Ausgabe 6 - 2012
Qualitätssicherung auf allen Ebenen
Was bedeutet Qualität in der Zeitarbeit und wie kann diese verbessert werden? Diesen Fragen geht eine aktuelle Studie nach, die von der Randstad-Stiftung in Auftrag gegeben wurde.
Die Zeitarbeitsbranche ist in den letzten Jahren gewachsen wie kaum ein anderer Wirtschaftsbereich. Einerseits ist dieser Boom das Ergebnis einer stetig wachsenden Nachfrage nach flexibel einsetzbaren Mitarbeitern. Andererseits führte die wachsende Nachfrage nach Zeitarbeitnehmern auch zu einem Anstieg und zu einer Diversifizierung auf der Angebotsseite der Zeitarbeitsunternehmen.
Während sich das öffentliche Interesse auf die Beschäftigungsunsicherheit und Benachteiligung von Zeitarbeitnehmern im Verhältnis zu Stammbelegschaften konzentriert, wird den besonderen Anforderungen der Qualitätssicherung von Arbeitnehmerüberlassung relativ wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
Die Frage, wie die Qualität von Zeitarbeit gemessen, gestaltet und verbessert werden kann, steht im Vordergrund der Studie „Qualitätssicherung von Arbeitnehmerüberlassung durch systematische Evaluation“, die vom Heinrich-Vetter-Forschungsinstitut im Auftrag der Randstad Stiftung erstellt wurde. Sie erweitert den Fokus von einer wirtschaftlichen Perspektive des Qualitätsmanagements hin zu einem sozialwissenschaftlichen Evaluationsansatz, der die vielfältigen Prozesse und Interaktionen zwischen den beteiligten Akteuren in den Blick nimmt.
Zeitarbeit unterscheidet sich maßgeblich von allen anderen Arbeitsformen dadurch, dass es sich um ein Dreiecksverhältnis zwischen Zeitarbeitsunternehmen, Kundenunternehmen und Zeitarbeitnehmer handelt. Dies führt zu einer hohen Komplexität nicht nur der rechtlichen und vertraglichen Bestimmungen, sondern auch der Prozesse und Interaktionen der beteiligten Akteure: Der Mitarbeiter wird im Zeitarbeitsunternehmen eingestellt und im Kundenunternehmen ergänzend zur Stammbelegschaft beschäftigt. Zwischen dem Zeitarbeitsunternehmen und dem Mitarbeiter wird ein Arbeitsvertrag geschlossen. Der temporäre Einsatz des Mitarbeiters wird im Rahmen eines Überlassungsvertrages zwischen dem Zeitarbeitsunternehmen und dem Kundenunternehmen geregelt. Zwischen dem Kundenunternehmen und dem Mitarbeiter existieren in der Regel keine Verträge, allerdings ein umfassendes Weisungsrecht sowie Schutz- und Fürsorgepflichten. Die Prozesse, die im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung von Relevanz sind, werden in der wissenschaftlichen und medialen Darstellung meist auf die eigentliche Überlassung reduziert. Tatsächlich sind aber mindestens vier Prozessstufen zu unterscheiden (siehe Abbildung auf S. 46).
Der Disponent als Schaltstelle
In jeder Prozessstufe laufen kommunikative Prozesse ab. In diesen Kommunikationsprozessen ist der Disponent (also der verantwortliche Mitarbeiter für die Überlassung des Zeitarbeiters) die zentrale Schaltstelle zwischen dem Mitarbeiter und dem Kundenunternehmen. Obwohl der Disponent für die Aspekte der Qualitätssicherung die wichtigste Person im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung ist, werden seiner Rolle und seinen Funktionen bisher nur wenig Beachtung geschenkt. Gerade weil die Zeitarbeitnehmer ständig wechselnde Einsatzbereiche haben, ist „ihr“ Disponent häufig der einzig stabile Ansprechpartner in ihrer Arbeit. Dadurch werden an einen Disponenten besondere Anforderungen nicht nur hinsichtlich seiner fachlichen und branchenspezifischen Kenntnisse sondern auch der sozialen Kompetenz gestellt. Er muss die Mitarbeiter führen und motivieren, obgleich er sie nur ganz selten tatsächlich bei der Arbeit beobachten kann.
Hier wird deutlich, welche Schwierigkeiten bei der Definition von überprüfbaren und allgemein verbindlichen Qualitätsmerkmalen in der Zeitarbeit bestehen. So gibt es beispielsweise bislang keine vorgeschriebene Grundqualifikation für Disponenten. Jedoch weisen die Etablierung eines Ausbildungsberufes im Jahr 2008 sowie darauf aufbauende Weiterbildungen auf Fachwirt- und Bachelor-Ebene in die richtige Richtung.
Der Status quo
Auf der Grundlage von wissenschaftlicher Literatur wurden in der Studie vier Bereiche analysiert, um einen Überblick über den Status quo der Qualitätssicherung in der Arbeitnehmerüberlassung zu gewährleisten.
Abbildung
Prozesse in der Arbeitnehmerüberlassung

Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
In den von der Studie untersuchten Unterlagen zum AÜG wird deutlich, dass Aspekte der Prozessqualität oder die persönliche Befähigung der handelnden Personen des Zeitarbeitsunternehmens für die Vergabe der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung kaum eine Rolle spielen. Im Gesetz selbst sind qualitative Anforderungen nicht explizit aufgestellt. Die rechtlichen Regelungen sind demnach kaum dazu geeignet „schwarze Schafe“ zu identifizieren, unter anderem weil die Qualifikation der Disponenten keine Rolle bei der Erteilung der Erlaubnis spielt. Zudem arbeitet die Bundesagentur für Arbeit eng mit Zeitarbeitsunternehmen zusammen. Eine gleichzeitige Überwachung dieser dürfte in der Praxis nicht immer leicht zu lösen sein.
Die Rolle der Verbände
Die Branchenverbände der Zeitarbeitsbranche haben Interesse an der Qualitätssicherung der Leistung, jedoch spielt dieses Thema noch eine untergeordnete Rolle. Gemeinsame Standards über Verbandsgrenzen hinaus existieren nicht, zudem sind auch die Hürden zur Aufnahme in die Verbände eher gering. Der BAP (Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister) hat einen Kodex für seine Mitglieder entwickelt, der allerdings relativ allgemein ist. Ähnliches hat auch der Berufsverband iGZ (Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen) jüngst verabschiedet und zudem eine Kontakt- und Schlichtungsstelle für eventuelle Konfliktfälle eingerichtet. Positiv ist den Branchenvertretern anzurechnen, dass durch die Etablierung eines Ausbildungsberufes im Jahr 2008 sowie darauf aufbauende Weiterbildungen auf Fachwirt- und Bachelor-Ebene schrittweise auch die Qualität der Leistung erhöht werden kann.
Qualitätsmanagement bei den Top 25
Ausgehend von der sog. Lünendonk-Liste (http://luenendonk.de/category/zeitarbeit) mit den 25 größten Unternehmen der Branche wurden die Angaben dieser Unternehmen zum Qualitätsmanagement auf deren Homepages untersucht.
In der Untersuchung wird deutlich, dass die Mehrheit der Unternehmen (18 von 25) ein Qualitätsmanagement-System nach der Norm DIN EN ISO-9001 implementiert haben. 44 Prozent der Unternehmen sind im Bereich des Arbeitsschutzes nach SCP (Safety Certificate Personnel Services) zertifiziert. Etwa 20 Prozent der 25 größten Unternehmen machen keine Angaben zum Qualitätsmanagement auf ihren Homepages.
Eine Konkretisierung der Qualitätsmanagement-Bestrebungen findet in der Regel nicht statt. Auf den Homepages wird überwiegend auf das Qualitätsmanagement und die Zertifizierung hingewiesen, aber diese werden nicht weiter ausgeführt. Es wird somit nicht deutlich, wie das Qualitätsmanagement-System tatsächlich ausgestaltet ist.
Ausgewählte praktische Ansätze
Ein vielversprechender Ansatz aus der Praxis ist ein Handbuch für den bereits erwähnten neuen Ausbildungsberuf von Rainer Moitz (Handbuch für Personaldienstleistungskaufleute in der Zeitarbeit und Personalvermittlung aus dem Jahr 2010). Er beschäftigt sich in einem eigenständigen Kapitel mit den Fragen der Qualitätssicherung.
Einen weiteren Impuls zu einem professionellen Qualitätsmanagement bietet das „RAL-Gütezeichen Personaldienstleistungen“: Interessierte Firmen können sich mithilfe einer Vielzahl unterschiedlicher Gütekriterien aus den Bereichen „Mitarbeiter/Bewerber“ und „Kunde“ bewerten lassen. Diese Gütekriterien bieten einen weit gehenden Ansatz, wenn sich Unternehmen um die Qualität ihrer Leistung und deren Anerkennung bemühen wollen.
Einen etwas anderen Schwerpunkt verfolgt der dritte Ansatz aus der Praxis, das „IQZ-Qualitätssiegel“. Ähnlich wie das Gütezeichen von RAL ist das Qualitätssiegel von IQZ bislang wenig in der Branche verbreitet. Personaldienstleistungsunternehmen sollen sich hinsichtlich der Mitarbeiterbehandlung und -entlohnung einer unabhängigen Überprüfung unterziehen. Grundlage der Überprüfung ist ein Kriterienkatalog, der 16 Prüfkriterien umfasst. Acht der 16 Kriterien entfallen auf Aspekte der Entlohnung des Arbeitnehmers. Das Siegel fokussiert damit ein wichtiges Problemfeld, betrachtet allerdings weniger die Qualität der Prozesse.
Einfluss der Kundenunternehmen
Die Rolle der Kundenunternehmen, die die Mitarbeiter temporär beschäftigen, wird insgesamt bislang stark vernachlässigt. Dies wird ihrer Rolle im Gesamtprozess nicht gerecht. So kann beispielsweise der Einsatz des Zeitarbeitnehmers nur dann erfolgreich verlaufen, wenn das Kundenunternehmen für eine adäquate Einarbeitung und angemessene Arbeitsbedingungen sorgt. Demnach sollten auch die Kundenunternehmen systematisch reflektieren, wie sie Zeitarbeitspersonal einsetzen.
Die drei Säulen des Qualitätsmanagements
Das in der Studie entwickelte Evaluationsmodell baut auf dieser Bestandsaufnahme auf und versucht, bestehende Ansätze weiterzuentwickeln und zu ergänzen. Dabei sind drei Untersuchungsebenen ausschlaggebend:
- 1.
Welche Anforderungen an eine Qualitätssicherung ergeben sich für das Zeitarbeitsunternehmen? (Organisationsebene)
- 2.
Wie kann die Qualität der Prozesse – insbesondere der Beratungsprozesse – gesichert werden? (Prozessebene)
- 3.
Welche Anforderungen ergeben sich für die Disponenten, und welche Techniken sollten angewendet werden? (Disponentenebene)
Für jede Ebene werden konkrete Instrumente zur Qualitätssicherung vorgestellt. Die Studie empfiehlt, den Fokus eines professionellen Qualitätsmanagements von Zeitarbeitsunternehmen auf Selbstevaluationselemente zu legen. Dies muss durch einen methodisch kompetenten externen Partner unterstützt werden – nicht nur bei der Einführung der Selbstevaluation, sondern auch bei deren Durchführung und Weiterentwicklung.
Wenn das Qualitätsmanagement eines Zeitarbeitsunternehmens auf diesen drei Säulen – organisatorische Ebene, Prozessebene und Disponentenebene – aufbaut, kann ein wirkungsvolles und umfassendes System zur Qualitätssicherung etabliert werden.
Die Forschungsergebnisse der Studie regen zur Einführung beziehungsweise Verbesserung eines umfangreichen Qualitätsmanagements – unabhängig von der Größe der Unternehmen – an und können damit insgesamt zur Steigerung der Qualität und Attraktivität von Arbeitnehmerüberlassung beitragen.
Die Studie „Qualitätssicherung von Arbeitnehmerüberlassung durch systematische Evaluation“ kann über die Randstad-Stiftung bezogen werden. www.randstad-stiftung.de
Autoren
Dr. Thomas Fohgrub, Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie,
thomas.fohgrub@bmwi.bund.de
Dr. Laila Nissen, Randstad Stiftung, Eschborn,
nissen@randstad-stiftung.de
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