Frauen ans Steuer

Frauen sind in deutschen Führungsetagen immer noch unterrepräsentiert. Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen bis zur fehlenden Work-Life-Balance. Unsere Autorin ist überzeugt: Unternehmen, die Frauen ernsthaft fördern wollen, sollten ihre Kultur, ihre Strukturen und ihre Prozesse so anpassen, dass sie niemandem Steine in den Weg legen.
International ist Deutschland immer noch eine der führenden Wirtschaftsnationen. Was allerdings die Rolle der Frau in Unternehmen angeht, hat die Bundesrepublik durchaus noch Nachholbedarf. Das hat auch ein im Jahr 2014 veröffentlichter Bericht des Arbeitgeberverbandes BDA gezeigt. In diesem wurde der Frauenanteil an Führungspositionen in den 30 DAX-Konzernen untersucht. Grundlage dafür war, dass genau diese Unternehmen sich im Jahr 2011 Ziele zur Erhöhung der Frauenquote bei Führungspositionen selbst auferlegt hatten. Doch diese Ziele wurden längst nicht von allen Unternehmen erreicht, daher plant die Bundesregierung für 2016, eine Frauenquote von 30 Prozent für die Aufsichtsräte der 108 größten börsennotierten Unternehmen einzuführen. Man kann also mit Fug und Recht sagen, dass die Wirtschaft nicht in der Lage war, hier selbst den Durchbruch zu schaffen.
Im Frühjahr dieses Jahres hat eine global durchgeführte Umfrage im Auftrag der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Grant Thornton gezeigt, dass Deutschland zusammen mit der Schweiz, den Niederlanden und Japan zu den Wirtschaftsnationen gehört, die den niedrigsten Anteil von Frauen in Führungspositionen haben. Dies ist besonders verblüffend, da immer häufiger Studien zeigen, dass es Unternehmen, bei denen überdurchschnittlich viele Frauen als Entscheidungsträger arbeiten, finanziell oft besser geht als solchen, bei denen eher wenige Frauen in Führungspositionen tätig sind.
Diversity als unternehmerisches Erfolgsrezept
Wiederholt zeigen die IBM-CEO-Studien der vergangenen Jahre, dass verstärkter Kundenfokus, Innovation, Kollaboration und erfahrungsbasiertes Lernen top Prioritäten für CEOs sind. Sie sind ausschlaggebend für unternehmerischen Erfolg in einer globalen, vernetzen Welt. Eine kürzlich veröffentlichte Studie des IBM Smarter Workforce Institute zeigt außerdem, dass Unternehmen, die das Thema „Diversity“ – also Vielfalt und Inklusion – in ihrem Arbeitsalltag großschreiben, nicht nur ein höheres Mitarbeiterengagement verzeichnen können, sondern auch innovativer sind und einen besseren Kundenservice bieten. In solchen Unternehmen sind die Mitarbeiter auch zufriedener und ziehen deutlich seltener in Erwägung, das Unternehmen innerhalb der nächsten zwölf Monate zu verlassen. Diese Unternehmen können also ihre qualifizierten Mitarbeiter deutlich eher halten und müssen so keinen „Braindrain“ – also eine Abwanderung von Know-how – befürchten, wie er manche Firmen regelmäßig trifft.
Zudem erkennen Führungsteams immer häufiger, dass Veränderungen notwendig sind, um Kundenerwartungen zu erfüllen und im besten Fall zu übertreffen. Die steigende Bedeutung von Frauen als Zielgruppe verlangt dabei von Firmen, die Entwicklung und Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen diesem stetig wachsenden Kundensegment anzupassen. Dabei reicht es für Firmen nicht, einfach eine „pinkfarbene Version“ des Standardproduktes anzubieten. Daher helfen Entwicklungsteams mit einem hohen Frauenanteil – oder zumindest mit Frauen in Entscheiderpositionen – Unternehmen dabei, bessere Produkte für Kundinnen zu entwickeln und zu vermarkten.
Kultur hat man – oder nicht
Weitere Studien des IBM Smarter Workforce Institute von 2012 und 2014 zeigen, dass es bei der Beförderung von Frauen vor allem auf die bisherigen Rollen im Lebenslauf ankommt: Frauen, die in ihrem bisherigen Arbeitsleben bereits mehrfach zeigen konnten, dass sie flexibel und vielseitig sind, wurden deutlich eher befördert als solche, die sich vor allem in einem einzigen Aufgabenbereich aufhielten. Das Networking mit entsprechenden Entscheidungsträgern ist ebenfalls sehr wichtig. Es lohnt sich also, bei der Vernetzung möglichst weite Kreise zu ziehen und darauf zu achten, dass auch Entscheidungsträger im eigenen Netzwerk sind. Dritter Hauptfaktor war die Bereitschaft, sich in neue Rollen einzuarbeiten. Diese Studien zeigten des Weiteren, dass Frauen in der Regel deutlich weniger Schlüsselrollen innehaben als Männer. Außerdem sind sie oft weniger gut vernetzt und seltener dazu bereit, neue Aufgabengebiete anzunehmen. Weitere Studien des IBM Smarter Workforce Institute haben die Bedeutung der Work-Life-Balance bewiesen. Sowohl für Frauen als auch für Männer steht sie gleich an zweiter Stelle, wenn es um Gründe für Loyalität dem Arbeitgeber gegenüber geht.
So fördern Sie richtig
Vielfalt bedeutet nicht, dass Frauen sofort ohne Umwege in die Geschäftsführung befördert werden sollen. Vielmehr sollten Unternehmen, die Frauen ernsthaft fördern wollen, ihre Kultur, ihre Strukturen und ihre Prozesse so anpassen, dass sie niemandem Steine in den Weg legen – egal, welches Geschlecht jemand hat. Daher finden Sie nachfolgend einige Tipps, die Unternehmen dabei helfen, ihre gesamte Belegschaft – also Männer UND Frauen – in ihrer Karriere so zu fördern, dass sie ihr volles Potenzial ins Unternehmen einbringen können:
1. Karrieresprungbretter sind für alle da: Frauen, die von Anfang an Verantwortung im Unternehmen übernehmen, können dort nicht nur ihre Fähigkeiten sondern auch die Netzwerke auf- und ausbauen, die für einen späteren Aufstieg wichtig sind. Zudem können sie sich so auch der Führungsetage gegenüber für etwaige Beförderungen empfehlen. Eine Herausforderung hierfür kann jedoch sein, wenn im Unternehmen unbewusste Vorurteile über die Art von Aufgaben herrschen, die Frauen angeblich bekommen oder nicht bekommen wollen. Das kann zu einem sich selbst verstärkenden Hindernis für den Zugang von Frauen zu „Karrieresprungbrettern“ führen und sollte aktiv vermieden werden.
2. Daten als Fundament: Initiativen zur Frauenförderung müssen auf Untersuchungsergebnissen und konkreten Daten aufbauen. Nur so können Unternehmen herausfinden, welche Faktoren die Loyalität und Karriere von Frauen positiv beeinflussen. Untersuchungen des IBM Smarter Workforce Institutes haben ergeben, dass manche Maßnahmen wesentlich besser greifen als andere – dabei variieren die konkreten Ergebnisse jedoch von Branche zu Branche und von Unternehmenstyp zu Unternehmenstyp. Ein „Bauchgefühl“ reicht nicht aus, um erfolgreiche Förderungsmaßnahmen ins Leben zu rufen. Nötig sind vielmehr ganz konkrete, unternehmensindividuelle Erkenntnisse.
3. Die Balance zählt: Die Work-Life-Balance ist einer der wichtigsten Faktoren, um Frauen – und auch Männer – im Unternehmen zu halten. Das IBM Smarter Workforce Institute hat in mehreren Studien gezeigt, dass diese Balance bereits positiv beeinflusst wird, wenn Mitarbeiter nur ein einziges Angebot zum flexiblen Arbeiten nutzen. Für Unternehmen ist es deshalb sehr wichtig, ihre Angebote für flexibles Arbeiten klar zu kommunizieren und sie allen Mitarbeitern – nicht nur arbeitenden Müttern – anzubieten.
4. Vom Manager zum Frauenförderer: Vorgesetzte unterstützen die Karriere von Frauen dann am effektivsten, wenn sie das volle Potenzial der entsprechenden Angestellten erkennen, sich persönlich für ihre Karriere einsetzen und auch Zugang zu wichtigen Positionen und Karrieresprungbrettern geben können. Eine wichtige Grundlage dafür sind Trainings für Manager sowie eine Unternehmenskultur, die großen Wert auf Talent Management legt.
5. Das neue HR – transparent, objektiv, fair: Die Überprüfung bestehender HR-Prozesse auf Transparenz, Objektivität und Fairness kann zu schnellen Ergebnissen führen. Dabei sollte vor allem auch berücksichtigt werden, wie die eigenen Mitarbeiter die bestehenden Prozesse bewerten.
6. Mentor – the Career-Maker: Ein Mentor kann bei der Karriere helfen. Allerdings muss er die richtige Art von Unterstützung leisten: Ein guter Mentor leistet Hilfe bei der Karriereplanung, ermuntert Frauen dazu, Risiken einzugehen und neue Positionen anzustreben, und öffnet die Tür zu Netzwerken und aussichtsreichen Positionen. Soll die Unterstützung durch einen Mentor effektiv sein, muss sie sehr gezielt sein und nicht nur als „Wellness-Faktor“ begriffen werden.
In vielen Unternehmen geht es nicht nur darum, Frauen explizit zu fördern. Vielmehr müssen zuerst einmal bestehende Hürden abgebaut werden. Denn auch wenn es sich nur um kleine Hindernisse handelt, können viele kleine Hürden einen großen Berg ergeben – und dieser muss erst einmal überwunden werden, damit Frauen ebenso wie Männer Karriere machen können. Denn nur so können Unternehmen von der Vielfalt in Führungspositionen profitieren. Regelmäßige interne Untersuchungen zu den Erfahrungen von Männern und Frauen am Arbeitsplatz können Unternehmen helfen, diese Hürden ausfindig zu machen und entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Arbeitgeberverband BDA (Hrsg.): Frauen in Führungspositionen. Entwicklungen und Zielsetzung der 30 Dax-Unternehmen. Statusbericht 2013.
IBM (Hrsg.): Leading Through Connections: Insights from the Global IBM CEO Study. 2012.
Grant Thornton (Hrsg.): Women in business: from classroom to boardroom. International Business Report 2014.
Wichert, Ines: Women Leaders' Career Advancement. A three-level framework. IBM Smarter Workforce Institute 2014.
Wichert, Ines: The Whole Package – women's career in the context of work, life and family set-up. IBM Smarter Workforce Institute 2014.
Autorin
Dr. Ines Wichert, Senior Psychologist, IBM Diversity and Inclusion Centre of Excellence London,
ines.wichert@uk.ibm.com
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