Ausgabe 6 - 2012
Erfolgreiche Geschäfte mit einem Subkontinent
Größte Demokratie der Welt, aufstrebende Wirtschaftsmacht, ambitionierter Akteur auf internationaler Bühne – wie aber lassen sich Geschäfte in Indien erfolgreich realisieren? Wie können Global Manager die unterschiedlichen Arbeits- und Kommunikationskulturen als Potenzial nutzen?
Bereits beim Kick Off Meeting ist die Vertrauensbasis im beziehungsorientierten Indien entscheidend für den Erfolg des gesamten Projektes. Von Kindesbeinen an sind Inder in hierarchische Beziehungsgeflechte eingebunden und an einen patriarchalischen Führungsstil gewöhnt, der Fürsorge und Schutz von oben und im Gegenzug Loyalität und Gehorsam garantiert. Auch im Arbeitsleben fühlen sich Inder am wohlsten, wenn sich das Projektteam als quasi zweite Familie präsentiert. „Eine Zusammenarbeit getragen von Vertrauen, Offenheit und Loyalität lässt sich nur erreichen, wenn Inder das Gefühl haben, als Menschen statt nur als Arbeiter wahrgenommen zu werden“, erklärt der interkulturelle Berater Gurdatar Singh Bal. So sollte gerade zu Beginn eines Projektes oder einer Geschäftsbeziehung ausreichend Zeit in ein persönliches Kennenlernen investiert werden.
„The Boss is always right!“
Der Projekt Kick Off ist auch eine wichtige Gelegenheit zum Klären der hierarchischen Verhältnisse. In Indien hat die Führungskraft in der Regel die alleinige Entscheidungsbefugnis. Der indische Projektmitarbeiter sieht sich als Ausführender, der die

Vorgaben des Chefs aus Respekt vor dessen Position nicht infrage stellt. In Deutschland zählen Eigenständigkeit, Kreativität und Mitdenken zu den elementaren Anforderungen an die Experten im Projektteam.
Das eher abwartende Verhalten vieler Inder wird dagegen fälschlicherweise oft als Passivität, Demotivation oder sogar als Sabotage ausgelegt. „Interkulturelle Missverständnisse entstehen dann, wenn mangelnder Widerspruch seitens der indischen Kollegen als Zustimmung gedeutet wird, diese aber einfach nur höflich sein wollten“, beschreibt der Inder die Herausforderungen innerhalb deutschindischer Teams. So warten indische Kollegen mit Entscheidungen teils, bis der Projektleiter auftaucht. Daher hat der Projektleiter gegenüber seinen indischen Kollegen immer die „Holschuld“ – er fordert den aktiven Dialog ein und hält den Kontakt zu seinen Teammitgliedern bewusst aufrecht. Kurz: Er nimmt sie mit.
Einarbeitungspläne müssen an die Kultur angepasst werden
In globalen Unternehmen werden häufig standardisierte Einarbeitungsprozesse erarbeitet, die Subunternehmen und Niederlassungen einheitlich anwenden sollen. „Wenn Mitarbeiter jedoch nicht daran gewöhnt sind selbstständig und proaktiv zu arbeiten, kann das zum Problem werden“, berichtet der Interkulturelle Berater, der Führungskräfte auf ihren Indienaufenthalt vorbereitet. Einarbeitungspläne sollten deshalb gegebenenfalls angepasst werden: „Mehr Zeit einplanen, konkretere und kleinschrittigere Aufgabenstellungen, Ressourcen zur Verfügung stellen und mehr Kontrolle sind wesentliche Punkte, die die indischen Mitarbeiter bei der Einarbeitung unterstützen können“, rät Gurdatar Singh Bal.
Indiens internationaler Ruf in den Feldern IT, Wissenschaft, Literatur und Film steigt. Heutzutage ist Indien ein bedeutender, aufstrebender globaler Markt, der einer strahlenden Zukunft entgegenblickt. Dennoch ist Indien nach wie vor von extremen wirtschaftlichen und sozialen Gegensätzen geprägt. Das hohe Wachstum der vergangenen Jahre hat die regionalen Entwicklungsunterschiede auf dem Subkontinent und das zunehmende Einkommensgefälle zwischen der expandierenden städtischen Mittelschicht und der überwiegend armen Bevölkerung auf dem Land, wo knapp 70 Prozent aller Inder leben, verschärft. So unterscheidet sich das Lohnniveau zwischen Ballungsgebieten wie Mumbai oder Bangalore und der Provinz stärker als zum Beispiel in Deutschland: „In Indien sind Kostensteigerungen der Lebenshaltungskosten von bis zu 400Prozent zwischen Provinz und Stadt keine Seltenheit und die Gehälter werden nicht immer dementsprechend angepasst“, sagt Gurdatar Singh Bal. Generell ist das Lohnniveau in Indien im Vergleich zu Deutschland zwar immer noch niedriger – allerdings ist dies stark von der Branche, der Tätigkeit und der Qualifikation der Mitarbeiter abhängig. „Im IT-Bereich betragen die Gehälter in Indien etwa einem Wert von 60 Prozent des in Deutschland üblichen Gehaltes. Bei Sachbearbeitern ist das Verhältnis 20:100“, sagt der Indien-Experte.
Motivation funktioniert über die Familie
Besonders in den Ballungsgebieten um Mumbai, Neu-Delhi und Bangalore ist die Mitarbeiterfluktuation aufgrund der hohen Dichte dort ansässiger Firmen sehr hoch. Um Mitarbeiter zu halten, sollte viel Wert auf die Verbindung von Arbeits- und Familienleben gelegt werden. „Fragen nach der Familie und finanzielle Hilfen bei kranken Angehörigen gehören ebenso dazu wie die Unterstützung von sozialen Projekten in der Region“, erklärt Gurdatar Singh Bal. „Für Inder ist ein gutes Team mit netten Kollegen und eine starke Führungskraft, die Probleme identifiziert und ihnen entgegen wirkt, wichtig.“
Hierarchie und damit der Respekt vor Macht, Einfluss und Menschen in einer höher gestellten Position sind in Indien noch sehr stark ausgeprägt. Alter, Status und Familienherkunft haben hier eine größere Bedeutung als in individualistisch geprägten Kulturen wie zum Beispiel Deutschland oder die USA. Nicht nur im privaten Bereich, sondern auch im Geschäftsleben spielen Hierarchien eine wichtige Rolle. Viele Unternehmen sind hierarchisch strukturiert, Macht und Autorität sind oft ungleich verteilt. Angestellte folgen den Anweisungen ihrer Vorgesetzten ohne sie infrage zu stellen und blicken ehrerbietig zu ihnen auf. Hierarchie hat in Indien häufig auch mit dem Alter zu tun: „Als westlicher Manager schadet es nicht, einige graue Haare mitzubringen. Eine 50-jährige Fachkraft hat es in Indien leichter als ein 32-jähriger Elite-Manager“, beschreibt der Indienexperte das Senioritätsprinzip.
Erfolg in Indien fußt auf drei Säulen
Mitarbeiter werden zwar intensiv und prozessbegleitend auf die deutsch-indische Projektarbeit und die Führung eines indischen Teams vorbereitet, dennoch scheitern viele an den interkulturellen Herausforderungen – warum? „Drei Eigenschaften müssen Fach- und Führungskräfte nach Indien mitbringen: Vertrauen, Kommunikation und Hierarchie“, betont Gurdatar Singh Bal. Der Beziehungs- und Vertrauensaufbau zu den Mitarbeitern sichert Loyalität und eine langfristige Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen.
Das Lesen zwischen den Zeilen in der indirekten Kommunikation ist eine weitere Kompetenz für die erfolgreiche Mitarbeiterbindung und den Projektabschluss. Als dritter Punkt sollte das Hierarchieverständnis akzeptiert und gelebt werden. „Wie sind die Hierarchiewege und wie halte ich diese ein? Das ist in Indien ein Teil des „management of feeling“, erklärt der Inder.
„In time, in budget, in scope“
Bei all den Unterschieden in der deutsch-indischen Arbeitskultur sollte man aber nicht vergessen, dass Projektarbeit über Kulturgrenzen auch Chancen birgt: Mit der richtigen interkulturellen Vorbereitung lassen sich nicht nur Fettnäpfchen vermeiden und Projekte wunschgemäß „in time, in budget, in scope“ abschließen. Man kann auch lernen, neue Herangehensweisen auszuprobieren und Synergiepotenziale zu nutzen.
Einreise- und Visa-Informationen für Indien
Für die Einreise nach Indien besteht für deutsche Staatsangehörige Visumspflicht. Diese gilt nicht nur für die Ein- und Ausreisen nach und von Indien sondern wird auch für Transitreisen gefordert. Für Geschäftsreisende sind drei verschiedene Visatypen von Bedeutung: Das Touristenvisum erhalten Personen, die als Touristen nach Indien reisen oder Freunde und Verwandte treffen wollen und hat eine Gültigkeit von maximal sechs Monaten. Reisende, die jedoch geschäftlich in Indien sind oder mehrmals einreisen wollen, sollten unbedingt mit einem Geschäftsvisum einreisen, da bei Touristenvisa nach der letzten Abreise aus Indien bis zur neuen Einreise 60 Tage vergangen sein müssen. Beim Geschäftsvisum entfällt diese Frist.
Geschäftsleute, die längerfristig in Indien arbeiten wollen, müssen ihre Beschäftigung bei einer Firma in Indien oder Deutschland nachweisen und erhalten dann für die Dauer der Arbeit beziehungsweise für einen Zeitraum von höchstens zwei Jahren ein Arbeitsvisum. Allgemein gilt, dass die für den Visumsantrag benötigten Unterlagen nicht bei den Konsularabteilungen, sondern bei zuständigen Visabüros eingereicht werden müssen.
Do's and don'ts – ein kleiner Indien-Knigge
Do's:
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Autor
Dr. Fritz Audebert, Gründer und Vorstandsvorsitzender der ICUnet.AG, Passau,
fritz.audebert@icunet.ag
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