Eine Marke für die Mitarbeiter

Erfahrungen mit Unternehmen im öffentlichen Sektor zeigen vor allem eines: Sie leben mit deutlich anderen Rahmenbedingungen als die freie Wirtschaft, doch stehen sie vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und Fachkräftemangels im Wettbewerb mit ihr. Der Aufbau überzeugender Arbeitgebermarken ist dadurch erschwert und dennoch unbedingt notwendig.
Die Personalsituation wird sich in vielen Landes- und Stadtverwaltung dramatisch verschlechtern, wenn die durch Pensions- und Renteneintritt freiwerdenden Stellen nicht adäquat besetzt werden können. Um Schüler, Studierende, Fach- und Führungskräfte von der öffentlichen Verwaltung als Arbeitgeber zu überzeugen, bedarf es zielgerichteter und nachhaltiger Maßnahmen, die in einer konsistenten Arbeitgebermarke münden müssen. Dabei sind einige Hürden zu überwinden.
Eine Frage der Zuständigkeit
Die interne Organisationsstruktur im öffentlichen Dienst ist häufig nicht förderlich. Es fehlen zentrale Ansprechpartner für Recruiting in Ministerien und Stadtverwaltungen, oder offene Stellen werden abteilungsbezogen ausgeschrieben – ohne eine übergeordnete Koordination der Recruiting-Aktivitäten. Employer Branding setzt aber voraus, dass eine Arbeitgebermarke aus einem Guss und von der obersten Führungsebene gewollt ist. Ebenso müssen organisatorische und kommunikative Prozesse auf die Marke ausgerichtet sein.
Von besonderem Interesse ist dabei die Frage: „Wer ist eigentlich Arbeitgeber?“ Das Land als Ganzes oder die sehr unterschiedlichen Verwaltungen (Bezirksämter, Senatsverwaltungen, nachgeordnete Behörden, landeseigene Betriebe), die sich sowohl politisch als auch verwaltungstechnisch als eigenständige Institutionen begreifen? Gibt es eine gemeinsame Arbeits- und Wertekultur, die dem Bewerber im Rahmen eines Gesamtkonzepts aufgezeigt werden kann?
Gemeinsamkeiten
Zum Beispiel Fachbereiche von Hochschulen: Sie unterscheiden sich deutlich und verfügen über weitreichende Freiräume und Gestaltungsmöglichkeiten. Für eine gemeinsame Karriereseite einer Hochschule liegt die Herausforderung darin, die Gemeinsamkeiten in Arbeitsumfeld, Werten und Kultur herauszuarbeiten. Ein anderes Beispiel: Kommunen oder Gemeindeverwaltungen müssen oft für sehr unterschiedliche Tätigkeitsbereiche und damit in verschiedenen Zielgruppen Mitarbeiter rekrutieren: einerseits für die Verwaltung, andererseits für Bauhof, Kindergärten oder Schulen. Alle wichtigen Arbeitsbereiche sollten auf der Karriere-Website vorgestellt und gemeinsame Werte vermittelt werden. Je individueller dies erfolgt, desto aufwendiger und kostenintensiver werden Karriereseiten und Werbemaßnahmen. Damit gewinnt die Identifizierung der für Bewerber wesentlichen Inhalte und Gemeinsamkeiten eine zentrale Bedeutung und die Ansprache der Zielgruppen wird zur Herausforderung. Es gilt: Weniger ist mehr. Das Wesentliche zu identifizieren, wird die eigentliche Kunst.
Ob Land, Kommunen oder Hochschule: Durch die dezentrale Recruiting-Verantwortung ist auch die Candidate Experience nur schwer auf ein gleichbleibend hohes Niveau zu bringen. Dabei ist dieses Thema essenziell: Der Bewerbungs- und Einstellungsprozess muss für Kandidaten transparent, verständlich und einladend sein, um in dieser Phase keine Kandidaten zu verlieren. Sonst verpuffen vorangegangene Anstrengungen ergebnislos.
Budgetierung und Ausschreibung
Oftmals sind Budgets, ähnlich wie in der freien Wirtschaft, nur bedingt vorhanden. Wiederholte Veröffentlichungen von Personalanzeigen werden zu leicht in Kauf genommen, der Vorteil separater Investitionen für Personalmarketingmaßnahmen wird nicht erkannt. Außerdem legt das Vergaberecht sehr genau fest, wie man mit Maßnahmen und Budgets „hantieren“ darf. Die für größere Projekte erforderlichen europaweiten öffentlichen Ausschreibungen beinhalten dabei noch weitere Herausforderungen.
Wir lernten diesen Prozess am Beispiel eines der größten kommunalen Arbeitgeber in Süddeutschland kennen. Mehrere Referate müssen in einen wochenlangen Prozess eingebunden werden, bevor die Ausschreibung veröffentlicht wird. Der mit der Teilnahme verbundene Aufwand schreckt so manchen Dienstleister von vornherein ab. Der verbleibende Kreis reduziert sich nicht selten weiter, weil die Unterlagen formale Fehler beinhalten und somit Agenturen und andere Dienstleister aus dem Ausschreibungsprozess ausscheiden. Ist die Ausschreibung dann abgeschlossen, regelt ein auf den ausgeschriebenen Leistungen basierender Vertrag den Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit. Die über den Vertrag nicht abbildbaren Leistungen erfordern dabei einen erneuten Ausschreibungsprozess. Die Flexibilität und Aktualität in der Wahl der eingesetzten Maßnahmen während der Vertragslaufzeit ist deshalb von vornherein eingeschränkt. Ebenso die ganzheitliche Betreuung durch eine Agentur in Sprache, Zielsetzung und Auswahl der Mittel.
Umso entscheidender für den Erfolg ist die Definition der Ausschreibungsinhalte. Die Eignung des Dienstleisters muss mit geeigneten Kriterien im Vorfeld ausgelotet werden, eine Vorgehensweise in Etappen mit definierten Terminen und Zielen ist unbedingt anzustreben.
Veranstaltung
Symposium für Recruiting und Personalmarketing im öffentlichen Bereich: ein praxisorientierter Recruiting-Tag unter Experten
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13. Mai 2015, Berlin
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Veranstalter: Königsteiner Agentur in Kooperation mit Professor Christoph Beck, Hochschule Koblenz
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Anmeldung: www.symposium-oeffentlicher-dienst.de
Den richtigen Dienstleister finden
Wird für diese vorbereitenden Schritte ein erfahrener Dienstleister im Bereich Employer Branding als Berater eingesetzt, um Bestandsaufnahme, Zielsetzung und geplante Timeline des Projekts für die Erstellung der Ausschreibung zu erarbeiten und das zu erwartende Budget zu planen, werden schon zu Beginn die richtigen Weichen gestellt. Die Teilnahme an der Ausschreibung ist bei sachgerechter Fragestellung für Dienstleister deutlich einfacher, die Gefahr von Fehlern geringer, die Umsetzung des Projekts mit definierten Etappenzielen effektiver. Weitere Ausschreibungen für Einzelmaßnahmen innerhalb einer Etappe können so eher vermieden werden. Diese beratende Vorableistung kann von geeigneten Anbietern durchaus in Form einer Pauschale angeboten werden, die Vergabe kann durch einfache Angebotseinholung mehrerer Anbieter entschieden werden.
Bewerber ansprechen
Von großer Bedeutung ist es, die Qualitäten des Arbeitgebers herauszuarbeiten. Auch wenn Tätigkeiten im öffentlichen Dienst Abstriche in der Bezahlung fordern sollten, locken sichere Jobs, größtenteils unbefristete Arbeitsverträge, weniger Stress und geregelte Arbeitszeiten. Auch der längere Anspruch auf den Arbeitsplatz nach der Erziehungspause und Vorrechte für die Lebenslaufplanung sind für Bewerber attraktiv. Hochschulen können mit interessanten Professuren und hochwertiger Arbeitsplatzausstattung im wissenschaftlichen und technischen Bereich punkten. Die Befragung der eigenen Mitarbeiter bringt viele Qualitäten ans Licht, die – richtig präsentiert und mit emotionalen Botschaften kombiniert – zum Erfolg führen können.
Zentrales Element ist die Integration einer Karriere-Website in die Website eines öffentlichen Unternehmens. Dies sucht man heute oft vergeblich. Eine separate Landingpage zu erstellen, scheitert jedoch nicht selten am Budget. Die Zielgruppenansprache darf sich nicht auf das Thema Ausbildung beschränken. „Mangelberufe“ wie Ingenieure, Mediziner, IT-Fachkräfte und Erzieher/Lehrer müssen explizit berücksichtigt werden. Hier können schnell spürbare Erfolge generiert werden.
Autoren
Gisela Tscharf, Geschäftsführerin, Königsteiner Agentur GmbH, Düsseldorf,
g.tscharf@koenigsteiner.com
Wolfgang Weber, Creative & Sales Director, Königsteiner Agentur GmbH, Düsseldorf,
w.weber@koenigsteiner.com
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