Ausgabe 6 - 2012
Steilvorlage für Deutschland
Über die Grenzen hinweg zu rekrutieren, wird angesichts des Fachkräftemangels in Deutschland immer bedeutender. Eine internationale Arbeitsmarkt-Studie beleuchtet die Job-Mobilität von Fachkräften aus 66 Ländern und liefert interessante Ergebnisse für weltweit rekrutierende Unternehmen.
Auch in diesem Sommer werden die Entwicklungen auf dem internationalen Transfermarkt wieder Millionen Fußballfans in Europa elektrisieren. Die Europameisterschaft in Polen und der Ukraine ist der Schauplatz, auf dem sich die besten Fußballer des Kontinents treffen, um ihren Marktwert zu steigern und sich so für einen hochdekorierten Vertrag bei einem der Spitzenclubs in England, Spanien oder der Bundesliga zu empfehlen.
Was im Fußball der Normalfall ist, scheint in der freien Wirtschaft noch Tabuthema. Zugegeben: Die Vorstellung, dass ein Softwareentwickler oder ein Maschinenbauingenieur für astronomische Ablösesummen das Unternehmen wechselt, scheint noch abwegig. Trotzdem: Qualifizierte Fach- und Führungskräfte aus den Berufsfeldern IT, Ingenieurswesen oder Finance sind zunehmend begehrt. Immer mehr Unternehmen reagieren auf den Mangel an Fachkräften, indem sie ihre Rekrutierungsbemühungen auf den internationalen Arbeitsmarkt ausweiten. Kurz: Das Thema Internationale Rekrutierung steht in vielen HR-Abteilungen zunehmend auf der strategischen Agenda. Nicht zuletzt aus diesem Grund legt Step-Stone nun die bislang größte Studie zum Thema „Internationale Job-Mobilität“ vor –nach 2007 und 2009 die dritte ihrer Art und daher aufbauend auf einem weitreichenden Erfahrungsschatz. Im Mittelpunkt der Erhebung steht die Bereitschaft internationaler Spitzenkräfte im Ausland zu arbeiten und die Beweggründe dafür. 162 000 Fach- und Führungskräfte aus 66 Ländern weltweit gaben dazu ihre Einschätzung ab und sorgen so für ein umfassendes Meinungsbild mit wertvollen Ergebnissen für international rekrutierende Unternehmen.
Männer sind mobiler als Frauen
Zunächst zeigen die Ergebnisse der Step-Stone-Studie einen deutlichen Trend zur Mobilität unter internationalen Kandidaten und zwar weit über Ländergrenzen hinaus. Denn: Nie waren mehr Menschen offen für die Karriere-Option Ausland als derzeit. 68 Prozent der internationalen Fachkräfte sind gewillt, fern der Heimat zu arbeiten – ein Anstieg von vier Prozent gegenüber 2009 und sieben Prozent gegenüber 2007. Während zwei Drittel aller befragten Arbeitnehmer grundsätzlich Interesse an einer Stelle im Ausland haben, kommt Deutschland für nur ein Drittel (34 Prozent) als Zielland infrage. Damit belegt Deutschland Platz fünf auf der Liste der bei internationalen Spitzenkräften beliebtesten Staaten – und ist nach den USA, Großbritannien, Kanada und Australien das bestplatzierte nicht englischsprachige Land – ein ermutigendes Signal für deutsche Unternehmen (siehe Abbildung 1).
Abbildung 1
Internationale Jobsuche – Die weltweit beliebtesten Länder

Quelle: Global Talent Mobility Survey 2011
Hochinteressant für Unternehmen sind die soziodemografischen Daten, die die Kandidaten-Zielgruppe charakterisieren und so wertvolle Ansatzpunkte für die spätere Kommunikation liefern. Ergebnis: Vor allem junge, gut ausgebildete Menschen stehen einer Karriere in deutschen Unternehmen besonders aufgeschlossen gegenüber: Drei Viertel der Kandidaten sind jünger als 35 Jahre. 81 Prozent verfügen über einen Bachelor- oder Masterabschluss. 72 Prozent möchten länger als drei Jahre in Deutschland arbeiten, weshalb sich drei Viertel einen festen Arbeitsvertrag wünschen. Die meisten potenziellen Zuwanderer wollen sich durch einen internationalen Karriereschritt selbst herausfordern und den eigenen Erfahrungshorizont erweitern. Von international rekrutierenden Unternehmen erwarten sie neben guten Beschäftigungsbedingungen auch aktive Unterstützung bei der Suche nach einer Unterkunft am neuen Arbeitsort und beim Erlernen der deutschen Sprache. Interessant: Sieben von zehn dieser Kandidaten sind männlich. Mobilität scheint also unter den weiblichen Fachkräften weniger ausgebildet als bei ihren männlichen Kollegen.
Deutschland mit sehr gutem Standort-Image
Interessant ist das sehr gute Image, das Deutschland als Arbeitgeberstandort besitzt: Unter den Top fünf platziert, ist Deutschland eines der Wunschländer für internationale Spitzenkräfte. Die Hauptgründe dafür: die wirtschaftliche Stabilität und die nach wie vor sehr hoch eingeschätzte Wirtschaftskraft des Landes. Auf die Frage, welches Land in diesem Jahr weltweit am meisten zur wirtschaftlichen Erholung beitragen wird, landete Deutschland auf Platz vier und ist damit der bestplatzierte europäische Staat. Deutschland befindet sich damit in bester Gesellschaft: Neben China und Deutschland schätzten die Befragten lediglich die USA, Indien und Großbritannien als ähnlich wirtschaftlich einflussreich ein (siehe Abbildung 2). Aus Sicht der internationalen Kandidaten spielt Deutschland also in einer Liga mit den BRIC-Staaten und zieht aus dieser Einschätzung einen Großteil seiner Außenwirkung auf internationale Arbeitskräfte.
Abbildung 2
Power-Staaten – Welche Länder werden 2012 den weltweiten Aufschwung anführen?

Quelle: Global Talent Mobility Survey 2011
Etwas anders ist es allerdings um das Standort-Image der deutschen Städte bestellt. Denn hier dominieren – wenig überraschend –die internationalen Metropolen London, New York, Singapur, Paris und Sydney. Die attraktivsten deutschen Städte sind aus Sicht potenzieller Jobwechsler Berlin, München, Hamburg und Frankfurt – allerdings mit teilweise deutlichem Abstand, denn Berlin folgt erst auf Rang 32 und belegt damit den besten Platz aller deutschen Städte. Schlussfolgerung: Vor allem deutsche Städte und Kommunen sind in der Pflicht ein entschlossenes Standortmarketing auch in Richtung internationaler Fachkräfte zu betreiben. Hier empfiehlt sich ein verstärkter Dialog von international suchenden Unternehmen mit den entsprechenden Vertretern der öffentlichen Hand.
Der Fachkräftemangel wird zum internationalen Wettbewerb
Ein wichtiges Ergebnis der Studie ist die Erkenntnis, dass deutsche Unternehmen nicht mehr nur im inländischen Wettbewerb um begehrte Fachkräfte stehen. Der Fachkräftemangel ist ein internationales Problem.
Folge: Eigene Mitarbeiter werden auch von ausländischen Unternehmen umgarnt –potentielle Kandidaten sowieso. Aufschlussreich sind vor diesem Hintergrund die deutschen Ergebnisse der StepStone-Studie: Demnach ist jede zweite Fach- und Führungskraft aus Deutschland (55 Prozent) interessiert an einer beruflichen Auslandserfahrung. Zwar fällt die Bereitschaft der deutschen Umfrageteilnehmer im internationalen Vergleich damit etwas geringer aus, die Zahl verdeutlicht aber trotzdem die große Herausforderung, mit der Arbeitgeber sich heute auseinandersetzen müssen. Denn wie gesagt: Angesichts des Fachkräftemangels ist die potenzielle Abwanderung qualifizierter Mitarbeiter eine zusätzliche Bedrohung für deutsche Unternehmen.
Internationales Employer Branding findet im Internet statt
Was bedeuten die Ergebnisse der StepStone-Studie also für deutsche Arbeitgeber? Zunächst zeigen sie, dass es auch im internationalen Zusammenhang absolut Sinn macht, Maßnahmen zu ergreifen, die die eigene Arbeitgebermarke stärken. Hier werden familienfreundliche Konzepte, die Reintegration von Frauen in den Arbeitsmarkt sowie die Einbindung älterer Fachkräfte zunehmend wichtiger. Außerdem: Employer Branding ist auch für den internationalen Arbeitsmarkt ein wichtiges Tool – einerseits, um bestehende Mitarbeiter zu halten und andererseits, um potenzielle Kandidaten zu gewinnen. Dazu bedarf es natürlich geeigneter Instrumente, wozu zwingend ein englischsprachiger Karriere-Bereich im Internet gehört, denn 86 Prozent der Kandidaten suchen im Internet nach internationalen Karrierechancen, die meisten von ihnen nutzen internationale Jobboards. Am Internet führt also kein Weg vorbei, wenn es darum geht internationale Fachkräfte zu gewinnen. Deutschland ist bereits ein sehr beliebtes Zuwanderungsland – eigentlich eine Steilvorlage, die es zu nutzen gilt, damit im Sommer – nach der Fußball-Europameisterschaft – nicht „nur“ internationale Spitzenfußballer nach Deutschland kommen, sondern auch hochqualifizierte Ingenieure, IT-Experten oder Ärzte den anerkannten Wirtschaftsstandort weiterhin stärken.
Mehr zur StepStone-Studie „Internationale Mobilität“ finden Sie unter www.stepstone.de/mobilitaetsstudie.
Autor
Sascha Theisen, Marketingleiter, StepStone Deutschland GmbH, Düsseldorf,
sascha.theisen@stepstone.de
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