Ausgabe 5 - 2014
Den eigenen Anspruch durch Flexibilität einlösen
In der HR-Funktion gibt es trotz zunehmender Engpässe auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor Vorbehalte gegenüber Interim Management. Dessen Potenziale können jedoch dann am besten genutzt werden, wenn HR die Auswahl des Interim Managers, dessen Onboarding und seinen Ausstieg aktiv gestaltet.
In den vergangenen Jahren ist der Arbeitsmarkt in Deutschland deutlich flexibler geworden. Befristete Beschäftigungsverhältnisse, Zeitarbeit, Werkverträge und freie Mitarbeit gehören längst zu den Standardinstrumenten im HR Management, um flexibel auf interne und externe Anforderungen reagieren zu können. Auch das Interim Management ist ab den neunziger Jahren gewachsen.
Nach Angaben der Dachgesellschaft Deutsches Interim Management (DDIM) lag das Honorarvolumen im Interim Management im Jahr 2002 bei 80 Millionen Euro. In 2013 dagegen bereits bei knapp 1,2 Milliarden Euro. Für 2014 erwartet der DDIM ein weiteres Wachstum. Zu diesem Schluss kommt auch die Ludwig Heuse GmbH, die als Interim Management Provider in diesem Jahr erneut Manager auf Zeit befragt hat. Danach prognostizieren diese ihre Aussichten für 2014 so positiv wie seit Langem nicht mehr.
Vorbehalte von HR
Zu den Branchen, in denen Interim Manager vergleichsweise häufig eingesetzt werden, gehören mit Automotive, Maschinen- und Anlagenbau sowie IT & Telekommunikation diejenigen, die personalpolitisch als relativ flexibel eingestuft werden können.
Zu den wichtigsten Aufgaben, die Manager auf Zeit bewältigen, zählen die Themen Krise, Restrukturierung, Projekt- und Programm-Management und Effizienzverbesserung, die Überbrückung von Vakanzen, die Beschaffung von spezifischem Know-how sowie die Erweiterung personeller Kapazitäten. Eingesetzt werden Interim Manager dem Arbeitskreis Interim Manager Provider (AIMP) zufolge vor allem als Projektleiter (20 Prozent) sowie auf der ersten (18 Prozent) und zweiten (31 Prozent) Führungsebene.
Dass der Personalbereich nach dem Generalmanagement sowie neben Controlling und Produktion/Technik inzwischen mit zu den häufigsten Einsatzbereichen von Interim Managern gehört, täuscht nicht darüber hinweg, dass unter HR Managern Vorbehalte gegenüber dem Instrument verbreitet sind. Davon zeugt die Studie „Quo vadis HR Interim Management?“, die an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt entstanden ist. Danach gaben nur 14 Prozent der HR Manager mittelständischer Unternehmen an, Interim Manager in der Personalabteilung einsetzen zu wollen.
Engpässe zwingen zum Handeln
Ein Grund für die Skepsis ist der Anspruch von HR, Linienfunktionen dauerhaft besetzen zu können. Eine vakante Position ad hoc und zugleich langfristig besetzen zu können, wird mit zunehmenden Engpässen auf den Arbeitsmärkten aber immer schwieriger zu erfüllen sein. Unsere Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass Interim Manager inzwischen häufig auch mit der Aufgabe betraut werden, für die Zeit nach ihrem Mandat einen geeigneten Nachfolger mitzusuchen.
Der Anspruch von HR stöß auch dann an Grenzen, wenn für eine zeitlich begrenzte (Projekt-) Aufgabe intern keine Personalkapazitäten frei oder die notwendigen Kompetenzen nicht vorhanden sind. Ein Beispiel sind die Stadtwerke Troisdorf, die ihren IT-Bereich einem Fitness-Check unterzogen, optimiert und schließlich ausgelagert hat. Statt auf eigenes Know-how zurückgreifen zu können, haben die Stadtwerke für die Optimierung der IT und deren Auslagerung von 2010 bis 2013 einen Interim Manager beauftragt. „Uns war sehr schnell klar, dass wir für diese Aufgaben einen Interim Manager brauchen“, erklärt Stefanie Menze, seinerzeit Bereichsleiterin für Personal, Organisation und IT bei den Stadtwerken Troisdorf. Beim Thema Interim Management „blockt HR oft ab“. Diese Erfahrung hat Axel von Varnbüler gemacht, der verschiedene Personalleitungsfunktionen bei Siemens begleitet hat und seit 2012 in der Dräxlmaier Gruppe als Festangestellter das internationale HR Management aufbaut. Für den Personalbereich zeuge die Beauftragung eines Interim Managers vermeintlich von Schwäche und zeige, nicht ausreichend für eigenen Nachwuchs gesorgt oder sich nicht erfolgreich auf dem Markt umgeschaut zu haben.
„Für mich gehört Interim Management unbedingt in den Werkzeugkasten eines Personalbereichs, der flexibel reagieren will“, sagt von Varnbüler, der nach seiner Zeit als Festangestellter bei Siemens für den Technologiekonzern in Asien als Interim Manager eine Vakanz überbrückt hat.
Das Argument der höheren Kosten
Bei den Vorbehalten von HR gegenüber Interim Management spielen zwei weitere Aspekte eine Rolle. Das Kostenargument und die Befürchtung, dem Unternehmen gehe mit dem Weggang des Interim Managers Wissen verloren. Das (Tages-) Honorar eines Managers auf Zeit orientiert sich in der Regel am Bruttogehalt eines vergleichbaren Festangestellten.
Allerdings sind bei einem Festangestellten zusätzlich Lohnnebenkosten, Benefits und Gewinnbeteiligungen zu berücksichtigen. Das Argument der höheren Kosten, die ein Interim Manager verursache, relativiert sich damit zumindest. Hinzu kommt, dass weder die Rekrutierung eines Interim Managers noch die mögliche Trennung für das Unternehmen mit Kosten verbunden ist.
Interim Manager sollten nur dann beauftragt werden, wenn auf den obersten Führungsebenen oder im Rahmen eines Projekts wirklich anspruchsvolle und kostenintensive Herausforderungen zu bewältigen sind oder eine werthaltige vakante Position vorübergehend zu besetzen ist. Interim Manager, die schnell wirken können, sind potenziell in der Lage, Amortisationsraten in Höhe von Faktor fünf bis zehn zu realisieren.
Auswahl ist originäre HR-Aufgabe
Originäre Aufgabe der HR-Funktion ist die professionelle Suche und Auswahl von Personal. Dies gilt auch für Interim Manager, die sich aufgrund ihrer Persönlichkeit schnell integrieren können müssen. „Es muss passen“, sagt Stefanie Menze, die heute die Abteilung Personal der Stadtwerke Troisdorf leitet. Der von den Stadtwerken gesuchte IT-Interim Manager habe neben seinen Fach- und Methodenkenntnissen sowie seiner Erfahrung in die auf gegenseitige Unterstützung, Vertrauen und Transparenz beruhende Kultur passen müssen.
Um Passgenauigkeit und soziale Kompetenzen valide überprüfen zu können, sollte seitens HR für zeitlich befristete Managementeinsätze ein Anforderungs- und Kompetenzprofil definiert und die Auswahl nicht persönlichen Netzwerkbeziehungen überlassen werden. Das ist alles andere als selbstverständlich. In der Praxis werden Interim Manager häufig an HR vorbei ins Unternehmen geholt. Auf C-Level sollte Interim Management Chefsache bleiben, aber unterstützt und koordiniert von HR.
Bei der Suche und Auswahl können Provider und Sozietäten helfen, die ihrerseits an die Mitgliedschaft von Interim Managern bestimmte Kriterien anlegen und diese in einem strukturierten Prozess überprüfen sollten. Suchen Unternehmen dagegen auf eigene Faust, sollten sie sich sicher sein, dass die Personalabteilung über die für eine professionelle Auswahl von Personal nötige Kompetenz verfügt und Zugriff auf eine ausreichend große Zahl potenzieller Interim Manager hat.
Die Spreu vom Weizen trennen
Wird ein Dienstleister eingeschaltet, sollte er die Spreu vom Weizen trennen können. Im Unterschied zu Providern, die teilweise über Pools mit mehreren tausend Kandidaten verfügen, umfassen Sozietäten mit assoziierten Managern und Partnern eine vergleichsweise kleine Zahl an Interim Managern. Dies erleichtert den Einsatz von validen Auswahlinstrumenten bis hin zum AC und die Option der Partnerschaft nach erfolgreichen Projekten.
Am Ende muss sich ein Unternehmen jedenfalls darauf verlassen können, dass ihm nur Kandidaten präsentiert werden, von deren Kompetenz und Passgenauigkeit der Dienstleister überzeugt ist. Dies ersetzt nicht strukturierte Auswahlgespräche, die das beauftragende Unternehmen in Gestalt von HR und dem Auftraggeber mit zwei bis drei der präsentierten Kandidaten selbst führen sollte.
Zu den von HR zu gestaltenden Aufgaben im Interim Management gehören auch das Onboarding und die Integration des Managers. Dabei muss bereits im Vorfeld genau definiert werden,
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welche Aufgaben und Ziele dieser hat,
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wie er in die Organisation eingeordnet ist,
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an wen er wie und in welchen Abständen berichtet und
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wie er sich mit seinem Auftraggeber abzustimmen hat.
In der Folge gilt es den Einsatz des Interim Managers durch Bereitstellung der nötigen Infrastruktur vorzubereiten und zu kommunizieren. Dabei sollte der Interim Manager seinem Auftraggeber in der Fachabteilung, seinen Mitarbeitern und wichtigen Stakeholdern vorgestellt werden.
Auf C-Level führt der Vorstand beziehungsweise der Geschäftsführer den Interim Manager ein. „HR sollte dazu beitragen, dass der Interim Manager akzeptiert und unterstützt wird. Auch und gerade beim Betriebsrat“, berichtet Stefanie Menze von ihren Erfahrungen. Bei der Optimierung und Auslagerung der IT habe HR den Kontakt zum Betriebsrat vermittelt und die Basis für eine gute Zusammenarbeit geschaffen.
Wissen und Erfahrungen aktiv nutzen
Die Gefahr, dass mit dem Ende des Einsatzes eines Interim Managers auch das während des Mandats gewonnene Wissen dem Unternehmen nicht mehr zur Verfügung steht, ist begrenzt und zudem vermeidbar. Interim Manager sind Umsetzungsspezialisten. Als solche sind sie auf die Unterstützung ihrer Mitarbeiter in der Linie oder im Projekt angewiesen. Die Mitarbeiter können sich daher ebenso wie der Manager während des Mandats weiterentwickeln und von seinen Erfahrungen profitieren. Wie etwa im Rahmen von Auslagerungen bei Anbieter-Verhandlungen, um eine sozialverträgliche Lösung für die Mitarbeiter zu erzielen.
Zum Teil ergibt sich qua Auftrag eine enge Verbindung von HR und Interim Manager. So umfasst bei Restrukturierungen durch einen CRO oder im Projekt häufig ein Teilprojekt die Aufgabe des Change Managements, für das HR die operative Verantwortung trägt. Ein enger Schulterschluss und eine aktive Unterstützung durch die Personalfunktion sind explizit dann gefordert, wenn der Manager auf Zeit klassische Personalthemen anstößt (Entwicklungsbedarf, Rekrutierungsbedarf, Schlechtleister, Abbau et cetera).
In der Linie kann der Interim Manager solche Themen nur in Abstimmung mit HR umsetzen. Als Projektverantwortlicher führt die Umsetzung über die jeweiligen Vorgesetzten zu HR. Gegebenenfalls und bei erheblichen Widerständen auch über den Lenkungsausschuss eines Projekts. Selbst wenn HR dort keine operative Verantwortung trägt, sollte die Funktion die Möglichkeit nutzen, an den Reports des Interim Managers teilzunehmen und an seinen Erfahrungen zu partizipieren. Manager auf Zeit agieren losgelöst von internen Karriereüberlegungen und können sich unabhängig von organisationspolitischen Restriktionen äußern. Das birgt wertvolles Informationspotenzial in sich.
Dies gilt auch für Feedbacks in der Phase des Ausstiegs, in der abschließend zu klären ist, wo der Interim Manager welche aufgabenrelevanten Dokumente hinterlegt und wer darauf Zugriff haben soll. Berührt dies noch stark die Fachabteilung, bildet die Frage nach einem Nachfolger eine originäre Personalaufgabe.
Der Interim Manager liefert HR durch seinen Blick von außen wertvolle Erkenntnisse über die Organisation und deren Kultur. Mit dem Personalbereich kann der Interim Manager auch erörtern, welches Profil sein Nachfolger haben sollte und wer aus der (Projekt-) Gruppe dafür geeignet sein könnte. Um die während eines Mandats gesammelten Erfahrungen gezielt weiterzugeben, empfiehlt sich außerdem, einen Nachfolger parallel zum Mandat und durch den Interim Manager einzuarbeiten.
Autoren
Jens Christophers, Gründer und Vorstand, taskforce AG, Münster,
jens.christophers@taskforce.net
Lennart Koch, Gründer und Vorstand, taskforce AG, München,
lennart.koch@taskforce.net
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