Empört Euch!
Es gab in den vergangenen Wochen viel Grund zur Empörung. Einer mit HR-Bezug war sicherlich der durch eine ARD-Dokumentation ausgelöste Amazon-Skandal. Dort wurden offenbar Mitarbeiter getäuscht, und Verbraucher zeigten sich entsetzt über die Arbeitsbedingungen bei ihrem so geliebten Online-Händler. Doch mittlerweile redet kaum noch jemand darüber. Wir hätten gerne mehr erfahren, auch von dem in die Kritik geratenen Personaldienstleister (wir berichteten online darüber). Leider hüllen sich die Beteiligten in Schweigen. Die „Vogel-Strauß-Politik“ in der HR-Kommunikation ist mehr als bedenklich. Beide Unternehmen gelten übrigens als besonders attraktive Arbeitgeber und können entsprechende Auszeichnungen vorweisen.
Auch bei unserem Titelthema möchte man den Familien und Unternehmen mit den Worten des kürzlich verstorbenen Essayisten und Widerstandskämpfers Stéphane Hessel zurufen: „Empört Euch!“ Denn sie müssen gerade leidlich erfahren, wie viel ein Rechtsanspruch auf eine Kinderbetreuung für unter drei Jahre alte Kinder wert ist: so gut wie nichts. Zurzeit dürften viele Vorgesetzte und Personalchefs von jungen Müttern und Vätern hören: „Wenn ich ganz viel Glück habe, bekomme ich für meine kleine Tochter ab Sommer einen Kita-Platz. Dann kann ich eventuell auch wieder mehr arbeiten.“ Diese typische Äußerung offenbart zugleich das Dilemma: Der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz wird zur Glücksache, Personalplanung damit auch. Es fehlen schlichtweg zu viele Plätze. Verantwortlich dafür? Keiner so richtig, ein „Schwarzer-Peter-Spiel“ in unseren föderalen Strukturen, wie es der Sozialwissenschaftler Stefan Sell in unserem Interview kritisiert. Der Bund formuliert einen Rechtsanspruch und veranstaltet werbewirksame Familiengipfel, die klammen Kommunen kommen mit der Infrastruktur nicht hinterher. Und wenn sie es schaffen, stellen sie fest, dass geeignetes Personal fehlt. Die Familienpolitik ist gescheitert, sie gleicht einer planlosen Großbaustelle, wie wir sie leider auch andernorts in Berlin besichtigen können. Jetzt müssen es die Unternehmen richten, zumindest sollten sie die akute Not lindern. Große Unternehmen haben bereits eigene Kitas aufgebaut, auch im Mittelstand gibt es hervorragende Beispiele. Einige davon stellen wir im Heft zur Nachahmung vor.
Personalmanager mögen kritisch einwenden, dass sie sich nicht um alles kümmern können: Business Partner, Employee Champion, Gesundheitsmanager – und jetzt auch noch Kinderbetreuer? Man kann es auch positiv sehen: HR wird an allen Fronten gebraucht. Empörung allein reicht leider nicht aus.
Erwin Stickling, Chefredakteur
- Empört Euch!
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