Ausgabe 12 - 2017
Den Erwartungen gerecht werden

Was wünschen sich New Hires nach erfolgter Jobzusage? Und was erleben sie während ihrer Einarbeitungszeit? Eine Studie zeigt: Die Erwartungen und Erfahrungen neuer Kollegen driften zum Teil stark auseinander.
Wird beim Rekrutieren neuer Mitarbeiter ganzheitlich gedacht, ist dieser Prozess nicht mit der Einstellungsentscheidung abgeschlossen. Auf die Jobzusage muss ein konsequentes und durchdachtes Onboarding der New Hires folgen. Denn für die neuen Mitarbeiter entsteht eine Summe erster Erfahrungen mit dem Arbeitgeber, die die langfristige Bindung an das Unternehmen und das weitere Engagement im Job maßgeblich prägen. Die Candidate Journey Studie 2017, bei der wir insgesamt 773 erfolgreiche Bewerbergeschichten untersucht haben, zeigt: Die Onboarding Experience ist ebenso relevant wie die Candidate Experience. Es lohnt sich demzufolge für Arbeitgeber, dem Onboarding mehr Aufmerksamkeit zu widmen.
Vor dem ersten Arbeitstag
Sobald die Personalauswahl getroffen wurde und beide Parteien Ja zueinander gesagt haben, müssen die sogenannten Pre-Onboarding-Aktivitäten des Arbeitgebers anlaufen. Hierbei sollten die Erwartungen der New Hires an ihre neuen Arbeitgeber im Zentrum stehen. Ganz oben auf der Liste dieser Erwartungen steht das zeitgerechte Vorliegen des Arbeitsvertrages – für 79 Prozent der Befragten ist dies wichtig. Hinzu kommt der Wunsch nach konkreten Ansprechpartnern aus Personal- und Fachabteilung, die für Fragen jederzeit zur Verfügung stehen (für 76 Prozent wichtig). Fast die Hälfte der Befragten wünscht zudem, dass der Arbeitgeber Informationen zum Unternehmen und zur neuen Stelle bereitstellt. Die Differenz zwischen Wunsch und erlebter Wirklichkeit bei den vom Arbeitgeber aktiv bereitgestellten Informationen ist mit 27 Prozent Abweichung jedoch auffallend groß. Unternehmen sollten in dieser Phase nicht mit Infos zu Aufgaben, Team und Unternehmen geizen. Schließlich nennen 34 Prozent der Befragten die Beteiligung an Aktivitäten des Unternehmens bereits vor dem offiziellen ersten Arbeitstag als wünschenswert.
Die ersten zwei Wochen
In der Candidate Journey Studie wird bezüglich des Ankommens der neuen Mitarbeiter zwischen einer ersten kurzen Onboarding-Phase und einer zweiten mehrmonatigen Integrationsphase (Employee Experience) unterschieden. Die Onboarding-Phase beschreibt die ersten beiden Wochen unmittelbar nach Aufnahme der Tätigkeit. Die Integrationsphase umfasst demgegenüber Aktivitäten, die innerhalb der ersten zwölf Monate stattfinden und auf die Einarbeitung und somit letztlich das Erreichen der vollen Mitarbeiterproduktivität abzielen.
Bekannt ist, wie prägend die ersten Tage im Unternehmen für neue Mitarbeiter sind. Hier gilt die alte Weisheit von der Bedeutung des ersten Eindrucks. In dieser Phase stellt sich heraus, ob und inwieweit die Informationen des Arbeitgebers im Bewerbungsprozess der Realität entsprechen und ob die Erwartungen des neuen Mitarbeiters erfüllt werden können. Hinsichtlich der Onboarding Experience zeigen sich dabei drei Auffälligkeiten (siehe auch Abbildung 1):
Abbildung 1
Onboarding Experience – alle Studienteilnehmer

Der Wunsch, gleich zu Beginn an internen Schulungen teilnehmen zu können, geht nur für 29 Prozent aller Befragten in Erfüllung. 35 Prozent beklagen, dass Arbeitsabläufe und Tätigkeiten nicht ausreichend erklärt worden sind. Ein Gespräch mit den direkten Vorgesetzten innerhalb der ersten Wochen über Erwartungen und Ziele bleibt für viele Neueingestellte ein Wunsch. Zwar erlebt fast jeder Zweite (47 Prozent) einen solchen Dialog. Doch weitere 38 Prozent hätten sich zu Beginn der neuen Tätigkeit ein Gespräch mit der Führungskraft gewünscht, haben es aber nicht erlebt.
Die ersten zwölf Monate
Neue Mitarbeiter wünschen sich Feedback, Verantwortung und eine klare strategische Ausrichtung. Während dem Wunsch, Verantwortung zu übernehmen und eigenständig zu arbeiten, überwiegend entsprochen wird, schneiden viele Unternehmen bei den anderen Aspekten weniger gut ab: 38 Prozent aller neuen Mitarbeiter beklagen ausbleibende Feedbackgespräche, und nicht einmal die Hälfte aller Studienteilnehmer kann nach einem Jahr behaupten, dass ihnen die Unternehmensstrategie oder die Ziele des Unternehmens klar vermittelt wurden. 37 Prozent vermissen zudem passende Fortbildungsangebote innerhalb der ersten zwölf Monate. Des Weiteren hätte sich ein Viertel aller Befragten mehr Raum für Eigeninitiative gewünscht.
Abbildung 2 verdeutlicht Erwartungen und Erlebnisse der neuen Mitarbeiter in dieser Phase. Dabei zeigen sich Unterschiede zwischen zwei Gruppen an Studienteilnehmern: einerseits diejenigen, die bereits unmittelbar nach Antritt der neuen Stelle angaben, erneut auf Jobsuche zu sein oder eine grundsätzliche Wechselwilligkeit signalisierten; andererseits die Kandidaten in der sogenannten „Good-Practice-Gruppe“. Zu dieser Gruppe gehören Studienteilnehmer, die bei ihren neuen Arbeitgebern eine hervorragende Candidate Experience gemacht und keine Absicht geäußert haben, den Job zu wechseln. Es zeigt sich: Ihre Erwartungen wurden weit besser berücksichtigt als die der anderen New Hires. Daraus resultiert eine für sie bessere Employee Experience und damit langfristig eine beträchtlich höhere Mitarbeiterloyalität.
Abbildung 2
Employee Experience – Eindrücke von Mitarbeitern während der Integrationsphase

Empfehlungen für die Praxis
Für Arbeitgeber heißt das: Überlegen Sie genau, was Sie leisten können und was nicht. Bereits vor der Jobzusage – also schon während der laufenden Bewerbungsprozesse – sollten Sie deutlich machen, wie sich die zu übernehmende Aufgabe darstellt, auch jenseits der fachlichen Anforderungen. Kommunizieren Sie klar und glaubwürdig. Und handeln Sie beim Onboarding entsprechend. So tragen Sie maßgeblich dazu bei, die Erwartungen neuer Mitarbeiter zu erfüllen – denn Sie sorgen für Vertrauen, Motivation und langfristige Bindung.
Die Candidate Journey Studie 2017
Die Candidate Journey Studie ist das Resultat einer Analyse von 773 individuell als erfolgreich erlebten Bewerbungs- und Onboarding-Prozessen. Sie wurde von der Jobbörse Stellenanzeigen.de und der Meta HR Unternehmensberatung GmbH unter wissenschaftlicher Begleitung von Prof. Dr. Peter M. Wald von der HTWK Leipzig durchgeführt. Kostenfreier Download unter: https://www.stellenanzeigen.de/arbeitgeber/candidatejourneystudie/
AUTOREN
Christoph Athanas, Gründer und Geschäftsführer, meta HR Unternehmensberatung GmbH, Berlin,
c.athanas@metahr.de
Prof. Dr. Peter M. Wald, Professor für Personalmanagement, Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK), Leipzig,
peter.m.wald@htwk-leipzig.de
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