Ausgabe 5 - 2014
Die Qual der Wahl
Active Sourcing – schön und gut. Aber wo kann ich suchen, wie unterschieden sich die Anbieter, und welche Tools führen zum passenden Kandidaten? Die bisher am meisten genutzen Sourcing-Kanäle sind die sozialen Business-Netzwerke Xing und Linkedin sowie die Lebenslaufdatenbanken der Jobbörsen und Karrierenetzwerke. Unser Beitrag stellt die Tools vor.
Active Sourcing ist eine der wichtigsten Methoden zum Aufspüren neuer Mitarbeiter. Soziale Business-Netzwerke zählen für Recruiter deshalb zu den bevorzugten Quellen für die Mitarbeitersuche. Da 28 Prozent der HR-Spezialisten der aktuellen Profilo Jobportalstudie die Lebenslaufdatenbanken der großen Jobbörsen und Karrierenetzwerke zur aktiven Kandidatensuche einsetzen, wird sich der Beitrag ebenso Experteer, Monster, Stepstone, Careerbuilder und Absolventa widmen. Dabei wird der Fokus auf gemeinsamen und interessanten Merkmalen liegen, denn die allermeisten Unternehmen nutzen für die Mitarbeiterbeschaffung sowieso mehrere dieser Sourcing-Kanäle gleichzeitig.
BranchOut, die Job-App in Facebook, spielt in Deutschland zurzeit noch keine Rolle, ebensowenig die Suche nach Kandidaten in Googles sozialem Netzwerk Google+, das aber international an Popularität zunimmt. Eine Anfrage bei Google nach den Plänen in diesem Umfeld wurde allerdings lediglich damit beantwortet, dass Google+ eine Social Media- und keine Recruiting-Plattform sei und darüber hinaus äußere man sich nicht weiter dazu. Die mangelnde Akzeptanz von BranchOut in Deutschland könnte möglicherweise damit zusammenhängen, dass viele Unternehmen durch ihre Social Media-Richtlinien bisher die berufliche Nutzung von Facebook ausschließen.
Noch nicht Normalität
Trotz vergleichsweise großer Akzeptanz sollte man im Auge behalten, dass das Gros der Unternehmen diese Form der Mitarbeitersuche noch nicht oder nicht regelmäßig einsetzt. Das bestätigt auch Andreas Schultejans, Partner von Promerit HR & IT Consulting. Er meint: „Active Sourcing ist ganz klar in den Unternehmen angekommen. Betrachtet man allerdings, wer davon Gebrauch macht“, so der Recruiting-Experte weiter, „lässt sich erkennen, dass das entweder größere Unternehmen oder auch die sogenannten Hidden Champions sind. In mittleren und – in viel geringerem Maße – in kleineren Unternehmen, findet diese Methode der Mitarbeitergewinnung bisher noch so gut wie überhaupt nicht statt.“ Er führt das unter anderem darauf zurück, dass ein neues Rollenverständnis von Recruitern oder Active Sourcern notwendig ist. In einem klassischen Rollenprofil des Personalers verfüge dieser in der Regel weder über die Zeit noch über die Expertise, um sich intensiv und aktiv damit auseinanderzusetzen.
Außer den rechtlichen Herausforderungen bei der Kontaktaufnahme mit potenziellen Kandidaten muss noch eine weitere Hürde im Active Sourcing überwunden werden. Es geht um die Aktualität der Daten. Häufig kommt es vor, dass ein potenzieller Kandidat seinen Lebenslauf nicht aktuell hält, die Stelle gewechselt hat oder gar nicht mehr an einer neuen Beschäftigung interessiert ist. Das verursacht unnötig Arbeit, Verdruss und kostet die Recruiter Zeit und das Unternehmen Geld. Um Missverständnisse und Fehleinschätzungen bei potenziellen Arbeitgebern zu vermeiden, sollten deshalb die Teilnehmer in den Netzwerken und die Kandidaten in den Datenbanken selbst für die Aktualität ihrer Daten sorgen. Wichtig in den sozialen Netzen seien deshalb, so Schultejans, die intelligente „Verschlagwortung“ der Profile für die interne Suche und die Auffindbarkeit der aktuellen Daten.
Mächtig Kosten und Zeit sparen
Je nachdem, ob eine spezielle Recruiting-, Bewerbermanagement- oder Talent Management Software eingesetzt wird, ob spezielle Abteilungen, Teams oder auch externe Spezialisten sich darum kümmern, kostet und dauert eine Stellenbesetzung unterschiedlich lang. Dr. Sebastian Dettmers, Geschäftsführer Stepstone Deutschland, bringt die hohe Kunst der aktiven Kandidatensuche auf den Punkt: „Für Recruiter ist es wichtig, mit möglichst effizientem Zeit- und Ressourceneinsatz den bestpassenden Kandidaten zu finden.“ Deshalb: Wer die Suche optimal durchführen will, sollte sich im Arbeitsumfeld des gesuchten Mitarbeiters auskennen, damit er die Such- beziehungsweise Filterkriterien präzise auswählen kann. Ute Richter, bei BASF für die Europäische Rekrutierung zuständig, ergänzt: „Für die BASF stellt die Breite der von uns gesuchten Profile eine große Herausforderung dar. Derjenige, der den Kandidaten anspricht, muss sich in dem Berufsfeld auskennen, um potenzielle Kandidaten zu identifizieren, anzusprechen und zu überzeugen.“ Und er sollte vor einer Suche genau spezifizieren, welche Person mit welcher Qualifikation gesucht wird.
Bei der Infineon Technologies AG konzentriert man sich bei Active Sourcing und im Talent Relationship Management beispielsweise auf die Schlüssel- und Engpass-Funktionen. Jeremy Hammond, Talent Attraction Manager bei Infineon, erklärt dazu: „Im Rahmen des Alignment Meetings mit dem Hiring Manager klären wir, wie spezifisch die gesuchten Qualifikationen sind, und wie schwierig es wohl werden wird, die Stelle zu besetzen - oder ob es eine strategisch bedeutsame Funktion ist. Wir betreiben Active Sourcing aber auch, um dem Fachbereich eine schnelle Marktübersicht zu geben, beispielsweise: Wie viele passende Kandidaten gibt es und wo sind sie zu finden?“ Der Vorteil der Business-Netzwerke liegt unter anderem in ihrer Interaktivität und der Vernetzung der Mitglieder untereinander. Das verschafft einen tieferen Einblick in die Aktivitäten und Qualifikation möglicher Kandidaten. In einer über mehrere Monate durchgeführten Studie der Deutschen Telekom, die den „Xing Talent Manager“ (XTM) einsetzt, fand man heraus, dass sich die Kosten, die zuvor für konventionelle Rekrutierungsmethoden anfielen, durch Active Sourcing erheblich reduzieren lassen. So konnte die Telekom durch gezieltes Active Sourcing die Besetzungskosten um 83 Prozent von durchschnittlich über 24 000 Euro pro Vakanz auf 4100 Euro verringern, und die Zeit zur Besetzung von Fachkraft-Stellen reduzierte sich von durchschnittlich 126 Tagen auf 31.
Die Business-Netzwerker
Während Xing in Deutschland das beliebteste soziale Business-Netzwerk ist, wenn es um die aktive Suche nach Mitarbeitern in Deutschland geht, kann Konkurrent Linkedin unter anderem mit seiner internationaleren Ausrichtung und Mitgliederstruktur punkten. Im September 2012 stellte Xing den XTM als Active Recruiting-Lösung zur Suche, Ansprache und Verwalten von Kandidaten vor. Das Linkedin-Pendant nennt sich „Linkedin Recruiter“. In beiden Lösungen können die Datenbankfelder nach vordefinierten Filtern und Suchkriterien oder per Freitextsuche über semantische Algorithmen durchforstet werden. Die Suchen werden bei beiden unter frei definierbaren Begriffen archiviert. Gefundene Kandidaten lassen sich in beiden Systemen miteinander vergleichen und die gespeicherten Suchen weiter verfeinern. Ein Mausklick auf den gefundenen Kandidaten öffnet jeweils das Profil im Netzwerk. Über automatische Mailbenachrichtigungen erhalten Recruiter Updates, wenn weitere Kandidaten gefunden werden, die den Suchergebnissen entsprechen. Die Ansprache der Kandidaten erfolgt per individualisierbarer Mailansprache.
Linkedin-Kunden können mit einem Kontingent von monatlich 50 sogenannten „InMails“ mittels Vorlagen individualisierte Anschreiben an Kandidaten versenden. Beide Systeme verfügen über Funktionalitäten zur Organisation und Verwaltung von Kandidatenstatus und Kandidatenkommunikation.

Recruiter können bei Linkedin nach potenziellen Kandidaten suchen und diese Projekte dort verwalten.

Im Karrierenetzwerk von Experteer können die Recruiter Kandidaten mit einem Gehalt ab 60 000 Euro finden.
Auf beiden Plattformen können Unternehmen (gegen Aufpreis) mit eigenen Profilen ihr Employer Branding umsetzen und Jobangebote einstellen. Das eigentliche Bewerben der Kandidaten erfolgt jeweils über einen entsprechenden Button entweder in der Unternehmenspräsenz auf der Plattform oder aber über die firmeneigene Karriereseite. Der Button dient zur individuellen Freigabe und Übernahme der in den Netzwerken abgelegten Profildaten.
Über die Funktion „Talent Pipeline“ lassen sich in Linkedin-Talente-Pools aufbauen. Hier sind, neben den in Linkedin gefundenen Kandidaten, einzelne Kontakte, Lebensläufe oder eine Tabelle aus anderen Lösungen importierbar. Diese können mit Tags versehen und miteinander abgeglichen werden. In der mobilen Anwendung „Check-In“, die in den Recruiter integrierbar ist, können Personalverantwortliche auf Veranstaltungen Lebensläufe und Karriereinformationen sammeln und verwalten. Über den Namen und die Mailadresse lassen sich die Applikanten in Linkedin identifizieren. Wer über kein Linkedin-Profil verfügt, kann die Checkin-Seite mit seiner E-Mail Adresse nutzen. Die erhobenen Informationen werden laut Linkedin automatisch in einem Recruiter-Projekt hinterlegt.
In Xing stehen in Kürze Suchfunktionen im XTM-Postfach und ein Lead Management für Personalberatungen zur Verfügung. Der Support ist in beiden Netzwerken im Preis inbegriffen, ebenso regelmäßig stattfindende Webinare. Seit Beginn des Jahres bietet Linkedin Personalverantwortlichen ein Trainingsprogramm mit Zertifizierung zum „Linkedin Certified Professional“ für den Bereich Social Media Recruiting an.
Lebenslauf- und Karrieredatenbanken
Die großen Jobbörsen und Karrierenetzwerke haben sich ebenfalls mit ihren Lebenslauf- und Kandidatendatenbanken und speziellen Werkzeugen zur Kandidatensuche auf die veränderten Bedingungen am Arbeitsmarkt eingestellt. Im Folgenden wird nur auf einige Active Sourcing-Funktionalitäten eingegangen. Zunächst unterscheiden sich die Datenbanken lediglich im Hinblick auf eine mögliche Spezialisierung auf bestimmte Berufsgruppen und den Umfang der hinterlegten Profile. Bei allen lässt sich die Suche nach Kandidaten mit Stellenanzeigen verknüpfen. Grundsätzlich ähneln sich in allen Datenbanken bestimmte Grundfiltermöglichkeiten, auch wenn sie gegebenenfalls unterschiedlich bezeichnet werden. Filter wie Name, Vorname, Wohnort, Ausbildung, Berufserfahrung und Fachkenntnisse finden sich bei allen. Jeder Anbieter versucht indessen, sich mit einer Vielzahl individueller Filtermöglichkeiten und Funktionalitäten vom Wettbewerb abzuheben. Ebenso durch die Preisgestaltung, die beispielsweise eine unterschiedliche Anzahl von Suchvorgängen und Anzeigen oder Kombi-Angebote beinhaltet.
Die Datenbank von Absolventa enthält – anders als die übrigen Anbieter – auch spezifische Filter wie Studienabschluss, Studiengang, Universität oder Praktika in Monaten. Kontaktanfragen per Mail an die Kandidaten werden hier innerhalb von zehn Tagen dreimal wiederholt, und das Serviceteam telefoniert regelmäßig mit den Kandidaten und erinnert an offene Kontaktanfragen.
Experteer, die Kandidaten ab einem Jahresgehalt von 60 000 Euro in ihre Datenbank aufnehmen, stellt zusätzlich eine Freitextsuche mit der Bezeichnung „FastIdent“ zur Verfügung; Recruiter können weitere freie Suchparameter hinzufügen. Auch die Filter „aktiv“, „passiv“ und „aktuell nicht suchend“ stehen – ebenso bei einigen Wettbewerbern – zur Verfügung. Ausgeführte Suchen lassen sich archivieren, die Ergebnisse miteinander vergleichen und bewerten und die weitere Kandidatenkommunikation managen. Benachrichtigungsmails informieren bei allen Anbietern über neue Kandidaten, die zu gespeicherten Suchen passen. Seit April verfügt Experteer über Schnittstellen zu den Bewerbermanagement-Systemen von Hunter, Meffert und Bitwerk.
Auch Careerbuilder bietet die Freitextsuche in allen Lebensläufen. Die Übernahme der Daten – inklusive Lebenslauf – in andere Systeme wird laut Anbieter durch eine Schnittstelle sichergestellt, auch wenn Careerbuilder ein eigenes Bewerbermanagementsystem zur Verfügung stellt, von dem aus sich in der Lebenslaufdatenbank suchen lässt.
Wer bei Monster sucht, findet Kandidaten mittels „6Sense“-Technologie, die laut Anbieter Suchanfragen inhaltlich verstehen, interpretieren und intelligent miteinander vergleichen kann.
Seit Kurzem bietet Monster den „Monster Consultancy Service“ (MCS) als Active Sourcing-Service, der das Screening aus den Datenbanken Experteer, Linkedin, Monster und Xing und das Bewerbermanagement übernimmt.
Auch beim Konkurrenten Stepstone erfolgt die Suche in deren „DirectSearch Database“ (DSDB) über semantische Suchalgorithmen. Erledigte Suchen werden im Profil Manager abgelegt und von dort aus gemanagt. Bei Stepstone werden eingehende Mails mit neuen, zu den gespeicherten Suchen gefundenen Kandidaten in deren Profil-Agent abgelegt. Ein interessantes Such-Feature sind die Niveauregler für Sprachen- und Fachkenntnisse: Je weiter man sie nach rechts verschiebt, umso höher werden die Anforderungen (über Anwender-Erfahrungen mit der DSDB siehe auch die Seiten 32-33 in diesem Heft).
Grundsätzlich gilt bei allen: Je präziser die Vorstellungen über die gesuchten Kandidaten sind, umso genauer lassen sie sich über die Filter eingrenzen und damit die Trefferquote optimieren. Gefundene Kandidaten können bei allen Datenbanken per Mausklick über Mail kontaktiert werden. Besonders wichtig: Wer die Daten aus den Datenbanken übernehmen will, der sollte prüfen, ob und gegebenenfalls wie eine Datenübernahme in bestehende Bewerbermanagement- oder andere HR-Systeme möglich ist.
Auch der HR-Softwaremarkt reagiert auf diese Veränderungen. Einige Jobbörsen und Lebenslaufdatenbank-Betreiber bieten Apps für das mobile aktive Rekrutieren. In den Systemen der Talent- und Bewerbermanagement-Softwareanbieter, bei Cornerstone, Milch & Zucker, Softgarden und anderen, finden sich mittlerweile Funktionen zum Import von Kandidatendaten aus den sozialen Businessdatenbanken. Ähnliche Funktionen gibt es bei Herstellern von Candidate Relationship oder Talent Relationship Management-Lösungen, wie beispielsweise „Avature“, „Talent Bin“ und anderen.
Markt passt sich an
Insgesamt passt sich dieser Anbietermarkt mit immer neuen und pfiffigen Features weiter den veränderten Rekrutierungs-Anforderungen an. Hier verstecken sich auch die wettbewerbsrelevanten Unterscheidungsmerkmale, wobei klar zwischen den sozialen Business-Netzwerken und den Lebenslaufdatenbanken unterschieden werden muss. Neben der Interaktion und der zwischen einzelnen Teilnehmern in diesen Netzen stattfindenden Kommunikation, Gruppenzugehörigkeiten und anderen sich ständig verändernden Inhalten haben sie noch einen weiteren Vorteil gegenüber den reinen Lebenslaufdatenbanken: Man kann feststellen, wer mit wem vernetzt ist. Das kann die Ansprache des selektierten Kandidaten vereinfachen, wenn jemand aus dessen Netzwerk im suchenden Unternehmen angestellt ist und dieser Mitarbeiter gegebenenfalls den Kandidaten persönlich anspricht. Die Möglichkeit der gezielten Suche und Ansprache von Kandidaten führt zukünftig dazu, die Position des Active Sourcers möglichst durch eigene Recruiter und nicht mehr durch externe Dienstleister zu besetzen.
Autor
Ulli Pesch, freier Journalist, Kirchheim-Heimstetten
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