Wie chinesische Job-Hopper sesshaft werden
Geeignetes Personal in China zu finden und an das Unternehmen zu binden, ist für westliche Multinational Companies eine echte Herausforderung. Ist der Richtige gefunden, gilt es, die chinesischen Job-Hopper an Bord zu halten. Das geht nur mit einem durchdachten Talent Retention Management.
Der chinesische Arbeitsmarkt zeichnet sich vor allem durch massiven Führungs- und Fachkräftemangel aus, was insbesondere westliche Multinational Companies (MNCs) trifft. Dieser Umstand veranlasst viele Unternehmen laut einer Umfrage der Deutschen Auslandshandelskammer (AHK) 2011 bereits dazu, HR-Themen wie Personalbeschaffung, also das Finden von geeigneten Kandidaten bis zum Onboarding im Unternehmen, als ihr Haupt-Business-Risiko zu identifizieren. Auf den folgenden Plätzen zwei und drei finden sich die Risiken der ungebremsten Gehaltsentwicklung sowie das Binden von Talenten an das Unternehmen. Der Arbeitsmarkt in China kann daher nur als ein hochkompetitiver Anbieter-Markt beschrieben werden, in dem Unternehmen ohne intelligente Talent Retention-Mechanismen und ohne ein starkes Employer Brand das Nachsehen haben werden.
Bewerbern fehlen wichtige Skills
Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse interner Erhebungen immer wieder, dass viele Bewerber nicht die für eine Stelle erforderlichen Skills mitbringen. Dies gilt insbesondere für Hochschulabsolventen. Die Autoren Farrell/Grant (2005) schätzen, dass von 15,7 Millionen Absolventen nur circa 1,2 Millionen für die Arbeit bei einer westlichen MNC geeignet sind. Der häufigste Grund, einem Bewerber absagen zu müssen, ist die schwache Ausprägung der erforderlichen beruflichen Skills. Sprachliche (insbesondere schwache Englisch-Sprachskills) und kommunikative Schwächen (zu zurückhaltend und schüchtern) sind weitere wichtige Gründe für die Knappheit von Personal.
Ein weiterer Grund für ein insbesondere erschwertes Talent Retention Management ist die Problematik, dass viele Kandidaten ihre neue Position nur als Job-Hopping-Plattform eingeplant haben und daher nicht beabsichtigen, länger als maximal drei Jahre im Unternehmen zu bleiben. Viele Kandidaten haben daher auch mehrere Angebote, aus denen sie auswählen können. Häufigste Gründe, ein Unternehmen zu verlassen, sind – neben dem fehlenden Career Development und fehlenden verantwortungsvollen Aufgaben – der Wunsch nach einem höheren Fixgehalt sowie das Bedürfnis nach einer anderen Management-Kultur (siehe auch Abbildung 1).
Abbildung 1
Gründe für den Wechsel des Arbeitgebers

Häufigste Gründe, ein Unternehmen zu verlassen, sind neben fehlenden verantwortungsvollen Aufgaben, der Wunsch nach einem höheren Fixgehalt.
Strategisches Talent Management noch selten
Was erwartet uns dagegen auf Unternehmensseite? Eine Erhebung der AHK hat gezeigt, dass sich viele Unternehmen mit einem gezielten Talent Management schwertun. In der Praxis dominieren kurzfristig wirksame Insellösungen, die aber kein kohärentes Bild abgeben oder einer langfristig geplanten Strategie entsprechen. Beliebteste Instrumente sind nach wie vor das Nachziehen in der Gehaltsentwicklung sowie das vom Business Need getriebene Aufsetzen von Performance Management zur Sicherung der Leistungsfähigkeit des Unternehmens. Weitere Maßnahmen sind das Anbieten von Trainings oder aber, im deutlich schwächeren Maße, Career Development Programmen.
Welche Herausforderungen ergeben sich hieraus für das optimale Talent Management eines Unternehmens, das chinesische Mitarbeiter halten möchte? Die Antwort lautet, dass es nur mit einem ganzheitlichen und strategischen Talent Management funktionieren kann. Um die Mitarbeiter abzuholen, müssen alle wesentlichen Core-Funktionen von HR von Anfang an mit im Boot sein und bei der Ausgestaltung einer Talent Retention-Strategie mitwirken. Wie gelingt das am besten? Man muss sich hierbei auf die drei zentralen Herausforderungen des chinesischen Arbeitsmarktes konzentrieren. Diese sind:
- 1.
Training und das Fit-machen von neuen Mitarbeitern für ihre neuen Aufgaben.
- 2.
Bereitstellen von attraktiven Vergütungsinstrumenten neben einem kompetitiven Fixgehalt.
- 3.
Das Anbieten von Karriereentwicklungsmöglichkeiten sowie das Ermöglichen von herausfordernden Job Rotations für Mitarbeiter ohne Führungspotenzial.
- 4.
Gezieltes Employer Branding und das Herausstreichen von Argumenten, warum das Unternehmen das attraktivste am Markt ist. Dies muss regelmäßig kommuniziert und gelebt werden.
Diese vier Kernpunkte lassen sich idealerweise unter den drei Schlagworten „Train, Reward und Develop“ subsummieren. Diese Schlagworte bilden auch gleichzeitig die Grundlage für die Mission, also die strategische Landkarte, wo die Reise hingehen soll. In der Übersicht lässt sich jetzt darstellen, wie die Talent Retention Strategy ausgestaltet sein soll. Um die drei Interessengruppen – New Joiner, Well-Performer und Top Talents – abzuholen, werden insgesamt vier Programme aufgesetzt (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2
Übersicht über die HR Topics, Inhalte und die Zielsetzung der Talent Retention Strategy

In der Übersicht ist dargestellt, wie die Talent Retention Strategy ausgestaltet sein soll. Um die drei Interessengruppen – New Joiner, Well-Performer und Top Talents – abzuholen, werden insgesamt vier Programme aufgesetzt.
New Joiner Integration Program
Das „New Joiner Integration Program“ beinhaltet Aktivitäten zur Verdeutlichung der Unternehmensorganisation, zum Aufbau und zur Struktur des Unternehmens. Um echte Core-Business-Erfahrungen sammeln zu können, sind auch Händler- (bzw. Außendienst) und Produktionseinsätze vorgesehen. Das Anwenden und Kennenlernen des Produkts (z.B. Probefahrten bei einem Automobilunternehmen) runden das Bild ab. Dadurch sollen Markenaffinität und Identifikation mit dem Unternehmen gestärkt werden, die oft nur schwach ausgeprägt sind. Wie der Harvard Business Manager in seiner Ausgabe vom September 2009 bestätigt hat, ist China ein Land von Individualisten, die sich ungern an Unternehmen binden oder eine Markenidentifikation aufbauen (Meyer/Shen, 2009). Dies muss gezielt gefördert werden, um Commitment, Leistungsbereitschaft und Begeisterung zu erhöhen und die Wechselmotivation zu verringern.
Career Development Program
Bei dem „Career Development Program“ geht es darum, von den leistungsstärksten Mitarbeitern diejenigen herauszufiltern, die die meiste Führungskompetenz besitzen. Programme mit dieser Stoßrichtung sind von besonderer Bedeutung, da das Career Development und das Anbieten von verantwortungsvollen Aufgaben der wichtigste Treiber für Wechselentscheidungen im chinesischen Arbeitsmarkt sind. Dabei sollte die unterschwellige Wechselbereitschaft nicht unterschätzt werden. Nach einer Erhebung der Personalberatung MRI China Group (2011) sind 63 Prozent der chinesischen Arbeitnehmer passiv wechselwillig (das heißt, sie würden den Job wechseln, wenn ein attraktives Angebot kommt), während nur 13 Prozent aussagen, dass sie definitiv in ihrer jetzigen Position bleiben wollen. Angesichts dessen, dass Headhunter sehr aggressiv den Market sondieren und immer wieder Kandidaten direkt ansprechen, muss mit entsprechenden Unternehmenswechseln stets gerechnet werden. Dies spiegelt sich auch in den für westliche Verhältnisse hohen Fluktuationsraten wider.
Ein Karriereentwicklungsprogramm sollte daher ein essenzieller Bestandteil einer jeden HR-Strategie sein. Dies wird in einem jährlich rollierenden Verfahren zur Potenzialeinschätzung zwischen Mitarbeiter, Vorgesetzten und HR bestimmt. Die Einschätzung über das Potenzial des Einzelnen kann über ein Management-AC erfolgen. Die Ergebnisse der einzelnen Teilnehmer lassen sich dann in einem Talent Portfolio abbilden. Darauf aufbauend müssen Entwicklungsmaßnahmen und -Programme abgeleitet werden, die jährlich reviewed und diskutiert werden müssen. Hierbei bieten sich neben lokalen Maßnahmen in China auch internationale Programme in Übersee an, denn die internationale Vernetzung ist die besondere Stärke von westlichen MNCs.
Job Rotations Program
Die Mitarbeiter ohne Führungsqualitäten, die aber dennoch für ihren Beitrag belohnt werden sollen, sollen mit einem Job Rotations Program herausfordernde und verantwortungsvolle Aufgaben erhalten. Berücksichtigt man die Retention Driver im chinesischen Arbeitsmarkt, sind es neben dem Career Development insbesondere die herausfordernden Aufgaben, die Mitarbeiter reizen. Gerade bei chinesischen Mitarbeitern ist es daher wichtig, langfristige Entwicklungsperspektiven zum Beispiel mit einem Job Rotations Program, zu schaffen. Dies soll über ein Web-Portal gewährleistet werden, über das interessierte Mitarbeiter ihre aktuelle Position einstellen können, um mit anderen Teilnehmern für einen gewissen, begrenzten Zeitraum den Verantwortungsbereich tauschen zu können. Dies lässt sich idealerweise in einer Intranet-Add-On-Lösung abbilden. Alternativ könnten die Stellen auch über interne Stellenausschreibungen vermittelt werden.
Employee Reward Program
An alle Mitarbeiter richtet sich das „Employee Reward Program“. Es ist generell empfehlenswert, ein solches Programm einzurichten, denn materielle Anreize haben weiterhin eine große Bedeutung im chinesischen Kulturkreis. Dies mag überraschend sein, denn in Deutschland und Westeuropa haben Selbstverwirklichung und interessante Arbeitsinhalte monetäre Anreize längst überholt. Aber in einem Land wie China spielen diese vor dem Hintergrund der unausgereiften Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung, die Mitversorgung von Familienangehörigen und die Finanzierung der Ausbildung der eigenen Kinder sowie dem Wunsch, bei den neuen Konsummöglichkeiten mitziehen zu können, weiterhin eine große Rolle. Das Programm besteht aus zwei einzelnen Komponenten: dem „Annual Employee Bonus“ und dem „Stock Appreciation Rights Program“. Erstere soll gewährleisten, dass individuelle Leistung honoriert und gefördert wird, indem Leistungen mit variablen Leistungen verlinkt werden. Letztgenannte soll Mitarbeitern die Option bieten, am Erfolg des Unternehmens teilzuhaben.
Bosch, Ulf: Challenges and Success Factors for the Human Resources Management of Multinational Companies in China. Result report. Hrsg. von der Deutschen Auslandshandelskammer in China: Shanghai/Watson Wyatt Worldwide, Dezember 2008.
Farrell, Diana/Grant, Andrew: China’s looming talent shortage, The McKinsey Quarterly 2005 Number 4, McKinsey & Company, 2005.
Hudson Highland Group, Inc.: The Hudson Report. Employment and HR trends July – September 2011. China, Hudson Recruitment (Shanghai) Co., Ltd., Shanghai 2011.
Hudson Highland Group, Inc.: Quarterly Report (Q1, Q2, Q3, Q4 2011) Immediate Release, 2011.
Lockwood, Nancy R.: Talent Management: Driver for Organizational Success, Society for Human Resources Management Research, 2006 SHRM Research Quarterly.
Mercer: Compensation and Benefits Trends in China. Annual HR Conference 2010.
Meyer, Erin/Shen, Elisabeth: Karriere in China: Konfuzius sagt…, in: Hardvard Business Manager (Hrsg.), Ausgabe September 2009, Hamburg, 2009.
MRI China Group: Greater China Talent Environment Index; Management Recruiters International, Inc., People’s Republic of China, 2011.
Autoren
Armin von Rohrscheidt, Head of Human Resources Management Consulting, MHP, Ludwigsburg,
armin.vonrohrscheidt@mhp.com
Bastian Jacobsen, Consultant, Human Resources Management Consulting, MHP, Ludwigsburg,
bastian.jacobsen@mhp.com
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