Ausgabe 5, Special Auslandsentsendung - 2017
Die neue Unsicherheit

Ob Brexit, Trump, Russland oder die Türkei: Die Welt ist unberechenbarer geworden. Wie sich die Entsendepraxis der Unternehmen unter den neuen politischen Vorzeichen entwickelt, diskutierten die Global-Mobility-Experten beim Round Table in Frankfurt.
Von Christiane Siemann
Bleiben die Wirtschaftsmärkte offen? Dass diese Frage keinen rhetorischen Charakter hat, zeigt sich nicht erst seit dem Brexit und der Wahl in den USA. Marktabschottung, Handelshindernisse und nationale Isolationstendenzen könnten sich weltweit als Folge einer protektionistischen Politik manifestieren – oder eben auch nicht. Die allgemeine Verunsicherung wird durch diverse Wahlen in Europa im Jahr 2017 sowie durch eine neue Wirtschaftspolitik in China verstärkt. Eine liberale Handels- und Migrationspolitik steht auf dem Prüfstand.
Unternehmen, die ihre Absatzmärkte sichern wollen, müssen sich darauf einstellen, ihre grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit einigen Ländern neu zu organisieren. Dabei erfordert jede Region ein unterschiedliches Vorgehen. Bei Crown World Mobility Europe beobachtet man seit einigen Jahren aufgrund des Wirtschaftsembargos rückläufige Entsendeaktivitäten nach Russland, doch eine grundsätzliche Änderung der Entsendepolitik sei nicht in Sicht. Derzeit nehmen die Entsendungen wieder leicht zu. Aus der Türkei ziehen Unternehmen ihre Mitarbeiter ab, vor allem wenn sie mit Familie unterwegs sind. Auch verlegten einige ihre regionalen Hauptsitze für den mittleren Osten nach Dubai, weil sie in Sorge über die politische Entwicklung sind.
Bye-bye Britain
Der Brexit erschreckt Arbeitgeber inzwischen weniger. „Gut vorbereitete Unternehmen spielen in Hinblick auf internationale Mitarbeitereinsätze von oder nach Großbritannien verschiedene Varianten und deren Auswirkungen durch“, weiß Michael Weiß, Senior Manager bei Deloitte, zu berichten. Geprüft werden dabei aufenthalts-, steuer- oder sozialversicherungsrechtliche Folgen sowie Fragen rund um die Vergütung und Wechselkursschwankungen. Je nach Ergebnis der Austrittsverhandlungen seien die Implikationen sehr unterschiedlich. „Wenn es ernst wird, können sie dann Veränderungen zügig und konsequent umsetzen.“ Anders sehe die Lage in der Türkei aus. Zwar warteten einige Unternehmen noch das Verfassungsreferendum ab, aber nach den Protesten am Taksim-Platz und dem Putschversuch wurden bereits Mitarbeiter zurückgerufen.

Professor Dr. Michael Heuser, Fachhochschule der Wirtschaft, Mettmann, moderierte das Gespräch.
Ähnliches stellt man bei der Techniker Krankenkasse (TK) fest: Die Anzahl der Entsendungen nach Großbritannien habe nicht abgenommen. Anders jedoch im Krisenland Türkei: „Hier ist die Nachfrage stark zurückgegangen“, sagt Jürgen Heidenreich, Experte für internationale Beschäftigung bei der TK. „Auch die Firmen selbst stellen sich die Frage, ob sie in Zukunft noch rechtssicher in der Türkei agieren können.“ Dass es deutlich schwieriger bis unmöglich für sie wird, überhaupt Entsendewillige für die Türkei zu finden, können alle Diskussionsteilnehmer bestätigen: Ein Teil der Mitarbeiter fürchtet Terroranschläge, bei den anderen gibt die grundsätzliche Ablehnung autokratischer Systeme den Ausschlag, eine Entsendung abzulehnen.
Anderer Kontinent, andere Probleme: Trumps Einreiseverbot für Bürger aus bestimmten muslimischen Staaten verunsichert auch deutsche Unternehmen. Ein irakischer Staatsangehöriger konnte neulich für seinen deutschen Arbeitgeber nicht in die USA einreisen und wurde am Flughafen postwendend zurückgeschickt. Dies ist nach Beobachtung der WTS Tax Legal Consulting bisher zwar ein Einzelfall, aber ob es so bleibt, könne keiner absehen. Ähnlich hoch sind die Unsicherheiten in Bezug auf die Folgen des Brexits. Vor allem arbeitsrechtliche Beratungen, insbesondere zu Rückkehrklauseln in Entsendeverträgen und zum Sozialversicherungsrecht, würden aktuell deutlich zunehmen, registriert Rechtsanwalt und Steuerberater Frank Dissen von WTS.
Eine weitere Folge der nationalen Tendenzen: Viele Unternehmen befürchten, dass es in der Post-Brexit-Welt schwieriger wird, internationale Talente zu rekrutieren. Dazu Kay Hall von Airinc: „Einige Global-Mobility-Verantwortliche in großen Unternehmen bereiten sich schon auf den Worst Case vor, nämlich dass die EU auseinanderbricht.“ Andere Unternehmen befristen zunächst ihre Entsendungen auf zwei Jahre, da sie den weiteren Austrittsprozess abwarten, berichtet Omer Dotou, Leiter Unternehmensberatung Internationale Mitarbeiterentsendung bei der BDAE Consult, und ergänzt: Auch die Mitarbeiter seien verunsichert und suchten Beratung für den Fall, dass sie vorzeitig zurückkommen müssen.
US-Visa-Änderungen in Sicht
Die Entsendungen in die USA nehmen derzeit allerdings zu, wie die Diskussionsteilnehmer feststellen. Was Omer Dotou jedoch Sorge bereitet, sind US-Regierungspläne, die Visakategorien zu ändern: „Unternehmen müssen sich auf neue Regelungen einstellen.“ Beim E-1- und E-2-Visum soll, wenn der Kongress zustimmt, die Investitionshöhe erheblich steigen. Beim H-1B-Visum zeichnen sich andere Gehaltsgrenzen ab und ebenso stehen die Visakategorien für Business Traveller auf der Überarbeitungsliste. Zudem sind verschärfte Kontrollen bei den Betrieben geplant, die ausländische Arbeitnehmer mit dem L-1-Intracompany-Transferee-Visum beschäftigen. Entsende-Experte Dotou: „Relevant werden diese Änderungen für Unternehmen, die keine deutschen, sondern ausländische Mitarbeiter in die USA entsenden.“
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Dass die Entsendevolumina in die USA auch künftig eher steigen werden, prognostiziert Michael Weiß von Deloitte. Gerade die Automobilindustrie reagiere auf die Ankündigung der Abschottung von Mexiko. „Wenn die Grenzen dicht sind, wird das Know-how in den USA fehlen, daher wird das Fachwissen ‚umgeshiftet‘ und in den USA aufgebaut.“ Gisela Baum von der AXA Internationale Krankenversicherung erlebt im Tagesgeschäft, dass gerade im Fall der USA die Unternehmen sehr aufmerksam beobachten, wie sich die Lage entwickelt. Doch „länger geplante Projekte werden nicht gestoppt, das können sie sich nicht erlauben“, so die Vertriebsdirektorin Internationale Krankenversicherung.
Kommt es bei einer Änderung der sogenannten Obamacare zu Auswirkungen für Unternehmen? Das wollen die Arbeitgeber ebenfalls wissen, doch derzeit lässt sich das noch nicht mit Sicherheit zu sagen. Möglicherweise entfällt die Nachweispflicht und Unternehmen müssen nicht die vorgeschriebene Mindestabdeckung nachweisen, sagt Gisela Baum. Ein Wegfall dieser strengen Richtlinien würde vorerst keine Änderung der Tarifleistungen nach sich ziehen, da der Krankenversicherungsschutz der AXA mit weltweiter Gültigkeit die derzeitigen Anforderungskriterien erfülle.
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To-dos für Entsender
Angesichts der aufgezählten Entwicklungen gilt für das Global Mobility Management: „Ein Weiter-so-wie-bisher ist definitiv falsch.“ Mit dieser Aussage steht BDAE-Berater Omer Dotou nicht allein. Denn selbst wenn wie in den USA und Großbritannien außer Ankündigungen noch nicht viel passiert ist, sollten sich Unternehmen informieren, wie sich die geopolitischen Änderungen auf ihre Standort- und Entsendepolitik auswirken könnten. Dabei empfiehlt sich, vier grundlegende Entwicklungen im Blick haben, wie Giovanni De Carlo von Crown World Mobility ausführt: Zum einen müssen Entsender beobachten, wie sich migrationsrechtliche Vorschriften ändern. Zum anderen sollten sie die Währungseinflüsse regelmäßig analysieren, denn Anpassungen bei Gehältern und Zulagen könnten notwendig sein. Ebenso wichtig sei es, steuerliche Aspekte zu verfolgen, weil verschiedene Länder gezielt neue Anreize schaffen, um Firmenansiedlungen und den Aufbau von Arbeitsplätzen zu fördern. De Carlos viertes To-do lautet: „Unternehmen müssen darauf vorbereitet sein, Group Moves durchzuführen, also ganze Gruppen von Mitarbeitern umzusiedeln.“ Es sei notwendig, Lösungen für verschiedene Szenarien bereitzuhalten, um den Einfluss der wichtigsten Aspekte aus gehalts-, steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Sicht durchspielen zu können, sodass die richtige Entscheidung leichter fällt.
Für Unternehmen ist es derzeit allemal sinnvoll, sich professionell zeigen zu lassen, welche Optionen unter neuen Rahmenbedingungen in kritischen Regionen machbar und sinnvoll sind. Eine der Alternativen heißt: Vermehrt Local Hires einzusetzen, weil Entsendungen unter neuen Voraussetzungen nicht oder nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand und wachsenden Unsicherheiten zu realisieren sind, sagt Deloitte-Berater Michael Weiß. Ebenso plädiert er dafür, „die Erwartungshaltung angehender Expats realistisch zu bewerten und mit den Mitarbeitern und idealerweise auch Mitreisenden offen zu kommunizieren, welche Chancen und Risiken sie erwarten“.
Entsende-Policy überprüfen
Assignment-Policies integrieren selbstverständlich eine Rückkehrklausel, die festlegt, wie man mit einem Entsendeabbruch aus externen Gründen umgeht. Doch aktuell ist angeraten, besonderes Augenmerk auf diese Rückkehrklauseln zu legen, mahnt Jürgen Heidenreich von der TK. Auch weil die Wahrscheinlichkeit, dass eine vorzeitige Rückkehr notwendig ist, deutlich gewachsen ist. Genauso schätzt Rechtsanwalt und Steuerberater Frank Dissen, WTS Tax Legal Consulting, die Situation ein. Jede Entsendevereinbarung sollte einen Vorbehaltshinweis in Bezug auf genehmigungspflichtige Verfahren, also insbesondere Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis enthalten. Diese arbeitsrechtliche Klausel sei immer zu empfehlen und in der Mehrheit der Verträge bereits enthalten. Doch die Aufmerksamkeit und der Beratungsbedarf dafür seien merklich größer geworden, denn aufgrund der in vielen Ländern immer restriktiveren immigrationsrechtlichen Vorschriften ist nicht mehr ausgeschlossen, dass sie auch zur Anwendung kommt. „Mit einer auflösenden Bedingung sind Unternehmen für jeden Fall gewappnet“, so Dissen.
Kopfzerbrechen bereiten den Verantwortlichen für das Entsendemanagement auch die Wechselkursschwankungen. Seit das britische Pfund fällt, stellt sich die Frage, wie eine neue Wechselkurs-Policy aussehen sollte. Bislang war es üblich, einmal jährlich oder seltener die Cost-of-Living-Allowance (COLA), die Teuerungszulage, zu überprüfen. Das ändert sich: „Die Post-Brexit-Phase hat zu viel mehr signifikanten COLA-Bewegungen geführt, als es für eine harte Währung zu erwarten war.“ So erlebt es Kay Hall von Airinc in vielen Unternehmen, die nun zweimal jährlich oder häufiger die Lebenshaltungskosten überprüfen. Und das nicht nur für Mitarbeiter, die nach dem Home-based-Ansatz vergütet werden. Laut „Airinc Mobility Outlook Survey 2017“ haben sich im vergangenen Jahr 76 Prozent der Arbeitgeber für dieses Gehaltsmodell entschieden, inklusive wechselkurs- und inflationsbedingter Anpassungen. Die anderen Unternehmen bezahlen nach dem Host-Prinzip basierend auf einer anfänglichen Netto-Netto-Berechnung. Fällt das britische Pfund, erhalten die diese Mitarbeiter keine COLA-Anpassungen, erleiden aber in Großbritannien finanzielle Verluste.
Eine andere Möglichkeit, Wechselkursschwankungen entgegenzuwirken, ist zum Beispiel die Anwendung einer Split Payroll. Dabei wird ein Teil der Vergütung im Heimatland des Entsandten ausbezahlt, der andere Teil über die Abrechnung im Gastland. Bei diesem Vorgehen muss unbedingt auf eine vollständige Erfassung der ausgezahlten Vergütungsbestandteile in Heimat- und Gastland geachtet werden, mahnt Michael Weiß von Deloitte. Dazu zählen eben auch nicht monetäre Leistungen, die einen geldwerten Vorteil generieren können. Nach seiner Erfahrung entscheide sich die Mehrheit der Unternehmen nach wie vor für den Home-Based-Approach. Dieser werde jedoch immer weniger mit einer reinen Tax-Equalization, sondern vermehrt mit dem sogenannten Balance-Sheet-Ansatz kombiniert. Verkürzt ausgedrückt: Die Vergütung des Entsandten wird über das tatsächlich ausgezahlte Gehalt abgegolten und es findet keine weitere Vergleichsberechnung am Ende des Steuerjahres statt, um zu eruieren, ob die während des Jahres abgeführten Steuern der tatsächlich aufzuwendenden Steuerlast entsprechen.
Höhere Zulagen
Beide Vorgehensweisen haben Vor- und Nachteile. „Im Zweifelsfall ist es charmant, die Zulage etwas höher anzusetzen, damit der Arbeitnehmer auf jeden Fall mindestens so gut dasteht, als wenn eine Steuerausgleichsberechnung erfolgt wäre“, urteilt Frank Dissen von WTS Tax Legal Consulting. Aber die Ermittlung der Zulagen zwecks Nachteilsvermeidung zu Beginn der Entsendung könne immer nur eine Schätzung darstellen, die in diesen Fällen später nicht mehr überprüft werde. Möglicherweise sparen die Unternehmen auf diesem Weg zwar die Kosten einer externen Beratung für die Steuerausgleichsberechnung, aber „sie erkaufen sich dies im Zweifel mit einer höheren Zulage“. Dissens Erfahrung ist auch, dass immer mehr Unternehmen von klassischen Nettolohnvereinbarungen mit jährlichen Steuerausgleichsberechnungen Abstand nehmen, weil sie zum einen teuer und zum anderen administrativ sehr aufwendig sind: „Der Trend geht wieder hin zur Bruttolohnvereinbarung, aber mittels Zulagengewährung durchaus angepasst an die Lebensumstände im Ausland.“
Ein Schmerzpunkt im Entsendungsmanagement ist das Controlling. Die erwähnte Airinc-Studie zeigt, dass nur 14 Prozent der europäischen Unternehmen mit etablierten Expat-Programmen systematisch die tatsächlichen Ausgaben zur anfänglichen Kostenprojektion messen. Rund 36 Prozent beschäftigen sich ab und zu damit. Doch trotz dieser bedenklichen Zahlen gibt es auch einen anderen Trend: In den vergangenen zwei Jahren verschafften sich mittelständische Betriebe mehr Transparenz über die Kosten ihrer Entsendeaktivitäten, stellt Giovanni De Carlo, Crown World Mobility, fest. Und bei Konzerngesellschaften sei ein gewisser Laissez-faire-Umgang mit Entsendungen abgelöst worden durch „vorgegebene Richtlinien des Headquarters, klar definierte Prozesse und HR-Bereiche, die eine Struktur aufbauen, um eine bessere Kontrolle und Übersicht zu erhalten“. Nicht nur in Bezug auf die Kosten, sondern auch auf Compliance-Vorschriften und Migrationspflichten.
Dem Laissez-faire-Umgang geht es insgesamt an den Kragen. Immer mehr kleine und mittlere Unternehmen (KMU) entwickeln eine verbindliche Expat Policy, um einheitliche Strukturen für die Umsetzung betrieblicher Auslandsvorhaben zu gewährleisten, beobachtet Gisela Baum, AXA Internationale Krankenversicherung. „Dennoch zeigt sich in der Praxis, dass Abweichungen noch zu oft üblich sind und Entsendeverträge weiterhin unterschiedlich gestaltet werden.“
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Fallstrick BEPS
Eine detaillierte Planung des Auslandseinsatzes unter Berücksichtigung aller Einflussfaktoren ist jedoch ebenso wichtig wie deren Kontrolle während der Auslandstätigkeit und danach. Daran müssen Entsender noch arbeiten. Ein Fallstrick sind auch die neuen Regeln zum Base Erosion and Profit Shifting (BEPS). Frank Dissen, WTS Tax Legal Consulting, meint, an die steuerlichen Belange der Mitarbeiter werde gedacht, aber die Verknüpfung mit den Unternehmenssteuern und dort vor allem den Verrechnungspreisgrundsätzen werde nicht gesehen oder zumindest nicht an die richtigen Stellen kommuniziert. Unternehmen sollten beachten, dass sie durch das BEPS für den Fiskus immer gläserner werden und auch grenzüberschreitende Mitarbeitereinsätze detailliert offenlegen müssen. „Dies wird eine deutliche Zunahme von ungewollten Betriebsstätten im Ausland zur Folge haben.“
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Trend zu digitalen Tools
Ein weiterer Trend im Mobility Management ist die digitale Aufrüstung. Controlling per Excel funktioniert zwar, ist aber kaum noch zu bewältigen. Der konsequente Schritt sind geeignete Softwaretools. Die Lösungen der großen namhaften Anbieter decken die Komplexität der Pflichten des Entsendemanagements jedoch nicht ab, sagen die Diskussionsteilnehmer unisono, auch wenn es genügend Angebote von sich behaupteten. Trotzdem zeigt sich in der Tendenz eindeutig die Abkehr von Excel-Sheets hin zu IT-Instrumenten.
In kleinen Unternehmen beziehungsweise in Firmen, die wenige Entsendungen im Jahr zu managen haben, muss indes meistens das gute alte Excel herhalten, da große IT-Tools sich nicht rechnen. Doch die Gefahr liegt auf der Hand, warnt TK-Experte Jürgen Heidenreich: „Werden beispielsweise die Compliance-Vorschriften nicht eingehalten, wichtige Termine versäumt oder notwendige Bescheinigungen nicht beschafft, laufen die Unternehmen ins offene Messer.“ Kleine Betriebe, die jetzt bereits bei Fachfragen externe Berater für Steuern, Arbeitsrecht und anderes einschalten, haben jedoch den Stellenwert einer sicheren Abwicklung erkannt und ihnen fiele der Schritt zu einem Softwaretool oder in das Outsourcing des Entsendemanagements leichter. Heidenreich: „Lieber einmal investieren in IT-Tools und Schulungen zur richtigen Anwendung, als das Risiko eines teuren Rechtsbruchs zu tragen.“ Schlussendlich kommen Unternehmen, egal ob sie viele oder weniger Mitarbeiter entsenden, nicht umhin, sich dem Thema zu stellen. Geopolitische Entwicklungen und der technologische Fortschritt bei staatlichen Institutionen sind der Grund dafür, dass Unternehmen gläsern werden. Giovanni De Carlo, Crown World Mobility: „Sie müssen die firmeninternen Kontrollorgane für Compliance relevante Aspekte technisch aufrüsten.“
Von Projektion bis Dashboard
Während in großen Unternehmen für derlei Aufgaben interne Ressourcen vorhanden sind und sie einstmals ausgelagerte Aufgaben wieder zurückholen, gehen KMU einen anderen Weg. Sie geben das Entsendemanagement nach außen. BDAE bietet ein solches Outsourcing speziell für KMU an, für die sich aufgrund der geringen Anzahl der Entsendungen eine spezielle Funktion für Global Mobility Management nicht rentiert. Angefangen von der Risikoprüfung und der kompletten Übernahme der erforderlichen Melde- und Antragspflichten bis zur Beantragung der Visa können sie die Aufgabe an ihren Dienstleister delegieren. Andere Anbieter konzentrieren sich auf passende IT-Tools. So hat Deloitte ein Werkzeug entwickelt, das alle notwendigen Funktionalitäten bietet: von Workflows, die die Entsendeabwicklung erleichtern, über die Möglichkeit der Beauftragung via interne oder externe Schnittstellen bis hin zu Dashboards, die einen Gesamtüberblick über das weltweite Entsendeprogramm erlauben. Auch Projektionen sind machbar, beispielsweise wie sich zusätzliche Heimflüge pro Jahr oder die Reduzierung der Housing-Pauschale auf die Gesamtkosten inklusive steuerlicher Aufwendungen auswirken.
Crown World Mobility stellt ebenfalls eine eigenentwickelte und schnittstellenfähige IT-Lösung zur Verfügung, die es Kunden erlaubt, die Gesamtübersicht aller Entsendungen im Griff zu haben. Diese webbasierte Applikation bietet von der Initiierung über die operative Abwicklung bis hin zur Rechnungsstellung umfangreiche Funktionalitäten an und lässt sich auf die spezifischen Bedürfnisse der Entsender anpassen. Doch es gibt immer noch zwei Welten: die digitale und die papierbasierte Entsendewelt. „Es stellt für uns kein Problem dar, wenn die Kunden Excel-Dokumente übermitteln. Aber immer mehr Unternehmen nutzen digitale Instrumente wie wir auch“, bestätigt AXA-Expertin Gisela Baum.
Ein anderer Trend der zurückliegenden Jahre scheint gestoppt: Das komplette Outsourcen des Assignment-Managements ist beliebt, jedoch ist die Quote rückläufig. Von 70 Prozent (2015) auf 55 Prozent (2016) ist sie gesunken, wie die Airinc-Studie zeigt. Andererseits entwickelt sich das Co-Sourcing, eine Mischung von In- und Outsourcing, zu einem beliebten Modell. Kreative Lösungen sind gefragt, die auf die individuellen Anforderungen der jeweiligen Organisation ausgerichtet sind. So bietet Deloitte auch Unterstützung in Form eines Coaching-Modells an. Unternehmen, die gerade in das Thema Entsendung hineinwachsen und interne Mitarbeiter fit machen wollen, werden dabei in die Lage versetzt, ihre Entsendungen selbst zu managen. Die Berater werden dann punktuell hinzugezogen, falls das Wissen intern zu einem bestimmten Sachverhalt fehlt.
Rechtssichere Prozesse
„Vor dem Hintergrund der Kosten geht die Rechnung der internen Abwicklung nicht auf, denn Arbeitsrechtler und Steuerberater müssen trotzdem eingeschaltet werden“, meint dagegen Omer Dotou, BDAE. Um die Aufgaben inhouse abwickeln zu können, seien erhebliche Investitionen vorzunehmen, von der Fortbildung der Mitarbeiter bis zur vorgehaltenen Manpower. Und noch ein Argument spricht für die Auslagerung: Eine Schwachstelle der Inhouse-Abwicklung des Entsendemanagements liegt im Thema selbst. Eigentlich erfordert die Aufgabe, dass alle involvierten Abteilungen miteinander an einem Tisch sitzen. Zu selten jedoch funktioniere bei Entsendungen die Zusammenarbeit zwischen den Fachleuten für Arbeits-, Sozialversicherungs- und Steuerrecht, merkt Jürgen Heidenreich von der TK an. Hier liege ein deutlicher Vorteil im Outsourcing, das „alle Disziplinen bündelt und die Vereinbarungen aufeinander abstimmt“, sodass angestrebte Ziele auch erreicht werden.
Insgesamt verdeutlicht die Expertenrunde des Round Tables: Wenngleich die internationale wirtschaftspolitische Entwicklung aktuell die Aufmerksamkeit des Mobility Managements auf sich anzieht, ist es ratsam, die permanenten Anforderungen an moderne rechtssichere Entsendeprozesse nicht in den Hintergrund treten zu lassen.
Informationen zu Visa für die USA finden Sie auf der Website der US-Botschaft unter https://de.usembassy.gov/de