Ausgabe 2 - 2013
Personalabbau als Führungsaufgabe
Bauen Unternehmen Personal ab, kommt auf ihre Führungskräfte eine deutliche Mehrbelastung zu – auch emotional. Wie lässt sich diese besondere Herausforderung meistern? Ein Leitfaden.
Ob Banken, Energieversorger oder Automobil-Zulieferer – zahlreiche Branchen haben in jüngster Zeit Stellen abgebaut. Und viele Unternehmen, auch aus anderen Branchen, werden in den nächsten Monaten folgen. Den involvierten Führungskräften stellt sich zunächst eine drängende Frage: Wie setze ich diese Entscheidung der Unternehmensspitze um?
Daran schließt sich aber bald eine zweite Frage an: Wie führe ich meine Mitarbeiter, wenn feststeht, dass ein Teil von ihnen in naher Zukunft das Unternehmen verlassen muss? Zumal wenn noch unklar ist, wen dieses Schicksal trifft? Speziell wenn Großunternehmen einen Personalabbau beschließen, beginnt meist eine monatelange Hängepartie, bevor feststeht, wer betroffen ist.
Die „Umsetzer“ unterstützen
Dieser Schwebezustand lähmt das gesamte Unternehmen. Letztlich leiden dabei alle Mitglieder der Organisation. Deshalb sollten Entscheidungsträger, wenn ein Personalabbau unvermeidbar ist, möglichst zügig agieren – das verkürzt die Hängepartie und richtet den Blick wieder nach vorn.
Dabei sollte die Unternehmensführung die Führungskräfte, die die Personalabbau-Entscheidung umsetzen müssen, bei ihrer Arbeit unterstützen. Denn sie durchleben ein Wechselbad der Gefühle – speziell wenn sie befürchten müssen, dass auch ihnen mittelfristig gekündigt wird. Und auf sie kommt mit dem Beschluss „Wir entlassen Mitarbeiter“ eine deutliche Mehrbelastung zu: einerseits emotional, denn sie stehen im direkten Dialog mit den betroffenen Mitarbeitern; andererseits aber auch in ihrem Arbeitsalltag, denn mit einem Personalabbau sind zahlreiche Zusatzaufgaben verbunden.
Auf diese Herausforderung sind insbesondere junge Führungskräfte in der Regel schlecht vorbereitet. Sie sind meist zum ersten Mal mit der Führungsaufgabe Personalabbau konfrontiert und entsprechend unsicher. Deshalb ist in dieser Stressphase eine systematische Unterstützung nötig – zum Beispiel in Form von Trainings, in denen sie Verhaltensstrategien für die verschiedenen Phasen des Personalabbauprozesses entwickeln. Oder in Form von moderierten Treffen, bei denen sich der Führungskreis über aktuelle Aufgaben und emotionale Probleme austauscht und gemeinsam Handlungsstrategien entwickelt.
Eine solche Unterstützung wird Führungskräften indes selten gewährt. Denn wenn ein Unternehmen Personal abbaut, befindet es sich meist in einer Krise. Die Unternehmensführung kämpft also zugleich an mehreren Fronten. Entsprechend wenig Zeit und Muße hat sie, sich mit den Problemen der Führungsmannschaft zu befassen. Dabei übersieht sie jedoch oft: Vom Verhalten der Führungskräfte hängt es weitgehend ab, wie reibungslos der Personalabbau verläuft – und wie schnell und dynamisch das Unternehmen danach wieder durchstartet.
Mit der Ungewissheit leben
Personalabbau bedeutet Ungewissheit, auch für Führungskräfte. Speziell in Kapitalgesellschaften sollten Sie sich darauf einstellen, dass Sie selbst auf Nachfrage keine näheren Informationen zum Personalabbau erhalten – denn häufig existieren gar keine genauen Pläne. Wie alles vonstattengehen soll, muss erst noch (mit dem Betriebsrat) ausgehandelt werden. Zugleich müssen Sie sich aber darauf einstellen, dass Ihre Mitarbeiter, wenn sie vom Personalabbau erfahren, in große Aufregung geraten. Ihren Fragen müssen Sie sich stellen – selbst wenn Sie keine Antworten haben.
In dieser Phase sollten Sie Ihren Mitarbeitern signalisieren, dass Sie ihre Ängste und Befürchtungen, ihre Wut und Enttäuschung verstehen und nachvollziehen können. Nehmen Sie die Gefühle Ihrer Mitarbeiter ernst. Vermeiden Sie unbedingt Killerphrasen wie „Das wird alles nicht so schlimm“! Und versprechen Sie nichts, was Sie nicht sicher halten können. Versichern Sie Ihren Mitarbeitern aber, dass Sie sie informieren, sobald Sie etwas Neues wissen.
Das Gespräch mit den Mitarbeitern suchen
Gespräche mit Ihren Mitarbeitern sollten Sie aktiv suchen. Achten Sie aber darauf, dass Sie nicht selbst Unverständnis für die Entscheidung der Unternehmensleitung äußern oder sogar auf „die da oben“ fluchen. Denn Ihr Job als Führungskraft wird es sein, die Entscheidung der Unternehmensführung umzusetzen. Zudem werden Ihre Mitarbeiter Sie immer wieder mit Ihrer Aussage konfrontieren – nicht zuletzt während der Trennungsgespräche.
Zwei, drei Tage nach der Ankündigung des Personalabbaus hat sich meist der erste Sturm der Entrüstung gelegt. Die Mitarbeiter konnten darüber schlafen und für sich analysieren: Was könnte die Entscheidung für mich bedeuten? Deshalb sind nun sachlichere Gespräche möglich, die Mitarbeiter zeigen sich auch zunehmend offen für Argumente wie: „Dass etwas geschehen würde, war klar – bei den Zahlen, bei der Marktsituation. Der Vorstand musste reagieren – sonst hätten wir im nächsten Jahr umso heftiger geschimpft, dass nicht früher etwas passiert ist.“ Dies sollten Sie den Mitarbeitern auch sagen. Zugleich sollten Sie ihnen aber vermitteln, dass Sie es als angemessen erachten, wenn sich jeder Gedanken über seine persönliche Situation macht. Und Sie sollten versprechen, dass Sie im Rahmen Ihrer Möglichkeiten alles tun werden, den Prozess möglichst fair zu gestalten.
Wird ein Personalabbau publik, sinkt die Leistung der Mitarbeiter für ein, zwei Wochen meist stark ab, um danach wieder leicht anzusteigen – unter anderem, weil viele Mitarbeiter zu beweisen versuchen, wie wichtig ihre Arbeitskraft ist. Sie treibt die Hoffnung, dass das Schicksal „Kündigung“ so an ihnen vorübergeht. Diese Übergangsphase sollten Sie nutzen, um für sich Kriterien zu entwickeln, nach denen Sie entscheiden, wen Sie auf alle Fälle halten möchten – und wen eher nicht. Denn selbst wenn im Unternehmen die Kriterien aufgrund der gesetzlich vorgeschriebenen Sozialauswahl weitgehend vorgegeben sind, gibt es immer wieder Grenzfälle, in denen Sie entscheiden müssen: Mache ich mich für Herrn Mayer oder für Frau Müller stark?
Kritische Gespräche gut vorbereiten
Wenn feststeht, welche Ihrer Mitarbeiter das Unternehmen verlassen müssen, ist es in der Regel Ihr Job, dies den Betroffenen mitzuteilen – und zwar bevor die Kündigungsschreiben in den Briefkästen liegen. Diese Aufgabe bereitet Führungskräften oft schlaflose Nächte. Entsprechend gut sollten Sie sich darauf vorbereiten. Reden Sie im Gespräch nicht um den heißen Brei. Nennen Sie das Kind beim Namen, und begründen Sie anschließend Ihre Entscheidung.
Bei einer Sozialauswahl fällt dies relativ leicht. Wenn indes Fertigkeiten, Einstellungen oder Leistungsunterschiede entscheiden, wird es schwieriger. Dann müssen Sie bei Ihrer Begründung Fingerspitzengefühl beweisen – um die zu kündigenden Mitarbeiter nicht zu verletzen und damit die Kündigungen nicht juristisch anfechtbar werden.
Auf die Mitteilung ihrer Kündigung reagieren die Betroffenen unterschiedlich: manche gefasst, manche geschockt, manche hysterisch. Andere versuchen zu verhandeln und mit Ihnen die Auswahlkriterien zu diskutieren. Wenn Sie hier nicht aufpassen, diskutieren Sie schnell über die Kündigung selbst.
Reagieren die Gekündigten auf die Hiobsbotschaft nicht gefasst, sollten Sie im Kündigungsgespräch selbst mit den Betroffenen nicht über die Trennungsmodalitäten sprechen. Schlagen Sie ihnen vor, sich zwei, drei Tage später nochmals zusammenzusetzen, um zu besprechen, wie der Zeitraum bis zum endgültigen Ausscheiden gestaltet wird.
Für eine geordnete Übergabe sorgen
Zuweilen werden Mitarbeiter nach der Kündigung bis zum Ende der Beschäftigung freigestellt. Verbleibenden und gekündigten Mitarbeitern wird so ein weiteres Zusammentreffen erspart und im Unternehmen kehrt schneller wieder Ruhe ein. Ob ein Freistellen möglich ist, obliegt aber meist nicht der freien Entscheidung der Führungskräfte, die die Kündigungs- und Trennungsgespräche führen – gerade wenn viele Mitarbeiter entlassen werden.
Eine sofortige Freistellung ist oft nicht sinnvoll – sie macht eine geordnete Übergabe der Aufgaben an die verbleibenden Kollegen unmöglich. Wie die Übergabe erfolgt, sollte ein zentrales Thema im Trennungsgespräch sein. Hier begehen Führungskräfte oft den Fehler, dass sie den gekündigten Mitarbeitern sozusagen freie Hand geben, wie sie die noch verbleibenden Arbeitstage gestalten – meist, weil sie (unbegründet) ein schlechtes Gewissen plagt. Überlegen Sie sich vor dem Gespräch, was Sie noch von dem Mitarbeiter erwarten – schließlich bezieht er weiterhin Gehalt. Im Gegenzug können Sie ihm anbieten, ihn bei der Suche nach einem neuen Job, soweit möglich, zu unterstützen.
Die „Survivors“ im Blick behalten
Den „Survivors“ (den im Unternehmen verbleibenden Mitarbeitern) wird bei einem Personalabbau meist die wenigste Aufmerksamkeit geschenkt – dabei will das Unternehmen mit ihnen die Zukunft meistern. Die „Survivors“ durchleben im Personalabbauprozess ein Wechselbad der Gefühle. Zunächst plagt sie selbst die Angst: Was wird aus mir? Danach bedauern sie die Betroffenen, mit denen sie teils jahrelange Arbeitsbeziehungen verbinden, und würden gerne etwas für sie tun. Auf der anderen Seite wollen sie aber gegenüber dem Unternehmen loyal bleiben und entwickeln oft nach einiger Zeit ein gewisses Verständnis für die Personalabbauentscheidung.
Kurz: Solange der Personalabbau nicht vollzogen ist, können die „Survivors“ ihrer Arbeit nicht mit der gewohnten Konzentration nachgehen. Deshalb ist auch ihre Arbeitsmotivation und – leistung geringer als normal. Wie stark die Verhaltensänderung ist, hängt davon ab,
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ob die „Survivors“ das Gestalten des Personalabbauprozesses als fair empfinden,
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wie sie die Auswirkungen des Personalabbaus auf ihre eigene Arbeitssituation einschätzen und
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wie stark Sie als Führungskraft ihnen in dieser Leidensphase Orientierung und Halt bieten.
Deshalb sollten Sie, wenn feststeht, wer das Unternehmen verlässt, gezielt das Gespräch mit den „Survivors“ suchen – nicht nur, um sie über den Stand der Dinge zu informieren. Mindestens ebenso wichtig ist es, dass Sie
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sich gezielt nach ihrem Befinden erkundigen,
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ihnen Verständnis dafür signalisieren, dass sie ein Wechselbad der Gefühle durchleben, und
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ihnen, soweit möglich, ihre weiteren Perspektiven im Unternehmen aufzeigen.
Das heißt: Gerade wenn die Gekündigten noch im Unternehmen sind, müssen Sie als Führungskraft eine hohe Präsenz zeigen.
Die neue gemeinsame Zukunft planen
Die innere Zerrissenheit der „Survivors“ ist erst vorbei, wenn alle Gekündigten das Unternehmen verlassen haben. Dann ist meist bei allen Verbliebenen Erleichterung zu spüren. Diese Situation sollten Sie nutzen. Setzen Sie sich nochmals mit den „Survivors“ zusammen und sprechen Sie mit ihnen über die zurückliegende Zeit. Verleihen Sie zunächst noch einmal Ihrem Bedauern über den Personalabbau Ausdruck, um dann zum Resultat zu gelangen, wie froh Sie sind, dass nun endlich diese für alle Beteiligten wenig erquickliche Phase endgültig vorüber ist. Danach sollten Sie den Blick in Richtung Zukunft richten. Das heißt, Sie sollten den Mitarbeitern nun nochmals aufzeigen, welche Chancen sich aufgrund des vollzogenen Personalabbaus für das Unternehmen ergeben, bevor Sie schließlich mit ihnen festlegen, wie Sie nun gemeinsam die Zukunft gestalten.
Einen Bereich oder eine Abteilung in einer Phase des Personalabbaus zu führen, ist eine der schwierigsten Führungsaufgaben – vor allem emotional. Achten Sie deshalb in dieser Zeit auch auf Ihr eigenes körperliches und psychisches Wohlbefinden und sorgen Sie für einen emotionalen Ausgleich.
Autorin
Julia Voss, Geschäftsführerin des Trainings- und Beratungsunternehmens Voss+Partner, Hamburg,
info@voss-training.de
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