Ausgabe 6 - 2015
Ignoranz ist fehl am Platz

Wie geht es Managern, die mit 40plus in der Regel ihren Karrierezenit erreicht haben im Unternehmen? Die Autoren einer explorativen Studie zur Managergeneration 40plus fühlen sich in ihren Vermutungen bestätigt: Ältere Manager werden von HR eher übersehen und deren Wissen und Engagement wird nicht wertgeschätzt.
Seit Generationen kümmern sich die Personalmanager von Unternehmen vor allem um die Gewinnung und Entwicklung sogenannter Young High Potentials. Die prognostizierte demografische Entwicklung und der befürchtete zukünftige Fachkräftemangel verstärken dies. Das wirft die Frage auf, welche sonstigen Personalressourcen wir in unseren Unternehmen haben und nutzen können, um Engpässe auszugleichen. In diesem Zusammenhang rückt vor allem die Zielgruppe der Managergeneration 40plus in den Blickpunkt – also diejenigen, die ihren Karrierezenit in der Regel bereits erreicht haben, gleichwohl aber noch bis zu 20 Jahre im Unternehmen bleiben können. Gefühlt scheinen aber gerade diese älteren Manager seitens HR eher randständig behandelt, möglicherweise sogar vernachlässigt zu werden. Im Rahmen eines qualitativen Forschungsprojekts im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Hochschule Niederrhein haben wir uns deshalb einmal etwas eingehender mit der Managergeneration 40plus beschäftigt. Unser allgemeines Ziel war es herauszufinden, was diese Zielgruppe kennzeichnet (Selbstbild) und wie sie seitens HR gesehen wird (Fremdbild).
Unsere Kernhypothesen dabei waren,
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dass die Managergeneration 40plus vor dem Hintergrund des weitverbreiteten Jugendwahns von HR tendenziell sich selbst überlassen wird,
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dass keine systematische, zielgruppenspezifische Managemententwicklung stattfindet und
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dass daraus eine suboptimale Arbeitsmotivation der Manager 40plus resultiert, die wiederum zu einer geringeren Performance und damit letztlich zu einer insgesamt unbefriedigenden Wertschöpfung der vorhandenen personellen Ressourcen im Unternehmen führt.
Das Projekt erstreckte sich von Oktober 2014 bis Januar 2015. Die Datenerhebung fand mittels leitfadengestützter (Telefon-) Interviews im Dezember 2014 statt. Die Stichprobe bestand aus 60 zufällig ausgewählten Business-Managern der Generation 40plus aus Unternehmen unterschiedlicher Größenordnungen und Branchen und umfasste die Hierarchieebenen Vorstand/Geschäftsführer (n = 12/20 Prozent), Bereichsleiter/Hauptabteilungsleiter (n = 19/32 Prozent), Abteilungsleiter (n = 17/28 Prozent) und Gruppenleiter (n = 12/20 Prozent). Das Durchschnittsalter betrug 52 Jahre, der Anteil der weiblichen Manager lag bei 17 Prozent. Darüber hinaus wurden 13 wiederum zufällig ausgewählte Personalmanager, ebenfalls aus Unternehmen unterschiedlicher Größenordnungen und Branchen, befragt. Diese kamen jedoch nicht aus den gleichen Unternehmen wie die befragten Business-Manager. Aus der Fülle der Ergebnisse sind hier die wichtigsten kurz und thesenartig zusammengefasst.
• Die allgemeine Arbeitszufriedenheit der Manager 40plus liegt bei „Zwei minus“.
Insgesamt betrachtet ist die Arbeitszufriedenheit der Manager 40plus mit einem Mittelwert (MW) von 2,28 auf einer Schulnotenskala (1 = sehr hoch bis 6 = sehr niedrig) als noch hoch zu bezeichnen. Bei 57 Prozent der Manager hat sich deren Arbeitszufriedenheit im Laufe ihrer bisherigen Karriere verbessert. Vergrößert hat sich dabei vor allem der Entscheidungsspielraum (85 Prozent der Befragten). Aber auch der Tätigkeitsinhalt hat sich verbessert (59 Prozent der Befragten). Die Zufriedenheit mit der Entwicklung der eigenen beruflichen Laufbahn ist hoch (MW = 1,73).
• Motivator ist in erster Linie der Inhalt der Tätigkeit.
Wesentliche Arbeitsmotive der Managergeneration 40plus sind heute vor allem der „Inhalt der Tätigkeit“ (58 Prozent der Befragten), das „soziale Klima“ (52 Prozent), die „Führungsmotivation“ sowie die „Gestaltungsmotivation“ (beide 48 Prozent). Im Laufe der Berufszeit ist insbesondere das „soziale Klima“ als Treiber wichtiger geworden (plus 29 Prozentpunkte), gefolgt von der „Gestaltungsmotivation“ (plus 16 Prozentpunkte) und der „Führungsmotivation“ (plus 13 Prozentpunkte). Besonders stark abgenommen hat die Bedeutung des „Gehalts“ (minus 20 Prozentpunkte), der „persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten“ (minus 19 Prozentpunkte) und der „Leistungsmotivation“ (minus 13 Prozentpunkte, siehe auch Abbildung 1).
• Die Manager 40plus sehen sich selbst vor allem als „Wissensvermittler“.
Auf die Frage, wie sie sich selbst sehen, beschreiben 50 Prozent der Manager die wahrgenommene eigene Rolle als die eines „Wissensvermittlers“, gefolgt von den Rollen „Vorbild“ (17 Prozent), „Leistungsträger“ (13 Prozent) und „Motivator“ (10 Prozent).
• Das Entwicklungsangebot lässt zu wünschen übrig.
Das Angebot an Entwicklungsmaßnahmen wird seitens der befragten Manager prinzipiell als sehr breit beschrieben – angefangen von „Trainings/Seminaren“ über das „Coaching“ bis hin zum „Blended Learning“. Die Zufriedenheit damit ist insgesamt moderat (MW= 2,34). Am besten schneidet das „Training on the job“ ab (MW = 1,75), gefolgt von „Trainings und Seminaren“ (MW = 2,18) und „Tagungen und Kongressen“ (MW = 2,2); Schlusslicht ist das „Mentoring“ (MW = 3,15). Vermisst werden vor allem „personalisierte Maßnahmen“ (28 Prozent der Befragten) und „Führungsseminare“ (18 Prozent der Befragten).
Abteilungsleiter nicht zufrieden
Differenzieren wir unsere Untersuchungsergebnisse nach den unterschiedlichen Managergruppen, lässt sich feststellen: Von den untersuchten Hierarchiegruppen sind die Vorstände und Geschäftsführer am zufriedensten (MW = 1,83). Deren Arbeitszufriedenheit hat sich im Laufe ihrer Karriere stark verbessert (92 Prozent der Befragten), was vor allem an einer „Zunahme des Entscheidungsspielraums“ liegt (91 Prozent der Befragten). Besondere Treiber sind für Vorstände und Geschäftsführer heute „Leistungsmotivation“ und „Gestaltungsmotivation“ (jeweils 75 Prozent der Befragten). Mit der eigenen Karriereentwicklung ist man ebenfalls hochzufrieden (MW = 1,33).
Deutlich schlechtere Zufriedenheitswerte zeigen die Bereichs- und Hauptabteilungsleiter. Hier ist die allgemeine Arbeitszufriedenheit mit einem Mittelwert von 2,68 mit Abstand am niedrigsten im Vergleich aller untersuchten Hierarchieebenen. Im Laufe der Zeit hat sich die Arbeitszufriedenheit bei 53 Prozent der Befragten verschlechtert, was vor allem an „mangelnder Wertschätzung“ ihnen gegenüber liegt (70 Prozent der Befragten). Besonderer Treiber ist bei 58 Prozent der Bereichs- und Hauptabteilungsleiter die „Führungsmotivation“. Die Karrierezufriedenheit liegt bei einem Mittelwert von 1,89.
Abbildung 1
Treiber in der beruflichen Entwicklung

Auffallend ist, dass der Inhalt der Tätigkeit, das soziale Klima und der Gestaltungsspielraum für ältere Manager wichtiger werden als das Gehalt.
Abbildung 2
Rollenwahrnehmungen im Vergleich (Personaler vs. Manager)

Ältere Manager sehen sich als Wissensvermittler und Vorbild, während Personaler sie überwiegend als eingefahrene Führungskräfte sehen und nicht das Potenzial ihrer Erfahrung.
Ignoranz auf Seiten von HR
Die Befragung der Personaler führte im Vergleich mit den Ergebnissen der Manager-Interviews zu folgenden Befunden:
1. HR ignoriert die besonderen Bedürfnisse der Managergeneration 40plus.
Laut eigener Aussage bietet der Bereich Personal eine Vielzahl von Managemententwicklungsmaßnahmen an – vor allem „Trainings und Seminare“ (23 Prozent), „Tagungen und Kongresse“ (17 Prozent) sowie „interne Managementveranstaltungen“ (17 Prozent). Die Angebote richten sich generell an alle Manager. Spezifische Maßnahmen, die den besonderen Bedürfnissen der Vertreter der Generation 40plus entsprechen, werden nicht angeboten. Gleichwohl geht HR davon aus, dass die Zufriedenheit der Zielgruppe mit dem Entwicklungsangebot insgesamt bei einem Mittelwert von 1,98 liegt. Die tatsächlichen Bewertungen der Manager 40plus sehen – wie oben bereits erwähnt – aber etwas anders aus: Insgesamt ist man mit einem Mittelwert von 2,34 eine gute halbe Note weniger zufrieden.
2. HR missversteht die Managergeneration 40plus.
Eine geringe Übereinstimmung zwischen Personal- und Managersicht zeigt sich auch in der Rollenwahrnehmung: 54 Prozent der Personaler sehen die Manager 40plus als „eingefahrene Führungskräfte“, die stark gewohnheitsorientiert agieren und in ihrem Denken „verkrustet“ sind. Nur 15 Prozent der HR-Vertreter nehmen die Gruppe der Manager 40plus so wahr, wie diese sich selbst: als „Wissensvermittler“. Damit beträgt die Differenz zu deren Selbstbild 35 Prozentpunkte (siehe auch Abbildung 2). Ähnlich ist es bei den Treibern: Hier wird vor allem die „Leistungsmotivation“ vermutet (77 Prozent der Befragten), gefolgt vom „Status“ (54 Prozent) und der „Gestaltungsmotivation“ (46 Prozent). Die größten Fremdbild-Selbstbild-Diskrepanzen zwischen Personalern und Managern der Generation 40plus bestehen beim „sozialen Klima“, dessen Bedeutung für die Manager seitens der Personaler als sehr niedrig eingeschätzt wird (acht Prozent der Befragten; Differenz: 44 Prozentpunkte), und beim „Status“, der von 54 Prozent der Personalmanager für die Manager als sehr wichtig vermutet wird (Differenz: 41 Prozentpunkte). Weitgehend Übereinstimmung besteht darüber, dass die „persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten“ kein wesentlicher Treiber mehr sind (Differenz: fünf Prozentpunkte) und die „Gestaltungsmotivation“ ein wichtiger Motivator für die Manager 40plus ist (Differenz: zwei Prozentpunkte, siehe auch Abbildung 3).
Abbildung 3
Wahrnehmung der Treiber im Vergleich (Personaler vs. Manager)

Die größten Fremdbild-Selbstbild-Diskrepanzen zwischen Personalern und Managern der Generation 40plus bestehen bei der Bedeutung des „sozialen Klimas“.
Ungenutztes Potenzial
Werfen wir abschließend einen Blick auf unsere eingangs formulierten Hypothesen. In der Tat werden die Manager der Generation 40plus von HR weitgehend ignoriert, was sich vor allem im Fehlen spezifischer Angebote zur weiteren Managemententwicklung zeigt. Damit können die ersten beiden Hypothesen beibehalten werden. Hinsichtlich der Arbeitsmotivation ergibt sich ein differenzierteres Bild: Vor allem die Topmanager (Vorstände und Geschäftsführer) sind hochzufrieden, wohingegen das unmittelbar darunter positionierte „Upper Management“ (Bereichsleiter/Hauptabteilungsleiter) die unzufriedenste aller untersuchten Hierarchieebenen ist. Ein Erklärungsansatz dafür ist, dass diejenigen, die an der Spitze des Unternehmens stehen, zwar ihren Karrierezenit erreicht, es dabei aber auch bis ganz nach oben geschafft haben. Die Manager der zweiten Reihe haben in der Regel ebenfalls ihren Karrierehöhepunkt erklommen, damit aber möglicherweise ihr ursprünglich angestrebtes Ziel verfehlt, was offenkundig frustriert. Vor diesem Hintergrund wiegen die Ignoranz und das Missverständnis der Manager 40plus seitens HR besonders schwer, bleibt damit doch ein ungeheures Potenzial an Wissen und Engagement ungenutzt. Gerade in Zeiten knapper werdender personeller Ressourcen müssen Unternehmen Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit ihrer Manager so lange wie möglich auf maximalem Niveau erhalten.
Auch wenn unsere Untersuchungsergebnisse keinen Anspruch auf Repräsentativität haben, so sind sie unseres Erachtens doch interessante Momentaufnahmen, die durchaus als Anregung für das Personalmanagement dienen sollten, sich einmal gezielt mit der Managergeneration 40plus und den Möglichkeiten zur effektiven Nutzung deren Potenzials zu beschäftigen. Gewinnen würden hierbei alle.
Autor
Professor Dr. Alexander Cisik,
Hochschule Niederrhein, Fachgebiet Wirtschafts-, Organisations- und Arbeitspsychologie sowie wissenschaftlicher Leiter, cisikconsulting Agentur für Personal- und Organisationsberatung GmbH, Düsseldorf,
alexander.cisik@hs-niederrhein.de
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