Ausgabe 5 - 2012
Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile
Mittlerweile scheint das weite Feld der sozialen Medien der neue heilige Gral aller Personalmarketer zu sein. Dieser Beitrag zeigt, wie multimediale Online-Kommunikation das Event Marketing unterstützen kann – und wie diese Events helfen, die Reichweite der Online-Kanäle zu steigern.
Viele Organisationen haben mittlerweile erkannt, dass Employer Branding ein entscheidender Wettbewerbsfaktor der Zukunft sein wird. Die Ressource Mensch wird durch die Folgen des demografischen Wandels sowie die sich verändernden Wertvorstellungen der Digital Natives im Berufsleben das finanzielle Kapital als kritischen Engpass für Wachstum ablösen. Traut man einschlägigen Umfragen, so sehen sich Recruiter zunehmend mit Schwierigkeiten konfrontiert, in angemessener Zeit Positionen für Fach- und Führungskräfte zu besetzen. Die Zeiten von „Ich stelle mal eine Anzeige in die Jobbörse und warte auf den Bewerbungseingang“ sind deshalb weitgehend vorbei.
Mittlerweile scheint das weite Feld der sozialen Medien der neue heilige Gral aller Personalmarketer zu sein. Wer als Unternehmen keine Facebook-Karriere-Seite vorweisen kann, gilt schnell als rückständig. Andererseits mehren sich Stimmen, die ob fehlender (messbarer) Erfolge oder waschechter PR-Desaster die Sinnhaftigkeit von Social Media-Kommunikation für das Employer Branding anzweifeln. In diesem Sinne stellen sich einige Fragen: Was mache ich als Personalmarketer denn nun in der schönen neuen Online-Welt? Womit fülle ich Pinnwände, Timelines, Foren? Wo kommen meine Likes und Shares her? Und übergreifend: Wie sorge ich dafür, dass die sozialen Medien nicht ein weiterer, losgelöster Kommunikationskanal sind, sondern im Zusammenpiel mit Maßnahmen wie Printwerbung und Events ein stimmiges Ganzes ergeben?
Zur Beantwortung dieser Fragen zeigt dieser Beitrag am Beispiel von zwei Bertelsmann-Veranstaltungen, einer hauseigenen, und einer, bei der Bertelsmann als externer Sponsor fungiert, wie multimediale Online-Kommunikation das Event Marketing unterstützen kann – und wie wiederum diese Events dabei helfen, die Reichweite der Online-Kanäle zu steigern.
Crossmedial durch das Employer Branding-Jahr
Talent Meets Bertelsmann (TMB) ist ein dreitägiges Event, welches Bertelsmann seit 2008 in Berlin ausrichtet. Im Kern ist TMB ein Fallstudienwettbewerb, in dessen Rahmen 50 Studenten in Teams strategische Konzepte für die Divisionen (RTL Group, Random House, Gruner+Jahr, arvato) erarbeiten und dem Vorstand präsentieren. Flankiert wird das Event durch einen Networking-Abend mit Führungskräften aus dem Konzern sowie einer Party inklusive Konzert, bei der schon Künstler wie die Fantastischen 4 aufgetreten sind. TMB ist das Herzstück der Bertelsmann-Arbeitgeber-Kampagne „Create Your Own Career“ und begleitet das Employer Branding-Team über das ganze Arbeitsjahr. Im Folgenden wird geschildert, wie im Verlauf des Jahres On- und Offline-Aktivitäten ineinandergreifen, um einerseits konkrete Recruiting-Bedarfe zu decken, andererseits aber auch die Arbeitgebermarke von Bertelsmann in den Köpfen der Zielgruppe zu verankern. TMB findet im Frühsommer statt, Vorbereitung und Bewerbung beginnen naturgemäß jedoch im Frühjahr. Zum einen wurde eine eigene Microsite mit dem Namen des Events kreiert, auf welcher sich Interessenten mittels Bild- und Videomaterial (dazu später mehr) über die Events der vergangenen Jahre, das Bewerbungsprozedere und den Ablauf der Veranstaltung informieren können. Parallel wird TMB immer wieder auf der „Bertelsmann Careers“-Facebook-Seite und diversen Online-Kanälen (e-fellows.net, Online-Jobbörsen et cetera) angekündigt.
Event wird dosiert durch Print beworben
In der Hochphase des Bewerbungszeitraumes wird das Event außerdem dosiert durch Printanzeigen beworben, zum Beispiel in der Zeitschrift Unicum. Diese Anzeigen verweisen natürlich auch auf die Online-Kanäle von Bertelsmann.
Sobald vor dem Event die 50 studentischen Teilnehmer feststehen, werden alle Studenten, aber auch die Workshopleiter (Kollegen aus den Business Units, die die Fallstudien begleiten) sowie HR-Kollegen in eine geschlossene Facebook-Gruppe eingeladen. Derart können sich alle Teilnehmer wie auch Unternehmensvertreter vorab online „beschnuppern“. Außerdem wird die Gruppe genutzt, um Fragen zu klären und logistische Probleme (Fahrgemeinschaften et cetera) zu lösen.
Dokumentation per Film
Für das Event wurde eine App kreiert, die einerseits Informationen zum Ablauf enthält, andererseits auch Kurzprofile aller Teilnehmer wie auch der Unternehmensvertreter. Auf Wunsch können dort auch Links zu Online-Profilen hinterlegt werden, was das Networking nach dem Event erleichtert. Außerdem können diverse Online-Plattformen direkt aus der App angesteuert werden (zum Beispiel Facebook und Twitter), um live von der Veranstaltung zu berichten und eigene und Fotografen-Fotos mit Freunden zu teilen. Auf diese Weise tragen alle Teilnehmer dazu bei, TMB viral zu verbreiten. Weiterhin ist zu erwähnen, dass durch das Zusammenführen von bis zu 70 Executives eines dezentral geführten Konzerns für die Veranstaltung auch das interne Employer Branding unterstützt wird, weil die Arbeitgebermarke „Create Your Own Career“ erlebbar gemacht wird.
Ferner wird das Event inklusive Party und Konzert von einem Film-Team dokumentiert. Doch auch die Teilnehmer selbst werden gebeten, mit Handkameras kurze Clips zu drehen. Diese werden noch während der Veranstaltung geschnitten und dienen den Studenten und Mitarbeitern als bleibende Erinnerung. Zusammen mit vielen Fotos werden diese Videos natürlich auf den Online-Kanälen von Bertelsmann eingebunden. Sie generieren nach bisheriger Erfahrung große Aufmerksamkeit und dienen darüber hinaus im Folgejahr zur erneuten Bewerbung. Die Interaktionsrate auf Facebook liegt rund um TMB signifikant über dem Durchschnitt; außerdem sind spürbare Sprünge bei den Fanzahlen zu verzeichnen.
Mit Ende der Veranstaltung ist jedoch erst die Hälfte des TMB-Jahres bewältigt. Im Spätsommer werden die siegreichen Teams des Wettbewerbs auf mehrtägige Reisen zu weltweiten Bertelsmann-Standorten eingeladen. 2011 war man bei der Grundy UFA in Potsdam, bei Arvato in München, sowie bei Random House in New York zu Gast. Diese Reisen sind eine Mischung aus Elementen mit Freizeitcharakter und Begegnungen mit Führungskräften der jeweiligen Business Units inklusive vertiefenden Workshops zu Geschäftsmodellen des Konzerns. Auch diese Events werden in den sozialen Medien begleitet, wobei die Studenten selbst im Anschluss durch Blogbeiträge (zum Beispiel Reiseberichte) unterstützend tätig werden.
Alumni-Treffen im Frühherbst
Ein weiteres Herzstück des Konzepts hinter TMB ist das jährliche TMB-Alumni-Treffen im Frühherbst. Für einen Networking-Abend werden alle Teilnehmer aus allen Jahren erneut nach Berlin eingeladen, ganz gleich, ob sie noch studieren oder schon bei Bertelsmann oder einem anderen Unternehmen eingestiegen sind. Dieser Abend stärkt unter den TMBlern den Community-Gedanken und erneuert die emotionale Bindung, die während des ursprünglichen Events entstanden ist. Die HRler wiederum erhalten Updates zum Studienfortschritt von jüngeren Teilnehmern – oder auch Informationen über wechselwillige Young Professionals. Selbstverständlich werden auch Bilder und Videos des Alumni-Events sozialmedial verwertet. Anschließend geht TMB in eine kurze Winterpause, bevor im Februar die Planung für das neue Jahr beginnt.
Work hard, play harder
Das WHU Euromasters ist ein Sportfest in Vallendar bei Koblenz. 1997 zum ersten Mal im kleinen Rahmen ausgetragen, hat es sich zu einer echten Mammut-Veranstaltung gemausert. Im November 2011 kamen 1500 Studenten zusammen, um sich in Sportarten wie Fußball, Basketball und Volleyball zu messen. Unter den teilnehmenden Schulen befinden sich deutsche Top-BWL-Schmieden wie die Universität Mannheim, die ESB Reutlingen oder die EBS Oestrich-Winkel, aber auch renommierte europäische Institutionen wie die ESADE (Barcelona), die Stockholm School of Economics oder die CESEM Reims. Flankiert werden die Wettkämpfe durch ein Kräftemessen der lautesten Supporter (inklusive Cheerleading-Wettbewerb), die in Scharen mit anreisen, eine Karrieremesse und Speed Dating mit vorab ausgewählten Studenten – und natürlich zwei Partys an den Abenden des Events.
2011 war Bertelsmann Hauptsponsor der Veranstaltung. Neben besonderer Exposition auf allen Werbematerialien (Plakate, Broschüren, Lanyards et cetera) hatte Bertelsmann auch das Recht, das Motto der samstäglichen Party zu bestimmen. Man entschied sich für das Thema „Business Punk“ und bereitete eine Aktion mit den Kollegen des gleichnamigen Magazins der Gruner+Jahr-Wirtschaftsmedien vor. Am Eingang der Party wurde ein mannshoher Pappaufsteller eines Business Punk-Covers aufgestellt, vor dem sich die – bereits im Business Punk-Stil gekleideten – Studenten allein oder in Gruppen ablichten lassen konnten. Die schönsten 250 Fotos wurden später auf die Facebook-Karriere-Seite gestellt.
Abbildung
Interaktion bei Facebook

Teilweise lag die Interaktion bei Facebook um bis zu 400 Prozent über dem Durchschnittswert.
In dieser Zeit lag die Interaktion um bis zu 400 Prozent über dem Durchschnittswert – die durchschnittliche Reichweite blieb jedoch auch nach dem Event deutlich erhöht (siehe Abbildung). Die Fotos wurden hundertfach „geliked“, kommentiert und „geshared“, viele Studenten übernahmen ihr Party-Foto für mehrere Wochen als Profilbild – und trugen somit zur viralen Verbreitung der Aktion unter ihren Facebook-Freunden bei. Es sei an dieser Stelle betont, dass es sich hierbei nicht um „irgendwelche“ Freunde handelt, sondern größtenteils wiederum um Studenten von Top Business Schools, der Kernzielgruppe von Bertelsmann „Create Your Own Career“.
Wer ist in Ihrem „Tribe“?
Wie werden sich Employer Branding und Personalmarketing weiterentwickeln? Das ist schwer einzuschätzen. Klar ist: Es wird komplizierter, weil fragmentierter werden. Sind wir schon bereit für das mobile Internet? Laut Studien werden 2012 erstmals mehr Webseiten von Mobiltelefonen und Tablets abgerufen, als von stationären Rechnern. Sind wir bereit für die große Gamification, kann das Finden des nächsten Arbeitgebers wirklich eine spielerische Angelegenheit sein? Sind wir bereit zu akzeptieren, dass unsere Organisation vielleicht nicht mehr bei der breiten Masse Anklang findet (Stichwort: Arbeitgeberrankings), dafür aber bei einer spitz positionierten Zielgruppe von „Fans“ die Nummer eins ist?
Insbesondere die letztgenannte Fragestellung erscheint eminent wichtig. So wird eine der wichtigsten Fragen der Zukunft – angelehnt an den „Marketing-Guru“ Seth Godin – auch für Personalmarketer lauten: Welche Menschen sind in meinem „Tribe“? Denn um Letzteres ging es auch in diesem Beitrag: Vordergründig wurde aufgezeigt, wie sich das Verweben von Online- und Offline-Aktivitäten, also integriertes Personalmarketing, dazu eignet, die Zugkraft der einzelnen Kanäle so zu verstärken, dass ein größeres Ganzes entsteht. Auf einer tieferen Ebene ging es jedoch auch darum, zu veranschaulichen, wie sich ein Unternehmen eine Community von loyalen Unterstützern und „Fans“ aufbauen kann: Eine Gruppe von Menschen, die selbst, wenn sie (derzeit) nicht für Bertelsmann arbeiten, so doch als wohlwollende Fürsprecher agieren und somit helfen, jetzt und in der Zukunft die besten Talente für Europas größten Medienkonzern zu gewinnen.
Autor
Dr. Nico Rose, Director Corporate Management Development, Bertelsmann AG, Gütersloh,
nico.rose@bertelsmann.de
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