Ausgabe 5 - 2012
Der neue Ethik-Kodex des iGZ
Der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen hat auf seinem Bundeskongress in Potsdam einen viel beachteten Ethik-Kodex verabschiedet. Der Verband und seine Mitgliedsunternehmen setzten damit ein deutliches und nachhaltiges Zeichen für gute Zeitarbeit.
Zeitarbeit ist in Deutschland auf dem Vormarsch. Sie erfüllt im Zeitalter der Globalisierung wichtige gesamtwirtschaftliche Funktionen für leistungsfähige Arbeitsmärkte. Leider entspricht die Darstellung in den Medien selten den Realitäten in der Branche. Da ist ständig von schlechter Bezahlung, miserablen Arbeitsbedingungen und unfairer Behandlung der Mitarbeiter die Rede. Und manche Gewerkschaftsvertreter schüren diese Vorbehalte, obwohl die DGB-Gewerkschaften mit den zwei großen Verbänden der Zeitarbeit Tarifwerke ausgehandelt haben, die Lohnzahlungen, Arbeitsbedingungen, Urlaubsansprüche und vieles mehr detailliert regeln. Anders formuliert: Zeitarbeit ist ein normales Arbeitsverhältnis – mit allen üblichen Rechten und Pflichten für Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
Die weitverbreitete Unkenntnis in großen Teilen der Bevölkerung über die wirkliche Situation in der Zeitarbeitsbranche und die daraus resultierenden Vorbehalte sind ein Ärgernis. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung kommentierte daher vor einiger Zeit zu Recht, ein Fall reiche aus, „um das Image der Branche in den Keller rasseln zu lassen“. Einzelne „schwarze Schafe“ produzieren also negative externe Effekte für die Reputation der gesamten Zeitarbeitsbranche. Das war bei dem sogenannten Schlecker-Fall vor gut zwei Jahren deutlich zu spüren. Mittels so genannter „Drehtürgeschäfte“ suchte das Unternehmen die eigenen Branchentarife zu umgehen, indem man die Mitarbeiter in einem eigenen Zeitarbeitsunternehmen zu ungünstigeren Bedingungen weiter beschäftigen wollte. Das negative Bild in der Öffentlichkeit ist ein Problem, denn Zeitarbeitsfirmen sind wie alle Firmen auf eine positive Grundeinstellung ihres Umfeldes angewiesen. Doch liegt die Schwierigkeit darin, dass die Probleme von einzelnen Zeitarbeitsfirmen allein kaum angegangen und gelöst werden können. Es muss vielmehr auf Branchenebene angesetzt werden, da es ja primär um die kollektive Reputation, um die Wahrnehmung und Bewertung von Zeitarbeit an sich geht.
Selbstverpflichtung
Weitblickende Zeitarbeitsunternehmer suchen daher gemeinsam nach Lösungen. Der Vorstand des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) als einer der beiden großen Verbände mit überwiegend kleinen und mittelständischen Firmen hat daher beschlossen, mit einem Ethik-Kodex etwas gegen das schlechte Image zu tun. Dazu wurde im vergangenen Jahr eine Projektgruppe gebildet, deren Aufgabe darin bestand, einen Ethik-Kodex für den iGZ zu entwickeln. Er soll der kritischen Öffentlichkeit und der Politik zeigen, dass man freiwillig ethische Maßstäbe setzt. Mit dem entwickelten Kodex wird also ein Instrument geschaffen, dessen Regeln über gesetzliche Vorschriften hinausgehen. Sie sind eine Art Selbstverpflichtung und ein Kontrollinstrument.
Der Ethik-Kodex versteht sich gleichsam als Selbstbindungsinstrument des Verbandes und der Mitgliedsunternehmen. Er formuliert die Werte, für die Zeitarbeitsunternehmen stehen wollen und woran sie sich auch messen lassen wollen. So soll die Vertrauensbasis zwischen den Zeitarbeitsfirmen einerseits und der Öffentlichkeit und all denen, die mit Zeitarbeitsfirmen zu tun haben, andererseits gestärkt werden. Er gliedert sich in eine Präambel, den Kodex im engeren Sinne, der konkrete Handlungsaufforderungen oder Empfehlungen formuliert und einen Umsetzungsteil, der sich mit organisatorischen Fragen zur Einhaltung und Umsetzung des Kodexes befasst. Der Ethik-Kodex des iGZ orientiert sich in seiner Vorgehensweise am sogenannten Stakeholder-Ansatz. Als Stakeholder kann man all die Anspruchsgruppen beziehungsweise Kooperationspartner bezeichnen, die vom Agieren der Zeitarbeitsunternehmen oder des Verbandes „betroffen“ sein können. Ihre legitimen Interessen gilt es in zumutbarer Weise zu berücksichtigen.
Leitwerte und Grundsätze
Der Kodex formuliert in einer Präambel die Leitwerte, für die die Branche steht beziehungsweise stehen soll: Fairness, Zuverlässigkeit, Respekt, Vertrauen und Seriosität! Damit sind nach Auffassung des Verbandes auch die Maßstäbe benannt, die für eine zukunftsorientierte Arbeitswelt und damit eine Weiterentwicklung der Zeitarbeitsbranche Relevanz besitzen.
Der Kern des Kodexes formuliert Grundsätze einer guten Zeitarbeit, wie sie aus Sicht
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der beschäftigten internen wie externen Arbeitnehmer,
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der Kundenunternehmen, die externe Arbeitnehmer zeitweise beschäftigen,
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von anderen Zeitarbeitsfirmen,
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und von Sozialpartnern, Behörden und der Öffentlichkeit
für den iGZ bedeutsam sind. Die Kooperationspartner können also anhand des Kodexes erkennen, welche Erwartungen erfüllt werden können und müssen. Die externen Mitarbeiter und die Kundenunternehmen der Zeitarbeitsfirmen stehen angesichts der Besonderheiten des Zeitarbeitsverhältnisses im Mittelpunkt der Regelungen des Kodexes. Ihre Erwartungen und Ansprüche müssen im besonderen Blickpunkt stehen, da sich hier naturgemäß die meisten ethischen Konflikte und Dilemmata ergeben.
Neue Schlichtungsstelle
Der Verband will mit dem Kodex keinen „zahnlosen Tiger“ in die Welt setzen. Deshalb ist es allen Mitgliedsunternehmen wichtig, dass die ethischen Grundsätze nachvollziehbar, einforderbar und überprüfbar sind. Zu diesem Zweck wird eine Kontakt- und Schlichtungsstelle (KuSS) gegründet, bei der es einen unabhängigen und neutralen Ansprechpartner bei Anfragen, Beschwerden und Hinweisen von beschäftigten Zeitarbeitskräften gibt. Hier kann sich aber auch jeder andere, der Missstände der Zeitarbeit bei Mitgliedsfirmen beobachtet, melden. Sollte sich keine einvernehmliche Lösung finden lassen, so wird die Schlichtungsstelle aktiv. Sie wird bei Bedarf zwischen Streitparteien schlichten, aber auch insgesamt über die Einhaltung des Kodexes wachen und Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Maßstäbe, denen man sich verpflichtet fühlt, aussprechen.
Der Kodex ist also ein lebendiges und noch entwicklungsfähiges Regelwerk, mit dem die Mitgliedsunternehmen des iGZ und der Verband proaktiv versuchen, das Vertrauen in ihre Arbeit in der Öffentlichkeit und bei den Mitarbeitern und Kundenunternehmen zu stärken. Dies ist ein Prozess, der im kritischen Dialog mit den verschiedenen Kooperationspartnern in der Zeitarbeit fortgeführt werden muss, denn: Der Weg ist das Ziel!
Autoren
Ariane Durian, Bundesvorsitzende des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ), Leiterin der iGZ-Projektgruppe „Ethik in Personaldienstleistungen“,
durian@ig-zeitarbeit.de
Dr. Bernd Noll, Professor für Wirtschaftsethik an der Hochschule Pforzheim, iGZ-Sachverständiger beim Ethik-Kodex,
bernd.noll@hs-pforzheim.de
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