Ausgabe 5 - 2014
Eine bunte Truppe führen
Schicht- und Fachgebietsleiter in der Produktion werden – was ihre Qualifizierung als Führungskräfte angeht – oft stiefmütterlich behandelt. Ein Fehler, ist doch gerade das Führen von Mitarbeitern auf der Shopfloor-Ebene eine herausfordernde Aufgabe, die viel Fingerspitzengefühl erfordert.
Viele Unternehmen vernachlässigen die Ausbildung ihrer Führungskräfte auf der operativen Ebene – wie Industriemeister und Schichtleiter. Denn ihr Management unterschätzt oft, wie herausfordernd der Job „Führen von Fachkräften in der Produktion und von Maschinenbedienern“ ist. Für Stefan Mayer, Werksleiter der Hochland Deutschland GmbH in Schongau, ist das anders. Er weiß als Molkereimeister aus eigener Erfahrung, wie anspruchsvoll das Führen von operativen Mitarbeitern ist. Für ihn war die theoretische Ausbildung zur „Menschenführung“ an der Meisterschule nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Das registriert man auch im Betriebsalltag immer wieder: Zum Beispiel trauen sich viele Schichtleiter nicht, eigenständig Kritikgespräche zu führen. Also ziehen sie ihre Vorgesetzten wie Betriebs- oder Werksleiter hinzu. Aus diesem Grund hat Stefan Mayer für seine Führungskräfte aus Produktion und Technik ein Programm aufgelegt.
Sehr viele knifflige Aufgaben
Von Schicht- und Fachgebietsleitern wird sehr viel verlangt. Sie stehen bei ihrer Führungsarbeit häufig vor Führungsfragen, für die es keine einfachen Antworten gibt.
Zum Beispiel:
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Wie halte ich die leistungsstarken Mitarbeiter bei der Stange, und wie gehe ich mit den schwächeren in meiner Schicht um?
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Wie gehe ich mit Konflikten und persönlichen Animositäten zwischen den Mitarbeitern um?
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Wie gehe ich mit Kommunikations- und Abstimmungsproblemen um, die aus mangelnden Deutschkenntnissen resultieren?
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Wie reagiere ich, wenn ein Mitarbeiter schlapp zur Arbeit kommt, weil am Wochenende Party war?
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Wie spreche ich mangelndes Sozial- und Leistungsverhalten so an, dass sich der Kollege nicht am nächsten Tag krank meldet?
Eine bunt zusammengewürfelte Truppe
Auf der Produktionsebene trifft sich ein „buntes Volk“: Facharbeiter und Angelernte, Festangestellte und Zeitarbeiter, Eigenbrötler und Selbstdarsteller, Familienväter und alleinerziehende Mütter, Menschen unterschiedlichster Nationalität und Sprache, Jung und Alt.
Und die Schicht- und Fachgebietsleiter? Sie müssen diese heterogene Gruppe zusammenhalten. Sie müssen für Ausgleich und Verständnis sorgen und Streit schlichten. Sie sollen Entscheidungen des Managements umsetzen, an denen sie meist nicht beteiligt waren. Sie müssen Sicherheits- und Qualitätsregeln durchsetzen und Störungen schnell beheben. Sie unterweisen Mitarbeiter und arbeiten sie ein. Sie führen Besprechungen und streben kontinuierliche Verbesserungen an. Sie müssen alle bei Laune halten, selbst wenn die Arbeit laut, monoton und stressig ist. Und: Über allem stehen die Produktionsziele, die sie im Blick haben und erreichen sollen.
Für Stefan Mayer bedeutet „Führung in erster Linie, einen offenen, vertrauensvollen Umgang mit den Mitarbeitern zu pflegen. Erst wenn das Vertrauen der Mitarbeiter zu ihren Führungskräften gewachsen ist, sind sie auch bereit, mit konstruktiver Kritik umzugehen. Dieser vertrauensvolle Umgang hat sich im Qualifizierungsprogramm entwickelt“.
Definierte Prozesse ersetzen Führung nicht
Manager sind im Alltag meist von „Wissensarbeitern“ umgeben, die anders ticken als Produktionsmitarbeiter. Maschinenbediener, Packer, Werkzeugmacher müssen und wollen anders geführt werden als Informatiker, Betriebswirte, Ingenieure und Marketingexperten.
Viele Manager hoffen: Standardisierte Prozesse und Verfahrensanweisungen erleichtern unseren Meistern die Führungsarbeit. Das tun sie auch. Doch überall dort, wo es menschelt, helfen die saubersten Prozessbeschreibungen nicht weiter. Was am Ende zählt, ist die Führungspersönlichkeit des Schichtleiters und sein klares Rollenverständnis.
Abbildung
Training „Führung kompakt“ in der Übersicht

Eine fundierte Qualifizierung hilft, die individuelle Entwicklung der Meister und Schichtleiter zu fördern. Mehrere Bausteine vermitteln die notwendigen Grundlagen und helfen, dem anspruchsvollen Job gerecht zu werden.
Mitarbeiter in der Produktion schätzen Klartext mehr als langatmige Besprechungen. Und sie respektieren Vorgesetzte, die vormachen können, wie der richtige Handgriff geht. Wer als Schichtleiter fachliche Schwächen zeigt, im Gespräch nicht auf den Punkt kommt und Konflikten ausweicht, bekommt bei ihnen schnell keinen Fuß mehr auf den Boden.
Schichtleiter müssen zudem selbstverständlich mit anpacken, wenn Not am Mann ist – in Urlaubszeiten oder bei Engpässen. Deshalb begreifen und verstehen sich viele nicht als „Führungskraft“. Wer gleich nach der ersten Ansage als Schichtleiter hört „Jetzt hänge mal nicht den Boss raus, früher hast du auch auf die Firma geschimpft“, braucht viel Courage und Rollenklarheit, um keinen Rückzieher zu machen. Wie man sich Respekt als Führungskraft erwirbt, konnten die Teilnehmer im Programm lernen.
„Um mit Aussagen von Mitarbeitern, aber auch von Vorgesetzten richtig umgehen zu können, muss sich eine Feedbackkultur entwickeln“, betont Stefan Mayer. „Erst wenn diese Kultur verinnerlicht ist, gelingt es einem Schichtleiter, angemessen mit Problemen umzugehen. Daraus abgeleitet entwickelt sich dann auch der Respekt, den sich der Schichtleiter erst verdienen muss. Respekt ist nichts, was man anhand der hierarchischen Führungsposition automatisch erlangt.“
Sandwich-Position erfordert Rollenklarheit
Schichtleiter wirken am Puls des Unternehmens. Gute Meister haben einen enormen Einfluss auf die Motivation und Produktivität. Sie vertreten das Unternehmen an einer zentralen Stelle – nämlich dort, wo die Wertschöpfung erfolgt. Sie können positiv auf die Stimmung und Loyalität der Mannschaft einwirken und dem Management spiegeln, wo der Schuh drückt. Keine andere Führungsebene ist täglich mit so vielen Mitarbeitern im Kontakt. Sie erklären, begründen, übersetzen die Ziele und repräsentieren die Werte und Kultur des Unternehmens. Wenn die operativen Führungskräfte hinter einer Entscheidung stehen, dann gehen auch die Mitarbeiter mit.
Immer vorausgesetzt, sie werden als Führungskräfte respektiert und nicht als Kumpel, Ausputzer oder Hilfssheriff des Betriebsleiters gesehen. Die Basis dafür ist Führungspersönlichkeit. Ohne menschliche Reife, Gelassenheit, Fingerspitzengefühl, eine klare Kommunikation und Interesse an Menschen erreicht man beim Führen auf der Shopfloor-Ebene dieses Ziel nicht. Entsprechend wichtig ist die Auswahl der richtigen Personen als Führungskraft. Doch dies schafft nur die Basis. Danach gilt es, durch eine fundierte Qualifizierung die individuelle Entwicklung der Meister und Schichtleiter zu fördern.
Schichtführer lernen anders
Für Manuela Schleich, die zuständige Personalentwicklerin bei Hochland in Schongau, war es besonders wichtig, „dass die Trainings praxisnah und lebendig gestaltet werden. Reinen Theorie-Input können Teilnehmer nicht immer in die Praxis transferieren, deshalb muss Zeit und Raum sein, dass sich die Teilnehmer im Training ausprobieren können. Und selbst nach dem besten Training dauert es eine Zeit, bis sich eingefahrene Verhaltensweisen ändern. Da musste ich manchmal im Umfeld auch um Geduld bitten, weil das nicht von heute auf morgen passiert.“
Praktiker brauchen spätestens nach drei Stunden das erste Aha-Erlebnis. Können sie die Inhalte direkt anwenden, sind sie mit Feuereifer dabei. Und besteht ein guter persönlicher Draht vom Trainer zu den Teilnehmern, dann kann auch Klartext geredet werden. Wichtig sind zudem Erfolgserlebnisse, denn sie motivieren. Als Faustregel gilt: 70 Prozent Praxislernen, 20 Prozent Input und zehn Prozent Transfer.
Industriemeister erfahren jede Förderung auch als Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung. Deshalb fördern Trainingsprogramme ihre Identifikation mit dem Unternehmen. Ein Faktor, den es in Zeiten, in denen hochqualifizierte und -motivierte Industriemeister rar sind, zu bedenken gilt.
Um den Führungskräften die notwendigen Einblicke in die verschiedenen Facetten ihrer Führungsrolle zu geben und diese zu vertiefen, ist für Stefan Mayer ein breit angelegtes Führungstraining unerlässlich. Mehrere Bausteine vermitteln die notwendigen Grundlagen und helfen den Schichtleitern, diesem anspruchsvollen Job gerecht zu werden (siehe Abbildung). Das bestätigte auch ein teilnehmender Schichtleiter: „Die Seminarreihe hat mich zum Mitdenken, Nachdenken und Umdenken angeregt und mir gezeigt, dass das in der Meisterschule Gelernte nur ein Bruchteil vom Ganzen ist.“
Hochland Deutschland GmbH
Das Familienunternehmen Hochland mit Sitz in Heimenkirch hat sich seit seiner Gründung 1927 zu einem der größten privaten Käsehersteller in Europa entwickelt. Die Hochland Deutschland GmbH, ein Tochterunternehmen der Hochland SE, beschäftigt an ihren Standorten Heimenkirch und Schongau rund 1400 Menschen.
Autor
Hubert Hölzl, Inhaber, Hölzl & Partner, Lindau,
mail@fuehrungstrainer.net
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