Ausgabe 2 - 2018
HR-Karriere: eine Frage der Persönlichkeit?

Über die Persönlichkeit ihrer Mitarbeiter und Bewerber wissen Personaler oft sehr viel. Doch wie steht es um ihre eigenen Besonderheiten? Und welche Rolle spielen diese in der HR-Laufbahn? Eine Studie zeigt: Angst ist für Personalmanager kein guter Karriereratgeber.
Personalmanager befassen sich in ihrer täglichen Arbeit irgendwann immer mit der Frage: Was macht einen erfolgreichen Mitarbeiter aus? So werden Führungskräfte in Assessment-Centern beurteilt, Berufseinsteiger in ihrer Persönlichkeit getestet und insgesamt allerhand Anstrengungen unternommen, Potenziale zu identifizieren. Doch was zeichnet eigentlich die Personalmanager selbst aus? Um zu beschreiben, was einen „typischen Personaler“ ausmacht, könnte man die Fachlichkeit, den akademischen Abschluss oder die beruflichen Stationen heranziehen. Hier stellen wir die Frage etwas anders: Welches Persönlichkeitsprofil zeichnet Personalmanager aus? Und: Korrespondiert die Persönlichkeit von Personalmanagern mit der Zufriedenheit, dem Stresserleben oder gar dem Erfolg in der HR-Laufbahn?
Die Erfassung der Persönlichkeitsmerkmale
An der anonymen Erhebung nahmen 611 Personalmanager mit einem Durchschnittsalter von 40 Jahren und einer mittleren Berufserfahrung im Personalwesen von knapp zwölf Jahren teil. Davon waren zwei Drittel Frauen (66 Prozent); annähernd die Hälfte der Befragten waren HR-Führungskräfte (47 Prozent). Die Teilnehmer wurden über verschiedene persönliche und institutionelle Netzwerke im deutschsprachigen Raum rekrutiert, um eine möglichst heterogene Zusammensetzung der Stichprobe zu gewährleisten. Alle durchliefen den IQP-Persönlichkeitstest, der online binnen 20 Minuten sieben Persönlichkeitsmerkmale erfasst.
Zusätzlich zur Persönlichkeitsdiagnostik wurden mehrere Indikatoren beruflicher Bewährung erhoben, wovon die drei wichtigsten im Fokus der Studie standen: Zufriedenheit, Stresserleben und Zielerreichung in der Tätigkeit.
Der IQP-Persönlichkeitstest meldet die Ausprägung jedes Persönlichkeitsmerkmals auf einer Skala von 0 (sehr gering) bis 100 (sehr hoch) zurück, wobei 50 für die mittlere Ausprägung steht. Weicht das Profil der Personalmanager in relevanter Größenordnung von der Mitte ab, ist dies ein Hinweis auf eine psychologische Besonderheit. Zunächst wurde also geprüft, inwiefern die untersuchten Personalmanager Besonderheiten im Persönlichkeitsprofil aufweisen. Die explorative Frage: Weicht das mittlere Persönlichkeitsprofil der Personalmanager bedeutsam vom Mittelpunkt der persönlichkeitsbezogenen Intensitätsskala ab? Die Abbildung stellt das mittlere Persönlichkeitsprofil der 611 untersuchten Personalmanager dar.
Die Besonderheit an diesem Ergebnis ist: das Fehlen einer Besonderheit. Während sich andere Berufsgruppen bei Erhebungen vergleichbaren Zuschnitts durch auffällig hohe Risikoneigung (Vertriebler) oder überdurchschnittliche emotionale Belastbarkeit (General Manager) auszeichnen, ist zumindest in Bezug auf die Persönlichkeit nichts Exotisches in HR zu finden. Lediglich die leicht erhöhte Offenheit und Neugier – das Merkmal „Geistige Flexibilität“ – sticht mit einem Wert leicht hervor, der zehn Punkte über 50 liegt. Alle übrigen sechs Merkmale weichen lediglich zwischen zwei und sechs Punkten von der Mitte ab.
Interessanter ist an dieser Stelle der Vergleich zwischen Fach- und Führungskräften in HR. Während sich die Fachkräfte ohne Führungsverantwortung durch eine höhere Gewissenhaftigkeit auszeichnen, zeigen die HR-Führungskräfte signifikant höhere Werte in emotionaler Belastbarkeit, geistiger Flexibilität, Leistungsmotivation und Risikoneigung. Für Extraversion und Teamorientierung konnten keine Unterschiede zwischen beiden Gruppen identifiziert werden.
Abbildung
Mittleres Persönlichkeitsprofil von 611 Personalmanagern

Das durchschnittliche Persönlichkeitsprofil von Personalern zeigt sich auffällig unauffällig.
Wie Persönlichkeit und berufliche Bewährung zusammenhängen
Anschließend wurde der Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und Bewährung im Personalmanagement ermittelt. Die berufliche Bewährung wurde vordergründig über die drei Kriterien Zufriedenheit mit der Tätigkeit, Stresserleben in der Tätigkeit und Zielerreichung (im Vorjahr) in der Tätigkeit erhoben. Die Zusammenhänge von Persönlichkeitsmerkmalen und den Kriterien wurden vorwiegend hypothesengeleitet ermittelt und teils explorativ geprüft, falls es in bisheriger Studienlage und Literatur kaum konkrete Hinweise in Bezug auf zu erwartende Zusammenhänge gab. Zunächst zur Zufriedenheit: Lediglich die Persönlichkeitsmerkmale emotionale Belastbarkeit und Extraversion wiesen positive Korrelationen zur Zufriedenheit mit der Tätigkeit in HR auf. Dass emotional belastbare und extravertierte Menschen zufriedener sind, ist allerdings ganz generell in der berufsbezogenen Persönlichkeitsforschung eine etablierte Befundlage.
Die Ergebnisse im Bereich Stresserleben und verwandter Kriterien lassen insgesamt drei Zusammenhänge prominent erscheinen. Zunächst zeigt sich, dass nicht nur eine höhere emotionale Belastbarkeit mit geringerem Stresserleben in der Tätigkeit korrespondiert. Auch eine geringere Teamorientierung geht mit vermindertem Stresserleben einher. Betrachtet man den weit härteren gesundheitsrelevanten Faktor „krankheitsbedingte Fehltage“, so besteht hier ebenfalls eine negative Korrelation mit emotionaler Belastbarkeit: Ein Mehr an emotionaler Belastbarkeit geht mit weniger Fehltagen einher. Übersetzt man die für psychodiagnostische Fragestellungen moderate Korrelation von r = .19 in Gruppenunterschiede, zeigt sich folgendes Bild: 6,9 Fehltage gehen im Mittel auf das Konto der emotional sehr instabilen Personalmanager, während lediglich 2,5 Fehltage in der Gruppe der emotional stabilen zu Buche schlagen. Für das Merkmal Leistungsmotivation zeigt sich ebenfalls: Hoch leistungsmotivierte Personalmanager fehlen seltener krankheitsbedingt – der Unterschied zwischen den Extremgruppen ist hier allerdings nur etwas mehr als halb so groß, verglichen mit dem Effekt hinsichtlich des Merkmals „emotionale Belastbarkeit“.
Kein Risiko – keine HR-Karriere?
Die Befunde zur Frage, welche Persönlichkeitsmerkmale mit Zielerreichung beziehungsweise ganz generell Karrierefortschritt in HR korrespondieren, lassen sich wie folgt auf einen Nenner bringen: Den Verwegenen, Stabilen und Neugierigen gehört die Welt – zumindest die HR-Welt. Denn Risikoneigung, emotionale Belastbarkeit und geistige Flexibilität zeigen signifikant positive Zusammenhänge zu Kriterien beruflichen Erfolgs. Personalmanager mit einer sehr hohen Risikoneigung erreichten gut 13 Prozent mehr Jahresziele als jene mit einer sehr geringen Risikoneigung, und die Zahl der Beförderungen war um mehr als drei viertel höher zugunsten derjenigen mit einer sehr hohen Risikoneigung (77 Prozent). Zusätzlich lag die Anzahl der Beförderungen bei den emotional sehr hoch belastbaren Personalmanagern im Vergleich zu den sehr gering belastbaren um fast die Hälfte höher (45 Prozent). Geistige Flexibilität wiederum korrespondierte positiv mit der prozentualen Jahreszielerreichung.
Beschreibt man die Besonderheiten von Laufbahnen in der Logik von Persönlichkeitsdiagnostik, könnte man Folgendes konstatieren: Vertriebler sind vor allem risikofreudig; General Manager sind besonders emotional stabil. Und Personaler? Noch am ehesten neugierig, wenn auch nur ein wenig mehr als der Durchschnitt – ansonsten jedoch nicht auffällig. Über alle Kriterien hinweg ist in dieser Studie emotionale Belastbarkeit das zentrale Merkmal für berufliche Bewährung – oder umgekehrt formuliert: In HR haben Neurotiker das Nachsehen in der Karriereentwicklung, sind unzufriedener und erleben den Job insgesamt als stressiger. Ungewöhnlich ist diese Ergebnislage aber auch in anderen Professionen nicht. Am interessantesten erscheint daher das Persönlichkeitsmerkmal Risikoneigung: Denn nicht nur erreichen Personalmanager mit ausgeprägtem Hang zum Eingehen von Risiken mehr berufliche Ziele und werden häufiger befördert. Darüber hinaus passt dieses Ergebnis zur Dauerdebatte um die Rolle von HR: In einer Profession, die oftmals durch Vorsicht und Absicherungsverhalten geprägt ist, haben „Desperados“ offenbar gute Karten.
Definition der sieben Persönlichkeitsmerkmale des IQP-Persönlichkeitstests
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Emotionale Belastbarkeit (Umgang mit Stress, Bewältigung emotionaler und zwischenmenschlicher Probleme)
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Extraversion (Geselligkeit, Ausdrücken eigener Gefühle und Gedanken, Bedürfnis der Selbstdarstellung)
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Geistige Flexibilität (Wichtigkeit von Ideenreichtum, Stellenwert von Wissen, Weiterbildungsmotivation, Unkonventionalität)
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Gewissenhaftigkeit (Pflichtbewusstsein, Regelkonformität, Sorgfalt bei der Aufgabenbearbeitung)
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Leistungsmotivation (Streben nach Erreichen von definierten Leistungsstandards, Stellenwert von Wettbewerb)
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Risikoneigung (Streben nach schneller Aufgabenerledigung, Akzeptanz von Risiken, Tendenz zum Bruch von Konventionen)
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Teamorientierung (Verbindlichkeit von Gruppenregeln, Anpassung an soziale Standards und Normen, Bereitschaft, eigene Ressourcen zum Wohl der Gruppe freizugeben)
Studie kompakt
Forschungsfragen: 1) Welches Persönlichkeitsprofil zeichnet Personalmanager aus? 2) Korrespondiert die Persönlichkeit von Personalmanagern mit der Zufriedenheit, dem Stresserleben oder gar dem Erfolg in der HR-Laufbahn? |
Forschungsansatz: Empirische Studie mittels Persönlichkeitstest und Fragebogen zur beruflichen Bewährung im Querschnitt mit 611 deutschsprachigen HR Professionals aus Unternehmen und Verwaltungen der DACH-Region. |
Ergebnisse: ad 1): Personalmanager unterscheiden sich in ihrer Persönlichkeit kaum von Berufstätigen anderer Laufbahnen. Lediglich eine leicht überdurchschnittliche geistige Flexibilität ist kennzeichnend. ad 2): Emotional wenig belastbare Personalmanager haben das Nachsehen in der HR-Laufbahn: Sie erleben den Job als stressiger und fehlen häufiger krankheitsbedingt, sind unzufriedener und werden seltener befördert. Personalmanager mit einer hohen Risikoneigung wiederum werden häufiger befördert und erreichen mehr Jahresziele als ihre auf Sicherheit bedachten Kollegen. Abschließend: Das Berufsbild HR kann unter anderem auch persönlichkeitspsychologisch definiert werden. |
AUTOR
Prof. Dr. Jens Nachtwei, HAM und Humboldt-Universität Berlin, Institut für Psychologie, Sozial- und Organisationspsychologie,
jens.nachtwei@hu-berlin.de
Funk, L./Nachtwei, J./Melchers, K.: Die Kluft zwischen Wissenschaft und Praxis in der Personalauswahl, Personalquarterly 03/15, 2015, S. 26-31.
Nachtwei, J./Uedelhoven, S./von Bernstorff/C., Liebenow, D.: Personalpsychologische Schriften – Modelle, Instrumente, Studien. Handbuch zum IQP-Testsystem: Intelligenz- und Persönlichkeitsdiagnostik für Personalauswahl und -entwicklung, Berlin, 2015.
Neyer, F. J./Asendorpf, J. B.: Psychologie der Persönlichkeit, Berlin, 2018.
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