Ausgabe 3 - 2018
Die Wellen reiten

Komplexität zu beherrschen, ist ein hehres Ziel vieler Unternehmen. Die meisten, denen es gelingt, arbeiten mit professionellen Change-Beratern zusammen. Sie bringen Ruhe, Erfahrung und Expertise mit ins Projekt. Worauf es ankommt, haben wir mit sechs von ihnen diskutiert.
Von David Schahinian
Joseph Goldstein ist ein US-amerikanischer Meditationslehrer, eines seiner Bücher verspricht im Untertitel Großes: „Eine praktische Anleitung zum Erwachen“. Nun ist es nicht so, dass man deutschen Unternehmen vorwerfen könnte, aktuelle Entwicklungen verschlafen zu haben. Die Wirtschaft brummt, und glaubt man den einschlägigen Prognosen der Forschungsinstitute, wird sich daran auch 2018 wenig ändern. Eine Einschätzung, die die sechs Change-Berater am Round Table der Personalwirtschaft im Übrigen auch für ihre Branche teilen. Trotzdem ist Wandel nötig – oder: gerade deswegen. Denn im Erfolg macht man immer noch die größten Fehler. Was Goldstein damit zu tun hat? Von ihm stammt ein Zitat, das sich gut als Richtschnur für den Umgang mit Veränderungen und neuen Herausforderungen eignet „You can’t stop the waves, but you can learn to surf.“
Auf in die Wellen
Die Berater am Round Table, moderiert von Personalwirtschaft-Herausgeber Erwin Stickling, hatten zwar keine Surfbretter dabei. Mit der Wellenreiter-Metapher können sie aber trotzdem viel anfangen. „Klassisches Change Management bedeutete früher oft, dass ein kleiner Kreis eine Entscheidung trifft oder eine Strategie entwirft. Dann wurde der Trichter geöffnet, um damit möglichst viele zu erreichen“, sagt Ursula Bohn, Leiterin des Bereichs Embedded Change Management bei Capgemini. Heute seien mehr Wellenbewegungen zu beobachten: Viele Unternehmen starten mit einem weiten Trichter und versuchen zunächst, möglichst viele Beschäftigte einzubeziehen. Die Ideen und Vorschläge werden in kleinerem Kreis verdichtet, um dann in den nächsten Zyklus zu starten. „Das ist für mich einer der großen Unterschiede zu Change vor fünf oder sechs Jahren.“
Bei diesen Wellen sei es aber wichtig, nicht zu suggerieren, dass es sich um einen deterministischen Phasenablauf handelt, ergänzt Frank Wippermann, Geschäftsführer von Flow Consulting: „Wir befinden uns nicht auf regelmäßiger See.“ Auf eine große Welle könne auch eine noch größere folgen. Turbulenzen gehören dazu, gänzlich vorhersehbar sind sie nicht. Einem Kunden heute genau prognostizieren zu können, wo man ein Jahr später stehen werde, sei seriös nicht möglich, sagt Wippermann. „Das viel zitierte ‚iterative‘ Vorgehen impliziert eben auch den souveränen Umgang mit positiven wie negativen Überraschungen.“ Die Beratungskompetenz sei dabei, aus einem breiten Portfolio an Theorien und Werkzeugen genau jene herauszusuchen, die im aktuellen Moment beim konkreten Unternehmen wirken.
Daniel Tasch, Partner und Vorstand bei Promerit, veranschaulichte das mit einem Beispiel aus der Praxis: Die Berater haben bei der Fördertechnik-Gruppe Kion neue Führungsleitlinien und Unternehmenswerte für die mehr als 31 000 Mitarbeiter entwickelt. „Wir sind in die Fläche, haben zusammen mit den Führungskräften und Mitarbeitern länder-, standort- und funktionsübergreifend Input gesammelt. Das haben wir komprimiert, uns mit dem Vorstand abgestimmt und das Ganze wieder zurückgespielt.“ Der Dialog funktionierte, und, so Tasch weiter: „Beteiligung ist heute moderner und wichtiger denn je, um diese Wirksamkeit zu erzielen.“

Erwin Stickling, Herausgeber der Personalwirtschaft, moderierte den Round Table.
Beteiligung – das klingt in den Ohren der meisten Menschen zunächst einmal gut. Gut gemeint ist aber nicht immer gut gemacht. Beschäftigte, die schon die eine oder andere Change-Welle mitgeritten sind, dürften da sensibler reagieren. Zumal, wenn sie erfahren mussten, dass hinterher keine Verbesserung eintrat, sondern vielleicht sogar das Gegenteil. Die Experten am Tisch waren sich weitgehend einig, dass Partizipation die bessere Alternative ist.
![]() |
|
![]() |
|
Die Tür zum Mitmachen öffnen
„Beteiligung ist kein Selbstzweck. Sondern es gilt zu fragen: Mit welcher Beteiligungsfigur erziele ich für die strategischen Ziele die höchste Wirksamkeit? Hier ist von breiter bis enger Beteiligung alles denkbar. Wichtig ist, sich bewusst zu entscheiden und nicht prinzipiell Demokratisierung und Konsensentscheide als grundsätzliche Erfolgsfaktoren zu begreifen“, sagt Stephan Penning, Geschäftsführer von Penning Consulting.
Nicole Detambel, Senior Consultant bei Comteam, eröffnet eine weitere Perspektive: „Beteiligung muss genauer spezifiziert werden, denn sie hat unterschiedliche Intensitäten.“ Wenn der Change beispielsweise alle Mitarbeiter ins Boot holen soll, ist Beteiligung vonnöten. Das bedeute nicht, dass alle mitgestalten und mitentscheiden. „Selbst wenn ich mich auf einer niedrigen Stufe der Beteiligung bewege, heißt das, Menschen, die noch keinen Kontakt mit dem Thema hatten, damit in Berührung kommen zu lassen.“ Die Rückmeldungen können im Übrigen auch wertvolle Hinweise zur Optimierung der Vorgehensweise geben. Detambel weiß aber auch, dass in diesem Bereich immer noch viel falsch gemacht wird: Eine Show-Inszenierung, ein Beteiligungsworkshop, und dann ist das Ding im Kasten? So geht es sicher nicht.
Hilfreich sei, in den direkten Austausch zu gehen, berichtet Claudia Schmidt, Geschäftsführerin von Mutaree. Dafür brauche es keine große Architektur, sondern die richtigen Fragen: Welche Phänomene spüren die Mitarbeiter und Führungskräfte? Haben sie Angst? Was bewegt sie gerade? So könne gleichfalls in Erfahrung gebracht werden, welche Unterstützung sie eventuell brauchen. „Das kann ich entweder in Interviews oder Zusammenkünften erfragen, oder auch durch die Regelkommunikation“ – indem das Thema etwa bei Meetings auf die Tagesordnung gesetzt werde.
Digitalisierung und Komplexität treiben den Wandel
Sind die Unternehmen dafür überhaupt schon reif? Sieht man sich die Digitalisierung an, einen der größten Treiber von Veränderung, kommen leichte Zweifel auf. Die große Mehrheit der deutschen Unternehmen geht sie strategisch an, aber nur eine Minderheit macht das Thema zur Chefsache, berichtete der Digitalverband Bitkom in einer Trendstudie. Etventure, Teil der Beratung EY, kam nach einer Umfrage sogar zu dem Ergebnis, die deutschen Unternehmen seien „zu langsam und zu unflexibel“ für den Wandel.
Claudia Schmidt kann diese Einschätzung weitgehend bestätigen: Es gebe viel aufzuholen, insbesondere die Etablierten täten sich mit Innovation meist sehr schwer. „Alles, was nicht ursächlich mit ihrem Geschäftsmodell zu tun hat, haben sie gar nicht im Blick. Sie können entweder optimieren und skalieren, oder die Unternehmen sind klein und können innovieren. Aber das Ineinandergreifen, das scheint mir schwer.“ Zwar versuchten die Großen auch, Innovation zu pflegen, scheiterten aber oftmals an der Implementierung in der eigenen Organisation. Die Kleinen wiederum wüssten vielfach nicht, wie sie ihre innovativen Produkte zur Serienreife bringen und vermarkten können. Schmidt sieht jedoch auch, dass sich Unternehmen dem Thema Ambidextrie, wenn auch sehr langsam, öffnen. Beidhändiges Management, zugleich effizient im Hier und Jetzt sowie innovativ und flexibel mit Blick in die Zukunft – ein erstrebenswertes Ziel für viele Unternehmen. „Manchmal wird allerdings Digitalisierung auch auf Teufel komm raus betrieben, ohne dass das in eine Strategie eingebunden wäre“, wirft Comteam-Expertin Nicole Detambel ein. Das Ergebnis ist ähnlich: Das Thema Change wird ausgelagert oder aufgepfropft, aber ein organisches Ganzes entsteht nicht. Es kommt ihrer Meinung nach auf den Anlass an, warum man sich wandeln will. Wenn das gesamte Geschäftsmodell in Frage steht, bleibt gar nichts anders übrig, als sich strategisch Gedanken über Transformation zu machen. Es gibt auch den technologiegetriebenen Wandel, bei dem beispielsweise der Vorstand eine Digitalisierungsoffensive proklamiert und Task Forces gründet. „Aber was es letztlich braucht, damit es umgesetzt und nachhaltig integriert werden kann, wird dann oft vernachlässigt. Ich bin gespannt, ob sich diese Sensibilität weiterentwickelt. Ich fände es sehr wichtig.“ Ohnehin sei die Digitalisierung oftmals nur auf den ersten Blick der Treiber von Change: „Dadurch werden nun viele Vorhaben angestoßen, die längst überfällig waren. Sie sind aber jetzt durch die Digitalisierung legitimiert.“
Es gibt weitere Treiber des Wandels – Stephan Penning sieht vor allem steigende Komplexität in dieser Rolle, auch aber nicht ausschließlich aufgrund von Digitalisierung: „Die Grundfrage für viele Geschäftsführungen ist: ‚Wie reagiere ich auf die sich verändernden Märkte?‘ Das betrifft viele Bereiche wie das Steuerungsmodell oder die Form der Zusammenarbeit, die Kultur, die Menschen und Methoden.“ Kunden würden teilweise hochsensibel auf die Frage reagieren, wie sie vom aktuellen Status quo sehr schnell zu neuen Zielen kommen. Im Mittelpunkt steht die kreative Suche nach mehr Geschwindigkeit: „Digitalisierung ist ein Veränderungsanlass. Aber als Ziel stehen heute häufig eher Agilität oder effizientere Hierarchie im unmittelbaren Veränderungsfokus.“
„Die Digitalisierung hat mindestens drei Seiten“, ergänzt Flow-Geschäftsführer Frank Wippermann, „die technische Seite, die organisatorische Seite aus Kultur und Struktur, und die Frage von Kompetenzen, also Skills, Fähigkeiten Anforderungen.“ Dass sie zusammengehören, „miteinander tanzen müssen“, und auch aufeinander abgestimmt sein müssen, was Geschwindigkeiten und Abstände angeht – das werde immer mehr Unternehmen deutlich. Manchen davon schmerzhaft.
|
![]() |
|
![]() |
Veränderung authentisch kommunizieren
Ob sie es wollen oder nicht, die meisten Organisationen sind längst mittendrin statt nur dabei. Vor ein, zwei Jahren habe es oft geheißen, dass die Unternehmen die Digitalisierung noch vor sich hätten, erinnert sich Ursula Bohn von Capgemini. Das ist vorbei. „Viele haben die erste Lernschleife hinter sich gebracht. Daher ist die Nachfrage nach einer weiteren Begleitung und nach einer Öffnung viel größer geworden. Das ist für mich das Faszinierende an der heutigen Zeit.“ Das Ausprobieren nach dem Motto „test and learn“ ist bereits in vollem Gange. Der Bewusstseinswandel hat ihrer Meinung nach vor allem zwei Gründe: Zum einen wurde erkannt, dass es keinen Königsweg gibt: „Jeder muss für sich definieren, was Digitalisierung heißt und wie die eigene Organisation dafür aufgestellt sein muss. Zum anderen ist der große Wunsch da, sich diesem neuen Mindset auch zu öffnen.“
Auch Promerit-Partner Daniel Tasch sieht das positiv. Die „Pseudosicherheit“ früherer Zeiten sei dahin. Damals hätten sich, beschreibt er nicht ohne Sarkasmus, Entscheider mit einer scheinbar sicheren Prognose zur Zukunft gewappnet und dann abgewartet, bis es genau so kommt wie im Strategieprojekt vereinbart. „Jetzt sind wir in einem anderen Miteinander. Geht raus, riecht, hört, schmeckt, stellt euch dem Ganzen mit allen Sinnen“, rät er Führungskräften. Und: Bleibt authentisch. Eine der schärfsten Klingen in der Führung sei Authentizität in Persönlichkeit und Profession. „Wenn der stoisch rational denkende CEO auf einmal zu einem Industriepoeten wird, dann wird es schwierig. Ich erlebe da intern wie extern heute mehr Souveränität, Arriviertheit und Abgeklärtheit.“ Ursula Bohn sieht an dieser Stelle aber auch eine potenzielle Stolperfalle für Unternehmen: Wenn der Wandel gepredigt wird, ohne Abstriche beim operativen Geschäft zu dulden. „Die Veränderungsthemen liegen dann on top. Dass strategisch nicht die Entscheidung getroffen wird, dieses Investment zu machen, ist einer der Hauptfaktoren, dass Change als eine große Belastung, auch als Frust erlebt wird.“
„Veränderung kann handhabbarer gemacht werden, indem man eben auch kommuniziert, was sich nicht verändert. Wir nennen das Verlässlichkeitsanker“, erklärt Frank Wippermann. Wenn eine Führungskraft diesen Anker inmitten der Wellen setzen kann, sind die Mitarbeiter viel eher bereit, mitzugehen: „Weil ich weiß: Ich kann mich noch auf etwas verlassen. Auch das ist wichtig bei Veränderungen.“
Auch Stephan Penning empfiehlt, stärker in den Alltag zu gehen, Veränderung on the job und weniger inszeniert zu gestalten. Damit einher gehe auch eine ehrlichere, erwachsenere Kommunikation, die nicht mehr blumig von Chancen und Herausforderungen spreche, sondern betone: „Change ist Arbeit, meist extra und viel, und er kostet leider auch Freizeit.“
Ein bisschen Spaß darf sein
Kann Change sogar Spaß machen? Ja. Das hat Mutaree jüngst bei einer Befragung von 212 Führungskräften und Mitarbeitern überdeutlich herausgefunden. 99 Prozent der Befragten antworteten auf diese Frage mit „Ja“ – wenn ihre Bedürfnisse gedeckt werden, wenn Veränderung gemeinsam passiert und im Dialog auf Augenhöhe. Leider zeigte die Befragung auch, dass dies bislang nur unzureichend geschieht.
„Sicherheit, Orientierung, Transparenz, Selbstwirksamkeit, Zugehörigkeit – das sind alles menschliche Bedürfnisse“, fasst Geschäftsführerin Claudia Schmidt die Ergebnisse zusammen. All diese Aspekte würden durch Veränderung angetastet. „Wenn man im Unternehmen Mutmacher hat, die positiv verstärkend wirken, dann wird es besser. Tatsächlich ist es mit dem Mut so: Wenn ich einmal Mut zeige und darin bestätigt werde, wächst er an – auch für das nächste Mal. Den gleichen Mechanismus brauche ich im Unternehmen auch“, so die Mutaree-Geschäftsführerin.
„Solange die Mutmacher nicht diejenigen sind, die ich ‚Augen zu und durch‘ – Macher nenne“, schränkt Frank Wippermann ein. Es müssten reflektierte Mutmacher sein. „Den Umgang mit Pseudosicherheit, den müssen Führungskräfte lernen“, nimmt er den Faden von Daniel Tasch auf. „Und der darauffolgende Reflexionsschritt, um wirklich zu einem guten Mutmacher zu werden, ist: ‚Gestehe dir selbst als Führungskraft und auch anderen gegenüber Ungewissheit ein.‘ Das ist eine Frage der Haltung, der inneren Gelassenheit und der Organisationskultur.“
Change-Manager und Entscheidungsträger müssten zudem eine Frage „blitzsauber“ beantworten können, meint Daniel Tasch: Was ist dieses Mal anders? Die Change-Bereitschaft sei größer geworden. Führungskräfte und Mitarbeiter seien in diesem Punkt reifer, aber die obige Frage, gepaart mit einer authentischen persönlichen Geschichte, „das bringt für mich die Waage zum Kippen“. Darüber hinaus habe auch die Befähigungskomponente stark zugenommen, ohne dass andere Komponenten abgenommen hätten. „Ich muss heutzutage jeden Kanal des Kommunikationsmixes bedienen. Das Befähigungskonzept ist deutlich anspruchsvoller geworden.“
|
![]() |
|
![]() |
Change-Modelle als Eisbrecher
Die Komplexität ist gestiegen, der Handlungsdruck schon längst da, die Unsicherheit mitunter greifbar. Wenn es aber sogar für die Entstehung des Universums Erklärungsmodelle gibt, müssten doch auch Change-Prozesse in der Theorie gut abgebildet werden können. Oder? In diesem Punkt sind sich die sechs Experten am Tisch uneins. Auf die Frage, ob es solche Modelle noch braucht, lautet die Antwort gemäß Radio Eriwan: „Im Prinzip ja, aber …“
„Jedes Modell reduziert Komplexität“, nennt Ursula Bohn einen Vor- und einen Nachteil zugleich. Klassische Phasenmodelle etwa seien hilfreich, um abzugleichen, ob Berater und Kunden auf einer Wellenlänge liegen. „Sie sind auch wichtig, um das eigene Denken zu strukturieren und einen Prüfstein zu haben, ob alle Aspekte beachtet wurden.“ Was allerdings klassische Change-Modelle als nicht mehr zeitgemäß erscheinen lasse, sei, dass sie das Ausprobieren und Iterationsschleifen als Störfaktor betrachten. Agile Methoden und auch das Scheitern sind aber heute Teil des Prozesses. Ein breites und stimmiges neues Modell, das die alten ersetzen könnte, fehle ihrer Meinung nach noch. „Es wird aber auch zunehmend uninteressanter, weil sich Unternehmen weniger für ein Denkgebäude interessieren, sondern vielmehr dafür, wie ihre Probleme gelöst werden können. Sie wollen Prozesssicherheit haben.“
„Ein Metamodell kann es wahrscheinlich auch nicht geben. Dieses Vakuum wird beraterisch ausgefüllt“, ist Stephan Penning überzeugt. Trotzdem sei es spannend, dass nach wie vor viele Altmodelle herangezogen werden. Aktuell befinde man sich in einer Übergangsphase: „Es wird in zwei oder drei Jahren neue Change-Modelle geben. Derzeit wird explizit an dem Thema geforscht.“
Dass sich dabei Trends wie Holokratie oder Scrum etablieren, ist möglich, aber nicht für jeden der richtige Weg. „Wir waren auf solchen Schulungen“, berichtet Daniel Tasch von Promerit. „Wir sind aber für uns zu der Auffassung gekommen, dass das nicht nur zu deterministisch, sondern teilweise sogar realitätsfern in der Anwendung ist.“ Grau ist eben alle Theorie. Und das Wissen um etwas muss noch lange nicht heißen, dass es in der Praxis gleich zur Anwendung führt, sagt Nicole Detambel von Comteam. „Wir arbeiten regelmäßig mit dem ‚Vier-Zimmer-Haus‘, und auch, wenn jede Führungskraft schon einmal etwas von einer Change Curve gehört hat, entsteht trotzdem oft ein großer Aha-Effekt. Es ist ein Vehikel, um Sensibilität dafür zu schaffen, was Mitarbeiter beschäftigt – und hilft auch, daran zu erinnern, dass sie in unterschiedlichem Tempo durch die Zimmer, sprich: durch die Change-Phasen gehen.“ Das ist keineswegs trivial: Oft sind Führungskräfte in dem Prozess schon einige Schritte weiter als die Belegschaft, sie sehen vielleicht sogar schon Licht am Ende des Tunnels. „Interessanterweise haben sie bis dahin leider oft vergessen, dass sie auch einmal am Anfang standen und nicht wussten, warum sie auf die Reise gehen sollten. Und dass es auf diesem Weg etwas gibt, das sie dann doch ermutigt hat, weiterzugehen.“ An dieser fehlenden Retrospektive seien schon viele Führungskräfte gescheitert.
Sie haben es allerdings auch nicht leicht. Der Duden beschreibt Komplexität als Vielschichtigkeit, das „Ineinander vieler Merkmale“. Da kommt der „menschliche Anspruch, steuern zu können“, wie es Claudia Schmidt ausdrückt, mitunter an seine Grenzen. Das funktionierte auch zu früheren Zeiten nicht immer, aber damals gab es weniger Gleichzeitigkeit und Dynamik bei den offenen Baustellen. Warum also nicht Altes loslassen und die Wellen reiten?
Change kompakt: Die vier wichtigsten Erkenntnisse des Round Tables
1. Partizipation statt Top-down
Die Teilnahme und Teilhabe der Belegschaft ist ein entscheidender Faktor für den Erfolg oder Misserfolg eines Change-Projekts. Wirksamkeit wird vor allem durch eine ehrliche Kommunikation auf Augenhöhe erzielt. Das bedeutet: nicht nur reden, sondern auch zuhören!
2. Offen für Ungewisses sein
Komplexität ist nur in Maßen beherrsch- und steuerbar. Anstatt Energie auf den Versuch zu verschwenden, alle Zügel in der Hand zu halten, ist ein souveräner und strukturierter Umgang mit Unsicherheiten erfolgversprechender. Rückschläge gehören dazu, sind sogar wichtig, um daraus zu lernen – sie sind ein Teil des Prozesses.
3. Keine Digitalisierung um der Digitalisierung willen
Vor dem Start eines Digitalisierungsprojektes muss klar sein, welches Ziel wie erreicht werden soll. Viele starten als Tiger und enden als Bettvorleger, weil es nicht gelungen ist, das Ergebnis in die Abläufe und Prozesse des Alltagsgeschäfts zu integrieren. Gefragt sind Flexibilität und Effizienz gleichermaßen. Wer weiß, wohin es gehen soll, hat bessere Chancen, dort auch anzukommen.
4. Nicht zu sehr auf starre Modelle fixieren
Modelle reduzieren Komplexität und sind hilfreich, wenn es darum geht, eine gemeinsame Basis zu finden. Sie suggerieren jedoch schnell eine Sicherheit, die es beim Change nicht gibt. In die Praxis sind sie selten eins zu eins umsetzbar, und das ist auch gut so. Hier spielt die Erfahrung von Change Managern die größere Rolle. Wirksamkeit kann auf viele verschiedene Weisen erzeugt werden.
- Digitalisierung braucht Haltung
- Besser ankommen
- HR übt den Perspektivenwechsel
- „So ein Projekt schweißt unglaublich zusammen“
- „Kritische Situationen haben mich weitergebracht“
- Siesta im Büro
- Richtig loben
- Den Talenten zuhören
- HR-Digitalisierung? Hier geht's lang!
- Die nächste HR-Transformation
- Alles in Bewegung
- Die menschlichen Makel der Recruiting-Bots
- In weiser Voraussicht
- Die Wellen reiten
- Den Wandel gestalten
- Change Driver unterstützen das Management
- Drum prüfe, wer sich lange bindet
- Zwischen Verschweigen und Transparenz
- Schöne neue Lernwelt