Ausgabe 4 - 2014
Nichts dem Zufall überlassen
Für das Allgäuer Überlandwerk, ein Unternehmen, das seit über 90 Jahren als größter regionaler Stromanbieter über 94 000 Haushalte im Allgäu versorgt, ist die Altersstrukturanalyse ein zentraler Baustein zur Neuausrichtung der Personalarbeit. Die Nachfolge- und Qualifizierungsplanung soll nicht dem Zufall überlassen werden.
Die Unternehmen in der Energiewirtschaft sind in Zeiten der Energiewende besonders gefordert. Zusätzlich zu Fragen der Positionierung rund um die Kompetenzentwicklung des bestehenden Personals und das Recruiting geeigneter neuer Mitarbeiter müssen sich Energieversorgungsunternehmen mit der demografischen Struktur in ihrem Unternehmen auseinandersetzen, um dem Generationswechsel planvoll zu begegnen. Hierfür ist die Altersstrukturanalyse ein zentraler Ausgangspunkt. Die BET-Studie „Arbeitgeberattraktivität 2020“, in der aktuelle Trends der Personal- und Organisationsentwicklung in Stadtwerken und Energieversorgungsunternehmen untersucht wurden, zeigt, dass bereits 45 Prozent der Unternehmen in der Energiewirtschaft eine Altersstrukturanalyse durchgeführt haben. Auch das Allgäuer Überlandwerk (AÜW) in Kempten hat sich für die Durchführung einer Altersstrukturanalyse mit Unterstützung des Beratungsunternehmens BET entschlossen.
Das AÜW beschäftigt aktuell rund 290 Mitarbeiter. Im Verlauf des Jahres 2012 wurde die Strategie des AÜW überarbeitet und strategische Themenfelder wurden formuliert: Neben dem konsequenten Ausbau der Erzeugung hat sich das AÜW zum Ziel gesetzt, einer der innovativsten Energieerzeuger Bayerns zu sein. Zum Markenkern des AÜW gehört die regionale Vernetzung mit Unternehmen rund um das Thema Energie. Abgerundet wird die strategische Ausrichtung durch das Ziel, die Position als attraktiver und unabhängiger Arbeitgeber zu festigen. Im Rahmen der Entwicklung der Gesamtstrategie wurde ein neues Personalplanungs- und Personalentwicklungskonzept (PE-Konzept) entwickelt. Die starke Positionierung der Personalentwicklung ist ein wichtiger Schlüssel für den Erfolg der Gesamtstrategie.
Vorgehen bei der Altersstrukturanalyse
Die Ergebnisse der Altersstrukturanalyse dienen dazu, die Wirkung der angebotenen Personalentwicklungsmaßnahmen zu erhöhen. Bei der Durchführung wurde zwischen einer Analyse des Altersaufbaus und einer Analyse der Qualifikationsstruktur unterschieden. Die Daten, die für die Durchführung der Altersstrukturanalyse verwendet wurden, basieren auf personalwirtschaftlichen SAP-Daten zum Zeitpunkt September 2013, die vom Personalbereich des AÜW bereitgestellt wurden. Bei der Analyse wurden Struktur- und personalwirtschaftliche Daten berücksichtigt: Alter, Geschlecht, Hochschulabschluss, Qualifikation, Abteilung/Geschäftsbereich, Sachbereich/Gruppe, Funktion, Betriebszugehörigkeit, Beschäftigungsumfang. Neben dem Betriebsrat wurde der Datenschutzbeauftragte sehr früh in das Vorhaben eingebunden, um innerbetriebliche Akzeptanz und Transparenz über die zur Verfügung gestellten Daten sowie die abgeschlossene Datenschutzerklärung herzustellen. Alle Daten wurden zunächst in ein standardisiertes Analyseraster überführt. Bei diesem Arbeitsschritt wurde gemeinsam mit dem AÜW durch die BET-Berater ein Katalog von Leitfragen beantwortet. Damit konnten Auffälligkeiten identifiziert und erste Hinweise auf kritische Strukturparameter gefunden werden. Zu den Leitfragen für die Analyse gehören:
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Wie sieht die Altersstruktur im gesamten Unternehmen aktuell und in fünf sowie in zehn Jahren aus?
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Wie gestaltet sich die Altersstruktur in den einzelnen Geschäftsbereichen und Abteilungen aktuell und in den nächsten Jahren?
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Wie sieht die Altersstruktur in relevanten Hierarchieebenen und Qualifikationsbereichen aktuell und in den nächsten Jahren aus?
Das Durchschnittsalter der erhobenen 290 Mitarbeiter des AÜW beträgt 38,6 Jahre. Bei einer einfachen Fortschreibung der Altersstruktur um die nächsten fünf Jahre beträgt das Durchschnittsalter 43,2 Jahre. Im Branchenvergleich kann dieses Durchschnittsalter als gering bezeichnet werden. Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass auf der einen Seite bereits ein Viertel der Belegschaft über 50 Jahre alt ist. Auf der anderen Seite sind über 30 Prozent der Mitarbeiter unter 30 Jahre alt. Die Altersstruktur kann insgesamt somit als ausgewogen bezeichnet werden. Jedoch stellt sich mit Blick auf die Altersstruktur des Gesamtunternehmens die Frage, welche Altersstruktur die einzelnen Abteilungen und Sachbereiche im Detail aufweisen.
Abbildung
Altersstrukturanalyse 2014 und 2019

Die Analyse der Altersstruktur zeigt unter anderem, dass im technischen Service bereits jetzt die Hälfte der Mitarbeiter über 55 Jahre alt sind und dass mehr als zwei Drittel der Mitarbeiter im Bereich Rechnungswesen in fünf Jahren über 50 Jahre alt sein werden.
Ergebnisse offenbaren Handlungsbedarf
Bei der Analyse der Daten wurden in drei Geschäftsbereichen des Unternehmens (Energiemarkt/-service, Kaufmännischer Service und Technik) Sachbereiche mit alterszentrierten Strukturen identifiziert. So liegt beispielsweise das aktuelle Durchschnittsalter des Sachbereichs „Finanz- und Rechnungswesen“ bei 48,7 Jahren und bei einer einfachen Fortschreibung der Altersstruktur um fünf Jahre bei 53,7 Jahren. Mehr als zwei Drittel der Mitarbeiter – auch der Abteilungsleiter – sind in fünf Jahren über 50 Jahre alt. Jüngere Mitarbeiter sind in diesem Sachbereich entsprechend kaum vertreten. Für den Sachbereich „Finanz- und Rechnungswesen“ steht daher insbesondere eine aktive Nachfolgeplanung verbunden mit einer Identifizierung einer Nachwuchsführungskraft an.
Das Thema „Nachwuchsförderung“ kann für das Unternehmen insgesamt als relevant bezeichnet werden. Die Analyse der Altersstruktur mit Fokus auf die Hierarchieebenen zeigt, dass unternehmensweit in den nächsten zehn Jahren rund ein Viertel der Führungskräfte altersbedingt ausscheiden wird. Eine frühzeitige Nachfolgeplanung ist daher unabdingbar, um die Erfahrungen und das Wissen der aktuellen Führungskräfte im Unternehmen zu halten.
Weiterer Handlungsbedarf besteht im Sachbereich „Technischer Service (Gebiet I)“. Das Durchschnittsalter liegt insgesamt bei 42,2 Jahren. Die Altersstruktur kann von der Tendenz als ausgewogen bezeichnet werden. Ein Blick auf die einzelnen Altersklassen zeigt jedoch, dass nahezu die Hälfte der Mitarbeiter des Sachbereichs über 55 Jahre alt ist (vgl. Abbildung). Auch für den Sachbereich „Technischer Service (Gebiet I)“ ist daher aktuell eine Nachfolgeplanung erforderlich, die durch die Einstellung von neuem Personal begleitet werden muss, um das altersbedingte Ausscheiden der Mitarbeiter auszugleichen.
Insgesamt bildet die Analyse der Altersstruktur eine wertvolle Basis für das Allgäuer Überlandwerk hinsichtlich der strategischen Personalentwicklung und Personalplanung für das Jahr 2014. Zum einen können Fördermaßnahmen gezielter geplant und an die demografischen Entwicklungen des AÜW angepasst werden, zum Beispiel durch langfristig initiierte Nachfolgeregelungen. Zum anderen helfen die Daten der Personalentwicklung dabei, das Engagement und die Unterstützung der Führungskräfte für die erfolgreiche Umsetzung ihrer Konzepte zu gewinnen. In diesem Kontext bietet das Instrument der Altersstrukturanalyse die Basis für die innerbetriebliche Kommunikation. Die abteilungs- und teamspezifischen Daten werden in den entsprechenden Fachabteilungen vorgestellt. Weiterführende Workshops dienen dazu, weitere Handlungsfelder und betriebliche Maßnahmen zur Erhaltung der demografischen Fitness des AÜW zu beschließen.
Autorinnen
Dr. Katharina Heimes,
Beraterin für Organisations- und Personalentwicklung,
BET Büro für Energiewirtschaft und technische Planung GmbH, Aachen,
katharina.heimes@bet-aachen.de
Dr. Christiane Michulitz,
Teamleiterin Organisations- und Personalentwicklung, BET,
christiane.michulitz@bet-aachen.de
Doris Zeller,
Personalentwicklerin, Allgäuer Überlandwerk GmbH, Kempten,
doris.zeller@auew.de
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