Was Nachwuchskräfte erwarten
Nachwuchskräfte bekunden ein großes Interesse an der Personalentwicklung. Sie sind bereit, dafür Zeit und Mühe zu investieren. Und sie haben konkrete Vorstellungen darüber, was für sie sinnvoll ist. Eine aktuelle Studie zeigt, welche Erwartungen jüngere Mitarbeiter an die Personalentwicklung haben.
Mit der Personalentwicklung werden in Unternehmen vielfältige Ziele verfolgt. Während die traditionelle Sichtweise eine Verbesserung der Qualifikationen einzelner Mitarbeiter in den Vordergrund stellt, blicken Personaler und Führungskräfte immer häufiger auf eine Reihe weiterer Gesichtspunkte: etwa die Erweiterung des Führungsinstrumentariums, die Steigerung der Mitarbeitermotivation sowie die positive Beeinflussung der Unternehmenskultur. Studien belegen, dass Personalentwicklung die Mitarbeiterbindung stärkt: Die Bereitschaft, in einem Unternehmen zu verbleiben, wird wesentlich davon beeinflusst, ob Wünsche nach Höherqualifizierung, beruflicher Veränderung und Mentoring realisiert werden können. Folglich müssen die Erwartungen der Mitarbeiter berücksichtigt werden. Denn vor allem junge Nachwuchskräfte haben häufig präzise Vorstellungen bezüglich ihres beruflichen Werdegangs. In der Rolle passiver Konsumenten von Personalentwicklungsmaßnahmen fühlen sie sich zunehmend unwohl. In diesem Sinne stellt eine auf Bedürfnisse ihrer Zielgruppen ausgerichtete Personalentwicklung ein wertvolles Mittel zur Erhöhung der Arbeitgeberattraktivität dar.
Die thematische Ausrichtung von Fachzeitschriftenartikeln jüngeren Datums lässt erkennen, dass bestimmte Personalentwicklungsinstrumente – so etwa die Bereiche Coaching und Mentoring, auch aber Nachwuchsförderprogramme, Traineeprogramme und Gesundheitsmanagement – als besonders wichtig angesehen werden. Als Erfolgsfaktoren bei der Ausgestaltung der Personalentwicklungsmaßnahmen für junge Nachwuchskräfte gelten das Engagement der Vorgesetzten, Praxisbezug im Sinne von „Learning on the job“ sowie die Berücksichtigung individueller Erwartungen.
Wünsche und Erwartungen
Mit dem zuletzt genannten Punkt, den Erwartungen bezüglich der Personalentwicklung, befasst sich die an der Hochschule Koblenz durchgeführte Studie. Folgende Fragen stehen dabei im Mittelpunkt des Interesses: Welchen Stellenwert besitzt die Personalentwicklung aus der Sicht der Nachwuchskräfte? Welche Personalentwicklungsmaßnahmen werden als wichtig angesehen? Welche Vorstellungen haben die Nachwuchskräfte bezüglich der Ausrichtung der Personalentwicklung? Welche Bedingungen müssen aus der Sicht der Nachwuchskräfte erfüllt sein, damit die Personalentwicklung erfolgreich ist?
Als Instrument der Datenerhebung wurde ein schriftlicher Fragebogen eingesetzt. An der Befragung beteiligten sich 595 Studierende und Absolventen. Deren Alter lag zum Zeitpunkt der Untersuchung zwischen 18 und 34 Jahren. Etwa 56 Prozent der Befragten (n=336) sind weiblich, rund 44 Prozent (n=259) männlich. 73 Prozent der Studierenden geben als Studienrichtung Betriebswirtschaftslehre mit verschiedenen Vertiefungsrichtungen, wie „Gesundheits- und Sozialwirtschaft“, „Logistik und E-Business“ oder „Sportmanagement“ an. 15 Prozent sind Vertreter technischer Fachrichtungen (EDV, Elektronik, Maschinenbau, Mechatronik sowie Mathematik und Physik), andere Studiengänge nehmen einen Anteil von 12 Prozent ein. Knapp ein Viertel der Studienteilnehmer bringt Berufserfahrung mit.
Gehalt schlägt PE
In Übereinstimmung mit den Erkenntnissen anderer Erhebungen zeigen die Befunde, dass Personalentwicklung für die Studierenden einen hohen Stellenwert besitzt und ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl des künftigen Arbeitgebers darstellt. Knapp 83 Prozent der Befragten bekunden generelles Interesse, an Personalentwicklungsmaßnahmen teilzunehmen. 76 Prozent sehen darin ein wichtiges Instrument zur Erreichung ihrer beruflichen Ziele. 77 Prozent der Studienteilnehmer sind der Meinung, dass Personalentwicklung wesentlich zur Mitarbeiterbindung beiträgt. 68 Prozent bestätigen die Aussage, dass Personalentwicklung das Zusammengehörigkeitsgefühl stärkt. Ferner – so die Meinung von etwa 70 Prozent der Studienteilnehmer – bewirkt sie Verbesserung der Unternehmenskultur, weil Kommunikation und Austausch gefördert werden.
Unabhängig von der durchweg positiven Bewertung stimmen nur 21 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass sie ein niedrigeres Gehalt im Vergleich zu einem Konkurrenzangebot akzeptieren würden, wenn ihnen im Gegenzug hervorragende Personalentwicklung in Aussicht gestellt wird – 41 Prozent schätzen die Vergütung als wichtiger ein. Es ist festzuhalten, dass Personalentwicklung trotz des hohen Stellenwertes nicht als Substitut für eine angemessene Vergütung angesehen wird.
Relevanz von PE-Maßnahmen
Die Studienteilnehmer wurden zunächst gebeten, den Bekanntheitsgrad von zehn auf der Basis von Literaturanalyse und Eingangsinterviews mit der Zielgruppe ausgewählten Personalentwicklungsmaßnahmen auf einer Skala (1 = „noch nie gehört“, 2 = „schon gehört“, 3 = „sehr bekannt“) einzuschätzen. Zu den bekannten Personalentwicklungsinstrumenten zählen allgemeine Fort- und Weiterbildungskurse, Auslandseinsätze, Trainee-Programme und Sprachkurse. Über 50 Prozent der Studienteilnehmer geben an, von Führungskräfteprogrammen, von der Laufbahn- und Karriereplanung, von Coaching und von Mentoring bereits gehört zu haben. Die Unterstützung bei Master-Abschlüssen und Gesundheitsmanagement sind bei relativ vielen Studierenden eher unbekannt – hier haben respektive 33 Prozent und 27 Prozent der Befragten die Antwort „noch nie gehört“ angekreuzt. Durch die in den Fragebogen integrierte Beschreibung der einzelnen Personalentwicklungsmaßnahmen wurde sichergestellt, dass alle Teilnehmer ein einheitliches Verständnis von den einzelnen Personalentwicklungsmaßnahmen haben, bevor sie eine Einschätzung der Wichtigkeit auf einer Skala (1 = „für mich persönlich unwichtig“, 2 = „weder wichtig noch unwichtig“, 3 = „für mich persönlich eher wichtig“ 4 = „für mich persönlich sehr wichtig“) vornahmen.
Sehr hohe Relevanz wurde am häufigsten den Traineeprogrammen, dem Mentoring, den allgemeinen Fort- und Weiterbildungskursen sowie den Sprachkursen attestiert. Coaching, Führungskräftetrainings, Laufbahn- und Karriereplanung sowie Auslandseinstätze wurden als „eher wichtig“ angesehen. Die von den Befragten gelieferten Begründungen für die persönlichen Präferenzen bieten Einblicke in die Denkweise und Überlegungen von jungen Nachwuchskräften (siehe Abbildung 1).
Abbildung 1
Begründung der Relevanz unterschiedlicher PE-Maßnahmen

Folgende Aspekte erweisen sich als besonders relevant:
Onboarding: Junge Nachwuchskräfte äußern einen klaren Wunsch nach einem gut organisierten Onboarding, welches durch Traineeporgramme oder Mentoring unterstützt werden kann.
Mentoring: Die Bedeutung von Wissen und die Notwendigkeit des lebenslangen Lernens sind den Nachwuchskräften bewusst. Das hohe Interesse an Mentoring zeigt, dass der Erfahrung älterer Kollegen eine große Wertschätzung entgegengebracht wird.
Karriereentwicklung: Nachwuchskräfte sehen Personalentwicklungsmaßnahmen als Weg, ihren beruflichen Aufstieg zu beschleunigen, ihre Position im Unternehmen zu festigen und gleichzeitig ihre Unabhängigkeit vom aktuellen Arbeitgeber zu steigern.
Abwechslung: Durch die Teilnahme an Personalentwicklungsmaßnahmen sollen Wünsche nach Mobilität, nach Flexibilität, nach Abwechslung und nach Erweiterung des eigenen Horizontes realisiert werden.
Skills: Nachwuchskräfte erwarten von Unternehmen eine Unterstützung beim Ausbau der Fähigkeiten, bei welchen sie ihrer Meinung nach Defizite aufweisen – etwa Führungsskills oder Sprachkenntnisse.
Freizeit wird investiert
Bei der gewünschten Anzahl der für Personalentwicklungsmaßnahmen vorgesehenen Tage pro Jahr weichen die Erwartungen der Studierenden deutlich von der Realität ab (insbesondere in kleinen und mittelständischen Unternehmen). Knapp 90 Prozent der Befragten erwarten mehr als fünf Tage Weiterbildung pro Jahr: 38 Prozent wünschen sich fünf bis zehn Tage und 31 Prozent sogar zehn bis 15 Tage für Weiterbildung oder andere PE-Maßnahmen. Immerhin haben die Studierenden dabei nicht den Spaßfaktor eines bezahlen Urlaubs vor Augen: 50 Prozent der Befragten sind bereit, an Personalentwicklungsmaßnahmen auch in der Freizeit teilzunehmen. Nur 17 Prozent der Studienteilnehmer lehnen diese Vorstellung kategorisch ab. Während die Freizeit als eine akzeptable Investition für die eigene Entwicklung angesehen wird, wird eine finanzielle Beteiligung eher kritisch betrachtet: Nur 18 Prozent der Befragten wären bereit, die Kosten einer Maßnahme zu tragen.
Learnings für die Praxis
Zum Abschluss des Fragebogens wurden die Studienteilnehmer gebeten, den Satz „Personalentwicklung ist erfolgreich, wenn…“ zu vervollständigen. Neben den naheliegenden Ideen bezüglich der Regelmäßigkeit der Maßnahmen oder der Freiwilligkeit der Teilnahme fanden sich unter den Antworten oft tiefergehende Überlegungen (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2
„Personalentwicklung ist erfolgreich, wenn…“

Nachwuchskräfte stellen hohe Anforderungen an die Personalentwicklung und setzen sich intensiv mit ihrer Sinnhaftigkeit auseinander.
Die Aussagen zeigen, dass Studierende hohe Anforderungen an Personalentwicklung stellen und sich intensiv mit der Frage nach deren Sinnhaftigkeit auseinandersetzen. Dabei haben sie nicht nur ihre eigenen Ziele im Blick. Auch der Nutzen der Personalentwicklung für das Unternehmen und deren sinnvolle Einbindung in die Unternehmensphilosophie und -strategie werden als wesentliche Erfolgsfaktoren erkannt.
Die Einsicht, dass es notwendig ist, sich weiterzuentwickeln, ist weit verbreitet. Auch die Bereitschaft, Zeit und Kräfte zu investieren, stellt kein Problem dar – sie ist da. Das sind gute Nachrichten. Allerdings nur für Unternehmen, die Personalentwicklung als eine strategische Aufgabe wahrnehmen, an die Ziele des Unternehmens anbinden und sinnvoll aufbauen und kommunizieren. Mit einem Sammelsurium punktueller Maßnahmen, die nach Gießkannenprinzip verteilt werden, kommt man heutzutage nicht weiter. Eines steht nämlich fest: Unternehmen müssen sich bei der Ausrichtung ihrer Personalentwicklung auf ein anspruchsvolles Publikum einstellen.
Die Autorinnen haben auf der Grundlage der Studienerkenntnisse eine Checkliste entwickelt. Diese bietet Hilfestellung bei der Einschätzung, wie gut Ihr Unternehmen in Sachen Personalentwicklung aufgestellt ist.
Kontakt:paulina.jedrzejczyk@simpeq.com
Autorinnen
Dr. Paulina Jedrzejczyk, Partnerin bei der Unternehmensberatung SIMPEQ – The unexpected company, Mainz, Lehrbeauftrage an der Hochschule Koblenz,
paulina.jedrzejczyk@simpeq.com
Prof. Dr. Bettina Fischer, Lehrstuhl für Marketing und Unternehmensführung, Hochschule RheinMain, Wiesbaden Business School,
bettina.fischer@hs-rm.de
- Ein schwieriger Spagat
- Zwischen Traum und Albtraum
- Von der Planung zur Einführung
- Steuerungseinheit auf Augenhöhe
- „Wir leben eine moderne Führungskultur“
- Schichtführer als Change Manager
- Neuer Schwung für den Außendienst
- Was Nachwuchskräfte erwarten
- Atempause für eine Qualitätsoffensive
- Begrenzte Überlassungsdauer, begrenzte Flexibilität
- Der nachhaltige Arbeitgeber
- Gemischtes Gesamtbild
- Unterschiedliche Bewerbertypen vergleichbar machen
- Über den Tellerrand
- Jenseits der Skepsis
- Abgeben fällt schwerer, als gedacht
- Gehälter im weltweiten Vergleich
- Verzögerter Wechsel
- Zur Zufriedenheit aller