Ausgabe 4, Special MBA & Co. - 2018
Talente ans Unternehmen binden

Wenn Arbeitgeber ihre Mitarbeiter bei einem berufsbegleitenden Masterprogramm unterstützen, dann geschieht das meist aus Gründen der Mitarbeiterbindung. Für die Unternehmen ist dies noch wichtiger als die betriebliche Nutzung des während der Weiterbildung erworbenen Know-hows. Das zeigen Beispiele aus der Praxis.
Von Christine Demmer
Bindung durch Bildung. So könnte man beschreiben, welche Bedeutung das berufsbegleitende Masterstudium für den Chemiekonzern Bayer hat. Die Zielgruppe jedoch ist überschaubar: „Etwa drei von vier Bachelorabsolventen schließen direkt ein Masterstudium an“, weiß Andreas Schön, bei der Bayer AG in Leverkusen für Learning und Training zuständig. Wollen die Kandidaten sich aber erst noch ein paar Jahre im Job erproben, bevor das Interesse an Weiterbildung erwacht, sieht der Personaler darin eine gute Möglichkeit, die Talente an das Unternehmen zu binden. „Normalerweise kommen die Mitarbeiter schon mit konkreten Ideen für ein Masterstudium auf uns zu“, sagt Schön. Falls nicht, berät die HR-Abteilung. „Unsere Experten haben einen sehr guten Überblick. Das machen sie ja nicht erst seit gestern“, versichert der Personaler.
„Nicht erst seit gestern“ ist dabei wahrlich untertrieben; die HRler bei der Bayer AG haben mit der Beratung für ein berufsbegleitendes Masterstudium jahrelange Erfahrung. Denn vor schon fast 20 Jahren trat das Abkommen von Bologna und damit die Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge in Kraft. Neben der Harmonisierung des europäischen Hochschulwesens sollte die Hochschulreform das lebenslange Lernen befördern. Den Auftakt hierzu hatten sich Bildungsplaner und beratend herangezogene Personalexperten als Wechselmodell von Studium und Praxis vorgestellt: Nach ein paar Berufsjahren sollten die Bachelors an die Hochschule zurückgehen, um entweder in Vollzeit oder berufsbegleitend den Master zu machen. Doch als die ersten von ihnen auf den Arbeitsmarkt kamen, wurde kräftig an ihnen herumgemäkelt. Das Studium sei zu stromlinienförmig, die Absolventen sozial inkompetent – und überhaupt: Erst mit dem Master werde man zum „richtigen“ Akademiker. Folgerichtig studieren etwa drei Viertel der Hochschüler in einem Rutsch durch, um so gleich als Master in den Beruf zu starten.
Die Bayer AG fördert individuell
Ihr Verhalten kann man den Studenten nicht zum Vorwurf machen, wenn man sieht, mit wie wenig Enthusiasmus die Wirtschaft das Dreischichtmodell Hochschule-Praxis-Hochschule fördert. Verständlich ist aber auch die Zurückhaltung der Unternehmen. Schließlich wissen sie nicht, ob ihnen der künftige Masterabsolvent erhalten bleibt. Eine Förderung des berufsbegleitenden Masterstudiums ist für die Firmen somit mit der Abwägung von Chancen und Risiken verbunden.
So wird auch bei der Bayer AG nicht jeder Antrag auf Förderung eines berufsbegleitenden Masterstudiums bewilligt. „Wir schauen da schon genau hin“, sagt Andreas Schön. Ein wesentliches Kriterium sei die Mitarbeiterbindung, ein anderes die „betriebliche Sinnhaftigkeit“ der Unterstützung. Diese erfolge immer nach klar definierten Auswahlkriterien, wozu auch das vom Mitarbeiter ins Auge gefasste Hochschulprogramm gehört. „Wir fördern individuell – mal mit Arbeitszeitflexibilisierung, mal mit finanzieller Beihilfe und mal mit beidem“, sagt Schön. Zum Kreis der förderungswürdigen Masterprogramme gehören unter anderen solche der FOM Hochschule für Oekonomie & Management und der Technischen Universität München (TUM).
IKB Bank Düsseldorf: Win-win-Situation ist wichtig
Die IKB Bank in Düsseldorf verteilt ihre Förderung ebenfalls nicht mit der Gießkanne. Einen Zuschuss zu den Studiengebühren gibt es, aber nicht automatisch, sagt Personalleiter Thorsten Ziemann: „Man muss dabei sowohl auf die Person als auch auf die Funktion schauen und auch die Verweildauer im Unternehmen beachten.“ Geförderte Bachelorstudenten gebe es einige, geförderte Masterstudenten wenige. „Wenn jemand einen Antrag auf Unterstützung beim Masterstudium stellt, dann prüfen wir es natürlich. Wir bieten dies aber nicht aktiv an, weil wir gute Erfahrungen mit unseren Bachelorstudenten gemacht haben“, sagt Ziemann.
Ein weiterer Grund, warum die Förderung des Masterstudiums nicht forciert wird: Angesichts des schwierigen Bankenumfelds muss zweimal überlegt werden, bevor die Kostenstelle belastet wird. „Personalentwicklung ist uns wichtig“, versichert Ziemann. „Trotzdem denken wir bei jeder Budgetentscheidung daran, dass die Bank auch etwas davon haben muss.“ Bleibt die Frage: Warum fördert die IKB berufsbegleitende Masterstudiengänge, wenn ein Bachelorstudium genügt? „Oft melden sich diejenigen Mitarbeiter, die wir schon im Bachelorstudium gefördert haben“, begründet Ziemann. „Wenn sie danach ein Masterstudium machen wollen, dann unterstützen wir das gerne. Aber es muss auf eine klare Win-win-Situation hinauslaufen.“
Pepperl + Fuchs: Freie Tage fürs Masterstudium
Bei Pepperl + Fuchs in Mannheim steht man der Unterstützung für ein Masterstudium offener gegenüber. Der Hersteller von Industriesensoren beschäftigt rund 1000 Mitarbeiter, von denen hin und wieder einer um Förderung seines Studiums nachsucht. „Was wir uns von der Förderung des Masterstudiums versprechen, kann man schwer pauschal sagen“, sagt Frank Wienecke, Leiter Personal- und Organisationsentwicklung. „Einerseits glauben wir, dass uns ein Masterabschluss der Mitarbeiter an einigen Stellen im Unternehmen deutlich weiterbringen kann, zum Beispiel in den Entwicklungsbereichen. Das zweite Argument ist die Personalbindung. Menschen, die freiwillig weiterlernen wollen, unterstützen wir gerne.“ So gibt es bei Pepperl + Fuchs – individuell von den Fachbereichen geregelt – freie Tage fürs Lernen und für Prüfungen. Zudem wird eine Beteiligung an den Studiengebühren garantiert.
Qualitativer Personalbedarf kaum formuliert
Einige der Mitarbeiter von Pepperl + Fuchs studieren an der Graduate School Rhein-Neckar im benachbarten Ludwigshafen. Die vor elf Jahren als gemeinnützige GmbH gegründete Hochschule setzt nicht nur berufsbegleitende Weiterbildung für die staatlichen Hochschulen in Mannheim und Ludwigshafen sowie für die Duale Hochschule Baden-Württemberg um, sondern vermarktet diese auch. „Wenn es eine Hochschule schafft, über das grundständige Bachelorstudium hinaus noch andere Formate anzubieten, ist das immer auch ein Imagethema“, erläutert Petra Höhn, Geschäftsführerin der Graduate School Rhein-Neckar GmbH. Schließlich sei dies attraktiv für die Wirtschaft und für deren Mitarbeiter. Die Idee der Graduate School Rhein-Neckar war, dass die Unternehmen ihren zukünftigen qualitativen Personalbedarf formulieren und die Hochschulen versuchen, diesem nachzukommen. Laut Höhn tun sich die Personaler jedoch schwer, ihren qualitativen Bedarf in den nächsten drei bis fünf Jahren zu formulieren. Die Hochschule vermisst somit Wünsche an neue Studiengänge. Auch das Interesse der Arbeitnehmer bleibt hinter den Erwartungen zurück. „Zweifellos aber nimmt der Qualifizierungsbedarf zu. Vor diesem Hintergrund mag der berufsbegleitende Master gefühlt an Interesse zunehmen“, sagt Höhn.
Die Frankfurt School of Finance & Management kann dieses Gefühl an ihren Bilanzen ablesen. Die private Hochschule ging aus der 1954 von großen deutschen Banken gegründeten Bankakademie hervor. Heute firmiert sie als gemeinnützige GmbH und gehört einer Stiftung, mit der sie Gewinne und Verluste abrechnet. „Vom Aufbau neuer Masterstudiengänge versprechen wir uns mehr Studierende. Denn unser Studienangebot entspricht den Bedürfnissen des Marktes“, erläutert Vizepräsidentin Heike Brost, warum die Frankfurt School of Finance & Management ihre Masterstudium-Angebot ausbaut. An der auf Bankwesen und Finanzen spezialisierten Hochschule kommen Jahr für Jahr neue Masterstudiengänge hinzu. Oft werden sie von der Finanzwirtschaft, den Abnehmern der Absolventen angeregt. Und die schlagen nur solche Gebiete neuen Wissens vor, wo tatsächlich Fachkräftemangel herrscht. Die Kosten für die Entwicklung neuer Studiengänge holt sich die Frankfurt School dann später über die Gebühren zurück.
Beratungsunternehmen d-fine: Masterstudium für jeden Consultant
Angesichts solcher Return-on-Investment-Betrachtungen klingt die Weiterbildungsförderung des Frankfurter Unternehmens d-fine wie aus der Zeit gefallen. Die Beratungsgesellschaft bietet jedem ihrer Consultants ein berufsbegleitendes Masterstudium an. Konkret: Wer die Probezeit bestanden hat, kann an einem berufsbegleitenden Master-of-Science-Programm teilnehmen oder nach zwei Jahren im Job ein MBA-Programm absolvieren. Das Studium wird komplett von der Firma finanziert. „Wir bieten eine Auswahl an Programmen an, die Mitarbeiter können aber auch andere vorschlagen“, erläutert Heike Dansachmüller, Head of Human Resources. Erst kürzlich wurde der Executive MBA in Business & IT der TUM offiziell ins Angebot aufgenommen. „Wir buchen keinen Psychologiemaster“, schränkt Dansachmüller ein. „Das Masterstudium muss zum Job und zum Business passen. Aber wir begrüßen es, wenn Mitarbeiter über den Tellerrand schauen wollen.“ Die Auswahlkriterien für das Masterstudium sind der Inhalt der Programme und – noch wichtiger – die Zeiten der Abwesenheit. „Die Studienzeiten müssen projektverträglich sein. Denn wir brauchen unsere Berater in erster Linie für die Projekte“, so Dansachmüller.
Natürlich sei der Master auch ein Recruiting- und Bindungsinstrument. Wenn eine Mitarbeitergruppe solch einen Kurs macht, schweiße das zusammen. „Wir sind bei unserer Zielgruppe berühmt für unsere Weiterbildungsangebote. Die Fluktuation liegt unter zehn Prozent“, sagt die d-fine-Personalchefin stolz. Ob schon einmal ein Mitarbeiter bei der Abschlussprüfung durchgefallen ist, weiß sie nicht. Es wird auch nicht erwartet, dass jeder das Studium zu Ende bringt. „Wenn jemand kommt und gute Gründe hat, zum Beispiel Heirat, Familiengründung oder es wächst ihm alles über den Kopf, dann sagen wir: Okay, dann lass' es und kümmere dich um dich und deine Familie.“