Ausgabe 6 - 2012
Alle sind auf Facebook, und keiner geht hin
Social Media werden im Azubi-Marketing bislang nur wenig genutzt. Das liegt nicht an der Modernisierungsverweigerung der Ausbildungsbetriebe – auch nicht daran, dass Ausbilder noch nie von Facebook gehört haben. Die Zurückhaltung hat vielmehr gute Gründe.
Die „Personalstudie 2012“ des U-Form-Verlags zeigt: Angesichts aktueller Besetzungsschwierigkeiten investieren Ausbildungsbetriebe zur Zeit durchaus stark ins Azubi-Marketing, nur wenige von ihnen nutzen dafür jedoch Social Media. Bei der Bewertung der Wichtigkeit verschiedener Medienkanäle für die Vermarktung von Ausbildungsangeboten landeten Social Media mit einem Wert von 3,13 auf dem letzten Platz (Skala von 1 = sehr intensive Nutzung bis 4 = keine Nutzung). Zum Vergleich: Praktika (1,84) nutzen die befragten Ausbildungsbetriebe besonders intensiv. Auch die eigenen Karriereseiten (2,26) und Jobbörsen (2,27) stehen in der Gunst der Ausbilder weiter vorn, wie die Studie, an der sich 258 Ausbildungsverantwortliche aus Unternehmen und anderen ausbildenden Organisationen beteiligt haben, zeigt. Eigentlich ist das verwunderlich: Einer aktuellen GfK-Untersuchung zufolge beträgt in Deutschland der Anteil der Schüler und Studenten mit Facebook-Account „über 90 Prozent“. Warum ist die Schülerzielgruppe fast vollständig auf Facebook vertreten und die meisten Ausbildungsbetriebe gehen nicht hin? Verschließen Ausbildungsverantwortliche in den Betrieben einfach die Augen vor dem allzu Naheliegenden?
Viel Aufwand für wenig Clicks
Nein, aus vielen Gesprächen mit ihnen wissen wir: Gedanklich beschäftigen sich Ausbildungsverantwortliche schon länger intensiv mit dem Thema Social Media und verspüren massiven Druck, in diese Richtung aktiv zu werden. Auf der anderen Seite sind sie aber skeptisch, ob sich die damit verbundenen Investitionen lohnen und ob sie in der Lage sind, den mit Social Media Marketing verbundenen Aufwand zu stemmen. Diese Skepsis ist aus unserer Sicht durchaus angebracht. Mittlerweile ist bekannt: Nur ein Bruchteil der Fans einer Facebook-Seite lesen tatsächlich einen Post oder gehen den darin veröffentlichten Links auf die Azubi-Website nach. Ende 2011 berichtete der Tech-Crunch-Blog darüber, dass auf Facebook-Fanpages mit über 100 000 Fans nur jeder tausendste Fan einen geposteten Link anklickt. Laut TechCrunch sind die Konversionsraten für weniger populäre Fanseiten etwas besser (pro 400 Fans ein Klick), aber berauschend ist das immer noch nicht. Angesichts der niedrigen Konversionsraten muss man einen „Fan“ auf einer Azubiseite bei Facebook wohl eher nüchtern mit einem „registrierten Nutzer“ dieser Seite übersetzen als mit „begeisterter Anhänger und Multiplikator der Arbeitgebermarke“.
Das heißt: Azubi-Marketing über Social Media ist weit aufwendiger als vermutet. Tatsächlich wurden von den Teilnehmern der „Personalstudie 2012“ vor allem Kosten und Zeitaufwand als Gründe für das vergleichbar geringe Engagement auf Social Media genannt.
Der Dialog steht im Vordergrund
Social Media-Kanäle sind keine statischen Plakatwände für die Personalwerbung: Azubi-Seiten auf Social Media müssen gepflegt und ständig mit medien- sowie zielgruppengerechten Inhalten versorgt werden. Nur für die Präsenz auf Facebook & Co. gibt es von den Schülerzielgruppen längst keinen Applaus mehr. Ganz im Gegenteil: Besser keinen Azubi-Blog betreiben, als einen, der nur dreimal im Jahr aktualisiert wird. Besser keine Facebook-Karriereseite unterhalten als eine, die lediglich das im Unternehmen kursierende Werbematerial in Social Media einstreut und besser keine Twitterseite betreiben als eine mit 15 Followern. Zudem müssen die Verantwortlichen den Dialog mit ihren Zielgruppen beherzt führen. Die Veröffentlichung von Inhalten auf diesen Seiten dient in erster Linie dazu, den Dialog anzuregen. Ausbildungsbetriebe können sich auf Facebook keine langen Antwortzeiten leisten.
Dieser Zeitaufwand für die kontinuierliche Produktion von Inhalten und den Dialog kostet Geld – vor allem in Form von internen Manntagen aber auch von Leistungen für witzige Apps, SEO und Kampagnen. Zudem müssen sich Ausbildungsbetriebe ernsthaft fragen: Sind die dafür notwendigen Kompetenzen – zum Beispiel in IT, PR und Redaktion tatsächlich verfügbar? Ich persönlich bin skeptisch, ob das für die meisten der – überwiegend mittelständischen Ausbildungsbetriebe –zu leisten ist, die budgetär wie personell eher knapp ausgestattet sind. So wie in der Vergangenheit kein Mittelständler eine teure Print- oder Fernsehkampagne zur Personalgewinnung starten konnte, so wird auch kaum ein Mittelständler eine durchschlagende virale Azubi-Kampagne auf Social Media entwickeln können.
Regionaler Fokus und Sekundärzielgruppen
Hinzu kommen weitere Motive für die Zurückhaltung: Ausbildungsbetriebe rekrutieren regional. Der Grund dafür ist das geringe Alter und die damit einhergehende eingeschränkte Mobilität der meisten Auszubildenden. Azubi-Bewerberinnen und -Bewerber sind nach unserer Erfahrung bis zu einem Umkreis von maximal zehn Kilometern mobil. Die meisten Ausbildungsbetriebe sind mittelständisch geprägt und brauchen Azubis nur für einen oder wenige Standorte. Bundesweite Reichweite bringt da wenig, auch nicht 1.000 über ganz Deutschland verbreitete Fans, wenn das Unternehmen die Azubis doch nur für einen einzigen Standort auf der Schwäbischen Alb braucht. Für die regionale Recruiting-Kommunikation gibt es effizientere Ansätze: Technisch begabte Jugendliche erreichen Ausbildungsbetriebe durch das Sponsoring lokaler Sportvereine, und auch gut gemachte Plakatkampagnen an Bushaltestellen vor Ort erfüllen ihren Zweck.
Die für die Rekrutierung von Auszubildenden unerlässliche Ansprache der Sekundärzielgruppen können Facebook & Co. ebenfalls nicht leisten. Viel stärker als bei anderen Zielgruppen nehmen bei Schülerinnen und Schülern Eltern, Lehrer und andere auf die Wahl des ersten Arbeitgebers Einfluss. Diese wichtigen, lokalen Sekundärzielgruppen erreichen Unternehmen eher mit kreativen, lokalen Ansätzen, zum Beispiel kann ein Ausbildungsbetrieb aus dem Agentur- oder IT-Umfeld sich bei Lehrern und Eltern bekannt machen, indem er in einem Projekt den Relaunch der Schulhomepage unterstützt.
Sinnvolle Ergänzung, keine Killerapplikation
Schließlich wird aktuell immer wieder infrage gestellt, ob private Netzwerke wie Facebook sich überhaupt als tragende Kanäle für Recruiting und Personalmarketing eignen. Social Media-Kanäle wie Facebook sind für mögliche Azubis ein privates Ambiente. Ebenso wenig wie sie von Ausbildungsleitern auf der Schülerparty angesprochen werden möchten, sind sie hier alle gleich überglücklich, wenn sie auf Ausbildungs-Angebote von Betrieben stoßen. Eine aktuelle Kienbaum-Studie zeigt zudem: Zwar haben schon 60 Prozent der Schüler die Karriereseite eines Unternehmens in einem sozialen Netzwerk besucht, aber die Klassiker unter den Online-Kommunikationskanälen wie Jobbörsen und Karrierewebsites sind immer noch am wichtigsten für die berufliche Orientierung.
Auch wenn diese Bedenken gegenüber dem Einsatz von Social Media im Azubi-Marketing berechtigt sind: Er kann als ein Bestandteil im Marketingmix durchaus sinnvoll sein – auch für den Mittelstand. Dazu müssen Ausbildungsbetriebe aber über einen oder mehrere Ankerpunkte verfügen: Das kann zum Beispiel ein schillernder Azubi sein, der souverän die Tasten auf der Social Media-Klaviatur spielt. Denn den Ton am besten treffen, können die Azubis selbst. 40-jährige Ausbilder treffen diesen Ton in der Regel nicht mehr, ebenso wenig viele der von Menschen dieser Altersklasse geführten Agenturen, die diese Ausbilder in der Kommunikation unterstützen. Darauf weisen zum Beispiel aktuelle Beispiele von fragwürdigen „Azubi-Rap“-Videoproduktionen hin. Bei gefühlter Nähe zur Zielgruppe entsteht schnell ein anbiedernd wirkendes Etwas in Pseudo-Jugendsprache.
Unternehmen müssen ihre Azubis aber innerhalb gewisser Regeln auch relativ frei auf Social Media-Plattformen walten lassen. Diese lange Leine in der Kommunikation widerspricht der Kultur in vielen Ausbildungsbetrieben. Ein weiterer Ankerpunkt sind für Azubis spannende Geschichten über die Menschen im Ausbildungsbetrieb oder über dessen Produkte. Diese Geschichten liegen aber nicht einfach so herum, für viele Ausbildungsbetriebe wird es sehr schwierig, sie zu identifizieren, zu formulieren und zu verbreiten. Für eine mittelständische Eventagentur zum Beispiel bieten sich im produktbezogenen Storytelling naheliegende Möglichkeiten, der mittelständische Schraubenhersteller hat es da weitaus schwerer. Über diese Dinge sollten Ausbildungsbetriebe nachdenken, bevor sie mit einer Arbeitgeberseite auf Facebook auftreten.
Autorin
Felicia Ullrich, Geschäftsführerin, U-Form-Verlag, Solingen,
f.ullrich@u-form.de
- Die richtigen Leute kennen
- Arbeiten in der Welt des Sports
- Mehr als ein Freundschaftsdienst
- Die MEP-Studie: Recruiting mit hoher Trefferquote
- „Demokratisierung der Personalberatung“
- Da kann man was erleben
- Alle sind auf Facebook, und keiner geht hin
- Der Branche droht eine Zäsur
- Mit 50plus ist noch lange nicht Schluss
- Qualitätssicherung auf allen Ebenen
- Auf der Suche nach dem Königsweg
- Wer bremst, verliert
- Zwei Seiten einer Medaille
- Steilvorlage für Deutschland
- Viel gewonnen, nichts zerronnen
- Erfolgreiche Geschäfte mit einem Subkontinent
- Das Klischee vom Berater lebt
- Jenseits des Lebenslaufs
- Vorsicht, geheim!