Teupen hat wieder Fuß gefasst

Der Teupen Maschinenbau GmbH half nur noch ein konsequenter Turnaround in Form eines Change-Management-Prozesses, um wieder Gewinn zu erwirtschaften. Unser Beitrag zeigt, wie mithilfe eines neuen Steuerungsmodells sowie der Neudefinition der Rolle des Mittelmanagements der traditionsreiche Mittelständler wieder auf Wachstumskurs gebracht wurde.
Bernd Teupen sah 1977 eine Marktlücke – und stieß beherzt hinein. Er gründete in der westfälischen Stadt Gronau die Teupen Maschinenbau GmbH mit dem Ziel, die weltweit innovativsten Höhenarbeitsbühnen mit Kettenantrieb zu entwickeln. Mit ihnen ist es möglich, komplexe Neubauten und Industrieanlagen zu errichten, ihre Instandhaltung auch in großer Höhe sicherzustellen und zum Beispiel Glas und Fassaden zu reinigen. Besonderes Referenzprojekt war der Neubau des Berliner Hauptbahnhofs: Teupen hat dabei das gesamte Höhenzugangskonzept geliefert. Teupens Vision wurde wahr – sein Unternehmen war Weltmarktführer für Kettenarbeitsbühnen. Doch in den vergangenen zehn Jahren erodierte die Teupen Maschinenbau GmbH. Die Umsätze brachen genauso ein wie der Ertrag. Teupen drohte in die Insolvenz zu steuern. Das Ziel war damit so einfach definiert, wie zugleich inhaltlich hochkomplex: die tradierte Teupen Maschinenbau GmbH ganzheitlich neu auszurichten, um sie wieder überlebensfähig zu machen und auf einen nachhaltigen Wachstumskurs zurückzuführen.
Das böse Erwachen
Um Menschen zu bewegen und aus eigenem Antrieb zu Veränderungen zu bringen, ist es entscheidend, dass sie die Dringlichkeit ihres Handelns spüren. Zwar waren die Zahlen bei Teupen nicht nur bekannt sondern bereits spürbar: Urlaubs- und Weihnachtsgeld gehörten längst der Vergangenheit an. Doch fehlte das Verständnis dafür, dass es nicht am Markt und nicht an Dritten lag – sondern die Probleme im Unternehmen Teupen selbst lagen.
Um dies den Mitarbeitern verständlich zu machen, holte der Geschäftsführer Michael Scheuß, der seit 2013 die Geschäftsführung von Teupen innehat, den Personal- und Change-Management-Berater Stephan Penning ins Boot. Zum Bewusstmachen der Problematik wurde das „Reifegradmodell für mittelständische Organisationen“ angewendet: Dieses umfasste Strategie, Prozesse, Systeme, Mitarbeiter und Kultur und wurde spezifisch für Teupen durch Geschäftsführung und Abteilungsleiter angepasst. Daraus ergaben sich die strategischen und operativen Handlungsfelder und die notwendigen Prozesse, die ein Unternehmen wie Teupen im Benchmark mit vergleichbaren mittelständischen Bestin-Class-Unternehmen abbilden muss. Gleichzeitig erzeugte dies eine hohe Identifikation mit den analysierten Verbesserungsfeldern, da diese von Geschäftsführung und Abteilungsleitern selbst erarbeitet wurde. So war es möglich, den aktuellen Reifegrad jeder einzelnen Abteilung der Organisation zu bestimmen. Und zunächst die Einsicht zu schaffen: Im Benchmark mit vergleichbaren Unternehmen lag Teupen mit seiner überalterten Produktpalette, dem Customer Support und Service, in der Fertigungs- und Sourcing-Strategie sowie der internationalen Ausrichtung deutlich zurück. Der Grund waren eine fehlende Produkt-, Markt- und Fertigungsstrategie, kein strukturierter Abteilungsaufbau, fehlende Methodenkompetenz und fehlende Tools wie zum Beispiel Kunden- und Lieferantenmanagement oder auch ein professionelles ERP-System. Kurzum: Teupen war für die Bedürfnisse heutiger und zukünftiger Märkte ganzheitlich nicht gerüstet und verlor zunehmend Marktanteile.
Zweite Führungsebene als Impulsgeber
Vor allem die zweite Führungsebene, die maßgeblich für die operative Steuerung der Abteilungen verantwortlich ist, traf dieses Ergebnis hart. Doch war diese bittere Erkenntnis notwendig, um gemeinsam mit der Geschäftsführung eine Koalition der Führungskräfte zu bilden, die eine neue Vision hatte: Teupen aus seiner misslichen Lage zu befreien und mittelfristig wieder an die Weltmarktspitze zu befördern.
Gemeinsam mit Penning Consulting entwickelte die Geschäftsführung zur Erfüllung dieser Vision ein handhabbares Zielfoto, das einerseits die Strategie darlegte und andererseits dem mittleren Management die Möglichkeit gab, entsprechende Verbesserungsprojekte zu identifizieren und voranzutreiben. So konnten sich die Abteilungsleiter in den kommenden Wochen, Monaten und Jahren ganz mit ihrer Aufgabe identifizieren – und damit zu Bekennern des neuen Konzepts und zu aktiven Treibern der notwendigen Change-Projekte im Unternehmen werden. Gleichzeitig ermöglichte dies den Abteilungsleitern, erstmals in einen echten Diskurs mit der Geschäftsführung einzutreten und als die strategischen Impulsgeber zu agieren, die ein Unternehmen ab einer gewissen Größe aus den eigenen Reihen benötigt. Was aber bisher aufgrund eines falschen Rollenverständnisses und fehlender regelmäßiger Kommunikationsmöglichkeiten zwischen den Ebenen nicht möglich war.
Scrum führt zu schnellen Erfolgen
Die Anamnese war gemacht, die zentralen Verbesserungsprojekte identifiziert. Und damit die Möglichkeit gegeben, auch erstmals den Mitarbeitern eine präzise und detaillierte Einschätzung der Lage des Unternehmens sowie ihrer jeweiligen Abteilungen zu liefern. Und darauf aufbauend die gemeinsame neue Vision für das Unternehmen und den notwendigen Wandel zu kommunizieren – um alle gemeinsam zu mobilisieren.
Zur Umsetzung der Verbesserungen diente den Abteilungsleitern und ihren Mitarbeitern eine modifizierte Methode des Projektmanagement-Ansatzes Scrum. Dieser Ansatz soll dazu dienen, das Management komplexer Projekte schlanker und damit effizienter zu gestalten. Denn ein wesentlicher Teil der Anforderungen und auftretenden Herausforderungen ist in der Planungsphase eines Projektes noch unbekannt. Scrum erkennt dies an und setzt nicht darauf, von vornherein alles im Detail zu planen, sondern durch das Erzielen von schnellen (Teil-)Erfolgen neue Erfolge zu erzeugen, die sich Stück für Stück zu einer Gesamtlösung zusammenfügen lassen.
Übertragen auf Teupen bedeutete dies: Auf einer physisch vorhandenen Tafel („Scrum Board“) wurden die einzelnen Veränderungsprojekte aufgeführt und allen Beteiligten dadurch transparent gemacht. Es war nun an den Abteilungsleitern, je ein Veränderungsprojekt herauszugreifen und in einem kurzfristigen Zeithorizont von nur vierzehn Tagen so gut es geht zu lösen. Um danach das Gesamtziel zu justieren und das nächste Teilprojekt zu lösen.
Jeder Abteilungsleiter hat sich dabei vor seinen Kollegen für ein Teilziel verpflichtet und ist damit ein klares Commitment eingegangen – was den Erfolgsdruck konstant gehalten hat. Denn in vierzehn Tagen wollte er nicht derjenige sein, der seine Herausforderung nicht bestanden hat. Dies führte rasch individuell und als Gruppe zu einer Vielzahl von Erfolgserlebnissen und hat sich damit unmittelbar auf die Motivation jedes Einzelnen ausgewirkt. Gleichzeitig konnten alle aus den gemeinsamen Erfolgen – aber auch Rückschlägen – lernen, um die neuen Ziele für die nächsten vierzehn Tage so auszurichten, dass sich erneute Erfolge einstellen konnten. Obwohl jeder Einzelne mit eigenen Aufgaben betraut war, konnte das Scrum Board zudem helfen, stets das große Ganze zusätzlich im Blick zu haben.
Die Geschäftsführung als Coach
Grundsätzlich war der Anspruch im Change-Prozess von Teupen, die Beraterunterstützung sukzessive abnehmen zu lassen. Geschäftsführung und Abteilungsleiter sollten die Herausforderungen mittel- bis langfristig selbst benennen und lösen können. Gerade darum durften sie beim Erlernen dieser neuen Arbeitsweise nicht alleine gelassen werden.
Mit dem Ziel der Befähigung aller Führungskräfte zur eigenständigen Arbeitsweise hat Penning Consulting darum das 70-20-10-Lernmodell adaptiert. Das Modell geht davon aus, dass das Erleben und Umsetzen von neuen Themen und Methoden unmittelbar in der Praxis die effektivste Möglichkeit ist, diese zu erlernen. Darum wurden nur zehn Prozent der Zeit darauf verwendet, das Reifegradmodell zu erläutern und auf dieser Basis die neue Unternehmensstrategie zu verstehen. Ein Fünftel der Entwicklungszeit wurde in spezifische Trainings zum Aufbau von Führungs- und Managementkompetenzen investiert, unter anderem mit den Themenfeldern „Die Führungskraft als Coach“, „Die Führungskraft als Change Manager“, „Die Führungskraft als Performance Manager“. Die Trainings liefen dabei stets so praxisnah wie möglich ab. Das heißt: Seminare wurden am Beispiel realer Fälle durchgeführt und gemeinsam mit den Teilnehmern die beste Lösung gesucht.
Der Großteil – 70 Prozent – des Lernens hatte nicht nur Praxisbezug, sondern spielte sich faktisch unmittelbar in der täglichen Arbeitspraxis ab. Dies forderte von der Geschäftsführung in eine proaktive Coaching-Rolle zu wechseln und den Abteilungsleitern immer wieder als wichtiger Sparrings- und Entwicklungspartner zur Seite zu stehen. Probleme, die sie nicht selbst lösen konnten, wurden nicht mehr nach oben delegiert, sondern gemeinsam gelöst. Entscheidungen, die sie nicht treffen konnten, wurden nicht automatisch durch die Geschäftsführung entschieden. Vielmehr war die Geschäftsführung künftig Gesprächspartner, der Hilfestellung bei der Entscheidungsfindung liefern konnte.
Gesunde Zahlen und eine neue Unternehmenskultur
Die Art der Projektunterstützung und diese Lernmethoden führten dazu, dass sehr schnell Erfolge in ganz unterschiedlichen Bereichen von Teupen sichtbar wurden, die nicht nur intern deutlich die Motivation steigern konnten, auch das nächste Projekt erfolgreich zu meistern, sondern die sich auch schnell bei Kunden, Lieferanten und sonstigen Stakeholdern herumsprachen. „Teupen hat wieder Fuß gefasst“ war die eingängige Meinung vieler dieser Stakeholder. Die Vision eines neuen, eines modernen und auf Wachstumskurs befindlichen Teupen 2.0 war wieder spürbar.
Das Ergebnis: Der Umsatz ist über die vergangenen Jahre kontinuierlich gestiegen. Teupen rechnet 2016 mit einem Umsatz von rund 38 Millionen Euro – das entspricht fast einer Verdopplung bezogen auf das Jahr 2013 – und einem EBITDA von acht bis zehn Prozent.
Abseits der gesunden Zahlen hat sich bei Teupen durch den Turnaround eine neue Kultur entwickelt. Erstmals wurden folgende Fragen gestellt: Wie positioniert sich das Unternehmen? Wo sind wir in fünf Jahren? Was sind die Werte unserer Zusammenarbeit? Wie kann Teupen Performance neu leben? Was ist das richtige Umfeld für progressives Denken und kontinuierliche Leistungsfähigkeit? Wie wird künftig Eigeninitiative gefördert und belohnt? Die kumulierte Antwort: Der Change-Prozess bei Teupen hat nicht aufgehört, sondern gerade erst begonnen. Weitere Veränderungen wurden eingeleitet.
Ein gewichtiger Punkt: Teupen und Penning Consulting arbeiten zurzeit intensiv an der Etablierung eines Talent-Management-Prozesses. Denn gelungen ist der Turnaround mit den Mitarbeitern, die auch schon vor dem Beginn der großen Veränderungen mit an Bord waren. Unternehmen und Mitarbeitern ist erst im Laufe der Projekte deutlich geworden, über welche Talente sie eigentlich verfügen und welche Leistungsfähigkeit dahinter steht. Darum hat Teupen heute begonnen, einen Talentprozess anzustoßen, der künftig in regelmäßigen Abständen überprüfen wird, welche Stärken und Schwächen die Mitarbeiter haben und wie sich diese kontinuierlich weiterentwickeln und damit verbessern können. Mit dem Ziel, das Unternehmen im Markt noch performanter zu machen – und nie wieder in eine Situation zu geraten, in der es im Jahr 2013 war.
Autoren
Michael Scheuß, Geschäftsführer, Teupen Maschinenbau GmbH, Gronau,
mscheuss@teupen.com
Stephan Penning, Geschäftsführender Gesellschafter, Penning Consulting, Köln,
penning@penning-consulting.com
So hat Teupen den Turnaround geschafft
- 1.
Ermittlung des Reifegrads des gesamten Unternehmens, seiner Abteilungen, Prozesse und Strukturen – als Roadmap für den Change
- 2.
Aufbau einer Koalition zwischen Geschäftsführung und mittlerem Management – um das ganze Unternehmen zu mobilisieren
- 3.
Identifikation der Verbesserungsprojekte durch das mittlere Management selbst – um sie in den Fahrersitz zu bringen
- 4.
Befähigung von Führungskräften und Mitarbeitern durch induktives Training – damit diese aus eigener Kraft die Verbesserungen herbeiführen können
- 5.
Erzielen von schnellen Erfolgen – um damit den Grundstein zu legen für weitere weitreichende Veränderungen
- 6.
Etablierung einer neuen Kultur, die Eigeninitiative und Leistung fordert und fördert
Personalwirtschaft online
Sehen Sie exklusiv auf personalwirtschaft.de ein aktuelles Videointerview mit Change-Spezialist Stephan Penning zu den Fragen: Was sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren in Veränderungsprojekten? Wie überzeuge ich die Mannschaft, den oftmals steinigen Weg motiviert mitzugehen und Ergebnisse zu erzielen?
Das Video-Interview finden Sie bei YouTube unter: pwgo.de/videos
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