Ausgabe 3 - 2013
Die Kleinen holen auf
Die Bewerbungen für den Deutschen Bildungspreis zeigen: Kleine und mittelständische Unternehmen fördern zunehmend aktiv die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter. Mitarbeitergespräche werden dabei immer wichtiger. Nachholbedarf besteht jedoch beim Praxistransfer und bei der IT-Infrastruktur.
Rein quantitativ spielt das Thema Bildungsmanagement in der deutschen Wirtschaft bereits eine wichtige Rolle: Laut IW-Weiterbildungserhebung 2011 investieren die Unternehmen jährlich rund 1000 Euro pro Kopf in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter. Insgesamt ergaben sich im Beispieljahr 2010 somit Bildungskosten von über 28 Milliarden Euro – eine gewaltige Summe.
Eine Summe, die über qualitative Mängel hinwegtäuscht. So liegt Deutschland nach den Ergebnissen der dritten europäischen Erhebung über die berufliche Weiterbildung in Unternehmen (CVTS3) beim Thema Bildung im europäischen Vergleich hinter den meisten west- und nordeuropäischen Industrieländern. Die erste Bewerbungsrunde zum Deutschen Bildungspreis zeigt das Problem vieler Unternehmen und Institutionen: Häufig sind die Bildungsziele nicht in der Unternehmensstrategie verankert und der innerbetriebliche Gesamtfahrplan für das Thema fehlt.
Um den Herausforderungen zu begegnen und die Entwicklung des Bildungsmanagements in Deutschland zu fördern, wurde unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Mai 2012 der „Deutsche Bildungspreis“ ins Leben gerufen. Ausgezeichnet werden die Unternehmen und Institutionen mit dem besten Bildungs- und Talent Management. 133 Unternehmen haben sich für den ersten Deutschen Bildungspreis beworben.
Gutes Bildungsmanagement wird ausgezeichnet
Dem Deutschen Bildungspreis liegt eine mehrstufige, expertengestützte Bewertungssystematik zugrunde. Von Mai bis November 2012 waren Unternehmen aufgefordert, den umfangreichen Qualifizierungsbogen, der auf einem wissenschaftlich fundierten und praxisnahen Qualitätsmodell basiert, auszufüllen und als Bewerbung einzureichen. Auf Grundlage einer umfassenden quantitativen Auswertung sowie der qualitativen Einschätzung eines unabhängigen Beirats wurden letztlich die Finalisten bestimmt. Die Punkteverteilung im Qualifizierungsbogen wurde dabei ausschließlich durch die Befragten ermittelt, die jeder einzelnen Frage eine Relevanz zuwiesen. Aktuell werden die Finalisten des Deutschen Bildungspreises auditiert. Auf Basis der Auditberichte bestimmt der Beirat anschließend die Gewinner.
Die Bewertung der Bögen ist in drei Bereiche unterteilt. So mussten die Teilnehmer Fragen zur strategischen sowie strukturellen Aufstellung und zum operativen Bildungsmanagement ihres Unternehmens beantworten.
Die strategische Ebene umfasst dabei die übergreifende Analyse, die Planung und das Controlling der Bildungsmaßnahmen sowie die Rekrutierungsstrategie. Auf struktureller Ebene geht es um das Vorhandensein fester Strukturen und passender technischer Infrastruktur. Das operative Bildungsmanagement bildet schließlich die praktische Umsetzung der strategischen Maßnahmen ab – mit internen Ressourcen oder externen Dienstleistern.
Der Deutsche Bildungspreis wird in den Kategorien „Dienstleistung“ und „Produktion“ an Unternehmen mit jeweils mehr oder weniger als 500 Mitarbeitern vergeben. Für besonders kreative Ansätze wird zudem ein Innovationspreis ausgelobt.
Beim Bewerbungsprozess sticht hervor, dass sich mit einem Anteil von 57 Prozent besonders viele kleine und mittelständische Unternehmen beteiligt haben. Der Großteil stammt aus dem Dienstleistungssektor. Die starke Präsenz kleiner und mittelständischer Betriebe dürfte als Indiz dafür gelten, dass diese einen hohen Wert auf qualifizierte Mitarbeiter legen – trotz begrenzter Ressourcen. Erwartungsgemäß waren aber auch die Großunternehmen stark vertreten, sieben der DAX-30 nahmen teil. Ein bunter Branchen-Mix quer durch alle Industriesegmente unterstreicht die Relevanz des Themas.
Praxisnahes Qualitätsmodell
Den Initiatoren des Deutschen Bildungspreises geht es vor allem um eine realitätsgetreue Analyse der aktuellen Situation. „Uns war es wichtig, den Qualifizierungsbogen möglichst praxisnah zu halten“, sagt Magdalena Nowak, Projektmanagerin bei der EuPD Research Sustainable Management. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten die Relevanz der erhobenen Kriterien für den Erfolg des Bildungs- und Talent Managements selbst gewichten. „Auf Grundlage aller 133 Bewerber entsteht so das erste praxisvalidierte Qualitätsmodell betrieblichen Bildungs- und Talent Managements“, so Nowak.
„Mit der anschließenden Einteilung in vier Kategorien erhöhen wir die Vergleichbarkeit der Ergebnisse. Denn ein Unternehmen mit 5000 Mitarbeitern hat andere Möglichkeiten und Anforderungen im Bildungsmanagement als ein Unternehmen mit 50 Mitarbeitern“, ergänzt Anne Dreyer, Projektleiterin Bildungsmanagement bei der TÜV SÜD Akademie.
Auffallend bei der Gewichtung ist die Bedeutung der beiden Bereiche „Mitarbeitergespräche“ und „Führungskräfte“. Diese landen in allen vier Teilnehmergruppen auf den vordersten Plätzen.
Die meisten Personaler sind sich einig, dass das Thema Weiterbildung ein wesentlicher Bestandteil eines jeden Mitarbeitergesprächs sein muss, um Bedarf und Kompetenz der Mitarbeiter seriös einzuschätzen. Beim Thema Führungskräfte halten die Befragten es für essentiell, dass leitende Mitarbeiter selbst regelmäßig an Bildungsmaßnahmen teilnehmen. Zudem seien Bildungsmanagement, Kompetenzentwicklung und Qualifizierung der Mitarbeiter feste Bestandteile der Führungsaufgaben. Positiv ist zu beurteilen, dass die Unternehmen die aus ihrer Sicht bedeutendsten Bereiche auch tatsächlich umsetzen: Die Teilsegmente „Mitarbeitergespräche“ und „Führungskräfte“ haben auch beim Grad der Umsetzung besonders gut abgeschnitten.
Aber es gibt auch Nachholbedarf – zum Beispiel im Bereich der Praxistransfersicherung: Inwiefern finden bereits absolvierte Bildungsmaßnahmen tatsächlich Anwendung im Berufsalltag? Als sehr bedeutend gilt etwa ein System, welches die Einzelziele der Bildungsmaßnahmen festsetzt und im Anschluss die Zielerreichung evaluiert – beispielsweise anhand von Balanced Scorecards oder Six Sigma-Modellen. Diese Herangehensweise wird aber bislang kaum umgesetzt.
Bei der Einbindung des Erlernten in den Berufsalltag sieht es ähnlich düster aus. Sinnvoll ist es, im Gespräch mit dem Mitarbeiter vor und nach einer Bildungsmaßnahme festzulegen, wo das erworbene Wissen praktisch angewendet werden kann. Dabei stellen aber die meisten Unternehmen weder einen genauen Transferplan auf, noch halten sie entsprechende Gespräche nach.
Knackpunkt Praxistransfer
Die befragten Unternehmen erfüllen die Anforderungen an einen guten Praxistransfer durchschnittlich zu lediglich knapp 50 Prozent. Besonders schwer tun sich indes die großen Produktionsunternehmen, die eine Umsetzungsquote von kaum 40 Prozent erreichen. In ihrer Kategorie liegen sie damit deutlich unterhalb des Durchschnitts.
Daneben können Unternehmen auch beim Thema Infrastruktur nachlegen. Defizite beim technischen Support behindern das innerbetriebliche Bildungsmanagement. In weniger als der Hälfte der Unternehmen werden Mitarbeiterkompetenzen und Weiterbildungsmaßnahmen über ein geeignetes System erfasst und verwaltet. Vielen Mitarbeitern ist es darüber hinaus nicht möglich, sich adäquat über IT-gestützte Maßnahmen eigenständig fortzubilden oder sich über Weiterbildungsangebote zu informieren und auszutauschen. Nur etwas mehr als ein Drittel der Maßnahmen wird umgesetzt. Mit 52 Prozent erreichen dabei die Dienstleistungsunternehmen mit über 500 Mitarbeitern noch den höchsten Wert.
Strategische Elemente wie die Verzahnung von Weiterbildung und Unternehmensstrategie sowie Bedarfsanalyse und Bildungsplanung werden als essentiell für den Erfolg des Gesamtsystems Bildungsmanagement gesehen. Strukturellen Elementen wie der organisatorischen Erfassung oder der konkreten Anzahl und Ausprägung der Bildungsmaßnahmen schreiben die Teilnehmer hingegen eine geringere Bedeutung zu.
Jedoch kommt den strategischen Bereichen vonseiten der Unternehmen nicht die Priorität zu, die sie verdienen. Zwar sind die Mitarbeitergespräche mit einer durchschnittlichen Umsetzungsquote von 78 Prozent der Punkt, der am positivsten hervorsticht. Doch hinken die strategischen Maßnahmen häufig hinter dem Bildungsmanagements her.
Sieger unter den Branchen sind hier die großen Dienstleister mit über 500 Mitarbeitern: Sie erreichen eine Umsetzungsquote von fast 76 Prozent über alle drei Ebenen. Die hier behandelten Aspekte geben einen Einblick in die Analyse des Status quo und der praxisrelevanten Erfolgsfaktoren des Bildungs- und Talent Managements in Deutschland.
Autoren
Patrick Jonas, Unternehmenskommunikation EuPD Research Sustainable Management GmbH,
p.jonas@eupd-rsm.de
Jörg Schemat, Geschäftsführer TÜV SÜD Akademie GmbH,
joerg.schemat@tuev-sued.de
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