Ausgabe 6 - 2015
Die bereinigte Fluktuation

Trotz des unterschiedlichen Verständnisses über die Berechnung der Mitarbeiterfluktuationsquote wird in den meisten Fällen die klassische Formel verwendet. Diese Formel ist jedoch nicht mehr zeitgemäß, so das Credo unseres Beitrags, der als aussagekräftiges Instrument die Berechnung der bereinigten Fluktuationsquote vorstellt.
Seit Beginn des Zeitalters der Massendatensammlung (Big Data) mit der Jahrtausendwende traten im Personalcontrolling von Unternehmen die ersten Ansätze auf, die Austritte der Mitarbeiter im Unternehmen zu messen und als kritische Kennzahl zu würdigen. Für jede Führungskraft beziehungsweise jeden Personalcontroller ist die sogenannte Fluktuationsquote ein Schlüsselparameter der Mitarbeiterstatistik, anhand dessen die Zufriedenheit eines Mitarbeiters in einem Unternehmen impliziert wird. Verwendet wird die Quote zumeist in Großunternehmen, da dort zum einen Daten kontinuierlich gesammelt und ausgewertet werden, zum anderen spezialisierte Abteilungen wie die Personalentwicklung die Verbesserung der Mitarbeiterzufriedenheit vorantreiben können.
Fluktuationsquote spiegelt Zufriedenheit
Allgemein wird die Quote als der prozentuale Anteil der Abgänge pro Mitarbeiterstand und Periode definiert. Die Berechnung der Fluktuationsquote differenziert sich je nach Unternehmen. Die Folgerung auf die Zufriedenheit erklärt sich dadurch, dass als Parameter nur die Austritte, denen eine alleine vom Mitarbeiter bestimmte Entscheidung vorausgegangen ist, gezählt werden. Dazu zählen die klassische arbeitnehmerveranlasste Kündigung oder ein Aufhebungsvertrag, der vom Mitarbeiter initiiert wurde oder die Nicht-Verlängerung beziehungsweise das Auslaufen eines Arbeitsvertrages trotz eines Weiterbeschäftigungsangebotes des Arbeitgebers. Die Arbeitnehmergruppe wird in der Fluktuationsquote ebenfalls speziell definiert, um eine Beeinflussung durch Extremgruppen zu vermeiden. Aus diesem Grund werden ausschließlich festangestellte Mitarbeiter in der Berechnungsformel berücksichtigt; fluktuationsstarke Mitarbeitergruppen wie Aushilfen, Werkstudenten et cetera finden in der Kennzahl keine Berücksichtigung. Bei der Analyse der Fluktuationsquote wird außerdem eine Betrachtung nach diversen Sichtweisen vorgenommen: Eine Einteilung in Abteilung, hierarchische Stellung, geografischer Standort, Funktionsbereich et cetera sollte für eine konkrete Ursachenerkennung vorgenommen werden. Diese Einordnung ist je nach Unternehmensverständnis zu definieren und fortlaufend beizubehalten. Es ist wichtig, innerhalb eines Unternehmens dasselbe Verständnis von beispielsweise den berücksichtigten Mitarbeitern zu haben, um komparative Werte verwenden zu können.
Die Fluktuationsquote ist vor allem als Vergleichsparameter gedacht – besonders die Gegenüberstellung zum Vorjahr und zum Planungswert, der prognostiziert wurde (Soll-Ist-Analyse), sind relevante Vergleichsparameter. Naturgemäß gibt es für diese Kennzahl wenig sinnvolle Vergleichswerte anderer Unternehmen, da sich die Berechnungsweise normalerweise stark unterscheidet. Als Benchmark kann aber ebenso gut eine vergleichbare eigene Unternehmenseinheit gewählt werden.
BDA-Fluktuationsformel
Trotz des unterschiedlichen Verständnisses über die Berechnung der Mitarbeiterfluktuationsquote wird in den meisten Fällen die klassische Formel – (mitarbeiterveranlasste) Austritte in der Periode geteilt durch den durchschnittlichen Mitarbeiterbestand in der Periode – verwendet. Es wird von der sogenannten BDA-Formel (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände) gesprochen, die von der BDA empfohlen wird (siehe Abbildung 3).
Die Formel wurde in Zeiten vergleichsweise stabiler Arbeitsstrukturen und Unternehmensorganisationen übernommen. Wenn ein Mitarbeiter das Unternehmen verließ, wurde die Planstelle direkt nachbesetzt. Vor diesem Hintergrund erscheint die Syntax dieser Formel plausibel.
In der heutigen Zeit, in der sich Teamstrukturen nahezu wöchentlich ändern und ganze Organisationseinheiten in ihrer Größe schwanken und bekanntlich die Arbeitnehmermobilität deutlich zugenommen hat, werden der BDA-Formel die Grenzen der Aussagekraft aufgezeigt. Nehmen wir zum Beispiel vereinfacht ein Team von fünf Mitarbeitern an, in dem ein Mitarbeiter im Mai 2014 das Unternehmen verlässt. In den Monaten vor dem Austritt waren stets fünf, anschließend vier Mitarbeiter im Arbeitsteam. Berechnet man nun die Fluktuation in einem Zwölfmonatszeitsraum, beginnend im Monat des Austritts, erhält man demnach als Zähler eins (ein Austritt in den letzten zwölf Monaten) und als Nenner fünf (durchschnittlich waren in den letzten zwölf Monaten fünf Mitarbeiter in dieser Organisationseinheit). Das Ergebnis ist eine Fluktuation von 20 Prozent. Für die Analyse zum Zeitpunkt des Austrittsmonats ist diese Berechnung richtig. Wird diese Planstelle nun aber nicht direkt nachbesetzt, ergibt sich in den künftigen elf Monaten folgendes Bild: Die Anzahl der Austritte beträgt weiterhin eins. Hingegen wird der durchschnittliche Mitarbeiterbestand immer geringer. Es werden zwei Parameter verwendet, die zeitlich differieren. Der Mitarbeiterbestand ist ebenso wie die Austritte als Stichtaggröße erklärt, die Fluktuationsquote ist als Zeitraumgröße definiert. Für das Ergebnis der Formel bedeutet dies, dass die Fluktuationsquote vom Mai 2014 von 20 Prozent auf nahezu 25 Prozent im April 2015 steigt, da der Nenner sich immer mehr der vier annähert (siehe Abbildung 1).
Man kann sich den Aussagewert dieser Kennzahl vorstellen: mathematisch korrekt, aber ohne praktischen Nutzen und Bezug zur Realität. Der Teamleiter hat zwölf Monate lang mit einer steigenden Fluktuation zu kämpfen, obwohl abgesehen von einem Austritt keine Veränderungen stattfinden. Im 13. Monat bricht die Fluktuationsquote dann von 25 auf 0 Prozent ein.
Neben der BDA-Formel ist in der Literatur von der Berechnung der Fluktuationsquote die Rede, in der zusätzlich die Mitarbeitereintritte innerhalb der Periode berücksichtigt werden (Schlüter-Formel). Dadurch fällt die Fluktuationsquote zumeist geringer aus, da die Abgänge durch neue Eintritte kompensiert werden. Die Problematik der Statik dieser Parameterberechnung, die auch schon bei der BDA-Formel auftritt, wird damit nicht behoben. Ein anderer, neuartiger Ansatz wird an dieser Stelle durch die „bereinigte“ Fluktuationsformel aufgezeigt. Diese wird im Folgenden hergeleitet.
Ableitung der bereinigten Fluktuation
Die Probleme, die die klassische Fluktuationsquote mit sich bringt, sind vor allem die für Maßnahmen ungeeignete Beschreibung der Mitarbeiterfluktuation durch die Statik in der Formel und die ereignisunabhängige Betrachtung. Die bereinigte Fluktuationsquote setzt sich grundsätzlich aus zwei verschiedenen Ansätzen zusammen: der Berücksichtigung der Veränderung und der Beachtung von zeitlichen Faktoren.
In der klassischen Fluktuationsquote werden die Austritte und der Mitarbeiterbestand als nicht verändernde Größen, also als statische Angaben dargestellt. Die Mitarbeiterbestandsberechnung erfolgt durch den Durchschnittswert, der sich durch die Addition des Mitarbeiterbestands dividiert durch die Periodenlänge ergibt. Schwankt der Mitarbeiterbestand jedoch in diesem Zeitraum, führt dies zu inkorrekten Ergebnissen. Beträgt der Mitarbeiterbestand beispielsweise für die ersten vier Monate der Periode fünf, danach kommen drei neue Mitarbeiter ins Team, bevor in den letzten vier Monaten sechs Mitarbeiter wieder das Team verlassen, ist der Mitarbeiterbestand laut klassischer Fluktuationsquote weder gestiegen noch gesunken, obwohl in den letzten Monaten der Betrachtung der Bestand deutlich geringer war. Aus diesem Grund schließt die bereinigte Fluktuationsquote eine dynamische Berechnung ein, um jede Veränderung innerhalb einer Periode möglichst genau betrachten zu können. Diese Berechnungsweise wird ebenfalls auf die Austritte angewendet, um auch hier mit Durchschnittszahlen arbeiten zu können. Jeder Einzelwert wird dabei zeitpunktkonform berücksichtigt. Alleine mit der Durchschnittsberechnung wird jedoch noch keine exakte Fluktuationsquote erreicht.
Gewichtung von Kennzahlen
Die zweite wichtige Neuerung bei der bereinigten Fluktuation ist die Gewichtung von Kennzahlen, um ein zeitliches Ereignis richtig einordnen zu können. Treten in einem Team beispielsweise zehn Mitarbeiter im ersten Monat der Periode aus, in den Folgenmonaten jedoch kein einziger mehr, wird in der klassischen Formel nicht differenziert, ob der Austritt im ersten, sechsten oder zwölften Monat stattgefunden hat. Die Führungskraft wird mit einer hohen Fluktuationsquote konfrontiert, obwohl der Austritt gegebenenfalls bereits Monate zurückliegt. Aus diesem Grund gewichtet die bereinigte Fluktuationsquote den aktuellsten Monat der Periode am stärksten und wertet langsam ab, sodass beispielsweise eine Betrachtung der letzten zwölf Monate im April 2015 die Austritte für den April 2014 am geringsten gewichten würde und Ereignissen, die im März 2015 passiert sind, die größte Gewichtung zuteilt.
Abbildung 1
Beispiel für eine Mitarbeiterfluktuation

Der Teamleiter hat zwölf Monate lang mit einer steigenden Fluktuation zu kämpfen, obwohl abgesehen von einem Austritt keine Veränderungen stattfinden. Im 13. Monat bricht die Fluktuationsquote dann von 25 auf 0 Prozent ein.
Mit diesen beiden Modifikationen der Berechnungsweise der Fluktuationsquote ist es möglich, die Probleme der klassischen Fluktuationsformel zu vermeiden und eine sehr präzise und der Realität entsprechende Fluktuation auszudrücken. Aus diesen Überlegungen ergibt sich letztendlich die Formel für die bereinigte Fluktuationsquote (siehe Abbildung 3).
Abbildung 2
Drei verschiedene Berechnungswege der Fluktuationsquote

Die Abbildung zeigt, wie sich die Fluktuationsquote je nach Anwendung der verschiedenen Formeln ändert.
Berechnung der bereinigten Fluktuation
Zur Veranschaulichung der bereinigten Fluktuationsquote dient weiterhin das oben genannte Team. Ziel ist, die Fluktuationsquote im Zeitraum von Mai 2014 bis April 2015 zu erstellen, wobei im Mai 2014 ein Mitarbeiter das Team verlassen hat. Im Folgenden wird die bereinigte Fluktuationsformel auf das oben erwähnte Beispiel angewendet (siehe Abbildung 3).
Nach Bildung der allgemeinen Formel und Anwendung der Formel auf unser Beispiel wird nun zwischen drei verschiedenen Fällen unterschieden. In der dargestellten Beispielsberechnung wird davon ausgegangen, dass ein Austritt eines Mitarbeiters ohne eine Neubesetzung der Planstelle erfolgt (Fall 1). Als Parameter wird der Austritt des aktuellen Monats verwendet und der Mitarbeiterbestand des Vormonats, sodass bei dem Beispiel im Mai ein Bestand von vier Mitarbeitern und ein Austritt gegeben ist. Daraus folgt, dass im ersten Monat nach Berechnung mit bereinigter Fluktuationsformel die Quote 20 Prozent beträgt. Der Unterschied zur Berechnungsweise der klassischen Fluktuationsquote ergibt sich nun in den Folgemonaten aufgrund der Gewichtungsverteilung, zum Beispiel für den Juni 2014: Die gewichteten Austritte ((0 * 12/12) + (1 * 11/12) + (0 * 10/12)…) werden durch den gewichteten Mitarbeiterbestand ((4 * 12/12) + (5 * 11/12) + (5 * 10/12)…), der durch 78/12 geteilt wird, dividiert. Der Austritt und der Mitarbeiterbestand aus dem Mai beziehungsweise April 2014 erhalten nur noch eine Gewichtung von 11/12, wodurch die Fluktuationsquote monatlich abnimmt. Demnach beträgt die Quote nur noch 18,92 Prozent. Durch die monatliche Abzinsung von Mitarbeiterbestand (Zähler) und Austritten (Nenner) bei gleichbleibenden Teamstrukturen nähert sich die Fluktuationsquote der Null an.
Auch für den Fall, dass die Planstelle nachbesetzt wird (Fall 2), liefert die BDA-Formel keine nützlichen Ergebnisse. In diesem Fall würde die Fluktuationsquote zwölf Monate lang 20 Prozent betragen, um im 13. Monat auf 0 Prozent zu fallen. Die bereinigte Fluktuationsquote zeigt, dass sowohl bei einem Austritt und gleichzeitiger Wiederbesetzung der Planstelle als auch bei mehreren Neueintritten (Fall 3) die Quote einen elastischen Verlauf darstellt.
Abbildung 3
Berechnungen der Fluktuationsquote

Keine statische Kennzahl
Durch die Einbeziehung dieses Abzinsungsfaktors wird aus der wichtigen Fluktuationskennzahl wieder ein praktikables und aussagekräftiges Instrument des Personalcontrollings. Die praktische Betrachtungsweise, die Fluktuationsquote nicht als statischen Wert für eine Periode zu sehen, sondern als sich kontinuierlich verändernde Kennzahl, welche die Unternehmensdynamik einbezieht, hilft Unternehmen, das Personalcontrolling hinsichtlich der Kennzahlenbildung zu erweitern und auch Führungskräften ein realistisches Bild der Mitarbeiterfluktuation zu verschaffen.
Autor
Adrian Scherer, Inhaber Minijob Manager, Montabaur,
info@minijobmanager.de
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