Ausgabe 4 - 2017
Die Wagenburg ist passé

Social Media sind aus dem privaten und beruflichen Alltag nicht mehr wegzudenken. Doch aktuelle Gerichtsurteile zeigen, dass sich viele Unternehmen im Umgang mit den sozialen Netzwerken immer noch schwertun. Eine Recherche bei Unternehmen, die auf dem richtigen Weg sind.
VON DAVID SCHAHINIAN
Manchen genügen 140 Twitter-Zeichen, um die Welt zu bewegen. US-Präsident Donald Trump hat mit seiner Nutzung der sozialen Medien zwei Dinge gezeigt: Sie gehören längst zum Alltag, und sie können erheblichen Einfluss haben. Nicht immer von globalem Ausmaß, manchmal aber zumindest auf einzelne Schicksale, wie einige Gerichtsurteile aus den vergangenen Monaten zeigen. So wurde dem Mitarbeiter einer Steuerkanzlei fristlos gekündigt, weil er den Status seines privaten Xing-Profils auf „Freiberufler“ geändert hatte, obwohl die Frist seines Aufhebungsvertrags noch nicht ausgelaufen war. Seine Arbeitgeberin sah darin eine unerlaubte Konkurrenztätigkeit. Das Landesarbeitsgericht Köln entschied zwar wie die Vorinstanz, dass die außerordentliche Kündigung unwirksam ist (Urteil vom 7. Februar 2017, Az.: 12 Sa 745/16). Trotzdem ist es, frei nach einem populären Facebook-Beziehungsstatus, mit den sozialen Medien mitunter „kompliziert“. Wie eine kleine Umfrage zeigt, sind Youtube, Instagram und Co. heute nicht mehr aus der Arbeitswelt wegzudenken. Die Verantwortung für die Kanäle ist an unterschiedlichen Stellen im Organigramm angesiedelt. Um einheitliche Regeln für den Umgang mit den sozialen Medien zu schaffen, setzen die meisten Unternehmen auf Social-Media-Guidelines.
Die meisten Unternehmen setzen auf Social-Media-Guidelines.
Guideline für die Mitarbeiter
Zum Beispiel die Galeria Kaufhof GmbH. „Wir nutzen die Netzwerke Facebook, Instagram, Pinterest, Twitter, Youtube sowie Google+ und betreiben eigene Blogs“, sagt Gundula Pabst, Leiterin HR Marketing und Rekrutierung. Sämtlicher Content für alle Netzwerke werde inhouse produziert. Regeln für die Nutzung der sozialen Medien sind in einer Guideline zusammengestellt und werden allen Mitarbeitern zugänglich gemacht. Sie enthält unter anderem praktische Hilfestellungen zum Thema Umgangsformen, Datenschutz, Privatsphäre und Unternehmensinformationen. Auch die private Nutzung sozialer Netzwerke wie Xing oder Linkedin während der Arbeitszeit ist in den Richtlinien geregelt: „Privates sollte privat bleiben.“
Darüber hinaus informieren die Kollegen aus dem Social-Media-Team von Galeria Kaufhof proaktiv über Neuerungen, berichtet Pabst weiter. Sie helfen den Mitarbeitern beim beruflichen Einsatz von sozialen Medien und bei individuellen Fragen. Und wie verhält es sich mit den Kommentaren von Nutzern? „Grundsätzlich bleibt jeder Kommentar stehen, sofern dieser nicht beleidigend, diskriminierend oder gewaltverherrlichend ist“, sagt Pabst. Das Unternehmen betreibe ein aktives Community Management und beantworte Anfragen innerhalb von ein bis zwei Tagen.
Bei der privaten Nutzung wird oft auf das richtige Maß gesetzt.
Steuerung durch Evangelisten-Team
„Selbstverständlich“, antwortet Viviane Kruggel, PR Managerin bei Publicis Pixelpark, auf die Frage, ob das Unternehmen soziale Medien nutze. Ob Facebook, Twitter, Xing, Linkedin oder Instagram, die Inhalte werden von einem sogenannten Evangelisten-Team beigesteuert, das sich aus Mitarbeitern aller Standorte zusammensetzt und dezentral aufgestellt ist. „Wir nennen sie intern Wildhüter“, ergänzt Kruggel lächelnd. Das Team der „Wildhüter“ agiert eigenständig und ohne Freigabeprozesse, stimmt sich aber regelmäßig untereinander ab, um Inhalte und Timings zu koordinieren. Auch in der Agentur gibt es eine Social-Media-Guideline, in der der grundsätzliche Umgang mit sozialen Netzwerken geregelt ist. „Hier finden sich auch Empfehlungen für die private Nutzung der Social-Media-Kanäle für Mitarbeiter, insofern sie im Zusammenhang mit uns als Unternehmen stehen.“ Darüber hinaus vertraue man seinen Mitarbeitern. Eine Frage des Vertrauens sei ebenso die private Nutzung solcher Netzwerke während der Arbeitszeit, die in einem geregelten Rahmen erlaubt ist. Generell verstehe man Social-Media-Kanäle bei Publicis Pixelpark als Dialogplattformen, eine Beteiligung sei ausdrücklich erwünscht – sofern sie keine Grenzen überschreitet: „Generell löschen wir keine Kommentare, es sei denn, sie sind diffamierend, diskriminierend, anstößig oder Ähnliches.“ Bisher seien die Interaktionen aber durchweg positiv gewesen.
Unverzichtbarer Bestandteil
„Soziale Medien sind für uns ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Kommunikation geworden, und zwar in zweifacher Hinsicht: Zum einen, um unser Profil als attraktiver Arbeitgeber gerade bei jüngeren Bewerbern zu schärfen. Zum anderen, um unsere Expertise als ein global führendes Beratungsunternehmen gegenüber unseren Kunden zu transportieren“, sagt Marina Klein, Leiterin Human Resources bei Accenture für Deutschland, Österreich und Schweiz.
Auch für Accenture ist die Präsenz auf Facebook, Twitter, Linkedin, Xing, Instagram und Youtube längst selbstverständlich, ergänzt Christopher Twardokus, Leiter digitales Marketing. Die Kanäle richten sich an unterschiedliche Zielgruppen. Die Inhalte entstehen im Marketing (Image und Recruiting) sowie in enger Abstimmung mit dem Business. „Des Weiteren unterstützen wir Mitarbeiter, auf Social Media mit ihrer Expertise aktiv zu sein.“ Hierfür hat das Unternehmen eine eigene Content-Sharing-Plattform entwickelt, über die Kollegen kuratierte Inhalte über ihre Profile teilen können.
Bei Accenture heißen die entsprechenden Regeln für Mitarbeiter „Social Playbook“, berichtet Twardokus weiter: „Hier finden die Kollegen Informationen zu Funktionalitäten oder Ansprechpartnern, aber auch klare Richtlinien.“ Sie können zudem Social-Media-Trainings in Anspruch nehmen, in denen sie den Umgang mit den genutzten Kanälen erlernen: „Hierbei ist uns wichtig, dass sie ihren persönlichen Stil finden, gleichzeitig aber auch eine verantwortungsvolle Kommunikation pflegen.“ Im Allgemeinen gelte: Jeder Mitarbeiter ist Privatperson und eigenständig verantwortlich für sein Tun. Bei der privaten Nutzung wird auf das richtige Maß gesetzt: „Unsere Mitarbeiter gehen in der Regel sehr verantwortungsbewusst mit den Aufgaben um, die sie für uns beziehungsweise vor allem für unsere Kunden erledigen“, erklärt Twardokus. Daher vertraue das Unternehmen darauf, dass sie auch ihre Social-Media-Aktivitäten danach ausrichten: „Schließlich sind die Netzwerke unserer Mitarbeiter auch für uns wertvoll, etwa wenn es darum geht, für Accenture relevante Inhalte mit ihren Netzwerken zu teilen.“ Einen pragmatischen Umgang pflegt man ebenso im Hinblick auf Wortmeldungen von Nutzern. Jede Äußerung werde ernst genommen, auf jeden Kommentar versuche man zu reagieren und diesen zu verstehen. Negative Äußerungen ließen sich meistens schnell mit Verständnis und entsprechender Aufmerksamkeit entschärfen. Twardokus: „Längere Diskussionen versuchen wir in der Regel, aus der Öffentlichkeit in die ‚Private Message‘-Umgebung zu verlagern.“
Unternehmen sind gut beraten, ihren Mitarbeitern keine zu strengen Vorgaben zu machen.
Intensiver und authentischer Dialog
Evonik sieht die Chancen, die das Medium Social Media bietet, vor allem in einem in Echtzeit geführten intensiven und authentischen Dialog mit relevanten Zielgruppen wie zum Beispiel Studierenden, Absolventen, Kunden und Mitarbeitern. Dr. Edda Schulze, Externe Kommunikation: „Social Media verstehen wir dabei als ‚großes Gespräch‘, in dem sich die Nutzer unserer Seiten im besten Fall miteinander unterhalten und wir eher eine Art Moderatorenrolle einnehmen.“ Auf Konzernebene werden die Kanäle Facebook, Twitter, Linkedin, Youtube, Xing/Kununu und Glassdoor genutzt. Hinzukommen weitere, hierzulande (noch) eher unbekannte: „Aufgrund regionaler Unterschiede werden von unseren chinesischen Kollegen die Plattformen Wechat und Weibo genutzt.“ Die Inhalte werden von den jeweiligen Kommunikationsverantwortlichen bei Corporate, in den Regionen und in den Geschäftseinheiten zur Verfügung gestellt und/oder generiert.
Grundsätzlich ist die Nutzung sozialer Medien im Unternehmen erlaubt. Im Umgang mit sozialen Medien gibt es bei Evonik klare Prozesse, Social-Media-Guidelines und geregelte Verantwortlichkeiten. „Aus Gründen des Datenschutzes und der IT-Compliance ist die Benutzung einzelner Plattformen eingeschränkt, beispielsweise einzelne Media- und File-Sharing-Dienste.“ „Auch über Evonik wird im Web diskutiert“, so Schulze weiter. Jeder, der sich online über das Unternehmen äußere, präge damit auch dessen Bild in der Öffentlichkeit. Daher sind die Guidelines für Mitarbeiter, die sich über das Unternehmen in Blogs, Foren oder sozialen Netzwerken austauschen, zu beachten. Die private Nutzung von Xing und Linkedin ist im Konzern erlaubt. Zur Beantwortung von Kommentaren gibt es im Unternehmen festgelegte Abstimmungswege und geregelte Verantwortlichkeiten.
Digitalkompetente Mitarbeiter
„Je nach Art und Anlass des Kommentares differenziert, aber ganz grundsätzlich natürlich offen“ geht man bei Metadesign mit Äußerungen von Nutzern um, erklärt CEO Arne Brekenfeld. Das zeichnet generell den Umgang mit den sozialen Medien im Unternehmen aus: Die Mitarbeiter seien „schon allein aufgrund ihres Alters und ihres Berufsbildes per se digitalkompetent“, da brauche es keine Reglementierung – sondern, im Gegenteil, eher Handlungsfreiheit. Entsprechend gebe es keine Vorgaben, aber Handlungsempfehlungen. „Die verstehen sich aber im Grunde von selbst“, so Brekenfeld weiter.
Prinzipiell sei die Haltung zu diesem Thema von absolutem Vertrauen in die Mitarbeiter geprägt. Ein gezielter oder systematischer Besuch auf ihren privaten Profilen ist damit ebenfalls hinfällig – eine Frage übrigens, die nicht jeder freimütig beantworten wollte: „Aber natürlich kann man nicht verhindern, dass man bei der intensiven Nutzung von sozialen Netzwerken auch mal auf einem Mitarbeiterprofil bei Xing oder Linkedin landet.“ Auch die private Nutzung sozialer Netzwerke während der Arbeitszeit ist erlaubt. Brekenfeld: „Das gehört heute einfach dazu.“
Metadesign ist unter anderem auf Facebook, Twitter, Instagram, Linkedin, Medium und Snapchat zu finden. Zudem gibt es einen eigenen Blog und auch ausschließlich interne Plattformen. Die Inhalte dafür entstehen dezentral und standortübergreifend in der gesamten Organisation, die Unternehmenskommunikation schafft die Rahmenbedingungen dafür.
Internes soziales Netzwerk
„Mit einem Durchschnittsalter von 32 Jahren ist die Nutzung sozialer Medien fester Bestandteil des täglichen Lebens unserer Mitarbeiter“, sagt Nadine Przybilski, Corporate Communications bei Zalando. Im sozialen Netz solle jeder von ihnen für sich selbst sprechen. Das Unternehmen wachse, die Mitarbeiterzahl liegt derzeit bei fast 12 000 in Europa. „Um trotz dieser Größe Informationen dezentral zu teilen, unsere Mitarbeiter somit zu befähigen, fundierte Entscheidungen eigenständig zu tätigen, und Transparenz zu wahren, nutzen wir auch intern eine Art soziales Netzwerk“, so Przybilski weiter. Die Kommunikation über die Social-Media-Kanäle wird von spezialisierten Teams im Haus betreut, die einer bestimmten Netiquette folgen.
Keine Wagenburg-Mentalität
Nein, Neuland sind die sozialen Medien für Unternehmen in Deutschland nicht mehr. Sie sind gut beraten, ihren Mitarbeitern keine zu strengen Vorgaben zu machen: Die Zeiten der Wagenburgmentalität, in denen nur das aus den Organisationen drang, was sie bekanntgeben wollten, sind spätestens mit dem Aufkommen sozialer Medien vorbei. Guidelines scheinen ein guter Weg zu sein, die Unerfahrenen an die Hand zu nehmen und den Erfahrenen genügend Handlungsspielraum zu geben.
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