Ausgabe 5 - 2014
Der Verkäufer als Kunde
Um ein neues Produkt beim Kunden zu etablieren, werden meist aufwendige Marketingkampagnen entworfen. Die Frage, wie der Markteinführungsprozess aus der Sicht der Personalentwicklung für den Vertriebsmitarbeiter zu begleiten ist, stellt sich bei der MAN Truck & Bus AG die Abteilung Global Sales Training der MAN Academy.
Bald ist es soweit! Auf einer Kundenveranstaltung wird im ausgewählten Kreis zum ersten Mal ein Blick auf den neuen Neoplan Jetliner gewährt. Ein neues Fahrzeug wird dem Markt vorgestellt, und dementsprechend neugierig sind die Kunden auf die Innovationen, die mit diesem einhergehen. Neoplan, die Premiumbusmarke der MAN Truck & Bus AG, scheint dem Image des innovativen Designs erneut gerecht worden zu sein. In der Neugier lässt sich ein Informationsbedürfnis erkennen, das nicht nur für den Kunden, sondern auch für den Verkäufer gilt. Um genau diesem zu begegnen, hat das Global Sales Training der MAN Academy ein Modell entwickelt, um den Markteinführungsprozess zu unterstützen.
Bei der MAN Truck & Bus AG ist die Personalentwicklung unter dem Dach der MAN Academy zusammengefasst. Das Global Sales Training ist als Abteilung für die Zielgruppe Verkäufer und Serviceberater verantwortlich. Ziel ist die Steigerung der beruflichen Handlungskompetenz in allen den Verkauf betreffenden Bereichen sowie langfristig die Verbesserung des Verkaufserfolgs durch Qualifizierungsmaßnahmen. Die berufliche Handlungskompetenz versteht sich als Schnittmenge aus sozialer, persönlicher, fachlicher und unternehmerischer Kompetenz.
Im Rahmen dieser Herausforderung hat das Global Sales Training ein vierphasiges Qualifizierungsmodell (4PQM) entwickelt, um den Prozess einer Markteinführung aus der Sicht der Personalentwicklung zu unterstützen (siehe Abbildung) und basiert auf dem Ansatz des „Blended Learning“. Wie die direkte Übersetzung aus dem englischen vermuten lässt, handelt es sich hierbei um eine Mischung verschiedener Lehrmethoden. Diese Mischung bezieht sich auf das gesamte Modell wie auch auf die einzelnen Bausteine. Zur Erläuterung des Ablaufs werden die vier Phasen im Folgenden anhand eines praktischen Beispiels, der Markteinführung des Neoplan Jetliners, dargestellt. Grundsätzlich werden immer handlungsorientierte Unterrichtsformen angewandt, die sich in die vier folgenden Phasen gliedern:
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Web Based Training,
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Präsenztraining,
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Digitale Moderation,
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Virtual Classroom.
Web Based Training (WBT)
Der erste beschriebene Schritt ist das Web Based Training. Bei diesem wird dem Teilnehmer ein erster Eindruck über das neue Produkt vermittelt. Räumlich wie zeitlich unabhängig bekommt der Teilnehmer die Gelegenheit, sich durch die verschiedenen Kapitel des Trainings zu lernen. Bei der Erstellung der jeweiligen Einheiten wird darauf geachtet, dass ein möglichst hohes Maß an Interaktion in die Programmierung einfließt. Im Anschluss an die Lernphase, in der der Teilnehmer immer wieder die Möglichkeit bekommt, vorhergehende Kapitel zu wiederholen, schließt sich ein Test an, der sich am Inhalt der vorhergehenden Abschnitte orientiert und insgesamt zehn Minuten dauert.
Grundsätzlich werden im Rahmen des Global Sales Trainings die WBTs als Voraussetzung für die Teilnahme an Präsenztrainings eingesetzt. Durch diese Maßnahme bekommt zum einen der Teilnehmer einen ersten Eindruck von den Inhalten des nachfolgenden Trainings und kann sich somit gedanklich vorbereiten, zum anderen kann der Trainer bei seiner Zielgruppenanalyse einen gewissen Mindestwissensstand voraussetzen. Als Nachweis der Teilnahme kann am Ende des WBT ein Zertifikat ausgedruckt werden.
Präsenztraining (PT)
Im Präsenztraining hat der Teilnehmer zum ersten Mal die Gelegenheit, den Neoplan Jetliner direkt anzufassen. Um diese Motivation zu unterstützen, wird in den „vorstellenden“ Trainings ein Praxisanteil von mindestens 50 Prozent installiert. In verschiedenen „Hands-on-Abschnitten“ wird dem Verkäufer das neue Produkt sukzessive und logisch aufeinanderfolgend näher gebracht. Im Feindesign des Trainings werden die Schritte, die der Verkäufer mit einem potentiellen Kunden durchgeht, am Fahrzeug in derselben Reihenfolge abgebildet, um den Praxistransfer zu erleichtern. In den verschiedenen Übungen wird immer wieder an die Inhalte aus dem WBT angeknüpft sowie auf die unterschiedlichen Erfahrungen der Verkäufer zurückgegriffen. In dieser Phase ist es sehr wichtig, auch erste Eindrücke der Teilnehmer aufzunehmen und an die entwickelnden Stellen im Unternehmen zurückzuspielen. Hierbei trägt das Global Sales Training zum Brückenbau zwischen Zentrale und Außenorganisation bei. Zum einen transportieren die Trainer Wissen aus der Zentrale an die Mitarbeiter in die Außenorganisation, können aber zum anderen auch eine Rückmeldung über die Erfahrungen und Eindrücke der Verkäufer geben.
Durch die Teilnahme am Präsenztraining werden die Verkäufer zertifiziert. Dieses Zertifikat ist die Grundlage dafür, dass der jeweilige Teilnehmer die Rechte sowohl für die Produktkonfiguration als auch die computergestützte Bestellung bekommt. Mit dieser Freischaltung bekommt der Verkäufer die Möglichkeit, sich intensiver mit dem neuen Produkt auseinanderzusetzen und das im Training erworbene Wissen in seinen Verkaufsalltag zu übertragen.
Digitale Moderation (DM)
Die Digitale Moderation wird seitens des Global Sales Trainings eingesetzt, um das neue Produkt mit Wettbewerbern zu vergleichen und dem Teilnehmer Verkaufsargumente an die Hand zu geben. In einem zweitägigen Training werden die 48 Vertriebsmitarbeiter in Teams mit je zwei Mitgliedern eingeteilt. Jedes Team bekommt ein Tablet-PC mit persönlicher Agenda, Hintergrundinformationen sowie diversen Fragebogen.
Geführt durch das personalisierte mobile Endgerät, untersuchen die Kundenberater das neue Produkt im Vergleich zum Wettbewerb. Im genannten Beispiel wird der Bus thematisch in sechs verschiedene Abschnitte unterteilt und fragebogengestützt bewertet. Nach den Noten des deutschen Schulsystems werden so das Design, das Cockpit, der Fahrgastraum, der Gepäckraum, die Wartungsfreundlichkeit und der Zugang zum Bus bewertet. Die Eindrücke der Verkäufer werden nach der Eingabe gespeichert und kumuliert.
Die generierten Werte und die persönlichen Eindrücke werden im Rahmen des Trainingsdesigns für weitere Workshops genutzt, in denen die Verkäufer Verkaufsargumente selbst entwickeln. Diese Vorgehensweise hilft den Verkäufern, subjektiv belastbare Argumente zu entwickeln, die im Verkaufsalltag durch fachlich gestützte Expertise sowie Authentizität überzeugen.
Auch wenn der neue Bus im Mittelpunkt des Trainings steht, wird der aktuellen Entwicklung um die begleitenden Dienstleistungen Rechnung getragen. In Workshops werden die neuesten Entwicklungen, Trends und Produkte beleuchtet. Im Kleingruppenkonzept mit bis zu sechs Teilnehmern werden die Inhalte interaktiv aufbereitet, um den Beteiligten immer die Möglichkeit zum Austausch zu geben.
Am zweiten Tag bekommt jeder Teilnehmer die Chance, den neuen Bus wie auch die Wettbewerbsprodukte selbst zu (er)fahren. Die Testfahrten werden erneut mittels Fragebogen ausgewertet und im Anschluss diskutiert. An diesem Tag werden Fragen zum Fahrkomfort für den Fahrer und die Passagiere gestellt. Hinzu kommen simulierte Verkaufsgespräche. Rollenspiele versetzen den Verkäufer in eine fast alltagsgleiche Situation. Diese Methode dient der Rekapitulation sowie dem Transfer des neu erworbenen Wissens.
Auch das Feedback zu der dritten Phase des Modells wird mittels der mobilen Endgeräte übermittelt. Jedes Team bekommt auf das Tablet-PC Fragen geschickt, die in einer vier Punkte umfassenden Skala beantwortet werden. Auch beim Feedback wird ein Vorteil der digitalen Moderation deutlich. Alle Meinungen werden in Echtzeit kumuliert und den Teilnehmern direkt widergespiegelt.
„Die digitale Moderation durch das Tablet-PC ist für mich die ideale Unterstützung für das Training. Ich werde individuell durch die Agenda geführt, kann mir Notizen machen und am Ende des Tages das Gesamtergebnis mit meinen Kollegen vergleichen und besprechen. Genau das erwarte ich von dem Training“, erklärt Sven Jankowski, Omnibusverkäufer aus Oberhausen.
Virtual Classroom (VC)
Der Virtual Classroom ist die vierte Phase des Qualifizierungsmodells und findet nach der offiziellen Markteinführung des neuen Produktes statt. Diese zeitliche Abfolge wurde ausgewählt, um den Verkäufer über einen möglichst langen Zeitraum zu begleiten und somit die Nachhaltigkeit der Betreuung zu stärken. Hinzu kommt, dass jede Phase der Produkteinführung begleitet wird und die Unterstützung seitens der Personalentwicklung nicht mit der Vorstellung im Rahmen der Markteinführung des Busses aufhört. Etwa zwei Monate nach der Vorstellung treffen sich Trainer und Verkäufer im virtuellen Klassenraum. Diese Lehr-Lern-Einheit findet im Internet statt. Für die Dauer von bis zu zwei Stunden werden die neuesten Entwicklungen zum neuen Bus besprochen. Es geht in dieser virtuellen Veranstaltung allerdings nicht nur darum, Neuigkeiten zu verkünden. Der Schwerpunkt liegt auf dem Erfahrungsaustausch der Teilnehmer.
Abbildung
Vierphasiges Qualifizierungsmodell zur Produkteinführung

Verkäufer aus allen Regionen des Landes besprechen, mit welchen Reaktionen der neue Bus bei der Kundschaft aufgenommen wurde. So wurde beispielsweise ein Verkäufer aus Hannover von mehreren Kunden zu den wählbaren Reifen gefragt. Der Erfahrungsaustausch hatte zur Folge, dass Verkäufer aus anderen Verkaufsgebieten sich auf diese Frage vorbereiten konnten und noch besser auf die Interaktion mit dem Kunden vorbereitet waren.
Ausblick
Die Antwort auf die eingangs gestellte Frage, wie der Markteinführungsprozess begleitet werden kann, gibt somit das vierphasige Qualifizierungsmodell. In allen Phasen werden die Verkäufer vor komplexe und möglichst handlungsnahe Aufgaben gestellt, um den Wissenstransfer aus dem Training in den Verkaufsalltag so fließend wie möglich zu gestalten.
Die Begleitung des Markteinführungsprozesses seitens der Personalentwicklung wird stetig optimiert. Die während der Trainings gesammelten Daten und Erkenntnisse werden analysiert und in die Weiterentwicklung eingebracht.
So konnte dank der Analyse bei der Evaluation selbst sowie bei der digitalen Moderation Entwicklungspotenzial festgestellt werden. Nach der Befragung der Teilnehmer werden in den darauffolgenden Dimensionen der Transfererfolg sowie der Unternehmenserfolg gemessen. Mit diesen Kennzahlen wird der Gewinn des Unternehmens aus den Personalentwicklungsmaßnahmen aufgezeigt. Die digitale Moderation wird künftig verstärkt zur Entwicklung von Verkaufsargumenten aus den Trainings und den Vergleichen mit dem Wettbewerb eingesetzt. So werden die Verkäufer, unterstützt von den mobilen Endgeräten, zur Diskussionen ihrer Eindrücke angeregt.
Autoren
Martin Bauknecht, Leiter der Abteilung Global Sales Training, MAN Truck & Bus AG, MAN Academy, München,
Martin. Bauknecht@man.eu
Roland Kabitzke, Sales Trainer Bus in der Abteilung Global Sales Training, MAN Truck & Bus AG, MAN Academy, München,
Roland. Kabitzke@man.eu
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