Ausgabe 4 - 2018
Megatrends bestimmen den Markt

Die Technik bringt neue Lösungen für Zeit und Zutritt hervor. Zugleich unterliegen beide Bereiche allgemeinen Trends der Arbeitswelt. Ein aktueller Branchenreport reflektiert die Entwicklungen.
Von Ulli Pesch
IT-gestützte Zeiterfassung und Zutrittstechnologie bilden die Basis für die Eingabe und Auswertung einer Vielzahl von Daten. Dazu gehören beispielsweise Arbeitszeiten, Zutritts-, Kantinen-, Auftrags- und Maschinendaten sowie Projektinformationen. Heute halten die Anbieter in diesem Umfeld ein großes Portfolio an Software- und Hardwarelösungen bereit, die über Terminals, Webclients, Smartphones und Zutrittstechnik große Mengen von Daten erfassen können. Mittlerweile statten einige Firmen in anderen Ländern ihre Mitarbeiter sogar mit Chip-Implantaten aus, über die voll automatisiert Zeiten erfasst und Türen geöffnet werden können. Hierzulande ist das (noch) unvorstellbar. Der Nachteil für jene, die sich für eine auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Lösung interessieren: Vor allem der Softwareanbietermarkt bleibt nach wie vor leider sehr intransparent.
Lieber elektronisch
Die Gründe, Arbeitszeiten zu erfassen, reichen vom Management flexibler Arbeitsverhältnisse, Arbeitszeit-, Langzeit- und Lebensarbeitszeitkonten bis zum Abbauen von Überstunden. Zudem existieren gesetzliche Vorschriften, die eine Erfassung der Arbeitszeiten vorschreiben, etwa das Mindestlohngesetz (Paragraph 17). Dabei liegen die Vorteile elektronischer Zeiterfassungssysteme auf der Hand: Die Nutzer solcher Systeme schätzen vor allem die schnellere und einfachere Auswertung der Arbeitszeiten und – in Verbindung mit Zeitwirtschaftssystemen – die Verfügbarkeit detaillierter Informationen über Krankheits-, Urlaubstage und Überstunden sowie neben vielen weiteren positiven Aspekten die nicht unerhebliche Zeitersparnis.
Bei der Frage nach den Trends antworten die meisten Hersteller in dieser Branche, Zeiterfassung und Zutrittskontrolle, Zeitwirtschaft sowie Gebäudesicherungs- (Alarmanlagen, Einbruchmeldesysteme, zentrale Leittechnik) und Zugangstechnik (Schranken, Drehkreuze, Türen) verzahnten sich immer stärker. Aufgrund der in nahezu allen Branchen zunehmenden Flexibilisierung der Arbeitszeitmodelle, des Trends zu Lebensarbeitszeitkonten und der immer stärkeren Vernetzung unterschiedlichster Datenquellen steigen zudem die Anforderungen, insbesondere an Zeitwirtschaftslösungen.
Die Flexibilisierung der Arbeitswelt beeinflusst die Kernfunktionen von Zeit und Zutritt.
Die Kunden tendieren zu kompletten, modular konzipierten HR-Systemen, die Zeiterfassung, Zeitwirtschaft, Entgelt und andere HR-Aufgaben in einer Lösung vereinen. Das liegt vor allem daran, dass diese Systeme meist eine höhere Datenintegrität vorweisen und mit ihnen häufig die Schnittstellenproblematik wegfällt. Es ergibt auch deshalb Sinn, weil Unternehmen mehr abteilungsübergreifendes und konzernweites Reporting wünschen (Stichwort Big Data), damit sich die Daten aus unterschiedlichen Prozessen problemlos miteinander verknüpfen und auswerten lassen, beispielsweise um Nutzungsprofile von Räumen zu erfassen und diese ergonomischer zu gestalten. Voraussetzung: Alle Daten sollten in einer Datenbank – sinnvollerweise in der Cloud – abgelegt sein. Intelligente, sich selbst optimierende Algorithmen und künstliche Intelligenz vereinfachen und teilautomatisieren das Erstellen solcher Auswertungen heute enorm.
Der Markt im Fokus
Einen ausführlichen Überlick über die Trends in Zeit und Zutritt liefert jährlich der Report des Branchenkenners und Unternehmensberaters Mario Fischer. Die aktuelle Version seiner Studie stellt zunächst fest, dass im untersuchten Markt für Zutrittskontrolllösungen mit seinen teilweise eng verknüpften Systemen der Zeitwirtschaftssoftware einerseits wenige große Anbieter dominieren, die umfassende Funktionalitäten anbieten. Andererseits stehen diese auch im Wettbewerb mit einer großen Anzahl von Anbietern mit einfacheren Lösungen und mit kleinen bis kleinsten Marktanteilen. Unabhängig vom individuellen technischen Lösungsansatz reicht der Grad der Komplexität der Software von einfach bis hoch. Das Spektrum umfasst ein Angebot von preisgünstigen Apps über Einzellösungen für überschaubare Aufgaben bis hin zu Modulen mit umfassenden Funktionalitäten in komplexen ERP- oder HRM-Umgebungen. Lösungen mit Workforce-Funktionalitäten zählen ebenfalls dazu sowie die softwarebasierten Controllersteuerungen bei den meist hardwarebasierten Access-Control-Komponenten (Terminals, Physical Access).
Weil die Nachfrage nach Zeitlösungen mit dem Zutritt verbunden bleibt, kann der Bereich Zeitwirtschaft nicht isoliert betrachtet werden. Hinzukommen softwarebasierte Managementpakete, die den „klassischen“ Einsatz für das Personalmanagement bis tief in die Produktionsprozesse (im Sinne von Industrie 4.0) zu steuern vermögen und als integrierte HRM/ERP-Module angeboten werden. Größere Softwarehäuser treten hier als Keyplayer bei einem geschätzten Marktvolumen von 500 Millionen Euro ins Blickfeld.
Der Zeitwirtschaftsmarkt, der mit den Zugriffskontrollsegmenten verbunden ist und damit auch Sicherheitsaspekte beinhaltet, erzielte laut Fischers Report 2017 einen Gesamtumsatz zwischen 330 und 350 Millionen Euro in Deutschland. Davon wurden im Untersuchungsjahr circa 162 Millionen Euro für Zeitwirtschaftssoftware investiert, weitere 100 Millionen Euro für damit zusammenhängende Dienstleistungen (Konfiguration, Implementierung, Updates, Softwarepflege, Wartung et cetera). Dabei wächst die Nachfrage nach softwarebasierten Managementpaketen sowohl als Inhouse-Lösungen als auch über WLAN und Internet weiterhin enorm. In den kommenden Jahren bis 2020 wird im inländischen Zeit-/Workforce-Investitionsumfeld ein Umsatzwachstum der Softwarelösungen inklusive der Cloud-Applikationen um plus 32 Prozent (zu 2017) prognostiziert.
Funktionen der Software
Der Funktionsumfang gegenwärtiger Softwarepakete umfasst Steuer- und Erfassungslösungen im Rahmen von einfachen Zutrittsinformationen (Access Control) bis hin zur Personaleinsatzplanung (PEP), Zeitwirtschaft, Betriebsdatenerfassung, Fuhrparkmanagement, Payroll und weiteren Modulen (zum Beispiel in SAP- und ähnlichen Software-Umgebungen). Die Lösungen sind meist standardisiert und modular aufgebaut, wobei allerdings fast immer betriebsbedingte individuelle Anpassungen notwendig sind. Die großen Systeme mit integrierten HRM- und ERP-Lösungsmodulen realisieren in der Regel bereits alle nur denkbaren Funktionalitäten und Schnittstellen, auch im Hinblick auf offene Systemarchitekturen, ganz im Sinne von Industrie 4.0.
Das verschafft HR künftig Zugriff auf noch größere Datenmengen, die im Zuge von Big Data und des Einsatzes von intelligenten Algorithmen bisher unbekannte Potenziale sowohl in der Unternehmenssteuerung als auch der Steuerung der Workforce schaffen. Der Ideenreichtum für Softwarelösungen für alle möglichen betrieblichen Anforderungen scheint dabei unbegrenzt zu sein.
Zu den mittlerweile angebotenen Funktionalitäten in den Softwarepaketen zählen neben den klassischen Aufgaben von Zeiterfassung und Zeitwirtschaft ferner diese: Ausweiserstellung, Ausbau der Multifunktionalität der Karten und anderer Identifikationsträger, Web-Plattformen und Erfassung auch über soziale Netzwerke, mobile Datenerfassung und Anwendungen über persönliche digitale Assistenten, Besucherverwaltung, bargeldlose Kantinensysteme, Projektzeiterfassung, Schnittstellen zum Gebäudemanagement und Haus-Automation (Smart Buildings), stärkere Analysemöglichkeiten für die Produktivität und Profitabilität von Projekten sowie mehr Transparenz in Vor- und Nachkalkulationen und Webapplikationen, Apps für mobile Geräte und browserbasierte Workflows zur automatischen Kostenträgerzuordnung.
Der Einfluss der Megatrends
Laut Report unterliegen die Entwicklungen in den untersuchten Bereichen Megatrends, die sich auch auf branchenrelevante Nachfragetrends herunterbrechen lassen. Megatrends entstehen aufgrund besonders tiefgreifender und nachhaltiger Wandlungsprozesse in der Gesellschaft in Verbindung mit technologischer Entwicklung. Sie haben globalen Charakter und ihre Wirkdauer beträgt mindestens 20 Jahre. Manche Entwicklungen üben ihren Einfluss über noch längere Zeiträume aus und entziehen sich daher einer systematisch-quantifizierbaren Begründung. Sie liefern dennoch qualifizierte Aussagen, die für künftige Entwicklungen in den Bereichen Zutrittskontrolle und Zeitwirtschaft antizipierend nutzbar sind. Zu den Megatrends gehören laut Fischer:
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Globalisierung: Weltweites Wirtschaften im Hinblick auf die Beschaffung von Rohstoffen für die Herstellung elektronischer und physikalischer Zugangssysteme, die globale Softwareentwicklung und die weltweite Vermarktung von Zutrittskontroll- und Zeit-/Zutrittssystemen.
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Konnektivität: Dabei geht es unter anderem um die vernetzte physische Zugangskontrolle, LAN, WLAN, Cloud und Internet, Smart Devices, Fernperimetrisierung und Fernwartung.
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Mobilität: Hierzu zählen vernetzte Verkehrssysteme und ein erhöhter Bedarf an kontrollierten Zugangssystemen in Verkehrsknotennetzen im öffentlichen Nahverkehr, auf Flughäfen und Bahnhöfen.
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Individualität: Realisiert zum Beispiel in Form von Smart Buildings, inklusive intelligenter Haus-Automation für Homeoffices.
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New Work: Unter anderem mit vernetzten und privaten Verkehrssystemen und auch Nachfrageimpulsen für vernetzte Arbeitszeiterfassung (Spread-off-Offices).
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Neue Ökologie: Nachhaltigkeit der benötigten Ressourcen und Anpassung von Wertschöpfungsketten an die Anforderungen der Umwelt.
Die Flexibilisierung der Arbeitswelt im Zuge neuer ökologischer Konzepte und vernetzter Medien stärkt, so die Studie, die Individualisierung neuer Arbeitsformen (New Work). Und das beeinflusst die Kernfunktionen im Bereich Zutritt und bei Zeitwirtschaftssystemen, was sich auf Hardwareentwicklungen und entsprechende Dienstleistungen auswirkt. Künftig werden vor allem softwarebasierte Lösungen insgesamt zu einem noch stärkeren Wertschöpfungsanteil der Branche beitragen, nicht zuletzt weil Unternehmen, insbesondere im Bereich der Zutrittskontrolle mit seinen Sicherheitsanforderungen, immer stärker auf Verbundlösungen setzen. Das wiederum intensiviert die Entwicklungen im Bereich der Identifikation über Zeitwirtschaftslösungen bis hin zu Prozessen und Lösungen für den Produktionsbereich.
Cloud und Mobile als zentrale Treiber
Als weiteren Treiber zur Steigerung der Wertschöpfung in der Branche identifiziert die Studie einen anwachsenden Anteil softwarebasierter Lösungen im SaaS- und Cloud-Umfeld. Aufgrund der zunehmenden Funktionsvielfalt der Lösungen steigen indessen ebenso die Anforderungen an intuitivere Bedienoberflächen und auch an eine höhere Standardisierung der Lösungen zur Verbesserung ihrer Interoperabilität. Ähnliche Ansprüche werden an deren Bedienbarkeit und eine zu reduzierende Komplexität gestellt. Im Bereich der Zeitwirtschaft setzt sich die Cloud insbesondere bei kleineren Unternehmen immer mehr durch, weil Nutzer die Investitionen in umfassende Infra- beziehungsweise Server- und Softwarestrukturen nicht tragen wollen oder können. Die größeren Anwender umfassender Zutrittslösungen sind hingegen aus Sicherheitsaspekten bislang nur ungern bereit, Daten in die Wolke auszulagern. Weil sie meist über eine bestehende IT-Infrastruktur im Haus verfügen, nutzen sie vorzugsweise diese. Grundsätzlich aber bestehen nach wie vor in den meisten Unternehmen für diese Bereiche Vorbehalte im Hinblick auf die Einhaltung der Datenschutzvorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) und der EU-Datenschutz-Grundverordung (DSGVO).
Bei der Zeitwirtschaft setzt sich die Cloud insbesondere bei kleineren Unternehmen immer mehr durch. Impulse für HR
Im Zuge der Digitalisierung weiterer Bereiche in den Unternehmen und auch angesichts der Flexibilisierung der Arbeitsformen, nennt der Report das Thema „Mobile Communication“ als einen weiteren zentralen Treiber und Megatrend in diesem Umfeld. Das betrifft vor allem klassische Identifikationsfunktionalitäten über Smartphones und Apps sowie über mobile Transpondergeräte. In diesem Zusammenhang sind vor allem die unterschiedlichen technischen Übertragungsmöglichkeiten NFC, Bluetooth und RFID in Verbindung mit den vorhandenen Zutrittsvorrichtungen und Terminals wichtig. Mittlerweile bietet der Markt eine unüberschaubare Vielzahl an entsprechenden Apps für Smartphones und Tablets an.
Für HR schaffen diese Entwicklungen nachhaltige Veränderungen für die Personalplanung, -beschaffung und -entwicklung. Insbesondere durch die verstärkte Auslagerung ehemals interner Prozesse in die Cloud werden zusätzlich personelle Kapazitäten verfügbar, die gegebenenfalls in anderen Bereichen eingesetzt werden können.
Vorzüge der elektronischen Zeiterfassung
Der Mehrwert einer elektronischen Zeiterfassung wird schnell deutlich, wenn man sie mit der immer noch weit verbreiteten Erfassung mittels Excel vergleicht, die vor allem aufwendig und weithin fehleranfällig sowie oft ungenau ist. Eine kurze Übersicht der Vorteile:
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Die erfassten Daten fließen automatisch in die betriebliche Kosten- und Leistungsrechnung und Kalkulation ein.
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Aufgrund der Vergabe von Zugriffsrechten ist eine höhere Datensicherheit gewährleistet.
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Medienbrüche und damit Fehleingaben und Fehlkalkulationen in der Entgeltabrechnung lassen sich vermeiden.
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Es besteht eine durchgängige Datentransparenz zur Vorbereitung unternehmerischer Entscheidungen.
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Die Datenbasis zur Verwendung für die Personaleinsatzplanung ist präziser.
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Überstunden, Fehl- und Leerlaufzeiten lassen sich einfacher reduzieren.
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Die Datenerfassung kann flexibel und doch zentralisiert unterwegs, im Büro, auf der Baustelle oder vor Ort beim Kunden erfolgen.
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Die getrennte Erfassung verschiedener Tätigkeiten und Arbeitsschritte, zum Beispiel für die Projektabrechnung, ist möglich.
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Aufgrund der Verfügbarkeit von Schnittstellen zu vorhandenen Personalverwaltungs-, Personalmanagement-, Buchhaltungs- und Abrechnungssystemen ist ein reibungsloser, fehlerfreier und automatisierter Datentransfer möglich.
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Durch Einsatz als SaaS und in der Cloud bieten derlei Systeme niedrigere Betriebskosten (geringe Wartungsintervalle, hoher Automatisierungsgrad) und eine hohe Skalierbarkeit.
Weitere Infos zum Report von Mario Fischer finden Sie auf der Webseite sicherheitsmarktforschung.de.
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