜV Rheinland zu fast dop-
pelter Größe expandieren: Die Anzahl der Beschäftigten soll sich von 17 000 im Jahr 2012 auf 32 000 bis 2017 erhöhen. Dazu sollen mehr Frauen Führungspositionen übernehmen und Mitarbeiter zu ausgewiesenen Experten und Wissensmultiplikatoren auf ihrem Fachgebiet werden, also Fachkarrieren anstreben. Beides greift das Mentoring-Projekt auf.
Dass sich dies auch betriebswirtschaftlich lohnt, zeigt das IW-Personal-Panel aus dem vergangenen Jahr: 90 Prozent der Unternehmen, die für einen Großteil ihrer Beschäftigten Coaching oder Mentoring anbieten, fanden für alle neu zu besetzenden Führungspositionen interne Kandidatinnen und Kandidaten. Von den Unternehmen, die ihre Führungspositionen ausschließlich mit externen Kandidaten oder Kandidatinnen besetzt haben, boten nur fünf Prozent Coaching oder Mentoring an. Wer solche Förderinstrumente einsetzt, spart also Kosten für das Recruiting und die Einarbeitung in das Unternehmen.
Chancengleichheit als Unternehmensziel
Das Mentoring beim TÜV Rheinland zählt zur übergeordneten Personalstrategie des Unternehmens für mehr Chancengleichheit im Betrieb. Für die bisherigen Erfolge bekam das Unternehmen im Oktober dieses Jahres das Prädikat „Total E-Quality“, eine Auszeichnung an Unternehmen und Hochschulen für ihre vorbildliche, auf Chancengleichheit ausgerichtete Personalpolitik, verliehen. Der TÜV Rheinland überzeugte durch ein umfassendes Diversity-Konzept, das unter anderem Informationsveranstaltungen, eine Seminarreihe (Women@TÜV Rheinland), die Sensibilisierung der Führungskräfte für Chancengleichheit und die Unterzeichnung der Charta der Vielfalt umfasst. Das Mentoring-Angebot wurde ebenfalls in der Begründung für die Prädikatsverleihung genannt.
Das Programm war für alle Beteiligten ein voller Erfolg. Ein neuer Mentoring-Jahrgang ist bereits gestartet. Denn das Pilotprojekt, das über ein öffentlich gefördertes Projekt zum TÜV Rheinland kam, wird jetzt in die reguläre Personalentwicklung des Konzernverbunds übernommen.
Autorinnen
Zuzana Blazek, Researcher, Institut der deutschen Wirtschaft, Köln,
blazek@iwkoeln.de
Saskia Jakisch,Managerin Diversity & Inclusion, TÜV Rheinland, Köln,
saskia.jakisch@de.tuv.com
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