Ausgabe 3 - 2017
Neue Wege im Traineeprogramm

Trainees der Generation Y sind selbstbewusste Berufseinsteiger.
Ihre Fähigkeit, Feedback einzufordern und anzunehmen, ist ausgeprägt. Für ihre Kompetenzerweiterung sind sie dennoch auf Orientierung angewiesen. Union Investment unterstützt Trainees deshalb in ihrer Persönlichkeitsentwicklung.Union Investment unterliegt, wie derzeit Unternehmen aller Branchen, dem ständigen Wandel. Digitalisierung, Innovation und spezialisierte Produkte im aktuellen Niedrigzinsumfeld sind hier richtungsweisende Stichworte. Um den sich daraus ergebenden Herausforderungen vorausschauend und nachhaltig begegnen zu können, setzt Union Investment auf professionell ausgebildete Nachwuchskräfte, die die Zukunft des Unternehmens mitgestalten. Aus diesem Grund gibt es seit 2005 ein jährliches Traineeprogramm. Der Erfolg gibt dem Unternehmen recht. So sind 74 Prozent der Trainees, die seit Einführung des Programms eingestellt wurden, heute noch bei Union Investment beschäftigt.
Trotz dieser im Branchenvergleich außerordentlich stabilen Position müssen sich Mitarbeiter an eine Veränderungsdynamik anpassen, deren Determinanten nicht immer klar zu bestimmen sind. Das ist eine große Herausforderung. Die Trainees der Generation Y nehmen diese Herausforderung vor allen anderen an. In den zurückliegenden Traineejahrgängen hat sich gezeigt, dass Fachlichkeit und Methodenrepertoire der Berufseinsteiger der Dynamik des Wandels uneingeschränkt gewachsen sind. Das gilt jedoch nicht in gleichem Maße für Aspekte der Persönlichkeit. Die eigene Rolle innerhalb des Organisationsgefüges zu verorten, das richtige Maß an Selbstinszenierung zu halten und kollegiale Beziehungen tragfähig zu gestalten, ist nicht allen Trainees auf eine Art und Weise gelungen, die ihrem fachlichen Leistungspotenzial entsprochen hätte. Eine Führungskraft drückt das so aus: „Eine komplexe Projektarbeit oder eine wichtige Präsentation kann ich eigenverantwortlich an einen Trainee abgeben. Wenn es um eine individuelle Weiterbildungsmaßnahme geht, kämpfen die Trainees selbstbewusst um ihr Anliegen. Geht es um Feedback oder auch Hinweise zum persönlichen Verhalten, ist viel Sensibilität und Fingerspitzengefühl erforderlich.“
Für den Traineejahrgang 2015/2016 hat die Personalentwicklung vor diesem Hintergrund entschieden, ein Format in das Programm zu integrieren, das die Entwicklung von Rollensicherheit, Reputationsaufbau und kollegialer Beziehungsgestaltung stärkt – das „Forum Reflexion“. Diese Begleitung hat das Ziel, die berufliche Identität der Trainees so zu stabilisieren, dass sie den Herausforderungen des Wandels in der Arbeitswelt bei Union Investment gewachsen sind.
Nachhaltigkeit durch Gruppenprozess
Das Forum Reflexion unterstützt die Persönlichkeitsentwicklung. Auf der Basis eines von „Wandel-Kompass – Manufaktur für Beratung“ entwickelten Konzepts wurde es in enger Abstimmung mit Union Investment für die konkreten Bedarfe des Traineeprogramms angepasst. Seine nachhaltige Wirkung entfaltet es durch den Gruppenprozess. Die Teilnehmenden begegnen sich als Lern- und Entwicklungspartner, geben sich Rückmeldungen auf Augenhöhe und vernetzen sich so über fachliche Perspektiven hinaus. Dies ermöglicht eine umfassende Standortbestimmung der jeweils eigenen Potenziale, initiiert die Nutzung von Leistungsreserven und bewirkt eine langfristige Identifikation mit Aufgaben und Verantwortlichkeiten.
„Das richtige Maß an Selbstinszenierung zu halten, ist nicht allen Trainees auf eine Art und Weise gelungen, die ihrem fachlichen Leistungspotenzial entsprochen hätte.“
Die eingesetzten Methoden orientieren sich an wirksamen Interventionen, wie sie im Coaching von Führungskräften etabliert sind. Besonderes Merkmal ist die hohe Handlungsorientierung durch Fallarbeit und Prozessorientierung. Das heißt, es wurden bewusst kurze Einheiten gewählt, die eine Entwicklungsbegleitung über den gesamten Zeitraum des Traineeprogramms hinweg ermöglichen. Kernstück des Forums Reflexion sind vier Termine mit dem Fokus auf jeweils einen definierten Kompetenzbereich (siehe auch Abbildung):
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Rollenkompetenz
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Selbstkompetenz
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Teamkompetenz
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Veränderungskompetenz
Die Entwicklung aller Teilnehmenden wird in einem Potenzial-Kompass schriftlich festgehalten. Jeder Forum-Reflexion-Termin besteht aus vier Prozessschritten:
1. Expertenimpuls: Einblick in Theoriemodelle und Methoden
2. Fallarbeit: Training des Verhaltensrepertoires
3. Feedback: Abgleich der Selbst- und Fremdwahrnehmung
4. Reflexion: Auseinandersetzung mit individuellen Lernfeldern
Forum Reflexion

Besonderes Merkmal des Forums Reflexion ist die hohe Handlungsorientierung durch Fallarbeit und Prozessorientierung. Kernstuck sind vier Termine mit dem Fokus auf jeweils einen definierten Kompetenzbereich.
Aufarbeiten einer Praxissituation
Am Beispiel der Trainee Sabine M. lässt sich der Entwicklungsverlauf der Kompetenzbereiche exemplarisch beschreiben: In den ersten Termin bringt Sabine M. eine Praxissituation ein, die sie verärgert hat. Ihr Vorgesetzter hat ihr die Hospitation in einem Projekt angeboten. Sie hat das Angebot mit einer kurzen Mail abgelehnt, da sie das Projektthema inhaltlich für sich als irrelevant eingeschätzt hat. Im anschließenden Feedbackgespräch erhielt sie die Rückmeldung, sie wirke überheblich und distanziert. Für sie ist nicht nachvollziehbar, wie eine solche Bewertung ihres Verhaltens zustande kommt.
Im Rahmen des Forums Reflexion analysiert sie ihr Vorgehen und das ihres Vorgesetzten durch eine szenische Bearbeitung der Situation (Rollenkompetenz). Sie erkennt, dass sie ihrem Gegenüber durch ihr Verhalten einen großen Interpretationsspielraum im Verstehen ihrer Entscheidung überlassen hat.
Im Folgetermin des Forums Reflexion reflektiert Frau M. ihre professionelle Haltung zu Anfragen, „auf die sie keine Lust hat“ (Fokus Selbstkompetenz). Sie erarbeitet sich eine neue Perspektive und nimmt sich vor, vermeintlich uninteressanten Anfragen zukünftig offen zu begegnen.
Auch im dritten Termin kann Frau M. die Situation weiter aufarbeiten. Sie nutzt die Resonanz der Gruppe, um die Wirkung einer individuellen Entscheidung auf ihre Kollegen in den Blick zu nehmen (Fokus Teamkompetenz). Davon ausgehend nimmt sie eine genaue Selbsteinschätzung zu ihrem Verhalten in Teams und Gruppen vor und erhält Feedback. Der vierte Termin bündelt schließlich die Erkenntnisse von Sabine M. Sie erarbeitet sich Handlungsalternativen, um vergleichbaren Situationen zukünftig mit angemessener Flexibilität begegnen zu können (Veränderungskompetenz).
Ihr persönliches Fazit formuliert sie so: „Es war nicht immer angenehm, auf die eigenen Entwicklungspunkte gestoßen zu werden. Aber es war wichtig, mich dieser Herausforderung zu stellen. Ich habe vor allem gelernt, mich im beruflichen Kontext souveräner zu verhalten.“
Sichtbare Erfolge
Union Investment hat mit dem Jahrgang 2015/2016 die erste Traineegruppe durch das Forum Reflexion begleiten lassen. Die Erfahrungen und Erkenntnisse sind frisch, eine langfristige Wirkung ist noch nicht zuverlässig messbar. Es gibt aber jetzt schon unmittelbar sichtbare Erfolge, die die Personalentwicklung von Union Investment dazu bewogen haben, das Format fortzusetzen. Diese sind:
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Hohe Teilnehmerzufriedenheit: „Dank des Forums Reflexion gelingt es mir, mich selbst besser einzuschätzen, andere besser zu verstehen und reflektierter zu reagieren.“ (Martin S., Trainee)
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Konstruktive Übernahmeprozesse
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Führungskräfte melden eine hohe Passung der Trainees auf ihre Anforderungen zurück.
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Die Frequenz von Feedbackgesprächen durch die Koordinatorin des Programms konnte merklich gesenkt werden, da viele Konflikte und Unklarheiten im Forum Reflexion bearbeitet werden konnten. Dafür haben diese Feedbackgespräche an Intensität und Tiefe gewonnen.
„Nachwuchsförderung, die sich als Teil einer vorausschauenden Personalentwicklung versteht, ist in Zeiten des Wandels aufgefordert, neue Wege zu gehen.“
„Das Traineeprogramm mit seinen Bausteinen ist für uns ein voller Erfolg. Über die Jahre haben wir kontinuierlich Nachwuchskräfte aufgebaut und erfolgreich integriert. Union Investment gelingt es immer wieder, das Traineeprogramm optimal am Arbeitsmarkt zu positionieren. So steigt die Anzahl der eingehenden Bewerbungen und auch die Qualität der Bewerber“, so das Resümee von Marc S., Gruppenleiter Personalrekrutierung und -betreuung. Nachwuchsförderung, die sich als Teil einer vorausschauenden Personalentwicklung versteht, ist in Zeiten des Wandels aufgefordert, neue Wege zu gehen. Union Investment ist es mit dem Forum Reflexion gelungen, eine Maßnahme zu platzieren, die sich auf die Qualität des Traineeprogramms auswirkt, was dem Bedarf von Union Investment und den Erwartungen der Berufseinsteiger gleichermaßen nachhaltig gerecht wird.
Autorinnen:
Kirsten Hoppmann, Personalreferentin Personalentwicklung, Union Asset Management Holding AG, Frankfurt,
kirsten.hoppmann@union-investment.de
Rebecca Naumann, Coach und Supervisorin (DGSv), Wandel-Kompass – Manufaktur für Beratung, Dreieich,
rebeccanaumann@wandel-kompass.de
CASE STUDY
Union Investment Seit 60 Jahren innerhalb der genossenschaftlichen Finanzgruppe aktiv, gehört Union Investment mit 2750 Mitarbeitern zu den größten Kapitalanlagegesellschaften Deutschlands und verwaltet mit mehr als 1150 Fonds 275 Milliarden Assets under Management. Das jahrliche Traineeprogramm gibt es seit 2005, es wurde von Absolventa mit dem Siegel „faires und karriereforderndes Traineeprogramm“ ausgezeichnet. |
SACKGASSEN
Wo hat es im Projekt gehakt? Den Trainees sind während ihres Programms viele Führungskrafte begegnet. Diese gaben ihnen Feedback und waren an ihrer Entwicklung beteiligt. Dennoch ist es bislang zu wenig gelungen, einen regelmäßigen Dialog mit diesen Führungskräften in das Forum Reflexion zu integrieren. Wünschenswert ware es:
Die Struktur des Traineeprogramms hat die Umsetzung dieser Ideen bisher nicht möglich gemacht, denn die Teilnehmenden werden in jeder Station des Programms einer anderen Fuhrungskraft zugeordnet, sodass die aktive Begleitung des Forums Reflexion zu viele Kopfe betroffen hatte. Für die Zukunft liegt die Herausforderung darin, einen Austausch mit den Führungskräften auf adäguate Art und Weise zu ermöglichen. Ideen wie Patensysteme werden fur die nächsten Traineejahrgänge aktuell diskutiert. |
UNTERM STRICH
Welche konkreten Ergebnisse hat das Projekt gebracht? Der Traineejahrgang 2015/2016 hat in vier Terminen vier Kompetenzen intensiv trainiert. Das hat das Auftreten, die Reputation und die professionelle Souveränität der Trainees bei Union Investment nachhaltig gestärkt:
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- Im Sinkflug
- Seid umschlungen, Millionen!
- Des Wahnsinns fette Beute
- Führen, um zu gewinnen
- Neue Wege im Traineeprogramm
- „Konsequent, überraschend, bunt“
- Flexibel dem Wandel begegnen
- Wie Zusammenarbeit gelingt
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- So gelingt Zusammenarbeit: die Quintessenz
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- Ultimative Lobhudelei
- Betriebsrat hat beim Facebook-Auftritt ein Wörtchen mitzureden
- Das digitale Fundament für den Lernerfolg legen
- Versäumnisse können teuer werden
- Ein Steuerrad für die Projektnavigation
- „Automatisierung darf nicht zum Selbstzweck werden“
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- Wenn der Lebenslauf Teamfähigkeit signalisiert
- Sandra Scholz bringt HR-Power in den Vorstand
- „Ich habe die Neugier gespürt, aber auch die Erwartungen“
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- Sind Sie noch aktiv oder schon proaktiv?
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