Ausgabe 5 - 2014
Unternehmen hören die Signale
Business Coaching als Instrument der Personalentwicklung findet zunehmend breite Verwendung. Allerdings besteht in der Vielfalt der Einsatzgebiete Nachholbedarf.
Der Fachkräftemangel in Deutschland war für viele Unternehmen bisher eher abstrakt und wird nun zunehmend spürbar. Vakante oder neu geschaffene Stellen können häufig nicht oder nur unter großen Mühen besetzt werden. Um der Situation zu begegnen, begeben sich Unternehmen bei der Personalsuche bereits auf den Schulhof und an die Hochschule. Schüler und Studenten sollen frühzeitig auf das Unternehmen aufmerksam gemacht werden, und Unternehmen wollen sich bereits hier als möglicher zukünftiger Arbeitgeber präsentieren.
Aktuelle Demografieberichte lassen eine weitere Verschärfung der Situation vorausahnen. Bereits heute hat Deutschland mit im Durchschnitt über 44 Jahren die älteste Bevölkerung in der EU, mit steigender Tendenz. Dem Arbeitsmarkt stehen mittel- und langfristig somit immer weniger qualifizierte und junge Mitarbeiter zur Verfügung.
Fokus der Personalarbeit verschiebt sich
Vor dem Hintergrund einer zunehmend älter werdenden Bevölkerung und einhergehend mit einer älter werdenden Belegschaft wundert es nicht, dass sich der Fokus in der strategischen Personalarbeit verschiebt. Lag dieser in den vergangenen 20 Jahren auf der Personalauswahl, verlagert er sich zunehmend auf die Personalentwicklung. Die Unternehmen haben erkannt, dass sie vorrangig mit dem bestehenden Personal die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen meistern müssen. Adäquate Personalentwicklung wird für viele Unternehmen virulent wichtiger, und sie wird zukünftig einen, wenn nicht den entscheidenden strategischen Wettbewerbsvorteil darstellen.
Die meisten Unternehmen hören die Signale und reagieren bereits. Allein 2010 gaben deutsche Unternehmen etwa 28 Milliarden Euro für Weiterbildung im Rahmen der Personalentwicklung aus.
Ganz allgemein verfolgt Personalentwicklung das Ziel, Mitarbeiter aller Hierarchiestufen für die Bewältigung aktueller und zukünftiger Herausforderungen zu qualifizieren. Personalentwicklung ist gekennzeichnet durch die Förderung beruflich relevanter Kenntnisse, Fertigkeiten und Einstellungen durch Maßnahmen der Weiterbildung, der Beratung, des systemischen Feedbacks und der Arbeitsgestaltung.
Ziel der Personalentwicklung ist auch, neben der zusätzlichen fachlichen Qualifikation von Mitarbeitern, eine stärkere Mitarbeiterbindung an das Unternehmen. Denn Personalentwicklungsmaßnahmen werden von Mitarbeitern sehr geschätzt.
Relevanz der Personalentwicklung
Ob und mit welchen Mitteln Unternehmen im Rahmen ihrer Personalentwicklung reagieren haben wir in Kooperation mit der FHDW in 108 Unternehmen der Region Ostwestfalen/Lippe (OWL) untersucht. Wir haben dabei auf einen gesunden Branchen- und Größenmix der Unternehmen geachtet, um eine breite Verallgemeinerung unserer Forschungsergebnisse erzielen zu können. Unsere Forschung hatte zum Ziel, einen Überblick über die Einschätzung der Relevanz der Personalentwicklung zu geben und in den Unternehmen eingesetzte Mittel und Instrumente der Personalentwicklung zu ermitteln. Explizit haben wir zusätzlich die Verwendung des Personalentwicklungsinstruments Business Coaching untersucht. Business Coaching ist eine vorrangig individuell veranlasste Methode der Personalentwicklung, und ihr Einsatz lässt aus unserer Sicht auf die erkannte Wichtigkeit der individuellen Personalentwicklung und Personalbindung schließen.
Um Aussagen über Zusammenhänge zwischen Unternehmensgröße und eingesetzten Methoden und Instrumente der Personalentwicklung treffen zu können, unterteilten wir die untersuchten Unternehmen in zwei Größenkategorien: bis 250 Mitarbeiter (kleinere und mittlere Unternehmen, KMU) und über 250 Mitarbeiter.
Strategische Relevanz wird überwiegend erkannt
Drei Viertel aller untersuchten Unternehmen betrachten die Personalentwicklung als für das Unternehmen sehr wichtig. Ein Viertel der Unternehmen messen der Personalentwicklung nur eine mittlere bis geringe Wichtigkeit bei. Die Einschätzung der Wichtigkeit der Personalentwicklung war über alle Unternehmensgruppen nahezu identisch. Kleine und mittlere Unternehmen messen der Personalentwicklung sogar etwas größere Relevanz bei, als es die größeren Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern tun. Die Instrumente der Personalentwicklung, die in den betrachteten Unternehmen Einsatz finden, differieren stark. Das am häufigsten eingesetzte Instrument ist das interne Seminar, gefolgt vom Mitarbeitergespräch und dem externen Seminar.
Vergleichsweise geringe Verbreitung haben Outdoortrainings und interkulturelle Kompetenztrainings. Bezogen auf die beiden Unternehmensgruppen nach Größenmerkmalen fällt auf, dass die genannten Instrumente der Personalentwicklung, mit wenigen Ausnahmen, in Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern häufiger zum Einsatz kommen als in kleineren Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern.
Die Entlohnung mit Anreizen findet hingegen in etwa zwei Drittel aller KMU Anwendung, in größeren Unternehmen jedoch nur in etwa jedem zweiten. Der Motivation mit monetären Anreizen scheint in KMU höhere Bedeutung und Effizienz als in größeren Unternehmen beigemessen zu werden. Ein sehr großer Abstand ist bei der Personalentwicklungsmethode des Studierens neben dem Beruf zu erkennen. In nahezu 90 Prozent der größeren Unternehmen kommt dies zum Einsatz, hingegen in nicht einmal 40 Prozent der KMU. Große Unternehmen scheinen Nachwuchskräfte schon frühzeitig an das Unternehmen binden zu wollen, und sie haben erkannt, dass sie für eigenen akademisch ausgebildeten Nachwuchs zu sorgen haben. Hier besteht für KMU ernstzunehmender Nachholbedarf. In unserem Forschungsprojekt haben wir explizit auf Business Coaching als Element der Personalentwicklung rekurriert. Obwohl Coaching noch ein recht junges Instrument der Personalentwicklung ist, so überrascht es doch, dass es doch bereits bei etwa zwei Drittel der größeren Unternehmen und mehr als jedem zweiten KMU fest verankert ist. Zudem planen viele Unternehmen, die Business Coaching bislang nicht einsetzen, es zukünftig einzusetzen, wohingegen kein Unternehmen plant, Business Coaching zukünftig nicht mehr einzusetzen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass nur größere Unternehmen einen zukünftigen Einsatz planen. KMU, die bislang Business Coaching noch nicht einsetzen, planen dies auch für die Zukunft nicht. Auch hier ist ein Nachholbedarf zu konstatieren.
Nachholbedarf in der Vielfalt der Einsatzgebiete
Unsere Untersuchung ist im Einklang mit aktuellen Publikationen in Fachmagazinen, die zu dem Schluss kommen, dass neben tradierten Instrumenten der Personalentwicklung, wie Jahresgesprächen, Führungstrainings, Zielvereinbarungen oder Schulungen und Qualifizierungen, zunehmend das Instrument des Business Coachings im Rahmen der Personalentwicklung zum Einsatz kommt.
Abbildung 2
Einsatzgebiete für Business Coaching

Business Coaching ist als „Hilfe zur Selbsthilfe“ für Mitarbeiter durch psychologisch geschulte Coachs zu verstehen. Business Coaching bietet Hilfestellung bei Konflikten, anspruchsvollen Zielen, der Qualifizierung für neue Aufgaben, der Erweiterung persönlicher Ressourcen und Handlungsmöglichkeiten und bei der Überwindung eingefahrener Denk- und Handlungsmuster. Business Coachs sind als individuelle Begleiter, Förderer und Sparringspartner von Mitarbeitern bei Personalern und Führungskräften hoch angesehen.
Zeitgleich adressiert Business Coaching, vor dem Hintergrund einer sich ändernden Arbeitswelt, mit steigender Arbeitsbelastung und erhöhten Kommunikationsanforderungen, immer mehr Entwicklungsbereiche von Mitarbeitern. Während in der Vergangenheit Businness Coaching vor allem für Mitarbeiter mit Leistungsdefizit eingesetzt wurde, erfährt es heute auch zunehmend Anwendung als Personalentwicklungsinstrument für Potenzialträger, als Mobilisierungsinstrument selbstgestaltender Potenziale oder als Karriere-Coaching-Instrument zur Führungskräfteentwicklung und -bindung.
In Summe sind die Ziele die Unternehmen mit Business Coaching verbinden die Wiederherstellung, Stabilisierung und Weiterentwicklung der Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter im Kontext vielfältiger Problemsituationen in der Arbeitswelt. Gerade vor dem oben skizzierten Hintergrund der sich wandelnden Arbeitsmärkte und alternden Belegschaften erscheint Business Coaching als das Instrument der Wahl, wenn Mitarbeiter individuell entwickelt und an das Unternehmen gebunden werden sollen. Die Einsatzgebiete für Business Coaching sind vielfältig. In den von uns befragten Unternehmen wird Business Coaching für mannigfaltige Aufgaben- und Zielstellungen eingesetzt.
Auffällig ist, dass größere Unternehmen das Personalentwicklungsinstrument Business Coaching vorrangig bei Problemen der Mitarbeiterführung, der Übernahme neuer Aufgaben und der Übernahme von Führungsverantwortung einsetzen. Diese Einsatzbereiche gehören auch bei den KMU zu den Top-Nennungen, insgesamt gesehen werden sie bei diesen Anlässen in KMU jedoch deutlich weniger eingesetzt. Dies könnte der Tatsache geschuldet sein, dass es in KMU weniger Mitarbeiter mit Führungsverantwortung gibt und ein Aufgabenwechsel vielleicht auch in geringerer Häufigkeit passiert.
Abbildung 3
Einsatz von Business Coaching nach Hierarchie-Ebenen

Sehr interessant und auffällig ist, dass Business Coaching nur in sehr geringem Ausmaß bei Motivationsproblemen und nachlassender Arbeitsqualität und Arbeitsproduktivität bei Mitarbeitern Einsatz findet. Business Coaching eignet sich gerade bei diesen Problemstellungen in hervorragender Weise; hier haben Unternehmen große Potenziale bei der Personalentwicklung, die sie aktuell nicht ausschöpfen.
Unternehmen sind mit Business Coaching hochzufrieden
Etwa 75 Prozent der Unternehmen, die Business Coaching einsetzen, sind mit diesem Instrument der Personalentwicklung sehr zufrieden. 25 Prozent der Unternehmen sind zufrieden, und kein Unternehmen ist nicht zufrieden. Dennoch wird Business Coaching noch überwiegend sporadisch eingesetzt. Pro einhundert Mitarbeiter finden in der stark überwiegenden Zahl der Unternehmen zwischen zwei und fünf Business Coachings pro Jahr statt. In Einzelfällen kommt das Instrument jedoch auch bis zu zwanzig Mal pro Jahr und einhundert Mitarbeiter zum Einsatz.
In KMU wird Business Coaching vorrangig für Mitarbeiter mittlerer Hierarchiestufen eingesetzt, in größeren Unternehmen vorrangig in oberen und mittleren Hierarchien. Dies mag der Tatsache geschuldet sein, dass in KMU die obere Hierarchieebene oft nur aus ein oder zwei Mitarbeitern besteht.
Wird Business Coaching eingesetzt, so kommen in 100 Prozent der Unternehmen externe Coachs zum Einsatz. In 25 Prozent der Unternehmen wird zusätzlich auf interne Coachs zurückgegriffen. Business Coaching ist dabei in nahezu dreiviertel der Unternehmen prozessual im Ablauf, jedoch nicht in den Inhalten geregelt.
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Autor
Dr. Jens Knese, Business Coach und Unternehmensberater, Knese Consulting, Hannover,
knese@knese-consulting.de
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