Von der Mitarbeiterperspektive zum Unternehmenserfolg

„Innere Kündigungen“, „Servicewüste“, „Innovationsfeindlichkeit“ – ist es wirklich so düster um Engagement, Bindung und Kundenorientierung bestellt, wie die Schlagzeilen suggerieren? Eine aktuelle Studie geht dieser Frage auf den Grund.
Wie ist es um das Engagement und Commitment deutscher Arbeitnehmer bestellt? Wie kundenorientiert erleben Mitarbeiter ihr direktes Arbeitsumfeld und wie veränderungsförderlich sind Strukturen und Prozesse? Und wenn es nicht so rosig aussieht: Was können Unternehmen tun, um die Aussichten zu verbessern?
Um Antworten auf diese Fragen zu erhalten, haben wir im Sommer knapp 1000 Voll- und Teilzeitbeschäftigte aus deutschen Unternehmen befragt. An der Online-Befragung beteiligten sich Personen mit und ohne Führungsverantwortung aus Industrie- und Dienstleistungsunternehmen unterschiedlicher Größe. Die Studienteilnehmer waren zum Zeitpunkt der Erhebung zwischen 18 und 65 Jahre alt, ihre Betriebszugehörigkeit reichte von weniger als einem bis zu mehr als 20 Jahren. Von besonderem Interesse waren für uns die Bereiche Engagement, Commitment, Kundenorientierung und Veränderungskompetenz sowie die Bereiche Arbeitsbedingungen, Führung und Zusammenarbeit, Information und Kommunikation, Innovation, Förderung und Entwicklungsperspektiven.
Engagement: Kern des Erfolgs
Unter Engagement verstehen wir einerseits intrinsische Motivation, die aus der Tätigkeit selbst entsteht und mit Spaß, Freude und Sinnstiftung einhergeht – im Gegensatz zu extrinsischer Motivation, die durch äußere Anreize wie Geld, Druck oder Sicherheiten erzeugt wird. Machen Mitarbeiter ihre Arbeit gerne, geben sie dem Unternehmen auch gerne etwas zurück. Engagement umfasst daher zum anderen auch freiwilligen, über das geforderte Maß hinausgehenden Einsatz, um bestmögliche Arbeitsergebnisse zu erzielen.
Studien aus dem angelsächsischen Raum berichteten in den letzten Jahren immer wieder von einem hohen Anteil innerlich gekündigter Mitarbeiter, die nur noch Dienst nach Vorschrift leisten. Unsere Daten zeichnen ein weniger düsteres Bild, dennoch ist beim Thema Engagement noch Luft nach oben. Ein Fünftel der Befragten ist hoch engagiert, während etwa ein Viertel ein geringes Engagement zeigt (siehe Abbildung 1). Potenzial birgt die relativ große Gruppe der mäßig Engagierten, die mehr als die Hälfte der Befragten ausmacht. Diese Mitarbeiter sind in allen Altersgruppen, Branchen und Unternehmen unterschiedlicher Größe etwa gleich stark vertreten. Wichtiger jedoch: Sie sind keineswegs „auf dem Absprung“, Maßnahmen zur Steigerung des Engagements lohnen also.
Abbildung 1
Mitarbeiterperspektive 2015

Die gängigen Negativschlagzeilen hätten Schlimmeres vermuten lassen. Trotzdem: Die Begeisterung der 1000 Befragten für den Job könnte größer sein (alle Angaben in Prozent).
Tatsächlich ist der Zusammenhang zwischen Engagement und Unternehmenserfolg empirisch belegt. In einer USamerikanischen Studie schnitten die Unternehmen im oberen Quartil der Engagementwerte hinsichtlich Gesamtkapitalrendite, Profitabilität und Unternehmenswert deutlich besser ab als die Unternehmen im unteren Quartil. Als förderlich haben sich eine vielseitige, abwechslungsreiche Aufgabengestaltung erwiesen, Möglichkeiten der Mitgestaltung im Unternehmen sowie ein gutes Klima im direkten Arbeitsumfeld.
Commitment: Auf der Suche nach der Generation Y
Fluktuation ist teuer. Die Kosten für die Neubesetzung einer Stelle liegen, so eine Daumenregel, etwa in der Höhe eines Jahresgehalts der zu besetzenden Position, bei Führungspositionen oder spezialisierten Fachkräften zum Teil deutlich höher. Kosten entstehen dabei nicht nur für die Rekrutierung und Einarbeitung neuen Personals. Häufig kommt es in der Übergangszeit zu Reibungsverlusten, die Produktivitätseinbußen und erhöhten administrativen Aufwand mit sich bringen. Gehen Mitarbeiter mit Kundenkontakt, müssen sich auch die Kunden auf neue Ansprechpartner einstellen.
Jeder dritte Befragte fühlt sich seinem Unternehmen nicht besonders stark verbunden, ein knappes Viertel äußert indes eine hohe Verbundenheit (siehe Abbildung 1). Die Verteilung ist in allen Altersgruppen ähnlich, mit Ausnahme der Generation Y der heute etwa 18- bis 35-Jährigen: Der Anteil der mäßig Verbundenen steigt hier auf fast 50 Prozent, der Anteil der stark Verbundenen sinkt auf unter 20 Prozent. Auch Kündigungsabsichten sind in dieser Gruppe überdurchschnittlich ausgeprägt: Insgesamt beabsichtigen 19 Prozent der Befragten, ihren Arbeitgeber innerhalb der nächsten zwölf Monate zu wechseln, unter den 18- bis 24-Jährigen sind es über 32 Prozent.
Diese Unterschiede zwischen jüngeren und älteren Arbeitnehmern belegen allerdings nicht, dass die Generation Y tatsächlich „anders tickt“, wie oft behauptet wird. Vielmehr lassen sie sich auch auf berufliche Motive und Bedürfnisse in unterschiedlichen Phasen der Lebensarbeitsspanne zurückführen. Die Faktoren, die das Commitment begünstigen, sind bei den 18- bis 39-Jährigen im Großen und Ganzen dieselben wie bei den 40- bis 65-Jährigen: Vertrauen in das Management und die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens, Befürwortung von Strategie, Werten und ethischen Grundsätzen, ein für Innovationen offenes Klima und attraktive Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten.
Das organisationale Commitment der Mitarbeiter gibt Aufschluss darüber, inwieweit sie sich ihrem Unternehmen emotional verbunden fühlen. Eine solche Verbundenheit äußert sich beispielsweise darin, dass sie stolz sind, für ihr Unternehmen zu arbeiten, und es als Arbeitgeber weiterempfehlen würden. Sie bleiben, weil sie bleiben wollen, und nicht etwa, weil es an alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten mangelt oder sie sich ihrem Arbeitgeber gegenüber verpflichtet fühlen.
Kundenorientierung: Eine Frage der Größe
Nicht nur Mitarbeiter, auch Kunden können abwandern. Mitarbeiterengagement und -commitment bieten gute Voraussetzungen für Kundenorientierung; Garanten sind sie jedoch nicht. Kundenorientierte Unternehmen wissen um die Erwartungen und Bedürfnisse ihrer Kunden und richten Produkte, Dienstleistungen und Prozesse an ihnen aus. Wie gut dies gelingt, hängt wesentlich davon ab, ob Kundenorientierung in den Köpfen einzelner Mitarbeiter und Führungskräfte angekommen ist.
Haben externe (und interne) Kunden einen hohen Stellenwert, wird Kundenorientierung von Führungskräften vorgelebt und anerkannt. Wollen (und können) Mitarbeiter einen Service bieten, der sich von der Konkurrenz abhebt, hat dies positive Auswirkungen auf die Kundenbeziehung und den Geschäftserfolg. Zahlreiche Studien belegen eine Wirkungskette, die von Kundenzufriedenheit über Kundenbindung (Wieder- und Zusatzkäufe, Weiterempfehlungen) zum Unternehmenserfolg führt. Mit zunehmender Dauer der Kundenbeziehung führen steigende Umsätze bei zugleich sinkenden Administrations- und Betriebskosten zu einer höheren Rentabilität.
Die Kundenorientierung unter den Studienteilnehmern ist insgesamt hoch: Nur 14 Prozent der Befragten beurteilen ihr Arbeitsumfeld als wenig kundenorientiert, 31 Prozent hingegen erleben eine hohe Kundenorientierung (siehe Abbildung 1). Deutliche Unterschiede zeigen sich aber zwischen kleinen, mittleren und großen Unternehmen. Mitarbeiter kleiner Unternehmen mit bis zu 100 Mitarbeitern erleben ihr Arbeitsumfeld deutlich kundenorientierter als die Kollegen aus größeren Unternehmen. In kleineren Unternehmen hängt Kundenorientierung außerdem stark mit Aspekten der Unternehmensführung zusammen, während in Großunternehmen Arbeitsorganisation, Zusammenarbeit und Informationsfluss stärker in den Vordergrund treten. Je größer eine Organisation, desto mehr beschäftigen sich Mitarbeiter mit den Belangen der eigenen Abteilung oder des eigenen Bereichs.
Veränderungskompetenz: Häufig mangelnde Kundennähe
Jeder fünfte befragte Mitarbeiter findet, sein Unternehmen gehe gut mit Veränderungen um, ähnlich viele Studienteilnehmer schätzen die Veränderungskompetenz ihrer Organisation aber als schwach ein (siehe Abbildung 1). Dabei ist Veränderungskompetenz keine Frage des Alters, der Branche oder der Größe des Unternehmens. Um langfristig am Markt zu bestehen, müssen Organisationen konjunkturelle, technologische und sozioökonomische Veränderungen bewältigen. Dies erfordert Dynamik und Flexibilität, nicht zuletzt auch einzelner Mitarbeiter und Teams. Eine hohe Kundenorientierung trägt dazu bei, neue Kundenanforderungen frühzeitig zu erkennen. Unternehmen können aber nur dann effektiv auf solche Veränderungen reagieren, wenn diese auch ins Unternehmen zurückgespielt werden. Dies wiederum hängt davon ab, ob es Standards, Prozesse und Kanäle für den Umgang mit Veränderungen gibt.
Veränderungskompetenz wird seit einigen Jahren intensiv erforscht. Dabei geht es um die Frage, was Unternehmen, die Change-Prozesse erfolgreich bewältigen, von anderen unterscheidet, denen dies weniger gut gelingt. Als wesentlich erwiesen hat sich ein innovationsförderliches Klima, das Prozesse und Routinen für die Erkennung von Veränderungen sowie die Neu- und Weiterentwicklung von Produkten und Services zulässt. Von Bedeutung sind außerdem eine angemessene Ressourcenverteilung und eine klare Arbeitsorganisation, die Synergien erkennt und gezielt nutzt.
Vier Faktoren führen zum Erfolg
Der HR-Markt unterliegt regelmäßig neuen Trends. Ebenso vielfältig sind die KPIs, die die Scorecards des Managements befüllen. Doch was braucht ein Unternehmen, um erfolgreich zu sein? Und wie lässt es sich aussagekräftig ermitteln und wirksam positiv beeinflussen? Auf der Basis unserer praktischen Beratungstätigkeit, aktueller wirtschaftspsychologischer und betriebswirtschaftlicher Forschungsergebnisse sowie eigener Umfragen unter Personalverantwortlichen halten wir die folgenden vier Faktoren für besonders bedeutsam: Engagement, Commitment, Kundenorientierung und Veränderungskompetenz.
Alles in allem ist das Bild, das unsere Studie in Bezug auf diese vier Faktoren ermittelt, gar nicht so negativ wie die Schlagzeilen es manchmal vermuten lassen. Die befragten Arbeitnehmer aus Deutschland berichten von einer hohen Kundenorientierung ihrer Unternehmen. Auch das Ergebnis für Engagement, Commitment und Veränderungskompetenz kann insgesamt noch als gut gelten, ist aber deutlich ausbaufähig. Mit 40 bis 60 Prozent liegt hier jeweils eine relativ große Gruppe der Befragten im moderaten – also weder deutlich positiven noch negativen – Bereich. Das Potenzial dieser Mitarbeiter kann durch entsprechende Optimierungsmaßnahmen auf Ebene des Unternehmens, des direkten Arbeitsumfelds sowie auch auf individueller Ebene noch besser gefördert und genutzt werden (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2
Erfolgsfaktoren im Überblick

Die vier Erfolgsfaktoren Engagement, Commitment, Kundenorientierung und Veränderungskompetenz und ihre Auswirkungen auf unternehmerische Erfolgsgrößen.
Huber, F., Herrmann, A. & Braunstein, C. (2009). Der Zusammenhang zwischen Produktqualität, Kundenzufriedenheit und Unternehmenserfolg. In: Hinterhuber, H.H. & Matzler, K. (Hrsg.). Kundenorientierte Unternehmensführung. Wiesbaden: Gabler.
Laloux, F. (2015). Reinventing Organizations. Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. München: Vahlen.
Macey, W.H., Schneider, B., Barbera, K. & Young, S.A. (2009). Employee Engagement, Tools for Analysis, Practice, and Competitive Advantage. Chichester: Wiley-Blackwell.
Schroer, J. & Wittchen, M. (2015). Inhaltliche Gestaltung des Fragebogens. In: Gehring, F., Schroer, J., Rexroth, H. & Bischof, A. (Hrsg.). Die Mitarbeiterbefragung. Wie Sie das Feedback Ihrer Mitarbeiter für den Unternehmenserfolg nutzen. Stuttgart: Schäffer-Poeschel.
Autoren
Marcel Bruder, Managing Director, PRIOTAS GmbH, Köln,
marcel.bruder@priotas.de
Dr. Frank Gehring, Senior Consultant, PRIOTAS GmbH, Köln,
frank.gehring@priotas.de
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