Ausgabe 5, Special Auslandsentsendung - 2015
Keine globale Mobilität ohne Strategie

In diesem Jahr hat EY seinen „Global Mobility Survey“ erstmals in Zusammenarbeit mit dem Harvard Business Review herausgegeben. Schwerpunkt der Befragung in diesem Jahr war die Herausforderung, Global Mobility strategisch anzugehen. Die Umfrage zeigt, dass Global Mobility noch häufig ohne strategische Orientierung umgesetzt wird.
Für den siebten „Global Mobility Survey“ von EY mit dem Titel „Strategic Global Mobility: Unlocking the value of cross border assignments“ wurden 695 Führungskräfte aus allen Kontinenten und unterschiedlichen Branchen zu ihrem Global Mobility Management befragt. 90 Prozent der Teilnehmer sind Manager in globalen Unternehmen, davon über zwei Drittel (69 Prozent) mit Geschäftsaktivitäten in mehr als zehn Ländern. Eine effektive Global Mobility-Strategie und deren Ausführung – kurz: strategisches Global Mobility – können ein Schlüsselfaktor für das Erreichen von Unternehmenszielen sein, so das zentrale Ergebnis. Knapp zwei Drittel der befragten Teilnehmer, die ihr Global Mobility Management strategisch angehen, berichten, dass dies einen positiven Einfluss auf die Geschäftsergebnisse ihres Unternehmens habe. Außerdem seien ihre Global Mobility-Programme entscheidend für das Wachstum in neuen Märkten, die Motivation und Karriereplanung ihrer Mitarbeiter sowie beim Management und der Bindung von Talenten. Den größten Nutzen eines strategischen Global Mobility Managements sehen die Teilnehmer in der Entwicklung lokaler Nachfolger (55 Prozent), der Förderung von neuem Marktwachstum (54 Prozent) und in der Verbesserung der Unternehmenskultur (46 Prozent).
Ohne ein planvolles Vorgehen im Global Mobility-Geschäft besteht jedoch das Risiko, keine Früchte aus den in der Regel beachtlichen Investitionen in internationale Mitarbeitereinsätze zu ernten. So werden beispielsweise häufig auch nicht optimal geeignete Mitarbeiter teuer entsandt, während vor Ort geeignete Talente zur Verfügung stünden. Ebenso verlieren viele Unternehmen wertvolle Talente während oder nach ihrem Auslandseinsatz, da Karriereperspektiven für die Zeit nach dem Auslandseinsatz nicht genügend geplant werden. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, Global Mobility strategisch anzugehen, denn viele unternehmensinterne Stakeholder haben großes Interesse am Erfolg der Mission „Auslandseinsatz“. Doch bisher sind die Bedürfnisse der entsandten Mitarbeiter, der entsendenden Fachabteilungen sowie übergeordnete Unternehmens- und Talent Management-Ziele noch zu wenig mit dem Global Mobility Management verknüpft.
Proaktives versus reaktives Global Mobility Management
Viele Unternehmen haben die greifbaren Vorteile eines effektiven Global Mobility Managements und auch die Risiken einer fehlenden Strategie erkannt. Trotzdem spielt Global Mobility nach wie vor keine große Rolle in der strategischen Unternehmensplanung (siehe Abbildung 1).
Die Studie zeigt eine Zweiteilung zwischen den Unternehmen, die einen proaktiven, vorausschauenden Ansatz in ihrem Global Mobility Management verfolgen und denen, die keine Global Mobility Strategie haben und ihre Mitarbeiter eher bedarfsorientiert und ad hoc ins Ausland entsenden. 63 Prozent der befragten Teilnehmer haben ihr Unternehmen der Gruppe der „Nicht-Strategen“ zugordnet und lediglich knapp ein Viertel der Gruppe der „Strategen“. Zwischen beiden Gruppen zeigen sich deutliche Unterschiede in der Umsetzung und Bedeutung des Global Mobility Managements. In der Gruppe der Nicht-Strategen wird Global Mobility nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt und die Global Mobility-Abteilung spielt keine große Rolle am Strategietisch des Unternehmens. Die Strategen, die den Nutzen ihres Global Mobility-Programms erkannt haben und fördern, können davon profitieren. So sind es beispielsweise die Strategen, die eine bessere Arbeit darin leisten, Global Mobility aktiv als positiven Treiber für die Karriereentwicklung zu bewerben.
Unter den Unternehmen, die Global Mobility eher bedarfsorientiert und reaktiv managen, diskutieren über die Hälfte (51 Prozent) nur halbjährlich oder seltener beziehungsweise nur bei Bedarf – das heißt, in der Regel im Falle von Eskalationen – mit der Geschäftsführungsebene. Einige sogar nie (2 Prozent). Dahingegen treffen 47 Prozent der Unternehmen, die oben als Strategen erläutert wurden, diese wichtigen Stakeholder quartalsweise oder häufiger (monatlich oder wöchentlich).
Nur so ist das nötige Management-Buy-in für die Entwicklung und Umsetzung einer neuen Strategie für das Entsendemanagement sichergestellt.
Abbildung 1
Global Mobility-Entscheidungen

Die Umfrage zeigt, dass die meisten Global Mobility-Entscheidungen nur als Reaktion auf akuten Bedarf getroffen werden.
Abbildung 2
Herausforderungen bei der Implementierung

Die größte Hürde, Global Mobility strategisch auszurichten, ist laut der Studie das lediglich taktische, bedarfsorientierte „Ad-hoc“-Management von Auslandseinsätzen.
Herausforderungen für die Implementierung
Die größte Hürde, Global Mobility strategisch auszurichten, ist laut der Studie das lediglich taktische, bedarfsorientierte „Adhoc“-Management von Auslandseinsätzen. Eine HR Managerin eines US-Pharmaunternehmens erläutert: „There is a lack of knowledge within the business – they simply want it done fast and cheap and it doesn't work either way. Generally, the managers make the decision before [the] Global Mobility [department] is even involved.“ Hier wird deutlich, was in vielen Unternehmen Realität ist. Zwischen dem Business und der Mobility-Abteilung fehlt häufig die Abstimmung und Mitarbeiter werden oft „von heute auf morgen“ ohne planvolles Karrieremanagement ins Ausland entsandt (siehe auch Abbildung 2).
Weitere genannte Herausforderungen sind die signifikant höheren Kosten rund um die Entsendung von Mitarbeitern im Vergleich zur Einstellung von lokalen Arbeitskräften und die Qualifikationslücke, die der Mitarbeiter in seinem Heimatland hinterlässt. Aus diesem Grund sollte man sich im Rahmen einer Global Mobility-Strategie stets die Frage stellen, was man mit der Entsendung seiner Mitarbeiter überhaupt erreichen möchte. Welchem Zweck dient welche Art von Entsendung? Nicht alle Entsendungen sind gleich und müssen im Hinblick auf das „Mobility Package“ gleich ausgestaltet sein. Alternative Einsatzformen von Mitarbeitern wie zum Beispiel Lokalisierungen, Pendlermodelle, kurzzeitige Auslandseinsätze oder auch virtuelle Teams können den Kostendruck minimieren und der Mitarbeiter kann in einigen Fällen auch weiterhin im Heimatland tätig sein. Die Schwierigkeit, den Return on Investment zu quantifizieren, fehlende Verantwortung für eine Global Mobility-Strategie sowie mangelnde Strukturen für eine erfolgreiche Umsetzung sind weitere Punkte auf der Liste der Herausforderungen rund um strategisches Global Mobility. Auf die Frage, ob der Return on Investment von Global Mobility in ihrem Unternehmen gemessen wird, war die Antwort von knapp zwei Dritteln der Teilnehmer „Nein“ oder „Noch nicht“.
Diese Herausforderungen sind umso bedeutender, wenn man sich den steigenden Bedarf an mobilen Mitarbeitern vor Augen führt. Fast drei Viertel der befragten Teilnehmer gehen davon aus, dass der Bedarf an mobilen Mitarbeitern in den nächsten drei Jahren steigt. Knapp zwei Drittel der Unternehmen haben diesen Trend bereits in den vergangenen drei Jahren beobachtet. Neues Marktwachstum ist dabei der Haupttreiber für den steigenden Bedarf (60 Prozent) an global mobilen Mitarbeitern. Weitere Gründe für diesen Trend sind die steigende Nachfrage nach globaler Mobilität von potenziellen Kandidaten (36 Prozent), Qualifikationslücken in bestimmten Märkten (32 Prozent), Wissenslücken in der Organisation (30 Prozent) sowie Unternehmenszukäufe und Fusionen (26 Prozent). Gerade bei einer großen Entsendepopulation in vielen unterschiedlichen Märkten ist eine auf die Unternehmensziele abgestimmte Global Mobility Strategie Voraussetzung für die Effizienz und den Erfolg des Global Mobility Managements.
Abbildung 3
Global Mobility und Talent Management

Für eine Global Mobility-Strategie muss sich das Unternehmen auch über die Bedeutung von Talent Management im Zusammenhang mit globaler Mobilität klar werden.
Global Mobility-Strategie entwickeln
Doch was genau bedeutet Global Mobility-Strategie? In unseren Augen bedeutet es einen holistischen Ansatz mit Blick auf das gesamte Global Mobility Management. Einfacher gesagt: Es ist eine Reise, die damit beginnt, dass Unternehmen sich die Frage stellen sollten, warum sie ihre Mitarbeiter überhaupt international einsetzen und welche Ziele sie damit verfolgen. Welche Global Mobility-Identität wollen wir uns geben? Sollen Auslandseinsätze in erster Linie der Entwicklung von Mitarbeitern dienen oder der Erledigung einer Aufgabe im Ausland? Oder beidem? Was bedeutet Talent Management im Zusammenhang mit globaler Mobilität für uns (siehe auch Abbildung 3)? Dazu gehört auch die Überlegung über die Definition von Global Mobility. Muss dies zwingend ein Auslandseinsatz sein? Oder sehen wir die Mitarbeit beziehungsweise die Leitung eines internationalen virtuellen Teams als gleichwertige internationale Erfahrung an? Die Antworten auf diese Fragen können als Global Mobility-Grundsätze dienen und geben dem Unternehmen die oben genannte Global Mobility-Identität. Nur mit einer klaren Vorstellung darüber, warum Mitarbeiter global mobil sein sollen, was dies für das Unternehmen bedeutet und in welchen Bereichen Global Mobility verändert werden soll, kann definiert werden, welche und wie viele Mitarbeiter zu welchen Konditionen in welche Märkte verschickt werden.
Ist die „Warum-Frage“ beantwortet, folgt die Überlegung, was das Unternehmen als Arbeitgeber im Rahmen seines Global Mobility-Programms für wen anbieten möchte, denn nicht jeder Auslandseinsatz verfolgt dasselbe Ziel. Stellt man die Ziele einer Entsendung aus Sicht des Unternehmens den Zielen für die persönliche Entwicklung des Mitarbeiters gegenüber, so können unterschiedliche Entsendegruppen definiert werden. Die Einteilung der Global Mobility Population in diese Gruppen erlaubt es dem Unternehmen, ihr Global Mobility Management zum Beispiel in Hinblick auf die Betreuung, die vertraglich zugesicherten Global Mobility-Leistungen, die Karriereplanung der Mitarbeiter und schließlich auch das Kostenmanagement zu differenzieren.
Und letztlich muss geklärt werden, wie das zuvor definierte Servicepaket für die jeweiligen Mitarbeiter erbracht wird. Hier gilt es durch eine geeignete Organisationsstruktur und standardisierte Prozesse die Basis dafür zu schaffen, dass die zuvor definierten Dienstleistungen, gegebenenfalls durch die Unterstützung externer Partner und Spezialisten, möglichst einheitlich und effizient dem Expat zugute kommen. Unternehmen, die es schaffen, eine Global Mobility-Strategie zu definieren und umzusetzen, sind für die aktuellen Global Mobility-Herausforderungen rund um wachsende Märkte, steigende Entsendezahlen, zunehmenden War for Talent und gleichzeitigen Kostendruck gut aufgestellt.
Studie
Interessenten können die gesamte Studie per E-Mail an melanie.feistauer@de.ey.com anfordern.
Autorin
Ulrike Hasbargen,
Partnerin, Steuerberaterin, Wirtschaftsprüferin, Leiterin Human Capital Deutschland, Schweiz, Österreich, Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, München,
ulrike.hasbargen@de.ey.com
Autorin
Melanie Feistauer,
Senior Consultant Human Capital, Global Mobility, Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, München,
melanie.feistauer@de.ey.com
- Rückkehr mit Wertschätzung
- Gegen das große Fremdeln in der Heimat
- Aus den Augen, nicht aus dem Sinn
- Keine globale Mobilität ohne Strategie
- Einmal Asien und zurück
- Aufklärung ist der beste Schutz
- Mit Big Data den Überblick behalten
- Uruguay: EU-ähnliche Verhältnisse
- Norwegen: Keine Freistellung mehr möglich