Ausgabe 6 - 2012
„Demokratisierung der Personalberatung“

Mitarbeiter-Empfehlungsprogramme sind im Kommen, wie die MEP-Studie der Hochschule Furtwangen zeigt. Es gibt aber durchaus Unternehmen, die zur Vorsicht raten. Studienautor Armin Trost sagt uns, warum das so ist.
Personalwirtschaft: Waren Sie überrascht über die Ergebnisse Ihrer Studie?
Ja, vor allem über die Erfolgsquote von sieben zu drei. Sieben Empfehlungen führen zu drei Einstellungen. Das ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, wie viele Bewerbungen ein Unternehmen bei den klassischen Recruiting-Wegen erhalten muss, damit jemand eingestellt wird. Empfehlungsprogramme rechnen sich also.
Wie erklären Sie sich diese hohe Trefferquote?
Es findet eine natürliche Vorselektion statt. Dadurch, dass die Mitarbeiter nur jemanden empfehlen werden, dem sie fachlich vertrauen und von dem sie glauben, dass er im eigenen Unternehmen glücklich sein wird. Die Menschen sind in der Auswahl der Empfehlungen sehr verantwortungsvoll.
Das heißt, Mitarbeiter sind selbst gute Recruiter?
Ja, die Empfehlungen weisen eine hohe eignungsdiagnostische Valididät auf, sowohl im Hinblick auf das Fachliche als auch in Bezug auf die kulturellen Aspekte. Es erweist sich als großer Vorteil, dass die Mitarbeiter beide Seiten gut kennen, das Unternehmen und die empfohlenen Freunde.
Wie wichtig sind die finanziellen Anreize bei den Mitarbeiter-Empfehlungsprogrammen?
Dieser Aspekt ist wichtig. Ich kenne Unternehmen, die haben es zunächst ohne Prämien versucht. Sie waren der Annahme, dass eine intrinsische Motivation ausreichen müsse. Aber dem war nicht so. Die Empfehlungen kamen erst in Gange, als auch eine Prämie damit verbunden war. Ich kann auch verstehen, dass dieser Anreiz wichtig ist. Eine Empfehlung spricht man nicht einfach zwischen Tür und Angel aus, man muss schon auch Zeit investieren, sein Netzwerk pflegen und sichten. Der Bonus sollte allerdings nicht inflationär in die Höhe schnellen, sonst läuft man Gefahr, dass sich die Mitarbeiter mehr um die Empfehlungen als um ihren Job kümmern. In manchen Ländern wird daraus ein regelrechtes Business gemacht.
Welche Argumente sprechen gegen Mitarbeiter-Empfehlungsprogramme?
Einige Unternehmen haben Angst, dass auf jede Einstellung ein Bonus gewährt werden muss. Deshalb hat beispielsweise SAP kein Empfehlungsprogramm eingeführt. Jemand, der bei SAP anfängt, kennt bestimmt irgendjemanden im Unternehmen. Da läuft man Gefahr, dass sich dann Mitarbeiter und Bewerber im Nachhinein einen Bonus teilen, obwohl die Einstellung gar nicht über die Empfehlung zustande kam. Ich kenne allerdings kein Unternehmen, das diesen Effekt tatsächlich registriert und deshalb sein Programm eingestellt hat.
Vetternwirtschaft ist ein Argument, das auch gerne vorgebracht wird.
Der Vorwurf kommt aus dem alten Denken heraus. Daimler argumentiert beispielsweise so. Sie gehen von der Annahme aus, dass eigentlich jeder zu Daimler möchte. Wenn sich dann jemand über eine Empfehlung bewirbt, hätte er ja einen Vorteil gegenüber den anderen Bewerbern, so die Denkweise. Aber eine Empfehlung ersetzt ja nicht die sorgsame Prüfung. Grundsätzlich erhoffen sich die Unternehmen von den Empfehlungsprogrammen, mehr und bessere Bewerbungen zu erhalten. Deshalb zählt dann das Gegenargument der Vetternwirtschaft nicht.
Wie sollten Personaler, die MEP einführen möchten, das Thema angehen?
Ich würde erst einmal schauen, bei welchen Positionen Bewerberengpässe auftreten. Mit den betroffenen Abteilungen und Mitarbeitern würde ich dann erst einmal darüber reden und Rat einholen. Ratsam ist es sicherlich, es in einem Bereich einfach mal auszuprobieren, bevor man flächendeckend losmarschiert. Allerdings könnte der Betriebsrat etwas dagegen haben, wenn man eine Prämie nur für einen bestimmten Bereich vorsieht.
Müssen Personalberater jetzt Angst bekommen, wenn sich die Mitarbeiter-Empfehlungsprogramme immer weiter durchsetzen?
Für bestimmte Positionen ja. Aber vielleicht können sich Personalberater dann auch wieder mehr auf ihr Kerngeschäft besinnen, nämlich auf die Besetzung von Top Management-Positionen. Für die mittleren Positionen findet ja insgesamt eine Demokratisierung der Personalberatung statt. Recruiter haben mittlerweile durch Social Media-Netzwerke Zugriff auf Qualifikationsprofile, die früher nur Personalberatern vorbehalten waren.
Autor
Das Interview führte Erwin Stickling.
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