Ausgabe 3 - 2018
Drum prüfe, wer sich lange bindet

Das Thema Kündigungsfristen kann heikel sein, insbesondere, wenn diese besonders kurz angesetzt werden. Doch was passiert, wenn die Frist auf einmal drei Jahre beträgt?
Kündigungsfristen, die für die Eigenkündigung des Arbeitnehmers gelten, können unwirksam sein, wenn sie zu lang sind. Arbeitgeber sollten daher überlange Kündigungsfristen vermeiden. Die Gesetzeslage ist wie folgt: Die Zulässigkeit individualvertraglicher Veränderungen der gesetzlichen Kündigungsfrist ist „nach unten hin“ in § 622 Absatz V BGB geregelt. Hiernach gilt nämlich ein grundsätzliches Verbot der Verkürzung der gesetzlichen Kündigungsfristen. Die Verlängerung der Kündigungsfristen ist durch dieses Verbot nicht berührt. Eine Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfristen ist also möglich. Sie ist vorteilhaft für den Arbeitgeber, da er dann eine längere Planungssicherheit und mehr Zeit hat, einen Nachfolger zu finden. Sie ist auch vorteilhaft für den Arbeitnehmer, da jener mehr Zeit bekommt, eine Anschlussbeschäftigung zu finden.
Satte Gehaltserhöhung
In einem kürzlich vor dem Bundesarbeitsgericht verhandelten Fall war ein Speditionskaufmann bei einem Speditionsunternehmen am Standort Leipzig seit Dezember 2009 beschäftigt. Er wurde in einer 45-Stunden-Woche tätig. Im Juli 2012 wurde zusätzlich vereinbart, dass die gesetzliche Kündigungsfrist für beide Seiten auf drei Jahre zum Monatsende verlängert wird. Schmackhaft wurde dem Speditionskaufmann diese überlange Kündigungsfrist wohl auch damit gemacht, dass zugleich sein monatliches Bruttogehalt von 1400 Euro auf 2400 Euro erhöht wurde. Bei einem monatlichen Reinerlös von 20 000 Euro sollte das Gehalt sogar auf 2800 Euro steigen.
Die Großzügigkeit des Arbeitgebers endete hier allerdings. Denn es wurde abschließend vereinbart, dass das Gehalt bis zum 30. Mai 2015 nicht mehr weiter erhöht werden könne und auch spätere Gehaltserhöhungen mindestens für zwei Jahre unverändert bleiben müssten. Der Speditionskaufmann bekam also mehr Gehalt und war langfristig abgesichert. Auch der Arbeitgeber konnte so einen kurzfristigen Verlust des Arbeitnehmers vermeiden. So weit, so gut.
Das neuvereinbarte Treuebekenntnis hielt allerdings nicht lange. Der Arbeitgeber wollte zwar den Speditionskaufmann als guten Arbeitnehmer besonders lange an sich binden. Dies bedeutete aber wohl nicht, dass der Arbeitgeber ihm auch blindlings vertraute. Denn der Speditionskaufmann musste Ende 2014 feststellen, dass er durch die Spyware „PC-Agent“ heimlich während der Arbeit von seinem Arbeitgeber überwacht wurde. Aufgrund dessen wollte der Arbeitnehmer (und weitere fünf der sieben Mitarbeiter des Standortes) das Arbeitsverhältnis nicht mehr fortsetzen und daher kündigen. Ärgerlich war für den Speditionskaufmann nun wahrscheinlich, dass er die Kündigungsfrist auf drei Jahre zum Monatsende verlängert hatte. An einem Bestandsschutz war der Arbeitnehmer in seiner jetzigen Situation nämlich nicht mehr interessiert.
Möchte man sich als Arbeitgeber möglichst lange binden, sollte man eine Kündigungsfrist von nicht über einem Jahr vereinbaren.
In Betracht käme hier eigentlich der Ausspruch einer fristlosen Kündigung. Der Arbeitnehmer hatte aber stattdessen am 24. Dezember 2014 das Arbeitsverhältnis mit der gesetzlichen Kündigungsfrist von einem Monat zum Ende eines Kalendermonates (und eben nicht mit der dreijährigen Kündigungsfrist) gekündigt. Ob eine fristlose Kündigung zulässig gewesen wäre, war also nicht zu entscheiden. Die Kündigung des Speditionskaufmanns führte nun zum eher seltenen Fall, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nun verklagte, um feststellen zu lassen, dass das Arbeitsverhältnis mit ihm fortbestehen würde.
Keine unangemessene Benachteiligung
Das Arbeitsgericht Leipzig hatte zunächst die Kündigungsfrist von drei Jahren zum Monatsende als wirksam erachtet. Es konnte weder eine Einschränkung der Berufsfreiheit oder eine unangemessene Benachteiligung durch die überlange Kündigungsfrist erkennen. Insbesondere wurde der Arbeitgeber damit gehört, dass ein besonders harter Konkurrenzkampf um Arbeitnehmer zwischen den Logistikunternehmen in der Region Leipzig bestehen würde. Es seien circa 250 Logistikunternehmen regional ansässig. Der Arbeitgeber habe daher ein besonders schützenswertes Interesse daran, gute Mitarbeiter mit einer längeren Kündigungsfrist an sich zu binden.
Zudem hatte das Arbeitsgericht Leipzig offenbar berücksichtigt, dass sechs von den sieben Mitarbeitern des Arbeitgebers am Standort in Leipzig gekündigt hatten und alle sechs Mitarbeiter gemeinsam, also auch unser Speditionskaufmann, zu einem Konkurrenzunternehmen gewechselt seien. Eine Ungewöhnlichkeit oder Unüblichkeit der dreijährigen Kündigungsfrist in der Logistikbranche sei vom Speditionskaufmann nicht dargetan. Auch im Zusammenhang mit der nicht übermäßig hohen Vergütung des Speditionskaufmannes konnte das Arbeitsgericht keine unangemessene Benachteiligung feststellen.
Das Landesarbeitsgericht Sachsen hat in der zweiten Instanz dem Arbeitnehmer recht gegeben und die dreijährige Kündigungsfrist als unwirksam erachtet. Die Zusatzvereinbarung war nach AGB-Recht zu beurteilen, da der Arbeitgeber nicht beweisen konnte, dass sie ausgehandelt wurde. Im Falle einer durch AGB bestimmten längeren Kündigungsfrist ist die Frage der Wirksamkeit am Maßstab des § 307 Abs. 1 BGB zu messen. Der Arbeitnehmer müsste entgegen den Geboten von Treu und Glauben durch die Kündigungsfrist unangemessen benachteiligt werden.
Das Landesarbeitsgericht Sachsen arbeitete heraus, dass die grundsätzlichen Vorteile einer langen Kündigungsfrist, nämlich ein erhöhter Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses und die Verbesserung der Möglichkeit für den Arbeitnehmer, eine Anschlussbeschäftigung zu finden, durch die überlange Kündigungsfrist von drei Jahren praktisch ausgehöhlt werde. Denn es sei faktisch unmöglich, sich auf eine Stelle am Arbeitsmarkt zu bewerben, um sie in drei Jahren anzutreten. Das Landesarbeitsgericht Sachsen stellt richtig fest, dass in der Logistikbranche, und wohl auch in den meisten übrigen Branchen, eine Einstellung „ab sofort“ oder in naher Zukunft üblicherweise beabsichtigt ist. Eine Stellenanzeige mit einer Vorlaufzeit von drei Jahren wird man kaum am Stellenmarkt finden können, es sei denn, es handelt sich um besonders herausgehobene Positionen. Ein Arbeitnehmer könne daher in den allermeisten Fällen eine dreijährige Kündigungsfrist nicht sinnvoll für Bewerbungen nutzen und sei daher unangemessen benachteiligt.
Gegen diese Argumentation könnte man allerdings einwenden, dass der Arbeitnehmer doch einfach seine Bewerbungsbemühungen zeitlich dem Ende des Arbeitsverhältnisses anpassen kann. Faktisch würde ein Arbeitnehmer wohl auch seine Jobsuche erst zeitnah zum Ende des Arbeitsverhältnisses beginnen und nicht „drei Jahre vorher“. Es ist also eher ein theoretischer Nachteil.
Auf einer Stufe mit Langzeitarbeitslosen?
Eine weitere Beeinträchtigung sah das Landesarbeitsgericht Sachsen darin, dass die dreijährige Kündigungsfrist mit der Möglichkeit des Arbeitgebers verknüpft war, den Arbeitnehmer ab Zugang der Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitsleistung freizustellen. Diese Kombination aus langer Kündigungsfrist und Möglichkeit der Freistellung führe dazu, dass sich die Chance des Arbeitnehmers auf die Erlangung einer Anschlussbeschäftigung verringert. Eine dreijährige Untätigkeit würde den Arbeitnehmer dann auf eine Stufe mit Langzeitarbeitslosen stellen, die bekanntermaßen eher geringe Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Der Nachteil für den Beklagten wurde nicht durch die vorgesehene Gehaltserhöhung aufgewogen, zumal die Zusatzvereinbarung das Vergütungsniveau langfristig einfror. Zwar war die Erhöhung von 1000 Euro brutto erheblich, am Ende ergab sich allerdings weiterhin nur eine durchschnittliche Vergütung aufgrund des „bescheidenen Ausgangswertes“. Es konnte auch nicht eindeutig festgestellt werden, dass die erhöhte Vergütung einen Ausgleich für die verlängerte Kündigungsfrist darstelle. Da die vereinbarte Vergütung auch nicht ausreiche, um Rücklagen für den Fall zu bilden, dass der Arbeitnehmer im Falle der Eigenkündigung keine Anschlussbeschäftigung finde, konnte die Kündigungsfrist nicht durch die Gehaltserhöhung gerettet werden.
Das Landesarbeitsgericht Sachsen sieht hier die Gefahr, dass der Arbeitnehmer wegen der dreijährigen Kündigungsfrist keinen nahtlosen Übergang in ein neues Arbeitsverhältnis erreichen kann. Dann also nach Ablauf der Kündigungsfrist arbeitslos wird und zusätzlich noch wegen seiner Eigenkündigung eine zwölfwöchige Sperrzeit beim Arbeitslosengeld und Minderung der Anspruchsdauer wegen Arbeitsaufgabe verkraften muss. Der aufmerksame Arbeitgeber merkt sich also: Man kann wohl eine längere Kündigungsfrist erkaufen. Wird aufgrund der Verlängerung der Kündigungsfrist eine Gehaltserhöhung gewährt und führt diese dazu, dass eine finanzielle Absicherung vor einer zwölfwöchigen Einkommenslosigkeit durch das Bruttogehalt möglich ist, dann könnte die verlängerte Kündigungsfrist angemessen sein, da der Arbeitnehmer nun entsprechende Rücklagen neben den Ausgaben für einen angemessenen Lebensstil bilden kann.
Die Ansicht des Landesarbeitsgerichts Sachsen wurde vom Bundesarbeitsgericht bestätigt. Das Bundesarbeitsgericht folgt seinem bisherigen Prüfungsmaßstab bei vorformulierten Kündigungsfristen. Bei einer vom Arbeitgeber vorformulierten Kündigungsfrist, die erheblich länger als die gesetzliche Regelfrist des § 622 Abs. 1 BGB ist, ist nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Beachtung der Berufsfreiheit zu prüfen, ob die verlängerte Frist eine unangemessene Beschränkung der beruflichen Bewegungsfreiheit darstellt. Das Bundesarbeitsgericht betont allerdings, dass die Berufsfreiheit dem Arbeitnehmer nicht einen jederzeitigen Berufs- beziehungsweise Arbeitsplatzwechsel ermöglichen muss. Die berufliche Bewegungsfreiheit darf allerdings nicht unangemessen beschränkt werden.
Branchenübliche Gebräuche
Hiernach kann eine Kündigungsfrist für eine Arbeitnehmerkündigung branchenabhängig eine unangemessene Benachteiligung darstellen, wenn der Arbeitsplatzwechsel branchenuntypisch erschwert wird, da beispielsweise kurzfristige Jobwechsel gewöhnlich in der Branche vorkommen. Festzustellen sind daher jeweils die Gebräuche und Gepflogenheiten der jeweiligen Branche.
Arbeitgeber werden sich nun natürlich die Frage stellen müssen, ab wann denn eine Kündigungsfrist unangemessen zu lang sein wird. Vor der aktuellen Entscheidung des BAG war schon klar, dass mehr als fünfeinhalb Jahre nicht möglich sind, wie sich aus § 15 Abs. 4 TzBfG ergibt. In der Rechtsprechung wurden zuvor bereits Kündigungsfristen von zwölf Monaten oder 18 Monaten als wirksam anerkannt. Eine dreijährige Kündigungsfrist wird nun also gemäß den obigen Feststellungen regelmäßig, also „in normalen Arbeitsverhältnissen“, zu lang und damit unwirksam sein. Möchte man sich als Arbeitgeber möglichst lange binden, dann sollte man eine Kündigungsfrist von nicht über einem Jahr vereinbaren. Längere Kündigungsfristen sollten nur dann abgeschlossen werden, wenn ein besonderes Interesse des Arbeitgebers plausibel nachgewiesen werden kann, beispielsweise bei besonders herausgehobenen Positionen.
Selbstverständlich immer zu beachten ist, dass Arbeitnehmer nicht längeren Kündigungsfristen unterliegen als der Arbeitgeber selbst (§ 622 Abs. 6 BGB) und dass die Klausel klar und verständlich formuliert wird (Transparenzgebot). Bei der Festlegung einer Kündigungsfrist besteht also ein doppeltes Risiko. Ist sie zu kurz, ist sie unwirksam, ist sie zu lang, auch.
LITERATUR ZUM THEMA
Laurenz Andrzejewski, Hermann Refisch: Trennungs-Kultur und Mitarbeiterbindung, 4. Auflage, Luchterhand 2015, 520 Seiten, 49 Euro
Rechtliche Fallstricke bei der Kündigung von Mitarbeitern
Eine Kündigung ist meist für beide Parteien unangenehm. Umso bedauerlicher, wenn das einst intakte Arbeitsverhältnis sein Ende vor einem Gericht findet. Unternehmen sollten vor allem folgende Punkte beachten:
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Die Kündigung eines Arbeitsvertrages muss in Schriftform mit eigenhändiger Unterschrift erfolgen. Die geltenden Kündigungsfristen sind einzuhalten.
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Die Vertretungsverhältnisse sind zu beachten. Falls nicht der oder die Geschäftsführer oder vertretungsberechtigte Organe unterschreiben, sollte der Kündigung eine schriftliche Originalvollmacht beigefügt werden.
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Sofern beabsichtigt, sollte die Freistellung des Mitarbeiters für einen bestimmten Zeitraum (eventuell bis zum Beendigungsdatum) erklärt werden. Der Resturlaub muss dann gegebenenfalls konkret festgelegt werden.
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Der Betriebsrat, sofern vorhanden, muss vor der Kündigung angehört werden. Die darzulegenden Gründe der Kündigung müssen detailliert genug sein, damit sich der Betriebsrat ein umfassendes Bild machen kann. Hat er Bedenken, muss er diese dem Arbeitgeber schriftlich innerhalb einer Woche (bei außerordentlichen Kündigungen innerhalb von drei Tagen) mitteilen.
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Dem allgemeinen Kündigungsschutz unterliegen Mitarbeiter, die länger als sechs Monate in einem Unternehmen mit mehr als zehn Arbeitnehmern in Vollzeit beschäftigt sind. In Einzelfällen besteht besonderer Kündigungsschutz.
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Wenn Kündigungsschutz besteht, muss eine Kündigung personen-, verhaltens- oder betriebsbedingt sein. Insbesondere an personen- und verhaltensbedingte Kündigung werden hohe Anforderungen gestellt, zu denen unter anderem eine negative Zukunftsprognose zählt.
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Eine außerordentliche Kündigung muss innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnisnahme der maßgeblichen Tatsachen durch den Arbeitgeber erfolgen und setzt in der Regel eine vorherige Abmahnung voraus.
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Eine Kündigung ist im Original zu übergeben. Nach Möglichkeit sollte sie im Beisein von Zeugen oder gegen eine schriftliche Bestätigung des Erhalts ausgehändigt werden, um den Zeitpunkt des Zugangs beweisen zu können. Eine Kündigungsschutzklage kann innerhalb einer Frist von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erhoben werden.
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Kann die Kündigung nicht persönlich am Arbeitsort übergeben werden, muss sie dem Arbeitnehmer an seinem Wohnsitz zugestellt werden. Wird er auch hier nicht angetroffen, gilt die Kündigung unter Umständen nicht mehr am gleichen Tag als zugegangen, so dass eventuell Fristen versäumt werden. (ds)
AUTOR
Benjamin Onnis, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, FPS, Frankfurt, onnis@fps-law.de
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