Ausgabe 5 - 2014
Was international gemischte Teams erfolgreich macht
Vielfalt ist die neue Einigkeit – immer mehr Unternehmen glauben an das Potenzial gemischt zusammengesetzter Arbeitsteams für den Erhalt ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Wir zeigen in diesem Beitrag auf, dass Vertrauen und ein positives Diskussionsklima entscheidend für den Erfolg sind.
Die Arbeitswelt wird vielfältiger. Im Kontext der Globalisierung ist insbesondere eine Zunahme multikultureller Teams zu erwarten, das heißt Gruppen, in denen Arbeitnehmer aus verschiedenen Nationalitäten und Kulturen zusammenarbeiten. In der Wissenschaft existiert bis jetzt allerdings kein eindeutiges Bild davon, was gemischt zusammengesetzte Teams erfolgreich macht (Van Knippenberg et al., 2004). Während einige Studien positive Auswirkungen finden, wird in anderen Untersuchungen ein negativer Effekt auf Ergebnisse und Innovationsfähigkeit nachgewiesen. Metaanalysen, die mehrere Studien in einem Feld zusammenfassen, kommen zu dem Schluss, dass die Verbindung zwischen vielfältiger Teamzusammensetzung und Leistung insgesamt eher gering ist (Kearney & Voelpel, 2012). Erklärt werden die widersprüchlichen Ergebnisse dadurch, dass eine Reihe beeinflussender Faktoren, wie die Komplexität der Aufgabe, auf das Potenzial vielfältiger Arbeitsteams einwirken. Je komplizierter der Auftrag, desto mehr profitiert das Gesamtergebnis von einer steigenden Zahl der Perspektiven durch unterschiedliche Teammitglieder – die Innovationsfähigkeit steigt.
Abbildung
Erfolgreiche Gestaltung des Teamprozesses in vielfältigen Arbeitsgruppen

Die Abbildung fasst die Merkmale erfolgreicher Zusammenarbeit in vielfältigen Teams nach verschiedenen Arbeitsphasen zusammen.
Wenig untersucht ist bis jetzt jedoch, welche Faktoren in international zusammengesetzten Teams im Zeitverlauf besonders relevant für exzellente Leistungen sind. Mit dieser Fragestellung beschäftigten wir uns im Rahmen eines Projektseminars, das in Zusammenarbeit mit dem Mercedes-Benz Werk Bremen und der Jacobs Universität Bremen im Herbst 2013 stattfand.
Die Teilnehmer des ausgewählten Seminars „Global Leadership“ zeichneten sich durch einen sehr internationalen Hintergrund aus (19 unterschiedliche Nationalitäten und Studienrichtungen). Im Rahmen des Seminars sollten die Studenten die Herausforderung von Führung in einer komplexen und globalisierten Welt durch die Arbeit an realen Problemstellungen des Mercedes-Benz Werks Bremen lernen. Die Studenten wurden in Teams eingeteilt, die auf Basis eines Fragebogens zu Persönlichkeit und demografischen Merkmalen so unterschiedlich wie möglich zusammengesetzt wurden. Auf diese Art und Weise sollten verschiedene Blickwinkel für innovative Problemlösungen der Herausforderungen erhalten werden. Die Tatsache, dass die Studenten (Generation Z) zur Bearbeitung der Fragestellungen durch Daimler-Nachwuchskräfte (Generation Y) begleitet wurden, stellte eine weitere interessante Komponente dar, deren Einfluss es zu berücksichtigen galt. Zur gemeinsamen Bearbeitung der Fragestellungen wurde das Group of Innovation (GOI) Projekt gemeinsam mit dem Mercedes-Benz Werk Bremen gegründet.
Drei Monate wissenschaftlich begleitet
Ein Großteil der Teilnehmer kannte sich vorher nicht – eine Situation, die in der Arbeitswelt ebenfalls bei vielen Projektteams so auftritt. Die studentischen Teams wurden über einen Zeitraum von drei Monaten während ihrer Projektarbeit wissenschaftlich begleitet. Wir nahmen die Teamtreffen mit Videokameras auf und führten prozessbegleitende Befragungen durch. Jedes Teammitglied beantwortete verteilt über die Projektlaufzeit 453 Fragen, so dass insgesamt 13 590 Antworten gesammelt wurden. Mit diesem umfassenden Studiendesign sollten drei Fragen beantwortet werden: Wie unterscheiden sich erfolgreiche von weniger erfolgreichen Teams? Welche Herausforderungen ergeben sich in der Zusammenarbeit zwischen Generation Y und der nachfolgenden Generation Z? Und was kann man aus diesen Ergebnissen für die Praxis ableiten?
Hart in der Sache, weich mit den Menschen
Teams, die in der Endpräsentation und Fallstudienlösung des Global Leadership Seminars zu den herausragenden Leistungsträgern gehörten und kreative Lösungen lieferten, unterscheiden sich von weniger erfolgreichen Gruppen durch eine höhere Identifikation mit der Gruppe. Sie sind emotional stärker an das Team gebunden und sehen die Probleme der Arbeitsgruppe in höherem Maße als ihre eigenen an. Die Wertschätzung von Diversität, das heißt die allgemeine Einschätzung der Vorteile der Zusammenarbeit in vielfältigen Teams, bewirkt dagegen keinen Unterschied in der Leistungserbringung.
Anstatt Mitarbeiter ausschließlich zu Diversity Trainings zu schicken, ist demnach für eine zielgerichtete Erhöhung der Leistung zu empfehlen, der Gruppe Teambildungsmaßnahmen zu ermöglichen. Dies ist insbesondere in der Teambildungsphase wichtig, wobei gilt: Je mehr positive Emotionen im Spiel sind, desto nachhaltiger die Wirksamkeit. Ein Outdoor-Training oder eine ungewöhnliche, gemeinsam besuchte Veranstaltung zu Projektbeginn könne beispielsweise in Kombination mit regelmäßigen kleineren Maßnahmen im Zeitverlauf zu einer intensiven Bindung an das Team führen. Das persönliche Verantwortungsgefühl für die Gesamtergebnisse der Gruppe wird so bei jedem Teammitglied erhöht und Trittfahrer-Effekte werden vermieden.
In unserer Studie unterscheiden wir außerdem zwischen zwei Arten von Auseinandersetzungen während der Teamarbeit. Beziehungsbezogene Unstimmigkeiten entstehen auf persönlicher Ebene der Zusammenarbeit und beschreiben Spannungen zwischen den Teammitgliedern. Aufgabenbezogene Diskussionen handeln dagegen von Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf Ideen, Konzepte und Vorgehensweisen. Wenig überraschend steigt in allen Teams des Global Leadership-Seminars mit zunehmendem Zeitdruck auch die Zahl der Auseinandersetzungen. Es zeigen sich aber interessante Unterschiede in Bezug auf die Art der Diskussionen. In erfolgreichen Teams ist die Zahl der aufgabenbezogenen Auseinandersetzungen in der „heißen Projektphase“ deutlich höher als in den weniger erfolgreichen Gruppen. Letztere müssen verstärkt mit persönlichen Kontroversen wie Statuskämpfen und zwischenmenschlichen Abneigungen umgehen. Mehr kritische Diskussionen sind demnach nicht automatisch negativ, sondern fördern, wenn sie sich auf Ideen und Vorschläge beziehen, die Tiefe der Informationsverarbeitung. Dadurch können innovativere Lösungen entstehen als in homogenen Gruppen, in denen alle einer Meinung sind. Allerdings ist eine positive Streitkultur notwendig, das heißt, den Teilnehmern muss klar sein, dass sich Kritik nicht auf sie als Person bezieht, sondern konkrete Sachverhalte betrifft. Dieser Befund wird auch dadurch gestützt, dass sich erfolgreiche Teams durch ein höheres Maß an Vertrauen zwischen den einzelnen Mitgliedern auszeichnen. Sie glauben, dass die anderen Gruppenmitglieder ihre Arbeit grundsätzlich wertschätzen und eine positive Grundhaltung ihnen gegenüber vertreten.
Zusammenarbeit der Generationen
Als drittes Untersuchungsfeld betrachten wir die Herausforderungen in der Zusammenarbeit der Generationen. Die Studenten repräsentieren die nachfolgende Generation Z, die auch als Generation Facebook oder Generation Lifestyle bezeichnet wird. Die Nachwuchskräfte von Daimler gehören dagegen der vorherigen Generation Y an, die ebenfalls ein hohes Interesse in den Medien und der Arbeitgeberwerbung auf sich zieht. Während beiden Generationen auf der einen Seite eine Leistungsexplosion, hohe Flexibilität und Netzwerkfähigkeit zugesprochen wird, müssen potenzielle Arbeitgeber auf der anderen Seite mit ihrer Spaßorientierung, niedrigen Unternehmensbindung und Ansprüchen an eine „Wohlfühlkultur“ umgehen. Wie erleben die Generationen die Zusammenarbeit nun untereinander? Trotz des vergleichsweise geringen Altersunterschieds zeigen sich spezifische Herausforderungen bereits im Zeit- und Arbeitsverständnis. Das Arbeitsverhalten der Studenten ist wesentlich entgrenzter als das ihrer Teamleader von Daimler. Mitglieder der Generation Z kommunizieren nach dem Empfinden ihrer Teamleader eher unstrukturiert, dafür aber ständig und in hohem Maße, wobei WhatsApp-Gruppen genauso selbstverständlich genutzt werden wie Videokonferenzen oder Facebook. Aus Sicht der Studenten ist diese Vorgehensweise allerdings gar nicht unstrukturiert. Sie weisen auf die innovativen Ideen hin, die durch die ständige Beschäftigung mit dem Projekt entstehen. Der ständige Informationsfluss führt dazu, dass kontinuierlich Fortschritte entstehen – aber eben nebenbei, auf dem Weg zur Uni oder am Essenstisch. Für die Praxis ergibt sich damit die Herausforderung, wie der Wunsch nach neuen Kommunikationsformen und entgrenzten Arbeitsvorstellungen im Kontext von Datensicherheit und Zeiterfassung erfüllt werden kann.
Richtiger Umgang mit Vielfalt
Internationalität kann ein Erfolgsfaktor für Teams sein – wenn damit richtig umgegangen wird. Für die Steuerung internationaler Arbeitsteams lässt sich zusammenfassen, dass neben allgemeinen Diversity-Trainings zur Einstellungsveränderung auch vermehrt auf spezifische Maßnahmen zur Verbesserung der Zusammenarbeit in konkreten Teams geachtet werden sollte. Zentrale Aspekte sind hier die Erhöhung des Teamzusammenhalts, der Aufbau einer konstruktiven Konflikt- und Feedback-Kultur sowie des Vertrauens und der Wertschätzung zwischen den Teammitgliedern. Abbildung 1 fasst die Merkmale erfolgreicher Zusammenarbeit in internationalen Teams nach verschiedenen Arbeitsphasen zusammen. Während frühere Konzepte davon ausgehen, dass nach einer anfänglichen Konfliktphase eine ruhigere Arbeitsphase eintreten sollte, heben wir den Wert kontinuierlicher aufgabenbezogener Auseinandersetzungen hervor. Auf diese Art und Weise können unterschiedliche Hintergründe der Teammitglieder einen Unterschied machen, der sich positiv auf die Leistungs- und Innovationsfähigkeit auswirkt.
Praxistransfer: Neue Wege in der Personalentwicklung im Mercedes-Benz Werk Bremen
Mit dem Group of Innovation (GOI) Projekt geht das Mercedes-Benz Werk Bremen neue Wege in der Personalentwicklung junger Nachwuchskräfte und erhält dabei auch innovative Sichtweisen auf dringende gesellschaftliche Zukunftsfragen. Dabei werden kreative Ideen zur Lösung der wichtigsten strategischen Herausforderungen entwickelt. Die zu gestaltenden Veränderungen sind vielfältig: zum Beispiel der Aufbau eines Kompetenzzentrums für die neue C-Klasse in einem internationalen Produktionsnetzwerk und die demografische Entwicklung. Hinzu kommen weitere Schlüsselfragen des Unternehmens wie Arbeitgeberattraktivität, Netzwerkbildung mit anderen Unternehmen oder Integration von Expatriates.
Abgeleitet aus diesen komplexen Herausforderungen wurden folgende Aufgabenstellungen für die Teamarbeit im Rahmen des Global Leadership Seminars formuliert:
- 1.
Produktionsverbund Mercedes-Benz C-Klasse: Was muss das Werk Bremen als Kompetenzzentrum C-Klasse sicherstellen, damit das Netzwerk mit den Standorten in Südafrika, USA und China funktioniert?
- 2.
Zu Gast in Bremen für ein bis drei Jahre: Wie kann ein Integrationskonzept aussehen, das Impats schnell und zielgerichtet integriert und arbeitsfähig macht?
- 3.
Welche Faktoren bedingen die Arbeitgeberattraktivität und was lässt sich daraus für das Werk Bremen ableiten?
- 4.
Welches sind die für Mercedes-Benz Werk Bremen interessanten Unternehmen in der Region und wie kann ein inhaltlich sinnvolles und mehrwertstiftendes Kooperationsnetzwerk ausgestaltet werden? (Fokus: Technologie und Innovation)
- 5.
Wie gelingt es uns im Werk Bremen bei einer älter werdenden Belegschaft und einer durchschnittlich hohen Betriebszugehörigkeit, dass die Mitarbeiter/-innen sich für neue, zukunftsgerichtete Trends interessieren und diese sinnvoll in ihren Arbeitsalltag einbringen?
Die Bearbeitungsphase der oben genannten Aufgabenstellungen war auf zehn Wochen begrenzt. Im Rahmen der Projektabschlusspräsentation bekamen alle Teams die Möglichkeit, ihre Ergebnisse vor dem gesamten Top-Management des Mercedes-Benz Werk Bremens vorzustellen und in einer gesonderten Veranstaltung mit Herrn Porth, Personalvorstand und Arbeitsdirektor sowie Vorstand Mercedes-Benz Vans der Daimler AG, zu diskutieren.
Abschließend wurden die Leistungen der Teams durch eine Experten-Jury, bestehend aus Leitenden Angestellten des Werkes Bremen, nach Qualität, Innovationsgrad und Umsetzbarkeit der Lösungsvorschläge beurteilt. Auf besonderes Interesse bei der Experten-Jury stießen vor allem die Ideen, Nachwuchs frühzeitig anzusprechen, neue Mitarbeiter über ein offenes und kooperatives Mentorenprogramm einzubinden und die Vernetzung über Social Media-Apps zu verbessern.
Kearney, E. & Voelpel, S. (2012): Diversity research – What do we currently know about how to manage diverse organizational units? Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 82, 3–18.
Van Knippenberg, D., De Dreu, C. K. W. & Homan, A. C. (2004): Work group diversity and group performance: An integrated review and research agenda. Journal of Applied Psychology, 89, 1008–1022.
Autoren
Heino Niederhausen, Leiter Personal, Mercedes Benz Werk, Bremen
Sven C. Voelpel, Professor für Betriebswirtschaft, Jacobs University, Bremen,
s.voelpel@jacobs-university.de
Fabiola H. Gerpott, Doktorandin, Daimler AG, Bremen,
f.gerpott@jacobs-university.de
- Die Causa Schick
- Auf die Begegnung
- Lernen mit IT und von Philosophen
- Fakt oder Fata Morgana?
- Nimm das Sieb, nicht die Schrotflinte
- Die Qual der Wahl
- Hilfreich, aber ausbaufähig
- Lost in „Generation Y“
- Der Verkäufer als Kunde
- Den eigenen Anspruch durch Flexibilität einlösen
- Eine bunte Truppe führen
- Wie chinesische Job-Hopper sesshaft werden
- Was international gemischte Teams erfolgreich macht
- Erfolg ist, was ich dafür halte!
- Wie effusiv sind Sie?
- Unternehmen hören die Signale