Ausgabe 5 - 2014
Erfolg ist, was ich dafür halte!
Wie lässt sich Führungserfolg messen? Anhand von erfüllten Zielvorgaben, anhand von erzieltem Umsatz, anhand der Zufriedenheit von Mitarbeitern? Die Frage nach „dem“ Führungserfolg führt zu keiner einfachen Antwort. Die Autoren des überarbeiteten Standardwerks „Führen und führen lassen“ versuchen trotzdem eine zu finden.
Führung wird üblicherweise als unerlässlich für den Erfolg von Unternehmen gesehen. Häufig soll im Rahmen von Leistungsbeurteilungen, Bemessungen bei Anreizsystemen, Fragen der Beförderung und weiterer Verantwortungsübertragung, Überprüfung von Auswahlentscheidungen und als Grundlage für Förderung und Entwicklung der Erfolg einzelner Führungskräfte ermittelt werden. Dafür sollte zunächst Gewissheit darüber bestehen, was Führungserfolg eigentlich genau ist. Dann können Instrumente entwickelt werden, mit deren Hilfe Führungserfolg möglichst zutreffend bestimmt wird, und darauf aufbauend erfolgen die praktischen Konsequenzen. Das hört sich einfach an. Allerdings gibt es ein paar Stolpersteine auf dem Weg dorthin, und so enden an dieser Stelle die Klarheiten in Unternehmen – oder sollten sie zumindest.
Was ist Führungserfolg?
Es überrascht, dass das Endprodukt von Führung – der Führungserfolg – vergleichsweise wenig theoretische und empirische Beachtung gefunden hat. Häufig wird Erfolg allgemein als das Erreichen von Zielen angesehen. Damit wird die Antwort darauf, was Erfolg ist, aber nur verschoben: Was sind die Ziele? Wer definiert sie? Mit welcher Legitimation? Harmonieren die Ziele, oder stehen sie zueinander im Widerspruch? Gilt Erfolg um jeden Preis? Und ist es Misserfolg, wenn die Ziele knapp verfehlt werden? Für Führungserfolg stellt sich die spezifischere Frage der Führungsziele.
Was Führungskräfte tun, wenn sie führen, wird aus verschiedenen theoretischen Richtungen unterschiedlich fokussiert und interpretiert (vgl. Blessin/Wick, 2013). Ebenso unterschiedlich sind die Vorstellungen darüber, wie Führungskräfte Erfolg erzielen können, und schließlich, wie dieser (von anderen) erkannt werden kann. In marktorientierten Unternehmen steht letztlich die Rentabilität des Kapitaleinsatzes im Mittelpunkt. Führungserfolg könnte somit als der Beitrag der Führungskräfte dazu konzipiert werden. Zunächst ist das eine Leerformel, da die Art dieses Beitrags offen bleibt. Wie sie gefüllt wird, hängt nicht nur von den Gegebenheiten des Marktes und den Möglichkeiten des Unternehmens ab, sondern sehr stark davon, wer sie füllt – und für wen sie gefüllt werden soll.
Wer profitiert vom Führungserfolg?
Die Frage „Führungserfolg – für wen?“ mag überraschend sein. Sie scheint sich auch schnell beantworten zu lassen: „Für das Unternehmen!“. Aus der Beschaffenheit der Situation heraus sind jedoch auch andere Akteure relevant und zu berücksichtigen. Häufig werden drei Adressaten unterschieden: das Unternehmen (Erfolgskriterium „Leistung“), die Führungskraft selbst („Karriereerfolg“) und die Mitarbeiter der Führungskraft („Zufriedenheit“). Weiter ließe sich auch die Familie der Führungskraft betrachten.
Beim Führungserfolg für das Unternehmen geht es um den Beitrag, den die Führungskraft durch ihre Führungstätigkeit zur Erfolgsbilanz des Unternehmens leistet. Diesen Anteil zu ermitteln ist nur in seltenen Fällen einigermaßen eindeutig möglich. Häufig werden Instrumente der Leistungsbeurteilung eingesetzt, um den unternehmensbezogenen Erfolg von Führungskräften zu bestimmen, auch wenn diese Maße in der Regel gar nicht am Unternehmenserfolg geeicht sind.
Der persönliche Erfolg der Führungskraft (gelegentlich verkürzend unter „Karriereerfolg“ subsummiert) drückt die Wertschätzung aus, die eine Führungskraft in den Augen derjenigen gefunden hat, die die organisationsinternen Privilegien und Kompetenzen verteilen. Er zeigt sich in einer Reihe von organisationsbezogenen Indikatoren: Aufstieg, Höhe des Entgelts, Aufgabenumfang und Kompetenzen. Daneben lassen sich auch weitere personenbezogene Indikatoren betrachten, wie die Verfügbarkeit von Gesundheit, Freizeit, Privilegien, persönlichen Kompetenzen, gesellschaftlichem Ansehen et cetera, die für das Unternehmen häufig nur von marginalem Interesse sind.
Führungserfolg einer Führungskraft für ihre Mitarbeiter ließe sich zum Beispiel in der Förderung der persönlichen Kompetenzen, in der Unterstützung von motivierenden Arbeitsaufgaben und -bedingungen, in der individuellen Arbeitszufriedenheit, in Gesundheits- und Work-Life-Aspekten finden. Für die Familie der Führungskraft können Erfolgsmerkmale Entgelt und Status sein oder die Integration in die Familie: Zeit, Kraft und Muße, eine konstruktive Rolle in deren Alltag und Entwicklung zu spielen. Gesellschaftliche Aspekte des Führungserfolgs sind zum Beispiel ökologische und soziale Nachhaltigkeit der eigenen Tätigkeiten, die Werte und Gesetze der Gesellschaft respektiert.
Aus Unternehmenssicht die anderen Perspektiven auszublenden, mag sich zunächst anbieten. Aber es ist unrealistisch, davon auszugehen, dass sie nicht wirken. Statt „Abweichungen“ festzustellen und als „geringen Erfolg“ abzustempeln, ist es für Unternehmen eher ratsam, nach Instrumenten zu suchen, die persönliche und Unternehmensziele in größere Deckung bringen, wodurch dasselbe Ausmaß persönlichen Führungserfolgs dann schließlich stärker zum Führungserfolg für das Unternehmen beiträgt.
Messung von Führungserfolg
Führungserfolg als komplexes, abstraktes Merkmal lässt sich nicht physikalisch in Länge, Höhe, Breite messen. Üblicherweise behilft man sich damit, den abstrakten Gegenstand in konkreten Ausprägungen zu beschreiben, und für diese werden Messinstrumente entwickelt. Dabei muss das, was gemessen wird, so bedeutsam beziehungsweise repräsentativ sein, dass die Messung zutreffende Aussagen über den Gegenstand macht. Das klingt zunächst banal. Aber die praktischen Schwierigkeiten, komplexe Merkmale zu messen, führen häufig dazu, solche Dinge zu messen, die einfach messbar sind – auch wenn sie gar nicht wirklich relevant sind.
Wenn angenommen wird, „Leistung“ sei das Maß für Erfolg und ein Instrument („Leistungsbeurteilung“) verteilt Noten auf einer Skala, die sich auf Leistung bezieht, ist der Führungserfolg scheinbar schon genau fixiert. Forschungsergebnisse zeigen zuverlässig, dass Leistungsbeurteilungen durch höhere Führungskräfte auf einer persönlichen Vorstellung, einem Prototyp von Führung und Erfolg basieren und die dazu passenden Personen bevorzugt werden. Ob das Resultat übereinstimmt mit dem, was letztlich Erfolg ist, bleibt fraglich.
Karriereerfolg von Führungskräften wird in Unternehmen häufig als gutes Erfolgsmaß gesehen, weil davon ausgegangen wird, dass Führungskräfte vor allem dann aufsteigen, wenn sie beziehungsweise ihre Teams gute Ergebnisse zeigen. Karrierefortschritt und gute sachbezogene Leistungen von Führungskräften basieren jedoch auf ziemlich verschiedenen Verhaltensweisen. Die klassische Untersuchung von Luthans, Hodgetts und Rosenkrantz (1988) zeigt das Ausmaß der Abweichung (siehe Tabelle).
Tabelle
Relative Häufigkeit der beobachteten Aktivitäten erfolgreicher versus effektiver Manager in Prozent

„Erfolgreiche Führungskräfte“ nannten sie jene mit überdurchschnittlichem Karriereerfolg, „effektive Führungskräfte“ die, deren sachaufgabenbezogene Ergebnisse überdurchschnittlich waren. Die erfolgreichen Führungskräfte konzentrierten sich auf die Beziehungspflege (48 Prozent ihrer Arbeitszeit), während effektive Führungskräfte Routinekommunikation und Human Resource Management betonten. Es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln, dass es diesen Mechanismus nach wie vor gibt, und als unbequeme Einsicht zeigt das Ergebnis, wie sehr weitverbreitete Erfolgsmaße nicht das messen, wofür sie (vermutlich) eingesetzt werden. Es zeigt auch, dass bei üblichen Verfahren zur Bemessung des Erfolgs eine Führungskraft dem persönlichen Erfolg dann besonders effektiv dient, wenn sie anders vorgeht, als einen möglichst hohen Beitrag zum Unternehmenserfolg anzustreben.
Weitere Dimensionen
Aber auch wenn Leistungsziele nachweislich erreicht werden, spielen weitere Dimensionen wie Wirtschaftlichkeit (Effizienz) und Zeit (Nachhaltigkeit) eine wichtige Rolle. Erfolg und Effizienz sind in Verbindung zu bringen, um sich nicht „zu Tode zu siegen“, das heißt, damit nicht der Preis des Erfolgs dessen Nutzen übersteigt. In enger Verbindung dazu steht die Frage der Nachhaltigkeit von Erfolgen. Ein spektakulärer Erfolg kann sich über die Zeit in sein Gegenteil verkehren, wenn er die Substanz der Ressourcen aufzehrt. Eine Abteilung auszubeuten und im Moment der höchsten Leistung kurz vor deren Zusammenbruch in ein anderes Unternehmen oder eine höhere Funktion abzuspringen, bringt dem Unternehmen wenig, der Karriere der Führungskraft kann es sehr förderlich sein. Ein weiteres zentrales Problem der Messung ist die Zurechnung. Ist jemand tatsächlich verantwortlich für bestimmte Effekte? Bei Führungskräften stellt sich diese Frage in besonderer Schärfe, weil sie (vor allem) an der Leistung anderer – ihrer Mitarbeiter – gemessen werden. Sie haben dafür zu sorgen, dass diese effektiv und effizient arbeiten. Für diese Führungsleistung Maße und Bezugsgrößen zu finden, ist eine stete Herausforderung.
Oder ist Führung etwas ganz anderes?
Bereits Lieberson und O’Connor (1972) haben gezeigt, dass andere Faktoren für den Unternehmenserfolg systematisch wichtiger sind als die Leistung der Führungskräfte. Steigen Umsatz und Gewinn von Unternehmen, braucht dies kein Erfolg der Führungskräfte zu sein, sondern ist häufig Resultat der allgemeinen Wirtschafts- und Branchenentwicklung oder von Veränderungen in der Marktkonstellation. Führungskräfte für einen bestimmten Anteil am Unternehmenserfolg verantwortlich zu machen, das heißt Führungserfolg am Unternehmenserfolg zu bemessen, könnte sogar eher unzweckmäßig sein.
Aus dieser Sichtweise heraus werden andere Erfolgskriterien für Führung entwickelt, die in modernen Führungsansätzen formuliert werden, aber in vielen Unternehmen fremdartig anmuten, wie Attributionen oder Symbolisierung: Pointiert nehmen attributionstheoretische Zugänge an, dass Führung primär eine Wahrnehmungsfrage sei und jene Person, die als Führungskraft wahrgenommen werde, schneller höhere Akzeptanz findet und deshalb mehr Einfluss habe. Es komme also darauf an, markante Führungsmerkmale und -verhaltensweisen in besonders ausgeprägter Weise zu demonstrieren, direkte Problemlösungs-Aktivitäten stünden hingegen nicht im Vordergrund.
Führungserfolg ist zwar immer eine Frage der Auslegung bei denen, die ihn beurteilen, aber Führungskräfte haben die Möglichkeit, diese zu beeinflussen. Die Konsequenzen sind eindeutig:
-
Wer dies nicht versucht, führt „schwach“ und „wirkungslos“.
-
Wer dies nur wenig erfolgreich tut, führt „schlecht“ und „erfolglos“.
-
Wer dies erfolgreich tut, führt „gut“ und „erfolgreich“.
Es ist also hilfreich, wenn einer Führungskraft nicht nur diese Rolle zugeschrieben wird, sondern sie diese auch annimmt – am besten voll und ganz: Sie sollte in Ermangelung eindeutiger Definitionen und Messinstrumente objektiven, sachbezogenen Führungserfolgs ihr Handeln so ausrichten, dass es in symbolischer Weise „Führungskraft sein“ vermittelt, und einen entsprechenden Habitus an den Tag legen, um dadurch eher als Führungskraft erkannt zu werden.
Was tun?
Also: „Tu, was Du willst“, um Führungserfolg zu bestimmen? Das mag in manchem Unternehmen gelten. Muss es aber nicht: Es gibt Leitlinien, Orientierungspunkte, Schneisen im Dickicht. Vielleicht können Führungskräfte nicht wirklich immer und vergleichbar zum Unternehmenserfolg beitragen. Aber sie können als solche angesehen werden oder nicht, für Erfolge und Misserfolge verantwortlich gemacht werden und die Wahrnehmung ihrer Mitarbeiter beeinflussen, was auf deren Kooperationswilligkeit wirkt. Führungskräfte können im Extremfall ohne Kennzahlenerfolge aktiv und erfolgreich agieren und die Grundlagen für den Erfolg der Abteilung unter anderen Bedingungen entwickeln.
Zu sehr gelten Zahlen an sich als überwältigende Evidenz: Sobald Zahlen auf fragwürdiger Basis zustande gekommen sind und auch ihre Aussagekraft fraglich ist, könnte es besser sein, sich nach alternativen oder zumindest ergänzenden Methoden zur Erfassung des Führungserfolgs umzusehen. Auf dass nicht gerade die Führungskräfte, die der Komplexität moderner kooperativer Arbeitsleistung gerecht werden, als „wenig erfolgreich“ aussortiert, marginalisiert oder nicht gefördert werden.
Ferner ist die Vorstellung unrealistisch, dass alle Führungskräfte im Unternehmen sich dessen Zielvorstellungen zu eigen machen müssen. Werte in der Gesellschaft und soziodemographische Faktoren haben sich verändert. Bereits seit den 1980er-Jahren wird nachgewiesen, dass viele Führungskräfte sich so orientieren, dass die Arbeit ihrem Privatleben lediglich als materielle Grundlage dient, sie persönliche Werthaltungen auch in der Arbeit leben wollen, um sich ihr überhaupt verpflichtet zu fühlen (Stengel/von Rosenstiel, 1985) – womit keinesfalls gesagt ist, dass ihr Erfolg für das Unternehmen geringer sein muss.
Blessin, B./Wick, A.: Führen und führen lassen. Ansätze, Ergebnisse und Kritik der Führungsforschung, 7. Auflage, Konstanz, 2013.
Lieberson, S./O’Connor, J.F.: Leadership and Organizational Performance: A Study of Large Corporations. American Sociological Review, 37, 1972, S. 117-130.
Luthans, F./Hodgetts, R.M./Rosenkrantz, S.A.: Real Managers. Cambridge, Mass., 1988.
Stengel, M./von Rosenstiel, L.: Identifikationskrise? Wertkonflikte beim Berufseinstieg. Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 29, 1985, S. 142-152.
Autoren
Dr. Alexander Wick, Professor für BWL, insb. Personalwirtschaft, Internationale Berufsakademie, Darmstadt,
a.wick@internationale-ba.com
Dr. Bernd Blessin, Leiter Personal und Organisation, VPV Versicherungen und Dozent Europäische Wirtschaftsakademie, Madrid,
bernd.blessin@vpv.de
- Die Causa Schick
- Auf die Begegnung
- Lernen mit IT und von Philosophen
- Fakt oder Fata Morgana?
- Nimm das Sieb, nicht die Schrotflinte
- Die Qual der Wahl
- Hilfreich, aber ausbaufähig
- Lost in „Generation Y“
- Der Verkäufer als Kunde
- Den eigenen Anspruch durch Flexibilität einlösen
- Eine bunte Truppe führen
- Wie chinesische Job-Hopper sesshaft werden
- Was international gemischte Teams erfolgreich macht
- Erfolg ist, was ich dafür halte!
- Wie effusiv sind Sie?
- Unternehmen hören die Signale