Ausgabe 4, Special MBA und Co. - 2013
Umstritten – Master ohne ersten Hochschulabschluss
Immer mehr Bundesländer erlauben auch Nichtakademikern den Zugang zum Masterstudium. Sie müssen ihre Qualifikationen und Kompetenzen allerdings über Arbeitszeugnisse und Eignungsprüfungen nachweisen.
Die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz (KMK) stellen unmissverständlich fest: „Zugangsvoraussetzung für einen Masterstudiengang ist immer ein berufsqualifizierender Hochschulabschluss.“ Angesichts der Tatsache, dass die KMK-Beschlüsse keine rechtlich bindende Wirkung haben, setzen sich einzelne Länder von der vorgegebenen KMK-Linie ab und finden dabei auch Rückendeckung. „Der Zugang zum weiterbildenden Masterstudium ohne ersten Hochschulabschluss ist vollständig kompatibel mit den Zielen des Bologna-Prozesses – widerspricht allerdings der akademischen Tradition in Deutschland“, resümiert die Deutsche Gesellschaft für Wissenschaftliche Weiterbildung und Fernstudium (DGWF) 2009. Die Bundesländer Schleswig Holstein, Hamburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin Rheinland Pfalz, Hessen, Schleswig Holstein, Hamburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Hessen ermöglichen Interessenten, nicht nur zum Bachelor, sondern auch direkt zu weiterbildenden Master-Studiengängen zugelassen zu werden. Durch die Erlaubnis, den Master ohne erstes Hochschulstudium zu beginnen, erhalten Fachwirte, Fachkaufleute, Meister und Betriebswirten der Industrie- und Handelskammern (IHK) oder Absolventen von Wirtschafts- und Verwaltungsakademien (VWA) die Möglichkeit, einen akademischen Hochschulabschluss zu erlangen. Auch Arbeitnehmer mit langjähriger Berufserfahrung als Spezialist oder als erfahrene Führungskraft haben nun die Möglichkeit, weiterbildende Masterprogramme zu besuchen. Gerade für Absolventen aus den Branchen Tourismus, IT, Hotelgewerbe ergeben sich hier neue Wege der Weiterbildung.
Zugangsvoraussetzungen
Nach vorausgegangener Beratung können in den genannten Bundesländern Personen ohne ersten Hochschulabschluss zum Masterstudium zugelassen werden, die zum Beispiel
- 1.
über die (Fach-) Hochschulzugangsberechtigung verfügen,
- 2.
eine mindestens vierjährige, einschlägige Berufspraxis nachweisen können,
- 3.
Führungsaufgaben insbesondere mit Personalverantwortung, Budgetverantwortung, Projekterfahrung und Auslandserfahrung ausüben,
- 4.
hervorragende Arbeitsnachweise vorweisen und
- 5.
eine individuelle Zugangsprüfung (schriftlich und mündlich) mit Erfolg absolviert haben.
Außerdem muss der Interessent bei einigen Programmen über fundierte Englischkenntnisse verfügen und darüber hinaus bereits Kenntnisse der wichtigsten Theorien, Prinzipien und Methoden des wissenschaftlichen Lehrgebietes kennen. Einige Studiengänge sehen vor, dass Interessenten eine Eignungsprüfung ablegen und unter anderem nachweisen müssen, dass sie über mindestens vier Jahre einschlägige Berufserfahrung verfügen.
Die Anerkennung berufspraktisch erworbener Kompetenzen und Fähigkeiten erfolgt in der Regel im Rahmen einer Eignungsprüfung, die von der den Abschluss vergebenden Hochschule vorgenommen wird. Die Anerkennung der Berufspraxis wird dort anhand eines Kriterienkatalogs vorgenommen, der sich an den in den Modulbeschreibungen eines vergleichbaren Bachelor-Studienganges definierten Kompetenzen und Qualifikationen orientiert. Durch die Eignungsprüfung soll die Gleichwertigkeit der beruflichen Qualifikation mit der eines abgeschlossenen Erststudiums festgestellt werden. Vonseiten der Studierenden müssen entsprechende Nachweise und Arbeitszeugnisse vorgelegt werden, die die erworbene Qualifikationen und Kompetenzen auf Bachelor-Niveau (Level 6 des Europäischen Qualifikationsrahmens) dokumentieren. Oft werden auch im Verfahren noch zwei bis drei schriftliche Arbeiten erwartet. Ein Fachgespräch und eine wissenschaftliche Arbeit runden die Eignungsprüfung gelegentlich ab. Die genauen Voraussetzungen sind den Prüfungsordnungen der jeweiligen Studiengänge und den Hochschulgesetzen der Bundesländer zu entnehmen.
Beispiele in Deutschland
Die Universität Koblenz-Landau bietet zum Beispiel Masterstudiengänge in den Fachrichtungen Energiemanagement und Gesundheitsmanagement als sogenannte Weiterbildungsmaster an, welche mit dem akademischen Mastergraden Master of Science und Master of Arts abschließen. Weitere Hochschulen in Rheinland-Pfalz, die ein Masterstudium ohne ersten akademischen Abschluss ermöglichen: die Universität Mainz (EMBA), die TU Kaiserslautern (Master Personalentwicklung), Fachhochschule Kaiserslautern (MBA Vertriebsingenieur und MBA Marketing-Management), Fachhochschule Worms (MBA Tourismus), Fachhochschule Ludwigshafen (MBA-Studiengang Innovation Management) oder die Fachhochschule Koblenz am Rheinahrcampus in Remagen mit diversen spezialisierten MBA-Angeboten.
In Hessen sind es die Frankfurt School of Finance, die FH Giessen (MBA), die THM Business School Mittelhessen (MBA) und die FH Frankfurt mit dem MBA „Aviation Management“ mit besonderen Studienmöglichkeiten für Nichtakademiker. In Hamburg ist es die Universität Hamburg mit dem Masterstudiengang „Integrative Lerntherapie“.
Ein weiterer deutscher Anbieter, der auch einem Nichtakademiker das MBA-Studium als Fernstudium anbietet, ist die AKAD. An der Europäischen Fernhochschule in Hamburg besteht für Interessenten ohne ersten Hochschulabschluss die Möglichkeit, im Rahmen eines sechsmonatigen Qualifizierungsprogrammes die für ein MBA-Studium notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Sobald drei Module erfolgreich abgeschlossen wurden, kann mit dem MBA in General Management, dem Master of Arts in Business Coaching und Change Management oder mit dem Master of Science in Wirtschaftspsychologie begonnen werden.
Besondere Angebote für Nichtakademiker bietet auch die Deutsche Universität für Weiterbildung (DUW) mit dem Master-Studiengang „Sicherheitswirtschaft und Unternehmenssicherheit“, zudem auch mit einem MBA. Im Zuge einer Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes (BerlHG) ist eine Zulassung zu einem berufsbegleitenden Masterstudium an der DUW ohne ersten Hochschulabschluss, dafür mit entsprechender beruflicher Qualifikation grundsätzlich möglich.
Erste Erfahrungen
Eine wissenschaftliche valide Analyse über das Abschneiden von Master-Studierenden, die ohne ersten akademischen Abschluss ihr Weiterbildungsstudium absolvieren, gibt es noch nicht. Erste Erfahrungen zeigen jedoch, dass die Studierenden nicht signifikant besser oder schlechter sind als Studierende mit erstem Hochschulabschluss. „Die Teilnehmer ohne Hochschulabschluss sind in den praktischen Fächern tendenziell etwas besser“, resümiert beispielsweise Professor Rainer Öchsle von der FH Trier. Die Bewerber sind in einem praxisorientierten Studiengang auch auf einem ähnlichen Notenniveau wie Absolventen mit erstem Hochschulabschluss. Die Betreuung beruflich qualifizierter Masterstudierende ist aber aufwendiger als die Betreuung der Masterstudierenden mit Hochschulabschluss, so die Erfahrungswerte vieler Hochschulen. Zudem sind im Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens, der kritischen Analyse sowie in Mathematik starke Defizite vorhanden. Vorseminare in diesem Feld sind also empfehlenswert.
Autor
Detlev Kran, Hochschulberater und Autor des MBA-Guide, Brühl,
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