Ausgabe 4 - 2018
In der Sandwichposition: Druck von allen Seiten

Das mittlere Management sitzt oft zwischen allen Stühlen. Gerade in Veränderungsprozessen sollten seine Rollenkonflikte erkannt und bearbeitet werden. HR kann helfen, indem es Konflikte identifiziert und professionell begleitet.
Das mittlere Management steht aus zwei Richtungen unter Erwartungsdruck: Zum einen ist es der Treibriemen, mit dessen Hilfe die strategischen Ziele des oberen Managements umgesetzt werden sollen; zum anderen steht es dem unteren Management und der Belegschaft noch sehr nahe und teilt in vielen Fällen die Sichtweisen, Sorgen und Nöte. Die mittlere Ebene ist also einer klassischen Sandwichposition ausgesetzt, in der sie zu gleichen Teilen Anforderungen von „oben“ und „unten“ erfüllen muss.
Abbildung 1
Die acht Rollen des mittleren Managements

In Veränderungsprozessen sind alle Rollen in unterschiedlicher Ausprägung gefragt. Die Länge der Zeiger deutet auf die relevanten Rollenanteile in Change-Prozessen hin.
Das mittlere Management und seine Funktionsrollen
Der mittlere Manager nimmt unterschiedliche Rollen im Unternehmen wahr. Wir können dabei acht verschiedene Rollen unterscheiden, die im Veränderungsprozess wichtig sind:
- ①
Der Vorgesetzte: Die primäre Rolle des mittleren Managers ist die des Vorgesetzten in Veränderungsprozessen. In dieser Rolle muss der Middle-Manager deshalb den Wandel von der klassischen Vorgesetztenrolle zum Personalentwickler, Coach, Mentor und Motivator vollziehen, denn in einem idealen Prozess hinterfragen die Mitarbeiter alle Aspekte der Veränderung und tragen aktiv dazu bei.
- ②
Der Unterstellte: Neben der Vorgesetztenrolle befindet er sich auch in der Rolle des Unterstellten. Seine Hauptaufgabe definiert sich in der Umsetzung der Konzepte des Topmanagements, die oft ohne die mittlere Ebene entwickelt worden sind. Das bestimmt die Motivationslage der mittleren Ebene: Ohne echte Partizipation an der Konzeptentwicklung wird die angestrebte Veränderung oft als von außen und „oben“ aufgezwungen erlebt.
- ③
Der Vermittler: Des Weiteren fungieren mittlere Manager als Vermittler im Bereich zwischen vertikaler Führung und horizontaler Zusammenarbeit. Sie haben also die Aufgabe, die eigene Abteilung zu repräsentieren, deren Interessen in Richtung Topmanagement zu vertreten und im Innen- wie Außenverhältnis dauerhafte Arbeitsbeziehungen an den Schnittstellen zwischen den Hierarchieebenen aufzubauen und zu erhalten.
- ④
Der Monitor: Die Position als Schnittstelle zwischen der vertikalen und horizontalen Dimension weist den Führungskräften in der Sandwichposition auch die Aufgabe zu, als Monitor zu fungieren. Hier gilt es, die inneren und äußeren Einflüsse und Bedingungen zu beobachten, zu bewerten und mithilfe von Erfahrungen und Vorwissen ergebnisorientierte Schussfolgerungen zu ziehen.
- ⑤
Der Gatekeeper: In der Rolle als Gatekeeper liegt der Fokus auf der Weitergabe der Ergebnisse des Monitorings an das Topmanagement. Diese Ergebnisse bilden für das obere Management den Blick in die operative Unternehmenswirklichkeit ab, als eine der wesentlichen Entscheidungsgrundlagen im Veränderungsprozess.
- ⑥
Der Katalysator: Einen direkten Einfluss auf die Ausgestaltung von Veränderungen besitzt der mittlere Manager in seiner Rolle als Katalysator. Hier kann sie oder er als Impulsgeber und Inspirationsfigur agieren, alternative Problemlösungen generieren, mit dem Team ausprobieren sowie versuchen, Widerstände zu überwinden.
- ⑦
Der Troubleshooter: In seiner Position zwischen den Hierarchieebenen fungiert der mittlere Manager als Troubleshooter. Sowohl die oberste Leitung als auch die Belegschaft erwarten, dass ein reibungsloser Ablauf stattfindet und Störungen effizient, schnell und effektiv behoben werden. Diese Aufgaben führen zu einer starken Fragmentierung des Arbeitstages mittlerer Manager, die sich spezifischen Aufgaben nicht über längere Zeit widmen können, sondern immer wieder situativ und kurzfristig reagieren müssen.
- ⑧
Der Allokator: Der mittlere Manager entscheidet nicht zuletzt in seiner Rolle als Allokator über die Einteilung von Ressourcen – die seines Verantwortungsbereiches, aber auch seiner eigenen.
Die Gewichtung der Rollen untereinander ändert sich mit den äußeren Anforderungen kontinuierlich und macht einen stetigen Anpassungsprozess notwendig, der sich gut durch eine „Rollenuhr“ symbolisieren lässt.
Abbildung 2
Wo liegen die Konfliktpotenziale der Rollen?

Die vier Szenarien zeigen die möglichen Konflikte an, denen sich ein Rolleninhaber ausgesetzt sehen kann.
Rollenkonflikte des mittleren Managements
Ein Rollenkonflikt liegt dann vor, wenn gegensätzliche oder unvereinbare Rollenerwartungen existieren. Unterschieden werden dabei vier Arten von Rollenkonflikten: Interrollen-, Intrasender-, Intersender- und der Konflikt zwischen Rolle und persönlichen Werten sowie Bedürfnissen.
Das größte Konfliktpotenzial liegt in der Gleichzeitigkeit der Rolle als Unterstellter und Vorgesetzter. Dieser Interrollen-Konflikt ist dadurch gekennzeichnet, dass der mittlere Manager als Unterstellter Anweisungen erhält, die er an seine Mitarbeiter weitergeben muss. Gleichzeitig erteilt er den Mitarbeitern Anweisungen und muss ihre Leistungen und Tätigkeiten vor dem Topmanagement verantworten. Zwischen diesen beiden Rollen muss die mittlere Ebene kontinuierlich hin und her wechseln.
Bei einem Intrasender-Konflikt werden widersprüchliche Anforderungen eines Rollensenders an den Rolleninhaber gestellt. Beispielsweise wenn der Vorgesetzte eine frühzeitige Einbindung der Mitarbeiter in den Veränderungsprozess fordert, aber gleichzeitig anordnet, die Pläne nicht zu kommunizieren.
Der mittlere Manager steht ebenso als Vermittler mit oft unvereinbaren Erwartungen in einem Intersender-Konflikt. Der Grund: Häufig haben die unterste Managementebene und die Belegschaft andere Vorstellungen als das Topmanagement, welche Veränderungen notwendig sind und wie neue Prozesse optimal umgesetzt werden sollten.
Vom Topmanagement und von der Belegschaft werden ebenfalls konträre Erwartungen an die Rolle als Allokator gestellt. Die Mitarbeiter fühlen sich überlastet, gleichzeitig erwartet das obere Management, dass beschlossene Veränderungen zügig und vor allem ohne zusätzliche Kosten umgesetzt werden.
Ein Person-Rolle-Konflikt kann dann vorliegen, wenn bereits längere, auch persönliche Arbeitsbeziehungen zwischen Middle-Manager und Beschäftigtem bestehen. Bei schmerzhaften Veränderungen steht der Vorgesetzte in der Umsetzungsverantwortung: Wenn er sich dabei dem Mitarbeiter näher als dem Topmanagement fühlt (zum Beispiel bei Entlassungen), führt dies zu erheblichen Wertekonflikten.
In vielen Fällen ist die mittlere Ebene nicht an den strategischen Planungen der Veränderungsprozesse beteiligt. Das kann zu einem Person-Rolle-Konflikt führen, wenn der Manager aufgrund der mangelnden Partizipation Widerstand entwickelt. Gleichzeitig macht Veränderung Angst – auch dem mittleren Management. Diese Angst wird durch die wahrgenommene (und oft reale) Ohnmacht gegenüber den von „oben“ auferlegten Veränderungen noch verstärkt. In vielen Unternehmen ist die offene Äußerung dieser Angst kulturell nicht angemessen und nicht akzeptiert. Das führt zu großen inneren Spannungen und kann ein Grund für die innere Kündigung oder eine Erkrankung von Führungskräften darstellen.
Wie das HR-Management unterstützen kann
Die beschriebenen Rollenkonflikte lassen sich nicht komplett auflösen. Sie sind schon durch den organisatorischen Aufbau eines Unternehmens und die damit einhergehende hierarchische Ordnung bedingt. Ziel sollte es deshalb sein, das mittlere Management in seinen bestehenden Rollenkonflikten zu entlasten. Dabei spielt das HR-Management eine entscheidende Rolle.
Identifikation potenzieller Konflikte: Im ersten Schritt sollte die von einem Veränderungsprozess betroffene Organisation auf mögliche Rollenkonflikte in den verschiedenen Stadien eines Change-Prozesses untersucht werden. Idealerweise sind dabei personen- und ebenenspezifische Konfliktpotenziale systematisch festzuhalten und dem zeitlichen Ablauf der Veränderung zuzuordnen.
Prozessplanung: Nachdem die möglichen Konflikte erkannt und dokumentiert sind, müssen die betroffenen Rolleninhaber und Rollenkonflikte explizit in die Planung des Change-Prozesses einbezogen werden. Erforderlich ist, dass im Topmanagement ein Bewusstsein dafür entsteht, dass der mittlere Manager in seiner Sandwichposition einer Vielzahl belastender Rollenkonflikte ausgesetzt ist. Insbesondere in Unternehmen mit einer sehr hierarchisch ausgeprägten Kultur werden die vorhandenen Rollenkonflikte oft von allen Beteiligten negiert. Die entstehenden Spannungen werden häufig den äußeren Umständen angelastet und nicht zu ihrem wirklichen Ursprung, dem Rollenkonflikt, zurückverfolgt.
Partizipation: Im operativen Prozess ist die Einbeziehung des mittleren Managements in die Planung der Veränderung ein wichtiger Erfolgsfaktor. Das HR-Management ist dabei der Anwalt des mittleren Managements, indem es sicherstellt, dass dieses professionell in den Change-Prozess integriert wird. Denn über die Partizipation wird schon zu Beginn eine stärkere Identifikation erzeugt, die Notwendigkeit des Change stärker im Bewusstsein verankert und der Person-Rolle-Konflikt abgemildert. Durch die Beteiligung im Planungsprozess ergibt sich zudem die Chance, die Umsetzung so anzupassen, dass in der Fläche weniger Widerstand und Reibungsverluste entstehen – ein Aspekt, der auch außerhalb der Rollenproblematik in seiner Bedeutung oft unterschätzt wird.
Professionelle Begleitung: Das HR-Management kann die mittlere Ebene in den Untiefen der Veränderung hilfreich unterstützen. Ein Ansatzpunkt ist zunächst ein Kommunikations- und Verhaltenstraining, das dem Manager dabei hilft, seine Schnittstellenposition gut zu bewältigen, zum Beispiel bei der Vermittlung unangenehmer Botschaften. Dies führt zu einer erheblichen psychischen Entlastung, weil das Vertrauen in den eigenen Erfolg gestärkt wird (Stärkung der Resilienz).
Der Umgang mit zum Teil konträren Erwartungen der Stakeholder im Change-Prozess ist eine weitere Herausforderung und führt zu grundlegenden Fragen: Welche Rollen definiere ich für mich als Manager und wie kann ich sie in Übereinstimmung mit meinen Überzeugungen glaubhaft nach außen vertreten? Hilfreich ist in diesem Punkt eine individuelle Beratung oder ein Mentoring durch erfahrene Kollegen und Vorgesetzte, geführt und begleitet durch die Personalabteilung. Wenn diese Option nicht existiert, ist ein externes Coaching zu empfehlen. Auch dieser Prozess sollte in die Planung des Change-Projektes explizit einbezogen werden.
Zusammenfassung
Die vielfältigen Rollen des mittleren Managements führen im Change-Prozess zu einer ganzen Reihe von Rollenkonflikten. Wenn diese Konflikte nicht adäquat bearbeitet werden, ergibt sich ein erhebliches Risiko für den Veränderungserfolg. Das HR-Management kann dabei unterstützen, die natürlichen Rollenkonflikte professionell zu bearbeiten. Die wesentlichen Schritte liegen in der Analyse möglicher Konfliktkonstellationen, der Planung eines darauf zugeschnittenen Change-Prozesses, der frühen Einbindung des mittleren Managements und schließlich der Sicherstellung passender Begleitmaßnahmen für die Betroffenen. Damit eröffnet sich die Chance, die Rollen des mittleren Managements als Erfolgsfaktoren wesentlich zu stärken und den Gesamtprozess reibungsloser zu gestalten.
AUTOREN
Prof. Dr. Arnd Schaff, Hochschullehrer und Wissenschaftler, Institut für Gesundheit und Soziales, FOM Hochschule für Ökonomie und Management,
Essen, arnd.schaff@fom.de
Lea Berendonck, Studierende, Betriebswirtschaft & Wirtschaftspsychologie, FOM Hochschule für Ökonomie und Management, Essen,
lea.berendonck@fom-net.de
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- Etwas mehr Begeisterung, bitte
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- Der Fall Air Berlin aus Sicht von HR
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