Ausgabe 5 - 2014
Hilfreich, aber ausbaufähig
Die aktive Suche nach passenden Mitarbeitern führt häufig zum Xing Talentmanager oder zur Direct Search Database von Stepstone. Unser Autor hat beide getestet und teilt hier seine Erfahrungen mit.
Für die heutige Generation von Recruitern ist ein Arbeiten ohne moderne Medien, Datenbanken und Internet nur noch schwer vorstellbar. Der Markt ist rasant. Er lechzt nach schnellen Entscheidungen und nach passgenauen Lösungen. Es werden die unterschiedlichsten Wege beschritten, und früher oder später gelangt man so auch zu sozialen Netzwerken und ausgeklügelten Datenbankprojekten von Online-Jobbörsen. Hier kann dann das Active Sourcing nach passenden Mitarbeitern beginnen.
Nicht alle outen sich als wechselwillig
In den letzten Monaten testete ich als Recruiter den Xing-Talentmanager und die Direct Search Database von Stepstone und konnte dabei eine Menge lernen über den aktuellen Stand des Active Sourcing. Vorab muss gesagt werden: Der Support beider Anbieter ist sehr gut. Die Ansprechpartner sind geschult und kurzfristig erreichbar. Das Gleiche gilt für die Schulung der Recruiter, welchen bei beiden Portalen kostenfreie und intensive Webinare angeboten werden. Bei Xing – als Plattform beruflicher und professioneller Vernetzung – bietet man nun den Talentmanager an. Hier kann man in einer Suchmaske mittels verschiedener Kriterien nach den passenden Kandidaten suchen. Eigene Projekte können angelegt und dort alle interessanten Personen gespeichert werden. Auch der Status des Projektes kann eingetragen und die Kontakthistorie nachempfunden werden. Das alles gibt es zu einem moderaten Preis.
Die Probleme bei der Talentsuche in Xing offenbaren sich auf anderen Ebenen. So ist Xing in erster Linie ein Vernetzungsportal, in welchem man seine Businesskontakte aufnehmen und sein eigenes Profil pflegen kann. So handelt es sich nur bei einigen Personen um Kandidaten, die wechselbereit oder auf Jobsuche sind und dies auch in ihrem Profil vermerken. Dies tun aber nicht alle, unter anderem, weil sie gleichzeitig mit ihren Vorgesetzten auf Xing vernetzt sind und daher ihr Wechselinteresse nicht offenlegen. So kann man zwar auf große Datenbestände zurückgreifen, muss aber gleichzeitig feststellen, dass nur ein geringer Prozentsatz der weltweit 14 Millionen Mitglieder Interesse an einer Vermittlung hat.
Fallstricke auf dem Weg zum richtigen Kandidaten
Ganz anders stellt sich dies bei Stepstone dar. Wer sich hier registriert, der hat Interesse an einem beruflichen Wechsel. Die Datenbank ist mit über 380 000 Kandidaten sehr gut gefüllt, und im Gegensatz zu Konkurrenzangeboten anderer Online-Jobbörsen ist auch der finanzielle Rahmen vernünftig gesteckt.
Doch auch hier gibt es Fallstricke, die nicht immer auf den ersten Blick erkennbar sind. Das Bild, welches man in der Suchliste bekommt, gibt nur wenige Informationen über den Kandidaten preis. Den Rest der Informationen bekommt man nur, wenn man auf das Profil klickt – und damit sein bereits bezahltes Kontingent an Profilaufrufen beschneidet.
Sieben Fallstricke lassen sich feststellen:
1. Die Datenbank verwaltet einen gewissen Anteil von Karteileichen. Offenbar gibt es keinen Mechanismus, der Personen nach einer gewissen inaktiven Zeit aus der Datenbank löscht. Ich stieß während meiner Recherchen zum Beispiel auf ein Profil, auf welchem sich der Kandidat das letzte Mal am 12. August 2007, also vor circa 6,5 Jahren, angemeldet hatte. Ohne Angabe, was die Person in dieser langen Periode beruflich gemacht hat und ob sie überhaupt noch wechselbereit ist, stellt sich das Profil für den Recruiter als wertlos heraus.
2. Für Arbeitgeber ist das Alter eines Kandidaten ein Schlüsselkriterium. Es liegt in der Regel irgendwo zwischen dem erfolgreich absolvierten Studium und dem Renteneintrittsalter. In der Datenbank befinden sich jedoch auch Kandidaten, die diesen Erwartungen entgegenlaufen. So stieß ich bei meinen Recherchen zum Beispiel auf eine Person, deren Alter bei 69 Jahren lag. Eine solche Person ist natürlich nicht mehr vermittelbar. Besonders negativ entpuppte sich hierbei, dass das Alter erst bei den angehängten Bewerbungsunterlagen einzusehen war und somit das Profil bereits ausgewählt und bezahlt wurde.
3. In einigen Fällen offenbarten sich deaktivierte Profile. Diese Deaktivierung war in der Trefferliste nicht ersichtlich. Neben der Frage, ob es zulässig ist, in einem solchen Fall das Profil abzurechnen, entsteht die Frage, welchen Sinn, außer eine besonders hohe Anzahl verfügbarer Kandidaten zu suggerieren, ein Verbleib von deaktivierten Profilen in der Datenbank hat.
4. Auch anonyme Profile existieren. In solchen Fällen bekommt man zwar Informationen zu den Kandidaten, jedoch in völlig anonymisierter Form. Das heißt, im Gegensatz zu den Profilen, in welchen die Personen namentlich genannt werden und Kontaktmöglichkeiten anbieten, kann man nicht in direkten Austausch mit den Kandidaten treten. Dies geht dann ausschließlich über Stepstone. Gerade wenn Stellen schnell besetzt werden müssen, ist diese Form der Kontaktaufnahme zu zeitaufwendig. Die Anonymität eines Profils in der Liste kann erkannt werden, jedoch nur dann, wenn dieser Fakt dem Suchenden bekannt ist und er sich darauf konzentriert.
5. Ebenfalls vorhanden sind Doppelaccounts. Da die Namen und eventuelle Profilbilder der Kandidaten erst beim Anwählen eines Profils erscheinen, kann ein Doppelaccount in einigen Fällen durch Vergleich der frei angebotenen Ansicht zwar erahnt, aber nicht wirklich verifiziert werden. Doppelaccounts verfälschen zudem die Gesamtzahl der in der Datenbank verfügbaren Profile und können zu erhöhten Kosten für den Kunden führen.
6. Viele Recruiter erwarten von einer Datenbank ein hohes Maß an schnell vermittelbaren und frei verfügbaren Kandidaten. Stepstone hat sich hier jedoch, zumindest in bestimmten Branchen, zu einem internationalen Sammelbecken entwickelt, was nationale Vermittler möglicherweise nicht bedenken. So gibt es eine Anzahl von Kandidaten ohne deutsche oder europäische Nationalität, die ihren Wohnort auch nicht in Deutschland haben. Dies führt dazu, dass im Falle einer Zusage erst Visa- und Arbeitserlaubnisanträge gestellt werden müssen, was einen erheblichen zeitlichen Aufwand bedeutet. Zudem hat eine Vielzahl dieser Kandidaten keine oder nur sehr geringe Deutsch-Kenntnisse (ein weiteres schwieriges Unterfangen, weil die Kandidaten ihre Sprachkenntnisse nicht nach dem europäischen Referenzrahmen einordnen müssen, sondern selbst einschätzen, was regelmäßig zu falschen Angaben führt). Dies schließt sie für fast alle Fach- und Führungspositionen innerhalb der deutschen Wirtschaft aus.
7. Die meisten Arbeitgeber sind sich bei der Kandidatensuche darüber bewusst, wieviel Erfahrung sie vom jeweiligen Bewerber erwarten. Während sich in der beruflichen und fachlichen Welt als Konsens etabliert hat, dass zwar eine wissenschaftliche Mitarbeit als Berufserfahrung gilt, gilt dies gleichwohl nicht für Praktika, Masteranden- und Diplomandenzeiten. In der Stepstone-Datenbank gibt es aber genau solche CVs einzusehen – die unter Berufserfahrung ausschließlich Praktika und Arbeiten vor dem Abschluss des Hochschulstudiums enthalten und damit die tatsächlich gewählten Suchparameter untergraben.
Austausch von Anbietern und Recruitern wünschenswert
Alles in allem entwickelt sich der Markt rasant, und ohne den Einsatz von Kandidatendatenbanken, Online-Jobbörsen und Netzwerken, die schon heute zum Handwerkszeug nahezu aller Recruiter gehören, wird in Zukunft die ziel- und zeitgerechte Vermittlung von Kandidaten in einer globalen Arbeitswelt nicht mehr möglich sein.
Viele der Angebote stehen erst am Anfang und können optimiert und verbessert werden. Dies kann am besten in einem Austausch zwischen Anbietern, Kandidaten und Vermittlern geschehen. In diesem Sinne soll auch dieser Erfahrungsbericht gesehen werden: nicht als Verriss der bestehenden Angebote, sondern als konstruktive Kritik, die es ermöglichen soll, Missstände auszuräumen und die Tools der Vermittlung kalibrieren zu helfen.
Autor
Marius Kettmann, Recruiting Specialist, Gennicoo Engineering Services, Wuppertal,
marius.kettmann@gennicoo.com
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