Ausgabe 4 - 2018
Zwischen Einfachheit und Sicherheit

Premiere bei der Personalwirtschaft: Zum ersten Mal baten wir acht Experten zum Thema „Zeit und Zutritt“ an den Runden Tisch. Das Fachgespräch warf Schlaglichter auf den Status quo der Branche und zeigte, in welchen Bereichen Personaler nachbessern sollten.
Von David Schahinian
Die Achtzigerjahre scheinen noch nicht lange her. Viele der heutigen Beschäftigten haben damals ihre Ausbildung gemacht, ihr Studium absolviert oder sie waren bereits berufstätig. Das Arbeitsumfeld hat sich mittlerweile jedoch radikal verändert und wird von neuen Technologien und Organisationsstrukturen bestimmt. Da muten damals alltägliche Begriffe wie „Stempeluhr“ oder Tätigkeiten wie „Türen aufschließen“ anachronistisch an. Tatsächlich gehören sie in manchen Unternehmen aber nach wie vor zum Arbeitsalltag, berichten die Fachvertreter aus der Branche. Einen guten Eindruck auf junge Talente, die längst ihr Smartphone mittels Fingerabdruck entsperren und zahlreiche Aufgaben von Apps verrichten lassen, machen sie aber nicht.
„Die Mitarbeiter möchten heute jederzeit und überall Zugriff auf die für sie relevanten Daten, beispielsweise Einsatzpläne, haben“, sagt Thomas Kirn, Managing Director Sales bei der Atoss Software AG. Für einige Unternehmen gehöre dieses Angebot längst zum Employer Branding dazu – weil die jungen Menschen es fordern: „Sie gehen in kein Unternehmen mehr, in dem sie nicht eine App zur Verfügung haben. Das ist heute praktisch Standard.“ Eine eigene App habe weitere Vorteile: Mitarbeiter könnten sich schnell einen Überblick über relevante Informationen verschaffen, gegebenenfalls sogar aktiv eingreifen – etwa Dienste mittels Tauschbörse tauschen oder im Vorfeld Wünsche platzieren. Die HR-Arbeit werde ebenfalls erleichtert, wenn die Personaler permanenten Zugriff auf aktuelle Daten im System hätten und diese Daten in diversen Medien verfügbar seien.
„Sie erwarten das auch“, ergänzt Jorrit Fabricius, Vertriebsleiter DACH bei der AZS System AG. Manches kennen sie aus dem Privatbereich von internationalen Herstellern wie Apple oder Samsung, etwa ein möglichst einfaches Handling. Da wächst der Wunsch, das als nützlich Erkannte bei der Arbeit einzusetzen. „Aus dieser Richtung wird auf jeden Fall Innovationsdruck ausgeübt, die Prozesse einfach zu gestalten. Allerdings gibt es in Unternehmen auch komplexe Prozesse, die über die Systeme dargestellt werden müssen“, so Fabricius. Ein umfangreiches Schichtsystem mit zwei Klicks einzurichten, das klingt fast wie die Quadratur des Kreises. Und kennzeichnet den Balanceakt, den Hersteller von Workforce-Management-Lösungen meistern müssen.
Hinzu kommt die zunehmende Flexibilisierung in der Arbeitswelt. Auch diese verändert die Anforderungen. „Ich verbinde mit dem Begriff New Work die Schlagworte Freiheit, Eigenverantwortung und Transparenz“, sagt Alexander Kern, Niederlassungsleiter bei der Veda Zeit GmbH. Dementsprechend verschöben sich die Anforderungen an moderne Softwarelösungen eher in Richtung Einfachheit und Komfort. Nämlich eigenverantwortliche Abstimmungen zu Arbeitszeiten und Abwesenheiten genauso wie einfache Auszahlungen, direkt vom Bildschirm oder Mobilgerät, über individuelle Workflows gesteuert, direkt zwischen den Mitarbeitern und Führungskräften. „Das ist ein Komfort-Thema“, betont Kern. Dabei sind handfeste Sicherheitsaspekte zu berücksichtigen, etwa in puncto Haftungsfragen bei etwaigen Arbeitszeitüberschreitungen. „Es ist Aufgabe der Software, den Führungskräften in einfachen Charts darzustellen, wo Handlungsbedarf besteht oder Arbeitszeitgesetze verletzt werden.“
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Herausgeber Erwin Stickling (li.) und Christoph Bertram, Redakteur der Personalwirtschaft, moderierten das Expertengespräch.
„Wir als Hersteller müssen in der Lage sein, diese Anforderungen abzudecken“, weiß Rainer K. Füess, Leiter Partnervertrieb und Marketing bei der Tisoware Gesellschaft für Zeitwirtschaft mbH. Die Ansätze allein zur Arbeitszeiterfassung seien vielseitig: Sie gehen bis hin zur Vertrauensarbeitszeit oder passiven Arbeitszeit von außertariflichen Angestellten, etwa Führungskräften, die ihre Arbeitszeit gar nicht aktiv erfassen. Trotzdem müssen sie im System einfach mitverwaltet werden können, um beispielsweise die Abwesenheitsplanung zu gestalten. „Das sind Dinge, die wir tagtäglich umsetzen.“
„Es geht immer mehr darum, die Hardware zu nutzen, wofür immer man will. Zum Beispiel den Zeitnachweis direkt am Terminal oder eigene Apps für Sicherheitsunterweisungen und vieles mehr“, bestätigt Wolfgang Blender, Produktmanager Markt/Workforce Management bei der Dormakaba Deutschland GmbH. Dabei hat er eine interessante Beobachtung gemacht: „Früher haben viele unserer Projekte mit der Zeiterfassung angefangen, und später kam dann das Thema Zutritt hinzu.“ Heute habe sich das umgekehrt: Unternehmen hätten zunächst einmal das Bedürfnis, die Tür zu organisieren – ob mit RFID, Biometrie oder Handy. „Unsere Kunden haben heute die höchsten Sicherheitsanforderungen“, berichtet er. Viele Unternehmen setzen jedoch noch RFID-Systeme ein, die längst als unsicher gelten.
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Variierende Sicherheitsbedürfnisse
„Mifare Classic oder Legic Prime sind schon lange gehackt“, konkretisiert Stephan Speth, Leiter Marketing und neue Geschäftsfelder bei der PCS Systemtechnik GmbH. „Es gibt Sets zu kaufen, mit denen man diese Daten auslesen kann. Heute sind diese Systeme einem Kunden nicht mehr als sinnvoll zu empfehlen.“ Das Sicherheitsbedürfnis variiere, und eine Bäckerei beispielsweise könne vielleicht noch mit einer solchen Lösung leben. Bei Industrieunternehmen, die AEO-zertifiziert, sprich: als zugelassene Wirtschaftsbeteiligte in der Europäischen Union geprüft sind, bestehe aber kein Zweifel an der Notwendigkeit eines Wechsels – beispielsweise zu Legic Advant oder Mifare Desfire EV1 beziehungsweise EV2. Speth: „Das ist sehr beratungsintensiv, denn man muss den Kunden zunächst einmal die Kartentechnologien sowie ihre Vor- und Nachteile erklären.“
Die Anforderungen an die Sicherheit von Zutrittssystemen seien insgesamt nicht größer geworden, findet Klaus Wössner, Vertriebsleiter bei der Isgus GmbH. „Aber das Interesse und die Nachfrage nach Zutrittskontrolle sind größer als noch vor wenigen Jahren.“ Er hat beobachtet, dass das Interesse verstärkt aus vielfältigeren Bereichen kommt – beispielsweise der Industrie oder der öffentlichen Verwaltung mit allen ihren Gebäuden wie etwa Hallen und Schulen. Dabei sieht er ebenfalls einen Trend hin zu digitalen Lösungen.
Die Technologie ist ohne Zweifel ein großer Treiber der Branche, aber nicht der einzige. „Auch bei einer guten Konjunktur steigt der Optimierungsdruck bei den Unternehmen“, sagt Manuel Förster, Produktmanager bei der Interflex Datensysteme GmbH. Intelligente Lösungen für Zeitwirtschaft und Zutrittskontrolle mit moderner Hard- und Software ermöglichten den Unternehmen, Optimierungspotenzial zu nutzen und die Mitarbeiterzufriedenheit zu erhöhen. „Aufgrund dessen gehen wir von einer weiter steigenden Nachfrage aus.“
Hinzu kommen der demografische Wandel und geänderte Gesetzesvorgaben wie die Einführung des Mindestlohns oder zusätzliche Dokumentationspflichten. Die Experten berichten darüber hinaus übereinstimmend, dass die Personaleinsatzplanung einen immer höheren Stellenwert einnimmt. Und dann gibt es da noch die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die ab dem 25. Mai 2018 anzuwenden ist. „Sie wird ein Treiber, weil es diese Anforderungen abzubilden gilt“, sagt Füess. Zuwiderhandlungen können scharfe Sanktionen nach sich ziehen. Unternehmen würden verstärkt nachfragen, was sie im Bereich personenbezogener Daten zu beachten hätten, damit die DSGVO eingehalten werde. „Ich habe aber immer noch den Eindruck, dass das noch nicht so richtig angekommen ist.“
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„Es fängt erst langsam an“, bestätigt Wolfgang Blender von Dormakaba. Dafür sei aber der Gesetzgeber mitverantwortlich – etwa, weil er schwammig über „geeignete technische und organisatorische Maßnahmen“ spricht, „um ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau zu gewährleisten“ (Art. 32 DSGVO). Was heißt das für ein 15 Jahre altes Zeit- und Zutrittssystem? Was bedeutet dort, angemessene Schutzmaßnahmen zu treffen? Solche Fragen seien in der Praxis mitunter schwierig zu beantworten. Alexander Kern von Veda bringt einen weiteren Aspekt in die Diskussion: „Gerade für unsere Kunden ist das Thema Datensparsamkeit ein sehr wichtiges.“ Das ist ein Grund, warum der Beratungsansatz der Anbieter immer mehr in den Mittelpunkt rückt, wie auch er bestätigt. „Was neu ist, sicherlich auch im Kontext der DSGVO-Einführung, sind zum Beispiel Dokumentationspflichten. Hier müssen wir als Hersteller unsere Kunden darauf hinweisen, welche Informationen für die Abrechnung benötigt werden und welche nicht.“
Eine Fehlerquelle kann aber auch die beste Software nicht ganz ausschließen: „Eine Zutrittskontrolle ist nur so sicher wie das schwächste Glied, und das ist meist der Mensch, der sie bedient. Ich glaube, so ist es auch mit der DSGVO“, sagt Fabricius von AZS. Viele Systeme seien so weit vorbereitet, dass sie systemseitig die gröbsten Fehler verhindern können, „und hoffentlich ebenso die kleinsten“. Aber sie sprechen die Bediener nicht vollkommen von ihrer Verantwortung frei. „Wir als Anbieter können hier aber unterstützen: etwa durch Schulungen.“
Wohl und Wehe der Cloud
Umso mehr gilt dies, wenn es um die Frage geht, ob ein Unternehmen eine On-Premise- oder eine Cloud-basierte Lösung wählt. „Das Thema Cloud Services ist für uns ein großes Thema“, sagt Kern. „Wir sehen, dass die HR-Abteilung ganz klar vom administrativen Aufwand entlastet werden soll, sich eben nicht mit den Gesetzen oder dem permanenten Updaten von Software auseinandersetzen muss. Hierdurch wird Freiraum geschaffen für das, was Personalern wichtig ist: den Kontakt zu Menschen zu halten.“
„Für uns Hersteller bringt das eine Chance mit sich, die im Endeffekt auch den Kunden zugutekommt“, betont Manuel Förster von Interflex. Die Komplexität der vielen On-Premise-Installationen könne reduziert werden: „Es gibt mittlerweile unterschiedlichste Systemumgebungen. Sie in der Cloud zusammenzufassen und zu vereinheitlichen, macht es möglich, sie handhabbarer zu gestalten.“ Ein weiterer Vorteil der Cloud: Den Herstellern ermöglicht sie, Neuentwicklungen, Updates, Upgrades oder funktionale Erweiterungen schneller an die Kunden auszuspielen.
Rainer K. Füess von Tisoware glaubt, dass sich ein Modell durchsetzen wird, bei dem Kunden mit einer standardisierten Softwarelösung weitgehend auf einheitlichem Stand sind, der durch Anpassungen via Customizing, Prozeduren oder Programme kundenindividuell gestaltet wird. „Man kann die Systeme schneller und einfacher pflegen und sie zentral über die Cloud steuern.“ Wolfgang Blender ergänzt: „Wir stellen fest, dass unsere Kunden sich mit der IT-Systemarchitektur befassen und dabei sind, eine klare Cloud-Strategie zu entwickeln.“
Stephan Speth von der PCS Systemtechnik zeigt sich zurückhaltender: „Der Endkunde will sich oftmals nicht einer Lösung ausliefern, was bei Cloud-Lösungen aber häufig der Fall ist.“ Individuelle Anpassungen oder Sonderwege seien nicht selten aufwendig und teuer. Auch im HR-Bereich sei es eine Herausforderung für die Softwareanbieter, auf die Kundenbedürfnisse einzugehen und flexibel reagieren zu können.
„Cloud bedeutet nicht, dass ich allen Unternehmen einheitliche Geschäftsprozesse aufzwinge. Ich kann in der Cloud-Software die typischen Prozesse jedes Kunden adaptieren“, hebt Thomas Kirn, Managing Director Sales von Atoss Software, hervor. Viele Unternehmen wählten eine Cloud-Lösung, weil es nicht zu ihren Kernkompetenzen zähle, ein eigenes Rechenzentrum zu betreiben, und weil sie fest kalkulierbare monatliche Kosten haben wollten. Sie suchten nach Anbietern, bei denen sie alle Services aus einer Hand erhalten. „Wichtig – und ein Erfolgsmodell – wird sein, dass die Geschäftsprozesse der Kunden sehr individuell abgebildet werden können.“
Der Mittelstand wiederum zeigt sich nach der Erfahrung von Jorrit Fabricius zurückhaltender. Zwar werde das Thema Cloud auch dort forciert. Doch sobald klar würde, dass die Daten das Haus dann verlassen müssten, entstünden Hemmungen. Im Zweifelsfall werde zumindest momentan dann doch On-Premise gewählt, obwohl die IT-Infrastruktur im Haus möglicherweise nicht so sicher sei wie sie in der Cloud sein könne. „Es geht vieles in Richtung Cloud. Nichtsdestotrotz merken wir, dass On-Premise immer noch gefragt ist – und der Weg teilweise sogar von der Cloud wieder auf On-Premise geht.“
Was Personaler wünschen
Letztlich wird für HR entscheidend sein, auf welchem Wege es seine Kernaufgaben am besten lösen kann. Dafür gibt es in beiden Welten gute Lösungen – und Handlungsdruck. Der Fachkräftemangel etwa zwingt zu einer effizienten Personaleinsatzplanung, die heutzutage kaum noch mittels händisch befüllter Excel-Tabellen erledigt werden kann.
„Eine gute Lösung erledigt die Aufgaben mit minimalstem Aufwand und in einer für den Anwender optimalen Umgebung“, resümiert Klaus Wössner, Vertriebsleiter von Isgus. Sie sollte die gewünschten Informationen und Analysen präzise und dann liefern, wenn der Personaler sie braucht. Und sie sollte rechtzeitig Hinweise geben, wenn bestimmte Zustände erreicht werden, beispielsweise die Fristen nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Der Schwerpunkt verschiebt sich mehr und mehr in Richtung Analyse, wie die Experten unisono berichten. „Es geht nicht mehr nur darum, Arbeitszeiten und Fehlzeiten zu erfassen und richtig zu berechnen. Unternehmen interessieren sich für belastbare Auswertungen für Vergleiche und Entscheidungen.“
Auf die Frage, was ein gutes System Personalern bieten muss, würde Thomas Kirn von Atoss zunächst mit einer Gegenfrage antworten: „Welchen Nutzen soll das System bieten, und welche Prozesse soll es unterstützen?“ Der Trend gehe zu mobilen Lösungen. Und weil sie auf möglichst vielen unterschiedlichen Endgeräten laufen sollen, stünden Browseranwendungen hoch im Kurs. Des Weiteren verzeichne man bei Atoss ein starkes Interesse an der SAP-Success-Factors-Cloud. Die Ankündigung der Walldorfer, ihre HCM-Lösung nur noch bis 2025 on Premise zur Verfügung zu stellen, habe diesen Trend noch gefördert. Was den Mittelstand betreffe, werde das Geschäft immer globaler: „Diese Unternehmen suchen verstärkt nach einer Lösung, die sie in mehreren Ländern einsetzen können.“
Für Alexander Kern von Veda ist Einfachheit, gerade aufgrund der steigenden Komplexität, ein wesentlicher Faktor erfolgreicher Lösungen. „Jeder Mitarbeiter im Unternehmen ist in irgendeiner Art und Weise von den Themen Zeit und Zutritt betroffen, und deswegen gilt: Wie einfach gestalte ich das Ganze für den Anwender? Und wie komfortabel kann die Lösung sein?“ Das Thema sei am Anfang von Projekten nicht immer der Treiber, aber in der produktiven Umsetzung werde dieser Aspekt sehr wichtig. Nicht zuletzt, weil sonst Gegenreaktionen aus der Belegschaft zu befürchten seien.
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Einfachheit und Sicherheit könnten jedoch einen Zielkonflikt bedeuten, gibt Stephan Speth zu bedenken. Allein beim Thema Zutritt mit dem Handy stellten sich viele Fragen: „Welche Systeme wollen Sie unterstützen? IOS oder auch Android? Welche Android-Versionen? Welche Hersteller? Private Handys oder nur Firmenhandys? Ist der Betriebsrat einbezogen?“ Manch ein Unternehmen mache sich den Umfang der Entscheidungen zunächst nicht bewusst – und bleibe dann doch lieber beim Vertrauten, weil es für das Neue (noch) keine Strategie gebe.
„Weit im Vordergrund steht auch die Analyse der Arbeitszeit“, fügt Wössner von Isgus bei den Anforderungen der Personaler an moderne Zeitwirtschaftssysteme an. Unternehmen wollten wissen, wofür die Arbeitszeit aufgewendet wird, für welche Tätigkeit in welcher Kostenstelle, und wie der Vergleich der Anwesenheitszeit mit der Produktivzeit aussieht. Eine weitere Anforderung sei das Managen der Kapazitäten, um Engpass-Situationen zu lösen. „Entscheidend ist die Frage, ob ich ein wirksames Tool habe, das mir auch hilft, wenn eine besondere und nicht geplante Situation eintritt.“
„Wir haben sowohl Kunden, die immer auf dem allerneuesten Stand sein wollen, als auch solche, die an ihren älteren Terminals festhalten wollen“, berichtet Stephan Speth von PCS. Für die Hersteller bedeute dies einen großen Spagat, der von der Vergangenheit bis hin zur aktuellen Entwicklung reiche: „Wir müssen alles kompatibel halten. Dies über bis zu 20 Jahre zu gewährleisten, ist nicht ganz einfach.“ Und es betreffe nicht nur die Terminals, sondern mittlerweile zusätzlich ein Spektrum an weiteren Geräten, die zusätzlich unterstützt werden sollten.
„Das ist aber auch, was es wirklich spannend macht“, findet Manuel Förster, Produktmanager von Interflex. Er nennt weitere Aspekte wie komplexe Tarife oder Betriebsvereinbarungen, die die Lösungen abbilden müssen – und dabei trotzdem für den Endanwender so intuitiv wie möglich gestaltet sein sollten. Das gelte verstärkt auch für Lösungen für den Zutrittsbereich: „Letzten Endes ist die Zutrittskontrolle ein notwendiges Übel. Sie muss so einfach wie möglich gestaltet sein.“
Stechuhr oder Strandcafé?
Werden Zeiterfassung und Zutritt in einer immer flexibleren Arbeitswelt weniger wichtig? Nein, die idealisierte Vorstellung beispielsweise, dass in Start-ups Freiheit das Einzige ist, was zählt, stimmt nur bedingt, und zwar höchstens in der Anfangsphase. „Das Start-up hat auch etwas Wichtiges zu verteidigen: Werte“, unterstreicht Wolfgang Blender von Dormakaba. Seine erste und größte Sorge noch vor der Zeiterfassung sei, die Tür – respektive die Garage – zuzumachen. „Die wollen aber nicht eine Tür mit einem Schlüssel aufmachen. Die Frage ist hier vielmehr, wie das Zutrittsrecht sicher auf das Handy kommt. Diese Systeme müssen wir befüttern.“
Es gebe weitere Gruppen und Branchen wie etwa Werbeagenturen, die besonderen Wert auf neue Lösungen legten, ergänzt Füess von Tisoware. Für sie passt es nicht zum eigenen Selbstverständnis oder zur Unternehmenskultur, aufschließen zu lassen und klassische Zeiterfassung zu betreiben. Vielleicht noch nicht: „Wir hatten Kunden, die ganz klein angefangen haben, und irgendwann kam der Wunsch, entweder von den Mitarbeitern oder dem Management, sie doch einzuführen.“
Für Gesprächsstoff sorgte 2016 die Entscheidung von L'Oréal, die Zeiterfassung für alle Beschäftigten der deutschen Tochtergesellschaft inklusive der Führungskräfte einzuführen. Gründe hierfür waren auch eine optimierte Work-Life-Balance für die Mitarbeiter und eine Steigerung der Arbeitgeberattraktivität. SAP-Personalchef Cawa Younosi wiederum gab jüngst bekannt, dass die Mitarbeiter künftig weitgehend frei über ihren Arbeitsort entscheiden dürfen.
Das Austarieren dieser Balancen ist ein Grund, warum Thomas Kirn von Atoss dafür plädiert, den Betriebsrat, sofern vorhanden, möglichst frühzeitig mit in Entscheidungen einzubinden. In Kooperation kann auch das Vorgehen bei Grenzfällen im Vorfeld miteinander verhandelt werden. Kirn nennt das Abschicken eines Urlaubsantrags von der heimischen Couch aus als Beispiel. Arbeitszeit oder private Zeit? Insgesamt sieht er die Entwicklung hier sehr positiv: „Moderne Systeme bieten heute viel mehr Win-win-Situationen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.“ Es ist absehbar, dass der Funktionsumfang der Zeit- und Zutrittslösungen dank neuer technischer Möglichkeiten weiter zunehmen wird. „Die Datenerfassung geht heute weit über Zeit und Zutritt hinaus“, sagt Wolfgang Blender. Weil die Unternehmen damit arbeiten möchten und um das eigene Angebot zu verbessern: „Wir erheben Daten, um den Kunden Mehrwerte zu bieten. Um ihnen beispielsweise die richtigen Komponenten für verschiedene Türen vorzuschlagen oder für die präventive Wartung.“
Und wie steht es mit Big Data und People Analytics? Manuel Förster prognostiziert, dass sie die Unternehmen bei der Bewältigung gegenwärtiger und zukünftiger Herausforderungen unterstützen werden – im Rahmen der Datenschutzgesetze und Betriebsvereinbarungen: „Dies kann zum Beispiel eine Altersstrukturanalyse oder auch eine Überstundenvoraussage sein.“
Am Beginn steht, dass man Daten, die sowieso verfügbar sind, effektiver oder in neuen Zusammenhängen nutzt, um neue Informationen daraus zu generieren, glaubt Jorrit Fabricius. Wie sich diese Systeme im Kontext stetig zunehmender Datenquellen weiterentwickeln, bleibt abzuwarten. Die Verknüpfung zu anderen Softwaresystemen stellt heutzutage kein großes Problem mehr dar. „Schnittstellen bereiten den meisten Anbietern heute keine Sorgen mehr. Aber für die Nutzer sind sie sehr wichtig, weil ein System als Insellösung nichts bringt.“ Entscheidend sei dann die Frage, welches das führende System sei.
Apropos Verknüpfung: Blieben noch die Fragen zu klären, ob Zeit und Zutritt in der Praxis getrennt werden sollten – und ob dies überhaupt möglich ist. „Natürlich kann man sie auch getrennt betrachten“, sagt Klaus Wössner, Vertriebsleiter von Isgus. Und fügt sogleich an: „Man nimmt dann aber redundante Stammsätze in Kauf und betrachtet die Zutrittsberechtigungen völlig unabhängig von der Lage der Arbeits- und Schichtzeiten.“ Das bedeute, zwei Systeme pflegen zu müssen, die gegebenenfalls jeweils nur Teilaspekte abdeckten. Moderne Systeme reduzierten dagegen die nötigen Anpassungen auf ein Minimum.
Im Themenkomplex „Zeit und Zutritt“ steckt also noch viel Entwicklungspotenzial – und spannender Diskussionsstoff für den nächsten Round Table.
Die zentralen Learnings des Round Tables
1. Flexibilität zählt
Für HR wie für die Beschäftigten sind Lösungen Trumpf, die auf einfache Weise Zugriff auf eine Vielzahl an Daten und Funktionen gewähren. So behalten alle auch bei weiter steigender Komplexität den Durchblick.
2. Arbeitgeberattraktivität steigern
Fach- und Führungskräfte erwarten heute, mobil und zeitunabhängig arbeiten zu können. Gute Systeme berücksichtigen das, ohne die Sicherheits- oder Aufzeichnungspflichten des Arbeitgebers zu vernachlässigen.
3. Check nötig
Sicherheitslösungen sind elementar wichtig und bedürfen einer ständigen Überprüfung. Wer noch bereits geknackte RFID-Systeme wie Mifare Classic oder Legic Prime nutzt, sollte über einen Umstieg auf sichere Systeme nachdenken.
4. Datenschutz nicht vergessen
Ab 25. Mai 2018 kommt die EU-Datenschutz-Grundverordnung zur Anwendung. Bei Nichtbeachtung drohen empfindliche Strafen, doch erfüllt die Mehrzahl der Unternehmen die Kriterien zur Bearbeitung personenbezogener Daten noch nicht. Zeit, zu handeln!
5. Digital ist besser
Zeit- und Zutrittslösungen sind über ihren Kernzweck hinausgewachsen. Mit den Daten, die sie zur Verfügung stellen, lassen sich Mehrwerte für HR und die Beschäftigten erzielen. Schnittstellen zu anderen Systemen sind heute Standard und gut beherrschbar.
6. Die Cloud emanzipiert sich
Cloud-Lösungen werden stärker nachgefragt. Die Branche muss sich auf diesen Trend einstellen und Lösungen bieten.
- Etwas mehr Begeisterung, bitte
- Die Reifeprüfung
- Der Fall Air Berlin aus Sicht von HR
- Keine Mitarbeitersuche ohne digitales Recruiting
- Engagement mit Vorbildcharakter
- „Beruf und Familie harmonisch und erfolgreich miteinander verbinden“
- Bock auf Arbeit!
- „Den Mitarbeitern etwas zumuten – und zutrauen“
- „Das Menschliche siegt immer“
- „Mitarbeiter sind keine Kostenfaktoren“
- Wie Engagement Veränderungskompetenz beeinflusst
- Zwischen Einfachheit und Sicherheit
- Megatrends bestimmen den Markt
- Stempeln und schließen per Smartphone
- Besser mit ihm als gegen ihn
- Per Webcam zum neuen Mitarbeiter
- Reiseziel: effizientes Recruiting
- Regeln statt Proklamieren
- In der Sandwichposition: Druck von allen Seiten