Ausgabe 6 - 2012
Das Klischee vom Berater lebt
In vielen Branchen suchen Unternehmen verstärkt qualifizierte Akademiker. Auch Unternehmensberatungen müssen sich dem zunehmenden Wettbewerb um Nachwuchskräfte stellen. Die Ergebnisse einer Online-Umfrage unter Studenten geben Aufschluss darüber, wie attraktiv die Berater-Zunft für die Hochschulabsolventen ist.
Jedes Jahr werden in Deutschland die Ergebnisse zahlreicher Absolventenstudien vorgestellt, welche die aus Studentensicht attraktivsten Arbeitgeber ermitteln sowie die Faktoren identifizieren, welche die Arbeitgeberwahl beeinflussen. Bisher wurden aber überwiegend nur branchenübergreifende Ergebnisse veröffentlicht und dabei nicht explizit auf die Branche der Unternehmensberatung eingegangen. Diese Lücke versucht der vorliegende Beitrag zu schließen, in dem erstmals die wahrgenommene Attraktivität von Unternehmensberatungen aus der Sicht von potenziellen Bewerbern analysiert und zwischen verschiedenen Beratungssegmenten unterschieden wird.
Frauen bevorzugen die HR-Beratung
Die vorliegende Studie unterscheidet zwischen den Beratungsfeldern Strategieberatung, IT/Full Service-Beratung und HR-Beratung. Dazu wurden im Rahmen einer Online-Umfrage Antworten von mehr als 650 angehenden Hochschulabsolventen gesammelt, die an verschiedenen Hochschulen (mehrheitlich an der Universität zu Köln und EBS Universität für Wirtschaft und Recht) studieren.
Die Analyse offenbart, dass die an einer Unternehmensberatung interessierten Studierenden (im Folgenden „Interessierte“ genannt) deutlich höhere Anforderungen an den künftigen Arbeitgeber stellen als die Nicht-Interessierten. Fast alle Attraktivitätskriterien (u.a. Karriereperspektiven, sichere Berufsaussichten, hohes Gehalt, Reisetätigkeit) – gemessen an einer vierstufigen Skala (1 = ganz unwichtig, 4 = sehr wichtig) – werden von ihnen als wichtiger eingestuft als von den Nicht-Interessierten. Auch ein Vergleich der Präferenzreihenfolge zeigt interessante Ergebnisse. Eine angenehme Arbeitsatmosphäre belegt bei beiden Studentengruppen den ersten Platz. Während aber bei den interessierten Studenten auf Platz zwei Karriereperspektiven folgen, liegen bei den Nicht-Interessierten die Karriereperspektiven erst an sechster Stelle. Interessant ist auch eine höhere Gewichtung der Kriterien Verantwortungsübernahme und hohes Gehalt seitens der potenziellen Unternehmensberater. Auf den letzten beiden Plätzen der Attraktivitätskriterien liegen bei beiden Gruppen die Reisetätigkeit sowie das Firmenrenommee. Somit kann die Gruppe der an der Beratung Interessierten als karriereorientierter eingestuft werden als die restlichen Studierenden.
Die folgenden Ergebnisse beziehen sich primär auf diejenigen Studierenden, die Interesse daran haben, nach Studienabschluss in einer Unternehmensberatung tätig zu werden (circa 300 Studierende). Doch wie setzt sich diese Gruppe zusammen? Obwohl mehr als die Hälfte der Befragten weibliche Studierende sind, interessieren sich nur 36 Prozent der Studentinnen für den Beruf des Unternehmensberaters; in der Gruppe der männlichen Studierenden beträgt dieser Anteil 61 Prozent. Außerdem fällt auf, dass sich von den Interessierten jeder zweite Mann zutraut in der Strategieberatung zu arbeiten, während dies bei den Frauen nur 33 Prozent von sich behaupten können, in der IT-Beratung sogar noch weniger. Nur bei den HR-Beratungen stellen die Frauen die Mehrheit (Frauen 18 Prozent, Männer 11 Prozent).
High Potentials wollen Berater werden
In der Studie wird weiterhin zwischen der Studienrichtung und dem Studienerfolg unterschieden. Wie zu erwarten war, kann sich die breite Mehrheit der Wirtschaftsstudenten (80 Prozent) die Tätigkeit als Unternehmensberater vorstellen, bei Studierenden anderer Fächer sind es nur knapp 30 Prozent. Anhand einer Selbsteinschätzung werden außerdem High Potentials identifiziert. Ein High Potential erfüllt vier der fünf folgenden Kriterien: überdurchschnittlicher Studienerfolg, mindestens zwei Fremdsprachen auf fortgeschrittenem Niveau, soziales Engagement, Auslandserfahrung, relevante Praktika.
Da sich nur etwa 20 Prozent aller befragten Studierenden in diese Gruppe einordnen, kann diese Selbsteinschätzung als durchaus reliabel angesehen werden. Die Analyse zeigt, dass sich das Image des überdurchschnittlichen Anforderungsprofils eines Unternehmensberaters in dem Bewusstsein der Studenten etabliert hat, denn mit einem Anteil von 60 Prozent zeigen die High Potentials, die bevorzugte Zielgruppe der Unternehmensberatungen, ein deutlich höheres Interesse für die Branche als die sonstigen Studierenden. Weitere interessante Ergebnisse liefert die Analyse nach unterschiedlichen Beratungssegmenten. Dabei ist zu erkennen, dass sich die Mehrheit der potenziellen Unternehmensberater eine Tätigkeit bei einer Strategieberatung (etwa 40 Prozent) vorstellen kann, aber nur etwa 15 Prozent die HR-Beratung beziehungsweise 13 Prozent die IT-Beratung als interessant empfinden. Trotz der intensiven Bemühungen seitens der Strategieberatungen, High Potentials auch anderer Fachrichtungen als den Wirtschaftswissenschaften anzusprechen, geben nur 6,5 Prozent aller befragten Nicht-Wirtschaftswissenschaftler an, Interesse an einer Tätigkeit in der Strategieberatung zu haben (versus 63 Prozent der WiWis). Dieser Anteil ist allerdings immer noch höher als für das Segment der IT- (2,8 Prozent versus 13,5 Prozent) beziehungsweise der HR-Beratung (4,6 Prozent versus 11,8 Prozent).
Wer bekannt ist, der ist attraktiv
Im folgenden Abschnitt soll detaillierter auf die Bekanntheit und Attraktivität ausgewählter Beratungsunternehmen eingegangen werden. Dabei wurden in jedem Beratungsfeld fünf Unternehmen ausgewählt. Bei den Strategieberatungen sind dies Bain & Company, Booz & Company, McKinsey & Company, Roland Berger Strategy Consultants und The Boston Consulting Group, bei den HR-Beratungen Mercer, Hay Group, Aon Hewitt, Kienbaum und Towers Watson. Die Gruppe der IT-Beratungen bilden Accenture, Bearing-Point, Capgemini, Deloitte und IBM Global Business Services.
Die Bemühungen der Unternehmen, mit gezielten Maßnahmen des Hochschulmarketings ihre Bekanntheit zu erhöhen, spiegeln sich in der Auswertung der Ergebnisse wider. Alle fünf in der Umfrage vorkommenden Strategieberatungen haben auf ihren Online-Karriereseiten einen ganzen Bereich den Hochschulevents gewidmet, die von Unternehmenspräsentationen bis hin zu Workshops zur Ansprache bestimmter Absolventengruppen reichen. Auch IT-Beratungen sind im Bereich des Hochschulmarketings aktiv. Da sie eine breitere Masse als die Strategieberatungen ansprechen, sind sie neben den klassischen Hochschulveranstaltungen vor allem auf diversen Absolventen- und Karrieremessen stark präsent. Von den fünf untersuchten HR-Beratungen berichtet am ehesten Kienbaum über Vorträge und Workshops an deutschen Hochschulen.
Tabelle 1 zeigt den Bekanntheitsgrad und die Attraktivität von Unternehmensberatungen der verschiedenen Segmente, bewertet von Studierenden, die Interesse an einem Job in der Beratungsbranche äußern. Der Bekanntheitsgrad wurde dabei mit der Frage „Kennen Sie dieses Unternehmen?“ gemessen und die Attraktivität durch die Frage „Können Sie sich vorstellen, für dieses Unternehmen zu arbeiten?“, gemessen auf einer Skala von 0 (gar nicht vorstellen) bis 10 (sehr gut vorstellen). Die ersten fünf Rangplätze im Bekanntheitsranking nehmen drei Strategieberatungen und zwei IT-Beratungen ein, mit McKinsey und IBM an der Spitze. Als erste HR-Beratung taucht, wie gemäß der Präsenz an den Hochschulen erwartet, Kienbaum an sechster Stelle auf.
Tabelle 1
Bekanntheitsgrad und Attraktivität ausgewählter Beratungsunternehmen

Die Skalierung in der linken Tabelle reicht von einer zehn (sehr gut vorstellen) bis zu einer Null (gar nicht vorstellen). Rechts zeigt sich der relative Anteil der Nennungen.
Theoretische Ansätze im Employer Branding lassen eine positive Korrelation zwischen dem Bekanntheitsgrad eines Unternehmens und der wahrgenommenen Arbeitgeberattraktivität erwarten. Diese kann auch in der vorliegenden Studie bestätigt werden. Der berechnete Rangkorrelationskoeffizient von 0,84 weist auf einen stark positiven Zusammenhang zwischen dem Bekanntheitsgrad und der Bewertung des Unternehmens als attraktiver Arbeitgeber hin.
Diskrepanz zwischen Ansprüchen und Realität
Tabelle 2 zeigt einen Abgleich zwischen den bereits dargestellten Attraktivitätskriterien (erster Teil) und der Branche der Unternehmensberatung. Die an der Beratung interessierten Studierenden wurden befragt, welche Kriterien aus ihrer Sicht der Beratungsbranche zugeordnet werden können. Die am meisten genannten Kriterien sind hohes Gehalt, exzellente Karriereperspektiven, Reisetätigkeit, Teamarbeit, frühe Verantwortungsübernahme und Weiterbildungsmöglichkeiten. Mit Abstand am wenigsten mit der Unternehmensberatung in Verbindung gebracht wurden die Attraktivitätskriterien ausgewogene Work-Life-Balance, angenehme Arbeitsatmosphäre, Corporate Social Responsibility und sichere Berufsaussichten. Sehr interessant ist jedoch, dass gerade drei von diesen Faktoren (außer CSR) unter den vier wichtigsten Attraktivitätskriterien bei der Arbeitgeberwahl zu finden sind.
Tabelle 2
Attraktivitätskriterien und wahrgenommenes Vorhandensein in der Unternehmensberatung

Die Skalierung der Attraktivitätstreiber (erste Spalte) reicht von einer Vier (sehr wichtig) bis zu einer Eins (ganz unwichtig).
Dies verdeutlicht, dass die mit der Beratungsbranche am wenigsten assoziierten Attraktivitätstreiber für potenzielle, zukünftige Bewerber aber die wichtigste Rolle bei der Suche nach dem Wunscharbeitgeber spielen. Hier ist folglich noch erhebliches Verbesserungspotenzial für Unternehmensberatungen erkennbar. Das dennoch vorhandene Interesse an einer Tätigkeit in der Beratung seitens der Studierenden legt aber die Vermutung nahe, dass das wahrgenommene Fehlen einer angenehmen Arbeitsatmosphäre, sicherer Berufsaussichten sowie einem ausgeglichenen Privatleben durch Faktoren wie exzellente Karriereperspektiven, Weiterbildungsmöglichkeiten, frühe Verantwortungsübernahme und hohes Gehalt kompensiert wird. Dies wird auch durch das Ergebnis deutlich, dass sich 83 Prozent der befragten Studenten, die bereits ein Praktikum in der Beratungsbranche absolviert haben, weiterhin eine Tätigkeit als Unternehmensberater vorstellen können.
Bei der Analyse dieses Abgleiches nach Beratungssegmenten zeigen sich für HR-Beratungen zwei interessante Ergebnisse. Eine angenehme Arbeitsatmosphäre sowie flexible Arbeitszeiten sind die zwei Attribute, die am ehesten bei HR-Beratungen wahrgenommen werden. Eher negativ fällt folgendes Ergebnis auf: die geringe Bewertung der HR-Beratungen in puncto Firmenrenommee. Während dieses Attraktivitätskriterium bei den Strategie- und IT-Beratungen auf dem ersten Rangplatz vorzufinden ist, wird dies nur viel seltener mit HR-Beratungen assoziiert. Ähnliches gilt auch für ein hohes Gehalt.
Ethische und moralische Vorbehalte
Als letztes sollte untersucht werden, welche Gründe gegen einen Job als Unternehmensberater aus Sicht der Studierenden sprechen. Dazu werden diejenigen Befragten herangezogen, die sich laut eigener Angabe nicht vorstellen können, in der Unternehmensberatung zu arbeiten. Interessanterweise nennen nur sehr wenige Studenten die vermuteten Faktoren wie fehlende Work-Life-Balance oder kontinuierlicher Leistungsdruck. Die überwiegende Mehrheit der Antworten lässt sich in die Kategorie ethische und moralische Gründe einordnen. Bei offenen Fragen dominieren Aussagen wie „kein Verantwortungsgefühl gegenüber gesamtgesellschaftlichen Belangen“ oder „reine Fokussierung auf Gewinnmaximierung“. Gerade die großen Beratungsunternehmen bemühen sich aber zunehmend, mit Pro Bono-Programmen und gemeinnützigen Projekten das Image einer „seelenlosen“ Branche zu bekämpfen und machen diese Informationen insbesondere auf den Karriereseiten zugänglich. Jedoch zeugen die Kommentare davon, dass diese Botschaft noch nicht ausreichend bei allen Studierenden angekommen zu sein scheint.
Autoren
Dr. Patrick Kampkötter, Wissenschaftlicher Assistent, Universität zu Köln, Seminar für ABWL und Personalwirtschaftslehre,
patrick.kampkoetter@uni-koeln.de
Maria Marantsenboyn, Studentin Master Science Business Administration, Universität zu Köln,
maria.marantsenboyn@googlemail.com
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