Ausgabe 2 - 2016
Einfach genial, weil herrlich normal

Sparkassen haben ein Image als solider, aber nicht unbedingt immer attraktiver Arbeitgeber. Hier setzt die Sparkassenakademie Baden-Württemberg mit der Implementierung des Beratungsthemas „Attraktive Arbeitgeberpositionierung“ an. Ein Pilotinstitut hat nun den Prozess der Positionierung, der in unserem Beitrag skizziert wird, abgeschlossen.
Im Wettbewerb um motivierte Auszubildende und qualifizierte Fach- und Führungskräfte gewinnt das Thema Employer Branding zunehmend an Bedeutung. Auch für die Sparkassen wird die Arbeitgeberattraktivität immer wichtiger. Doch was genau bedeutet es, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein? Für was steht jede einzelne der 52 Sparkassen in Baden-Württemberg? Wie müssten sich die Institute positionieren, um gegenüber den Wettbewerbern fit für die Zukunft zu sein?
Rekrutierungspool wird kleiner
Die Sparkassen-Finanzgruppe nimmt mit einer traditionell überdurchschnittlichen Ausbildungsquote von rund zehn Prozent weiterhin den Spitzenplatz in der Kreditwirtschaft ein. Dennoch wird es für die Institute zunehmend schwieriger, die angebotenen Ausbildungsstellen quantitativ und qualitativ zu besetzen: Laut aktueller Statistik des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) ging die Zahl der Neueinstellungen bei Auszubildenden 2014/2015 bundesweit gegenüber dem Vorjahr um zehn Prozent zurück (Baden-Württemberg minus 8,4 Prozent). Darüber hinaus steigt laut dem eignungsdiagnostischen Verfahren BEST der Sparkassen-Finanzgruppe die Zahl der Realschüler und Abiturienten, die für den Ausbildungsberuf Bankkaufmann nicht geeignet sind. Der Rekrutierungspool für qualifizierten Nachwuchs wird damit auch für Sparkassen stetig kleiner.
Erfreulicher sind die aktuellen Ergebnisse der Trendence-Umfrage „Deutschlands 100 Top-Arbeitgeber“: Ein Vergleich der Ergebnisse bei der Schülerbefragung zeigt, dass die Sparkassen-Finanzgruppe sich im letzten Jahr gegen den allgemeinen Trend im Bankenmarkt verbessert hat (Platz 18) und damit deutlich vor den Wettbewerbern der Branche liegt (z.B. Deutsche Bank Platz 31, Volksbanken Raiffeisenbanken Platz 47). Allerdings zeigt sich, dass sich das Berufsbild Bankkaufmann in der öffentlichen Wahrnehmung insgesamt verschlechtert hat und zunehmend in Konkurrenz zu einer akademischen Qualifizierung steht.
Authentische Botschaften statt Floskeln
Ebenfalls herausfordernd gestaltet sich die Situation im Bereich der Fach- und Führungskräfte: Können freiwerdende Stellen im Firmenkundengeschäft oder in der Vermögensberatung schneller besetzt werden? Ist die Fluktuationsquote zunehmend rückläufig? Konnte die wahrzunehmende Vertriebsflucht auffallend verlangsamt werden? Um sich den Herausforderungen der Zukunft – aber auch der Gegenwart – erfolgreich zu stellen, braucht es mehr als ein Bündel vielfältiger und ideenreicher Einzelmaßnahmen. Notwendig ist eine eindeutige Positionierung als attraktiver und vor allem als authentischer Arbeitgeber, die sowohl in der Innen- als auch in der Außenwirkung so wahrgenommen wird. Aus neuen Mitarbeitern werden nur dann langjährige Beschäftigte, wenn sie das, was sie im Bewerbungsprozess über ihren potenziellen Arbeitsplatz erfahren haben, auch im Alltag wiederfinden. Eine gute Arbeitgeberpositionierung muss daher glaubwürdig, differenzierend und zukunftsweisend sein und beantwortet in ihrer Gesamtheit folgende Leitfragen: Wofür stehe ich als Arbeitgeber (Werte)? Wo will ich hin (Ziele)? Was macht mich besonders (Identität)? Wer passt zu mir und wer nicht (Kultur)? Damit wirkt eine attraktive Arbeitgeberpositionierung auf die Hauptthemenfelder Mitarbeitergewinnung, Mitarbeiterbindung, Unternehmensmarke, Unternehmenskultur sowie Leistung und Ergebnis.
Pilot gesucht
Vor dem Hintergrund der angesprochenen Herausforderungen hat die Sparkassenakademie Baden-Württemberg ihr Beratungsangebot im Bereich Personal- und Organisationsentwicklung erweitert und unterstützt die Sparkassen in Baden-Württemberg dabei, ihre Wahrnehmung als attraktiver Arbeitgeber in der Außen- als auch Innenwirkung zu stärken. Die Entwicklung der Arbeitgeberpositionierung findet in fünf aufeinander abgestimmten Phasen statt (Abbildung 1).
Abbildung 1
Ablauf des Prozesses

Die Entwicklung der Arbeitgeberpositionierung findet in fünf aufeinander abgestimmten Phasen statt, an deren Ende die Umsetzung und Validierung stehen.
Die Pilotierung der ersten drei Phasen erfolgte im Frühjahr 2015. Ziel war es, die Ergebnisse im Rahmen einer Gesamtvorständekonferenz mit 140 Entscheidungsträgern zu kommunizieren, sodass lediglich ein Zeitfenster von drei Monaten zur Verfügung stand. Daher bot sich als Pilot-Sparkasse ein Institut mittlerer Unternehmensgröße an, dessen Gesamtvorstand dem Projekt explizit zustimmte. Darüber hinaus war die zentrale Voraussetzung ein grundsätzlicher Veränderungswille sowie die Bereitschaft, umfangreiche Informationen, zur Strategie, Leitbildern und Werten des Hauses zur vertraulichen Einsichtnahme offenzulegen.
Projektgruppe als Sounding Board
Nach sorgfältiger Prüfung erfolgte die Pilotierung mit einer Sparkasse aus dem Süden Baden-Württembergs mit einer Größe von rund 350 Mitarbeitern. Den Projekt-Kick-off bildete ein eintägiger Strategie-Workshop mit einer Lenkungsgruppe aus Entscheidungsträgern, die sich aus drei Vorständen, drei leitenden Mitarbeitern und einem DH-Studenten zusammensetzte. Die Moderation erfolgte dabei durch den Leiter der Sparkassenakademie Baden-Württemberg sowie durch den projektverantwortlichen Berater Personal- und Organisationsentwicklung. Nach einem grundsätzlichen Impulsreferat zum Personalmarketing der Zukunft wurden die Teilnehmer eingeladen, sich im Rahmen eines World-Café-Formates mit Leitfragen zu den Themen Unternehmenssituation, Schlüsselpositionen und dem Unternehmen als Arbeitgeber auszutauschen. Die intensive Diskussion wurde genutzt, um ein stimmiges Projektziel sowie den Projektzeitplan mit konkreten Meilensteinen abzustimmen.
Die Ergebnisse dienen im nächsten Schritt als Grundlage für den Kick-Off der Projektgruppe, die als „Sounding Board“ den Projektfortschritt laufend reflektierte. Für ein möglichst umfassendes Feedback war es daher wichtig, in der Projektgruppe Mitglieder und Vertreter unterschiedlicher Interessengruppen zu versammeln: neben dem Personalleiter und dem DH-Studenten aus der Lenkungsgruppe nahmen die Verantwortlichen der Öffentlichkeitsarbeit, des neu eingerichteten Innovationsmanagements sowie der Gruppenleiter Personalentwicklung teil, um den weiteren Projektablauf zu diskutieren und die Ausgestaltung der Analysephase zu konkretisieren.
Ich als Mitarbeiter
Was waren die Kernelemente der Analysephase? Zentrale Bedeutung kam der Befragung der Schlüsselpositionen zu: In insgesamt drei Fokusgruppen-Interviews wurden an zwei Tagen die Eigenschaften und Werte identifiziert, die die Sparkasse als Arbeitgeber tatsächlich auszeichnen. Die Projektgruppe hatte im Vorfeld definiert, welche Mitarbeiter das moderierte World-Café nebst Vernissage begleiten würden. Am Ende standen drei Fokusgruppen mit jeweils acht Teilnehmern aus den Bereichen Nachwuchskräfte, erfahrene Mitarbeiter mit langjähriger Betriebszugehörigkeit sowie Vertriebsmitarbeiter mit unterschiedlicher Betriebszugehörigkeit. In den Fokusgruppen-Interviews wurden die Leitfragen aus dem Kick-off der Lenkungsgruppe aufgegriffen und um die Dimension „Ich als Mitarbeiter“ ergänzt. Ziel war es, hieraus Erkenntnisse direkt von den Teilnehmern zu erhalten, wie sie auf ihr eigenes Unternehmen aufmerksam wurden, was ihnen bei ihrer Arbeit besonders gut gefällt und was ihr Unternehmen tun müsste, um noch attraktiver zu werden.
Die zahlreichen Ergebnisse und Diskussionsbeiträge aus allen Gruppen wurden im Nachgang der Workshops strukturiert, geclustert und in einer umfangreichen SWOT-Analyse aufbereitet. Um die Aussagekraft der Workshop-Ergebnisse zusätzlich zu schärfen, wurde eine bereits durchgeführte Mitarbeiterbefragung im Rahmen einer Bachelor-Thesis zum Thema „Arbeitgeberattraktivität“ einbezogen und einer umfangreichen Dokumentenanalyse zu Leitbildern und internen Kennzahlen der Sparkasse gegenübergestellt.
Wir positionieren uns
Alle Erkenntnisse fanden schließlich Ausdruck in zwölf sogenannten Profilfeldern, die in Abstimmung mit der Projektgruppe zu sechs finalen Kulturmerkmalen des Unternehmens aggregiert wurden. Doch was ist nun das Arbeitgeberversprechen, mit dem sich die Sparkasse von ihren Mitbewerbern abheben kann? Hierzu wurde die Employer Value Proposition (EVP) regionaler Hauptwettbewerber analysiert und mit vordefinierten Präferenzen der Zielgruppe abgeglichen (Abbildung 2).
Abbildung 2
Was will der Nachwuchs?

Die Stärken regionaler Hauptwettbewerber wurden analysiert und mit vordefinierten Präferenzen der Zielgruppe „Nachwuchskräfte“ abgeglichen, um die eigene Employer Value Proposition (EVP) zu erkennen.
Aus allen Informationen wurde abschließend die individuelle Arbeitgeberpositionierung mit drei zentralen Positionierungsthemen für die Sparkasse abgeleitet. Sie bilden künftig den Ausgangspunkt aller Maßnahmen, die umgesetzt und kommuniziert werden, da sie authentisch, relevant und besonders sind.
Zur besseren Kommunikation wurde jedem Positionierungsthema ein Spiritsatz zugeordnet, der das jeweilige Thema für interne und externe Adressaten nachvollziehbar macht und in einer zentralen Positionierungsaussage für die Pilotsparkasse mündet: „Das ‚Wir‘ im Fokus – miteinander arbeiten und füreinander einstehen. Verschiedene Perspektiven? Darauf kommt es bei uns an! Hier zählt jede Stimme. Neugierig hinterfragen wir, probieren mutig aus und leisten dabei viel. Das sind Menschen bei der ‚Pilotsparkasse‘: einfach genial, weil herrlich normal.“
Nur haltbare Versprechungen machen
Die individuelle Positionierungsempfehlung wurde in ihrer finalen Form sowohl dem Projektteam als auch dem Lenkungsausschuss vorgestellt, bevor sie dann in der Gesamtvorständekonferenz den Entscheidungsträgern der Sparkassen in Baden-Württemberg präsentiert wurde. Die Resonanz war sehr positiv: besonders hervorgehoben wurden die fundierte Analyse und die stimmige Arbeitgeberpositionierung, die in kurzer Zeit erarbeitet wurde. Je nach Größe des Instituts scheint für die ersten drei Phasen ein Zeitaufwand zwischen drei bis sechs Monate angemessen. Und wie geht es nun weiter? Im nächsten Schritt geht es nun darum, die Arbeitgeberpositionierung täglich erlebbar zu machen, die Unternehmenskultur bewusst weiterzuentwickeln und das gemeinsame Selbstverständnis in der Sparkasse zu schärfen.
Gleichzeitig dient die Arbeitgeberpositionierung künftig als inhaltliche Richtschnur, um Investitionen in die Arbeitgeberqualität gezielt zu steuern. Und zwar so, dass die Sparkasse nicht einfach „mehr bietet“ und „besser“ wird, sondern auch profilierter. Der wichtigste Hebel hierfür ist es, die Personal- und Organisationsentwicklung sowie die interne Kommunikation so zu gestalten, dass sie auf die Arbeitgebermarke und damit auf die übergreifenden Markenwerte einzahlen. Nach sußen geht es darum, dass sich das Unternehmen bei den am besten zu ihm passenden potenziellen Bewerbern als attraktive Arbeitgebermarke verankert, um in allen Phasen der Jobsuche erste Wahl zu werden und zu bleiben. Dabei gilt es, die Erwartungen zu managen, die mit der Arbeitgebermarke bei den Zielgruppen im Arbeitsmarkt geweckt werden. Das bedeutet: die eigenen Stärken als Arbeitgeber gut zu verkaufen, jedoch keine unhaltbaren Versprechungen zu machen. Diese ersten Schritte hin zur Marke sollen im Laufe des Jahres 2016 abgeschlossen sein. Wenn die Arbeitgebermarke dann künftig an diesen Werten authentisch ausgerichtet wird, war das Konzept der attraktiven Arbeitgeberpositionierung erfolgreich.
Autor
Magnus Kyre, Berater Personal- und Organisationsentwicklung, Sparkassenverband Baden-Württemberg, Stuttgart,
magnus.kyre@sv-bw.de
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