Schnitzeljagd vor Industriekulisse
Abseits des Arbeitsplatzes funktioniert Teambuilding am besten. Viele Unternehmen zieht es deshalb für entsprechende Workshops an die frische Luft. So auch Mercedes-Benz Rhein-Ruhr, das seine Auszubildenden regelmäßig in der Jugendherberge Duisburg Landschaftspark Nord schult.
Meterhohe Schornsteine, ein erloschener Hochofen, riesige Erzlagerbunker. Vor dieser spektakulären Industriekulisse mitten im alten Ruhrgebiet bereiteten sich in der Jugendherberge Duisburg Landschaftspark-Nord Ende Oktober 2012 rund 50 Auszubildende von Mercedes-Benz Rhein-Ruhr in einem Workshop auf den Berufsstart vor. Mit rund 1100 Mitarbeitern und 139 Auszubildenden ist die Niederlassung eine der größten der Daimler AG. Für ihren dreitägigen Lehrgang „Methoden- und Sozialkompetenzen“ hatte Britta Stinnertz, Leiterin Berufsausbildung bei Mercedes-Benz Rhein-Ruhr, das Modul „Geocaching im Landschaftspark“ der Jugendherberge als ergänzende Maßnahme ausgewählt. Die Gruppe setzte sich aus 46 Auszubildenden im ersten Lehrjahr zusammen, 21 aus dem kaufmännischen und 25 aus dem technischen Bereich. Die 16- bis 26-Jährigen starteten ihre Ausbildung im August und hatten sich bereits während einer Einführungswoche im Betrieb kennengelernt.
Auf das Miteinander kommt es an
Ganz bewusst führt der Autokonzern seine Mitarbeiter aus dem kaufmännischen und dem technischen Bereich frühzeitig zusammen und schult sie gemeinsam. So kann das Verständnis für die Aufgaben der Kollegen aus anderen Unternehmensbereichen und für das Arbeiten am gemeinsamen Ziel von Anfang an wachsen und Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt werden. Auch den Tagungsort – die Jugendherberge auf dem Gelände des Landschaftsparks Duisburg-Nord im historischen Verwaltungsgebäude der einstigen Hüttenwerke – hatte das Unternehmen ganz bewusst gewählt. Als Treffpunkt für junge Menschen aus aller Welt und außerschulischer Lernort mit nachhaltigen Zielen und erlebnispädagogischen Programmen setzen sich die Jugendherbergen für Werte wie Toleranz, Völkerverständigung und ein friedliches interkulturelles Miteinander ein. Die Atmosphäre in den Häusern ist offen und unkompliziert.
Für die Auszubildenden fing die erste teambildende Maßnahme schon bei der Anreise in der Jugendherberge an. In Eigenregie mussten sie sich auf die Zimmer verteilen. In den Mehrbett-Zimmern lernen sie ihre Kollegen schneller kennen. Das Beziehen des eigenen Bettes und dass es gern gesehen wird, wenn Gäste ihr Geschirr selbst abräumen, schult das soziale Verhalten. Insofern passt ein Aufenthalt in der Jugendherberge gut in das Seminarkonzept und hat den doppelten Effekt.
Der Workshop „Methoden- und Sozialkompetenzen“ stellt einen wichtigen Baustein zur persönlichen Entwicklung im Rahmen der Berufsausbildung dar. Zunächst werden den Auszubildenden Unternehmensstandards vermittelt: Sie lernen etwa, dass es bei der Daimler AG nicht nur um Produkte, sondern auch um den Umgang miteinander im Team und mit den Kunden geht. Ziel ist es, ihnen Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen, ihnen berufliche Handlungskompetenzen mit auf den Weg zu geben und ihre sozialen Kompetenzen zu schulen, die sie im täglichen Umgang miteinander und mit den Kunden einsetzen sollen. Durch Feedback werden positive Eigenschaften gestärkt. Deshalb findet dieses Seminar immer gleich zu Beginn der Ausbildung statt.
Die drei Schlüsselkompetenzen
Drei Themenblöcke standen auf dem Programm: Kommunikation, Kooperation und Problemlösung. Das sind für Daimler Schlüsselkompetenzen, die Auszubildende befähigen sich im Arbeitsleben zurechtzufinden. Während die Seminareinheiten parallel in Kleingruppen in den Tagungsräumen der Jugendherberge stattfanden, ging es anschließend raus in die Natur zum Geocaching in den Landschaftspark mit dem Ziel das Gelernte in der Praxis „live“ zu erproben und den Lerneffekt zu vertiefen
Im Themenblock „Kommunikation“ ging es um Verhaltens- und Kommunikationsgrundlagen wie Sender-Empfänger-Modelle, aktives Zuhören, Fragetechniken und positive Formulierungen. Wie gehe ich auf Kunden zu? Was nehme ich an verbalen und nonverbalen Signalen wahr? Theoretischer Input wurde im Rollenspiel geübt und in zielgruppengerechte Sprache übersetzt. Bei der „Streichhölzeraufgabe“ beispielsweise saßen jeweils zwei Auszubildende Rücken an Rücken. Eine Person musste aus Streichhölzern eine Figur legen und sie der anderen Person beschreiben. Diese sollte anschließend versuchen die Figur nachzulegen – zunächst ohne und dann mit Hilfe von Fragen.
Spielend kommunizieren lernen
Beim Thema „Kommunikation mit Kollegen“ lernten die Auszubildenden u.a. auf schlecht gelaunte Menschen positiv zu reagieren und eine offene Gesprächshaltung einzunehmen. Das Teamspiel „Brückenbau“ führte sie an „Problemlösungen“ heran. Unter Anleitung eines Gruppensprechers sollten sie in zwei Gruppen unabhängig voneinander und unter Zeitvorgabe mit Papier, Schere und Klebstoff jeweils die eine Hälfte einer Brücke bauen und diese anschließend gemeinsam zusammenführen. Im Themenblock „Kooperation“ galt es mit einer Gruppe aus vierzehn Auszubildenden mit einem langen Seil „das Haus vom Nikolaus“ nachzulegen ohne das Seil loszulassen.
In abendlichen Feedback-Gesprächen diskutierten die Auszubildenden ihre Seminarerfahrungen. Durch die intensive Auseinandersetzung bei der Bewältigung der Aufgaben hätten sie viel mehr miteinander gesprochen und sich besser kennengelernt. Auch seien sie mit den Kollegen aus dem anderen Fachbereich enger zusammengewachsen, lautete das Fazit von Joshua Meyers, 16, Auszubildender zum Kfz-Mechatroniker/PKW. Als wichtige Erkenntnisse nähme er mit, dass Vertrauen in der Zusammenarbeit unabdingbar ist und auch Anweisungen befolgt werden müssen, wenn man als Gruppe vorankommen will, so Kevin Lehr, 19, Auszubildender zum Industriekaufmann.
Geocaching im Landschaftspark
Abschluss und Höhepunkt war das Geocaching, die moderne elektronische Variante der Schnitzeljagd. Dafür war ein halber Seminartag eingeplant. Nach theoretischer Einführung in den Ablauf und in die Bedienung des GPS-Gerätes durch den Herbergsleiter ging es hinein in das Abenteuer Landschaftspark Duisburg-Nord. In Kleingruppen traten die Auszubildenden bei dieser Schatzsuche gegeneinander an. Um den Schatz zu finden, mussten sie per GPS neun Stationen ansteuern und Fragen rund um den Industriekomplex beantworten. Wofür war früher ein Stellwerk vorgesehen? Wozu diente eine Auftauhalle? Dabei wird zu Fuß ein dreistündiger, etwa 4,1 Kilometer langer Rundkurs bewältigt – vorbei an eindrucksvollen Industriedenkmälern wie Gießhalle, Kraftzentrum, Gebläsehallenkomplex, Gasometer und Hochofen. Die Siegergruppe wurde mit einer Urkunde mit Gruppenfoto belohnt.
Das Geocaching ist keinesfalls losgelöst zu betrachten. Seminarinhalte, Tagungsort „Jugendherberge“ und Geocaching ergänzten sich gegenseitig und verstärkten den Lerneffekt, betont die Ausbildungsleiterin von Mercedes-Benz Rhein-Ruhr. Im Landschaftspark trainieren die Auszubildenden auf spielerische Weise die zuvor vermittelten Schlüsselkompetenzen „Kommunikation, Kooperation und Problemlösung“. Um sich von Station zu Station vorarbeiten zu können, sind bei jeder Aufgabe die Selbstorganisation der Gruppe und die Zusammenarbeit gefordert. Bei der Lösung von Problemstellungen werden die Auszubildenden zur Selbstreflexion angeleitet und sich des eigenen Verhaltens und ihrer Techniken bewusst.
Zudem werden sie für die Herausforderungen des Berufsalltags sensibilisiert. Um zum Ziel zu gelangen, müssen sie sich Handlungsalternativen überlegen und werden aufgefordert, im Interesse des Gruppenziels selbst Beiträge zu leisten. Das fördert das Teambewusstsein und die Teamfähigkeit jedes einzelnen. Der Wettkampfgedanke der Schnitzeljagd spornt zu höheren Leistungen an. Der Rundkurs fördert die Bewegung in der Natur, und vor dem Hintergrund des spektakulären Wandlungsprozesses auf dem Gelände des einstigen Hüttenwerkes kommen noch kulturelle Aspekte hinzu. Worin aber bestand eigentlich der Schatz? Das Gruppenerlebnis, das gemeinsame Lösen von Aufgaben und der Teamspaß standen für die Auszubildenden im Vordergrund. Der Schatz hat für sie letztlich keine Rolle mehr gespielt. Der Weg war das Ziel – so die Erkenntnis. Wichtig war für sie u.a. zu erkennen, dass bei der Arbeit an einem gemeinsamen Ziel eine strukturierte lösungsorientierte Kommunikation unverzichtbar ist, dass Rückschläge im Berufsalltag dazugehören und wie wichtig Gruppenzusammenhalt und gegenseitige Unterstützung sind.
Autorin
Katrin Speer, speer – Marken und Medien, Hamburg,
katrin.speer@speer-markenundmedien.de
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